Edelweißpiraten

Gruppen deutscher Jugendlicher mit unangepasstem, teilweise oppositionellem Verhalten im Deutschen Reich von 1939 bis 1945, teilweise bis 1947
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Die Edelweißpiraten waren während der deutschen NS-Diktatur oppositionelle Jugendgruppen, die in der Rhein-Ruhr-Region aus der Bündischen Jugend entstanden. Der Justiz wurde der Name erstmals im Regierungsbezirk Düsseldorf bekannt, von wo aus er sich schnell in den Kölner Raum ausbreitete, wo die Edelweißpiraten besonders aktiv wurden. Die Kölner Gestapo legte z.B. etwa 3.000 Akten allein über die Kölner Gruppe an. Auch in anderen deutschen Städten gab es derartige Jugendgruppen, teilweise unter anderen Namen aber zumeist proletarisch geprägt. Dazu gehörten z.B. die Städte Dresden, Leipzig ("Meuten"), Düsseldorf ("Fahrtenjungs, Ruhrpiraten, Kittelbachpiraten"), Essen, Dortmund und Duisburg. Die Bezeichnung Edelweißpiraten setzte sich im Laufe des Zweiten Weltkrieges in der gesamten Rhein-Ruhr-Region durch.

Nicht direkt mit den Edelweißpiraten vergleichbar ist die unter anderem in Hamburg aktive Swingjugend, deren Angehörigen meist aus großbürgerlichem Umfeld kamen.

Ursprung und Merkmale

Sie wandten sich zuerst gegen die Hitler-Jugend (HJ), weil sie die Freizeit nicht auf deren Art verbringen wollten. Später kam Widerstand gegen das NS-Regime dazu. Sie übernahmen manche Nazilieder, aber dichteten sie um, um damit gegen die Gleichschaltung und die Naziideen zu protestieren. Zusätzlich sangen sie Lieder aus der Bündischen Jugend.

Die Edelweißpiraten gingen vor allem aus der Bündischen Jugend hervor. Von den Einheitsuniformen der Hitlerjugend hoben sie sich durch einen eigenen Stil - oft Skihemden, Wanderschuhe, Halstuch und kurze Lederhosen - ab. Ihr Erkennungszeichen war ein Edelweiß unter dem linken Rockaufschlag oder eine edelweißfarbene Stecknadel. Oft trug man auch Fantasiekluften, Totenkopfringe, Nägeln beschlagene Gürtel, Jungenschaftsjacken und benutzte die Kohte. Im Gegensatz zur HJ waren sie auch koedukativ.

Aktionen

Auf ihren Wochenendausflügen, Fahrten und Wanderungen in das Umland der Großstädte kam es nicht selten zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Hitlerjugend. Sie klebten Plakate gegen Hitler und für die Freiheit, und verübten wohl auch in bescheidenem Rahmen Sabotage. Einzelne Edelweißgruppen gingen so weit, Attentate auf nationalsozialistische Funktionäre durchzuführen, insbesondere auf die verhassten HJ-Führer. Rund ein Dutzend HJ-Führer wurden im Dritten Reich Opfer dieser Anschläge.

Ehrenfelder Gruppe

Besonders entschiedener Widerstand kam von der Ehrenfelder Gruppe, die über 100 Mitglieder umfasste. Es handelte sich hier um Edelweißpiraten aus dem Kölner Arbeiterstadtteil Ehrenfeld, um geflohene Häftlinge, Zwangsarbeiter, Russen, Juden, Deserteuren und Jugendlichen.

Bartholomäus Schink, einer der Edelweißpiraten, war am 10. November 1944 erst 16 Jahre alt, aber er wurde öffentlich zusammen mit fünf Kameraden im Kölner Stadtteil Ehrenfeld gehängt. Zusammen mit anderen Edelweißpiraten hatte er einen Sprengstoffanschlag auf das Kölner Gestapo-Hauptquartier (das "EL-DE-Haus") vorbereitet.

Hinrichtung vom 10. November 1944

Ohne Gerichtsurteil wurden an diesem Tag 13 Menschen (darunter fünf Jugendliche der Ehrenfelder Gruppe) in der Hüttenstraße in Köln von der Gestapo hingerichtet. Die Hinrichtung erfolgte öffentlich. Über 400 Menschen schauten bei der Hinrichtung zu.

Hingerichtet wurden:

  • Hans Steinbrück, * 12. April 1921
  • Günther Schwarz, * 26. August 1928
  • Gustav Bermel, * 11. August 1927
  • Johann Müller, * 29. Januar 1928
  • Franz Rheinberger, * 22. Februar 1927
  • Adolf Schütz, * 3. Januar 1926
  • Bartholomäus Schink, * 25. November 1927
  • Roland Lorent, * 12. März 1920
  • Peter Hüppeler, * 9. Januar 1913
  • Josef Moll, * 17. Juli 1903
  • Wilhelm Kratz, * 6. Januar 1902
  • Heinrich Kratina, * 15. Januar 1906
  • Johann Krausen, * 10. Januar 1887

Nach 1945

Bruno Bachler, einer der überlebenden Edelweißpiraten, erzählt, wie er nach Verbüßung einer Haft im Konzentrationslager einer Strafkompanie an der Ostfront zugeteilt wurde, die zum Räumen von Minenfeldern benutzt wurde. Das geschah so, dass die Sträflinge Hand in Hand über ein Minenfeld marschieren mussten, wobei einige von ihnen das Leben verloren.

Kurt Piehl ist ein überlebender Edelweißpirat aus Dortmund, der in seinem Buch "Latscher, Pimpfe und Gestapo" ausführlich das Leben eines Edelweißpiraten beschrieben hat. Die Kölner Edelweißpiraten werden zum Beispiel im Buch "Edelweißpiraten" von Fritz Theilen beschrieben. Jean Jülich, ein weiteres Mitglied der Kölner Gruppe, wurde 1984 in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" geehrt.

Datei:Ehrenfeld Gedenktafel.jpg
Gedenktafel für Opfer des NS-Regimes

In Köln-Ehrenfeld erinnert seit dem 9. November 2003 eine Gedenktafel an die gehängten Edelweißpiraten. Die Tafel ist an den Bögen der Bahnunterführung in der Schönsteinstraße, Nähe Venloer Straße, angebracht - in der Nähe, in der heutigen Bartolomäus-Schink-Straße, hat die Hinrichtung stattgefunden. Die Tafel war schon Jahre vorher fertiggestellt worden, aber auf Druck der CDU wieder abgenommen worden. Die CDU hat seit Kriegsende die Anerkennung der Edelweißpiraten als Widerstandskämpfer zu verhindern versucht, teilweise mit Argumenten, die direkt aus Gestapo-Verhörprotokollen zitiert wurden.

Die Inschrift der Gedanktafel in der Schönsteinstraße lautet:

Hier wurden am 25. 10. 1944 elf vom NS-Regime zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppte Bürger Polens und der UdSSR und am 10. 11. 1944 dreizehn Deutsche – unter ihnen jugendliche Edelweißpiraten aus Ehrenfeld sowie andere Kämpfer gegen Krieg und Terror – ohne Gerichtsurteil öffentlich durch Gestapo und SS gehenkt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Begriff Edelweißpiraten von einigen nationalsozialistisch geprägten Jugendlichen weiter verwendet, die in der sowjetischen Besatzungszone teilweise gewaltsamen und bewaffneten Widerstand gegen die Besatzer leisteten. Die Edelweißpiraten an Rhein und Ruhr existierten noch bis etwa 1947.

Referenzen

Siehe auch

Literatur

  • Alexander Goeb: Er war sechzehn, als man ihn hängte. Das kurze Leben des Widerstandskämpfers Bartholomäus Schink. ISBN 3-499-23026-7
  • Paulus Buscher: Das Stigma „Edelweiß-Pirat“ ISBN 3-926584-01-7
  • Jean Jülich: Kohldampf, Knast und Kamelle. Ein Edelweißpirat erzählt sein Leben. Mit einem Vorwort von Wolfgang Niedecken. ISBN 3-462035-40-1
  • Wilfried Breyvogel (Hrsg.): Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im Nationalsozialismus ISBN 3-8012-3039-2
  • Matthias von Hellfeld: Edelweißpiraten in Köln. Jugendrebellion gegen das 3. Reich. ISBN 3-760907873
  • Kurt Piehl: Latscher, Pimpfe und Gestapo. ISBN 3-925798870
  • Fritz Theilen: Edelweißpiraten ISBN 3897052725

Filme

Der Film, der eine wahre Begebenheit aus dem Köln der letzten Kriegsjahre erzählt, wird vom ehemaligen Edelweißpiraten Jean Jülich eingeleitet. Es sind Erinnerungen. Von seinen damaligen Jugendkameraden hat keiner den Krieg überlebt. (...) Edelweißpiraten zeigt dagegen einen sehr elementaren Widerstand von unten, roh, unkultiviert und unkontrolliert. Die Edelweißpiraten waren keine Humanisten der Gewaltfreiheit, organisierten sich illegal Waffen und benutzten sie. Stern.de über diesen Film