Mumifizierung im Alten Ägypten

altägyptische Verfahren nach dem Tod zum Schutz vor dem Zerfall des menschlichen oder tierischen Körpers
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Unter Mumifizierung, auch als Einbalsamierung oder Mumifikation bezeichnet, versteht man einen Vorgang zum Schutz vor Verwesung (→ Hauptartikel: Mumifizierung). Der Vorgang soll den Erhalt des Körpers garantieren. Er dauerte im alten Ägypten ca. 70 Tage. In der Literatur wird die Dauer von 70 Tagen damit erklärt, dass der Stern Sirius 70 Tage lang für die Ägypter unsichtbar war.

Die astronomischen Daten stützen diese Aussage. Die "Unsichtbarkeit" war an den Beobachtungsorten Fayum, Memphis und Assuan von unterschiedlicher Dauer (siehe auch Ägyptischer Kalender). In einem in demotischer Schrift angefertigten religiösen Papyrus um 180 v. Chr. wird der heliakische Aufgang des Sirius für den 16.Payni festgehalten. Nur die Beobachtungsorte Fayum und Memphis weisen sowohl in dieser Zeit als auch ab 1900 v. Chr. die beschriebenen 70 Tage der Unsichtbarkeit für Sirius auf.

Allgemeines

 
Natürliche Mumifizierung in einem Grab aus Prädynastischer Zeit

Einer der Gründe, warum die Mumifizierung im alten Ägypten so beliebt war, ist wohl der Glaube an ein Leben nach dem Tod (siehe Totenkult). Die Ägypter begruben ihre Toten ab der Prädynastischen Zeit in der Wüste, wo sie durch Trockenheit, Hitze und Salzgehalt des Sandes natürlich konserviert wurden. Als sie jedoch anfingen sie in Särgen und Gräbern zu beerdigen, stellten sie fest, dass die Toten zu verwesen begannen. So experimentierten sie, bis sie wahrscheinlich die Erfahrungen, Fleisch und Fisch mit Salz zu präparieren, auf den Menschen übertrugen. Sie rieben die Körper mit Natronsalz ein, worauf hin sie trockneten. Ab den Alten Reich kam die "Bandagenmumifizierung" hinzu. Außerdem erkannte man, dass die inneren Organe entnommen werden mussten, um den Verwesungsprozess zu unterbinden. An deren Stelle kamen trockene Substanzen. Dann wurden die Toten mit Harz eingerieben und mit Bandagen umwickelt, die bei Frauen sehr einem Kleid und bei Männern einer Hose ähnelten. Im Laufe der Zeit gab es Veränderungen in der Mumifizierung und auch in der Aufbewahrung der inneren Organe.

Aufbewahrung der inneren Organe

Nach dem Tod beginnt der Verwesungsprozess zuerst bei den Organen und im Gehirn. Wenn sich das Gehirn zersetzt läuft es aus dem Hinterhauptloch heraus und es bleibt nur eine dunkelbraune schwammartige Masse aus den Resten der Blutgefäße und Hirnhaut im Schädel zurück. Die Ägypter hatten dies schon früh beobachtet und entfernten deshalb das Gehirn mit einem langen Haken durch die Nase heraus. Wissenschaftler waren deshalb lange der Meinung das Gehirn sei nicht entfernt worden, da sie keine Schäden an der Schädeldecke feststellen konnten. Die anderen Organe wurden durch einen einfachen Einschnitt im Bauch entfernt.

Für die Aufbewahrung waren schon in früher Zeit vier Kanopenkrüge Tradition. Sie waren aber wohl eher symbolisch, denn man fand oft leere und die dazugehörigen Organe noch im Körper. In späterer Zeit wurde die Verpackung der Organe aufwändiger. Man wickelte sie einzeln in Leinentücher, legte sie in die Kanopenkrüge und übergoss sie mit einem harzähnlichen Salböl. Diese Krüge standen oft in einem sackförmigen Steinkasten und die Verschlüsse der Krüge wurden oft zu Menschenköpfen ausgearbeitet. Doch auch jetzt war es nicht wichtig, dass alle Krüge wirklich gefüllt waren, Ritual war wichtiger als Realitäten.

Veränderungen in der Mumifizierung

Es gibt einige Veränderungen in der Mumifizierung des Alten Ägyptens. In sehr früher Zeit wurden die Toten so in Binden eingewickelt, dass jedes Glied einzeln verpackt wurde, um den Verstorbenen in der Welt jenseits möglichst viel Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Im Laufe der Zeit wickelte man die Toten in immer mehr Leinentücher ein, so dass sie fertig mumifiziert einem unförmigen Kokon ähnelten. Bei diesem Verfahren verbrauchte man ca. 375 Quadratmeter Stoff. Viele kleine Talismane und Amulette wurden mit eingewickelt. In dieser Zeit legte man die fertige Mumie mit samt der Maske aus stuckiertem, bunt bemaltem Leinen in einen Holzsarg, der eine grobe menschliche Form hatte. Diesen Holzsarg mit der Mumie legte man in einen zweiten rechteckigen Steinsarg. Dem Glauben der Ägypter nach kann der Tote durch die großen auf der Maske aufgemalten Augen und die an der Wand am Kopfende des Steinsarges aufgemalten Augen (die Mumie liegt auf der Seite) hinaus in die Welt blicken.

Ablauf der Mumifizierung

Wenn im alten Ägypten ein wohlhabender Bürger oder Würdenträger starb, brachte man den Leichnam in das Einbalsamierungshaus, der dort von den Priestern auf einen hölzernen oder steinernen Tisch gelegt wurde. Entweder arbeiteten die Balsamierer außerhalb der Ortschaft am Nil oder in der Nähe eines Bewässerungskanals, denn zum Waschen des Körpers wurde reichlich Wasser benötigt.

Waschung des Leichnams und Gehirnentnahme

Nach Herodot stand am Anfang der Einbalsamierung die Waschung des Leichnams.

Danach wurde das Gehirn entnommen. Die Gehirnentnahme konnte nicht einfach so durchgeführt werden, dass es durch die Nasenlöcher herausgenommen wurde. Zuerst musste man die Hirnhaut aufschneiden und das Gehirn verquirlen, bis es die Konsistenz eines dickflüssigen Breis hatte. Nach einiger Zeit verflüssigte sich das Gehirn durch die natürliche Verwesung. Die Nasenlöcher wurden künstlich erweitert, damit das Gehirn besser herausfließen konnte. Man durchstach das Siebbein, um Zugang zum Gehirn zu haben. Es konnte nun, neben der Hirnsubstanz und der Hirnhaut, mit einem Haken durch die Nase entfernt werden. Doch Vorsicht war hierbei geboten, denn das Gesicht des Leichnams durfte nicht beschädigt werden, da man ihn im Totengericht wieder erkennen musste.

Danach wurde erhitztes, dünnflüssiges Salböl in den Schädel gegossen. Das Salböl bestand aus einem Gemisch verschiedener Harze, Bienenwachs, aromatisierenden Pflanzenölen und manchmal auch aus Erdpech. Viele dieser Zutaten wie Harz und Erdpech mussten aus Nachbarländern importiert werden.

Entnahme der Eingeweide

Nachdem dieser wohl schwierigste Teil erledigt war, wandten sich die Balsamierer dem Leib des Leichnams zu. Sie zogen eine Linie entlang der linken Flanke und schnitten mit einer Klinge aus Obsidian den Bauchraum auf. Daraufhin entnahm man die Eingeweide. Dennoch wurden nicht alle Organe entnommen, wie zum Beispiel das Herz, das nach dem damaligen Verständnis der Sitz aller Körper- und Verstandeskräfte war. Auch die Nieren ließ man im Leichnam zurück, weil man deren Funktion nicht kannte und sie außerdem schwer erreichbar waren.

Danach wurde die Bauchhöhle mit Palmwein und aromatischen Essenzen gereinigt, mit Myrrhepulver und anderen Stoffen gefüllt.

Damit der Leichnam nicht verwesen kann, musste ihm die Flüssigkeit entzogen werden. Hierfür wurde trockenes Natron oder Nitron verwendet. Magen, Lunge, Gedärme und Leber wurden mit zerriebenem Räucherwerk behandelt und dann ebenfalls in Natron eingelegt. Die Behandlung mit dem Natron dauerte ungefähr 35 - 40 Tage.

Salbölbehandlung und Körperhöhlenfüllung

Nach dieser Trocknungsphase konnte die eigentliche Balsamierung beginnen: Nach einer Waschung goss man erhitztes Salböl in den Körper und rieb es sorgfältig ein. Die spröde Haut gewann ihre Elastizität zurück und sie sah nicht mehr so ausgetrocknet aus.

Die nach ihrer Entfernung gesondert präparierten Eingeweide und inneren Organe (Lungen, Gedärme, Magen und Leber) setzte man nach einer Behandlung mit Salböl in vier Krüge - in die sogenannten Kanopen. Diese sind Gefäße aus Alabaster, Stein oder Ton, deren Deckel als die Köpfe von vier Schutzgöttern der Eingeweide gestaltet waren, die vier Horus-Söhne. Die Krüge wurden in Kästen aufbewahrt. Die Kanopen sollen die Organe schützen.

Der Brust- und Bauchraum wurde nun mit den verschiedensten Gegenständen aufgefüllt: Leinenpäckchen, Natronbeutel, oft auch Sägespäne vermischt mit Gewürzen, Samen und Flechten wurden benutzt. Hinzu kamen manchmal große Mengen an Spezereien wie Myrrhe, Weihrauch, Öle, Harze, Fette und Bienenwachs, denen man außer ihrem Wohlgeruch auch eine konservierende Wirkung zuschrieb. So wurde ein Zusammenfallen der Körperhöhle verhindert und die Leiche erhielt ihr natürliches Volumen zurück. Die Nasenöffnungen wurden auf verschiedene Arten aufgefüllt, z. B. bei der Mumie Tutanchamuns mit salbölgetränkten Leinenbinden, bei Ramses II. erstaunlicherweise mit Pfefferkörnern.

Da auch die Augäpfel durch den Wasserentzug stark schrumpften, setzte man einfach Leinenbäusche, kleine Küchenzwiebeln oder bemalte Steine ein. Die Finger wurden mit Schnüren umwickelt, um die Fingernägel zu stabilisieren. Außerdem wurden Zwiebelschalen auf Augen, Mund, Nase und Hals geklebt und ganze Zwiebeln an den Fußsohlen befestigt. Der Gebrauch von Zwiebeln und anderen pflanzlichen Objekten war jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Wichtige Körperteile schützte man zuweilen mit entsprechend geformten Goldauflagen; im Mundbereich fanden sich vereinzelt goldene Zungenplättchen. Bei kostbar ausgestatteten königlichen Mumien wurden empfindliche Partien wie Finger und Zehen durch Goldhülsen gesondert geschützt.

Der Schnitt im Bauch wurde nun wieder verschlossen. Dies geschah nur vereinzelt durch Zunähen (wie von Herodot beschrieben), sondern meist mit Leinen, einer Wachsplatte oder bei königlichen Personen mit einem dünnen Goldblech.

Umhüllung des Mumienkörpers

Nun musste man den Leichnam mit Binden umwickeln. Für das Einwickeln nahmen sie entweder speziell für das Begräbnis gekauftes Material oder in passende Streifen gerissene ausgediente Haushalts- und Bekleidungstextilien. Vor dem eigentlichen Wickeln hatte man alle Binden nach Verwendungsart, Länge, Breite und Dicke geordnet und den Beginn jeder Bahn markiert. Um den Leichnam ohne Probleme mit Binden zu umwickeln, lag dieser auf einer speziell angefertigten Liege. Bei aufwändig hergestellten Mumien wurde zuerst jedes einzelne Glied, dann die Extremitäten und schließlich der gesamte Rumpf in mehreren Lagen bandagiert. Bei diesem nach festen Regeln vollzogenen Ritual führte meistens ein Priester in der Maske des schakalköpfigen Gottes Anubis die Oberaufsicht. Die Bandagen wurden mit Harz zusammengeklebt. Zum Abschluss konnten auch noch großformatige Leichentücher mit daraufgemalten Gottheiten zur Umhüllung verwendet werden.

Während dieses Vorgangs wurden zahlreiche magische Amulette aus Fayence, Halbedelsteinen und anderen kostbaren Materialien beigefügt, die entweder lose mit eingewickelt oder auf den Mumienbinden festgenäht wurden. Sie hatten alle ganz spezielle Schutzfunktionen und sollten die Regeneration des Verstorbenen nach seinem Tode sichern. Oft wurde dem Verstorbenen ein mit magischen Formeln beschrifteter Herzskarabäus auf die Brust gelegt und mit eingewickelt oder dem Herzen beigelegt. Durch die Verwendung dieser Formeln sollte vermieden werden, dass das Herz beim Totengericht gegen seinen Besitzer aussagte. Manchmal wurde dem Einbalsamierten eine mehrere Meter lange Papyrusrolle, das Totenbuch, zwischen die Hände gelegt und mit eingewickelt oder mit in den Sarg gegeben. Diese auf Papyrus oder Leinen geschriebenen Texte sind eine Zaubersprüche- und Ratschlägesammlung, die, einem Reiseführer ähnlich, dem Verstorbenen dabei helfen sollten, sich im Totenreich zurechtzufinden.

Sarglegung

Die Mumifizierung des Leichnams ist nur ein Versuch, den Toten für die Ewigkeit auszustatten. Nachdem der Leichnam durch Einbalsamieren sowie das Wickeln mit Leinenbinden physisch und durch Amulette auch geistig-magisch geschützt war, wurde noch ein weiterer Schutz durch einen Sarg benötigt, und wenn möglich, einen diesen noch umschließenden Sarkophag. Der Sarg war meist auf der Innenseite bemalt. Dabei spielten Türen und Augen eine wichtige Rolle, damit der Verstorbene seine Grabbeigaben wahrnehmen und sein Ka in die Außenwelt treten konnte. Im Alten Reich und am Anfang des Mittleren Reiches hatten die Särge noch Kastenform, danach wurden sie in anthropomorpher (menschlicher) Gestalt angefertigt.

Nach der Einbalsamierung

Nach der Einbalsamierung vollzogen Priester an der Mumie verschiedene Rituale, wie zum Beispiel die Mundöffnungszeremonie, die dem Verstorbenen den Gebrauch seiner Sinne zurückgeben sollte. Sie bestand aus zahlreichen einzelnen Handlungen: Reinigungsopfern, Räuchern, wiederholten Salbungen, und dem Berühren des Gesichts mit speziell dafür vorgesehenen Gerätschaften.

Kosten

Bedingt durch den hohen Preis der Öle und Substanzen, die für die Mumifizierung im alten Ägypten notwendig waren, gab es entsprechend unterschiedliche Qualitäten der Mumifizierung. Pharaonen und ihre Gattinen, gelegentlich auch Katzen, die als Tiergötter verehrt wurden, wurden durchweg mit der höchsten Qualitätsstufe mumifiziert, was nur in Ausnahmefällen bei königlichen Schreibern und anderen hochgestellten Staatsbediensteten der Fall war. Auch reiche Bewohner konnten sich eine Mumifizierung leisten. Eine Mumifizierung mittlerer Qualitätsstufe kostete, auf heutige Kaufkraft umgerechnet, etwa 30.000 Euro. Aufgrund der annähernden Mittellosigkeit breiter Bevölkerungsschichten, konnten sich nur Wenige eine Mumifizierung dieser Art leisten.

Zusammenfassung

Die Mumifizierung besteht aus folgenden Schritten:

  1. Erste Waschung der Leiche
  2. Entfernung des Gehirns durch die Nasenlöcher
  3. Eingießen von Salböl in den Schädel
  4. Entfernung der Eingeweide
  5. Zweite Waschung der Leiche
  6. Entwässerung der Leiche und der Eingeweide durch Natron (35-40 Tage)
  7. Dritte Waschung der Leiche
  8. Salbung der Leiche und der Organe nach der Entwässerung
  9. Ausstopfung der Körperhöhlen
  10. Besondere Behandlung bestimmter Körperteile (z. B. Nägel)
  11. Verschluss des Einschnitts
  12. Letzte Vorbereitungen vor dem Bandagieren
  13. Bandagierung der Mumie (15 Tage)

Tiermumien

Nicht nur beim Menschen wurde die Einbalsamierung durchgeführt, sondern auch bei Tieren. Wenn zum Beispiel ein Lieblingstier starb (z. B. Hund, Katze), so konnte man das Tier auch mumifizieren. Manchmal wurden auch spezielle Särge und Stelen angefertigt.

In einzelnen Tieren sahen die Ägypter aber auch die Verkörperung einer Gottheit. Man hielt diese in Tempeln, versorgte sie mit besonderer Nahrung und behängte sie manchmal mit Schmuck; und wenn diese Tiere starben, erhielten sie ein aufwändiges Begräbnis, wie zum Beispiel Paviane. Besonders hervorzuheben ist hier der Apis-Stier, der mumifiziert in einer eigenen Grabsstätte, dem Serapeum beigesetzt wurde.

Ebenso mumifiziert wurden zum Beispiel: Katzen, Krokodile, Hunde, Falken, Skarabaen, Spitzmäuse und Schlangen.

Literatur

  • Ägyptische Mumien. Unsterblichkeit im Land der Pharaonen. Hrsg. v. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2007, ISBN 978-3-8053-3778-6
  • Klaus Volke: Die Chemie der Mumifizierung im alten Ägypten. Chemie in unserer Zeit 27(1), S. 42 - 47 (1993), ISSN 0009-2851
  • Renate Germer: Das Geheimnis der Mumien. Ewiges Leben am Nil. Prestel, München/New York 1998, ISBN 3-7913-1782-2
  • Renate Germer: Die Mumifizierung in Regine Schulz und Matthias Seidel (Herausgeber): Ägypten. Die Welt der Pharaonen. Könemann, Köln 1997, ISBN 3-8950-8541-3
  • Renate Germer: Mumien. Patmos, Düsseldorf 2005, ISBN 3-4919-6153-X
  • Alfried Wieczorek, Michael Tellenbach, Wilfried Rosendahl (Hrsg.): Mumien. Der Traum vom ewigen Leben. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2007, ISBN 978-3-8053-3779-3