Metábasis eis állo génos
Unter einer Metábasis eis állo génos (gr. μεταβασις εις αλλο γενος, wörtl. Übergang in eine andere Art, gemeint hier: Begriffssphäre) oder Übergriff in ein anderes Gebiet versteht man einen plötzlichen Sprung in einer Beweisführung oder Argumentation, in dem man auf fehlerhafte Weise nicht mehr den ursprünglichen Gegenstand der Beweisführung behandelt, sondern einen völlig anderen.
Der Ausdruck stammt ursprünglich aus der Analytica posteriora von Aristoteles, wo er darstellt, dass geometrische Gesetzmäßigkeiten nicht durch arithmetische Sätze bewiesen werden dürfen:
„Οὐκ ἄρα ἔστιν ἐξ ἄλλου γένους μεταβάντα δεῖξαι, οἷον τὸ γεωμετρικὸν ἀριθμητικῆι.
(Folglich darf man auch Behufs eines Beweises nicht in ein anderes Gebiet übergreifen; so darf z.B. das Geometrische nicht durch arithmetische Sätze bewiesen werden.)“
Ebenso wird der Begriff in der aristotelischen Physik als Hinübergehen von einer Dimension in die andere verwendet (z.B. für das Hinübergehen aus der Linie in die Fläche und aus dieser wiederum in den Körper):
„Ἀλλ’ ἐκεῖνο μὲν δῆλον, ὡς οὐκ (268b.) ἔστιν εἰς ἄλλο γένος μετάβασις, ὥσπερ ἐκ μήκους εἰς ἐπιφάνειαν, εἰς δὲ σῶμα ἐξ ἐπιφαείας·
(Eines jedoch ist klar. Wir können den Körper nicht auf eine andere Gattung hin überschreiten, wie wir von von der Linie zur Fläche und von der Fläche zum Körper übergegangen sind.)“
Verwendung
bei Kant
„Gleichwohl hat man sich die Freiheit genommen, einen solchen Absprung (μεταβασις εις αλλο γενος) zu tun. Man schloß nämlich aus den Veränderungen in der Welt auf die empirische Zufälligkeit, d. i. die Abhängigkeit derselben von empirisch bestimmenden Ursachen, und bekam eine aufsteigende Reihe empirischer Bedingungen, welches auch ganz recht war“
„2901. υ-ψ. L 72'. Zu L §. 261: differentia numerica (s Caius, Titius ) und specifica (s -- generica (toto genere unterschieden, eine materia peccans sui generis, μεταβασις εἰς αλλο γενος). ) numero diversa possunt esse specie eadem.“
„Der Übergang von einem Geschäfte zum anderen geschieht nicht so wie der eines bewegten Korpers indem er gleichformig eine Linie beschreibt in einem Augenblik sondern es wird eine Zeit dazu erfordert um sich zu dem anderen Geschäfte nachdem man das erstere Verlassen hat einer gewissen Absicht gemäs anzuschicken und es zu vollenden. Ebendaß sollte man denken werde auch zu dem Ubergange von der Metaphys. d. N. zur Phys. erfordert. Allein hier ist nicht die Frage von einer mechanischen Beschäftigung sondern reinen Intellectuellen dem Wechsel des Princips (μεταβασις εις αλλο γενος) von Begriffen einer Art (den reinen a priori) zu Begriffen anderer Art (empirischen) überzuschreiten und da sind Zwischenbegriffe nöthig die weder ganz zu dem einen Territorium der Naturwissenschaft noch ganz zum Anderen gehören und zwar darinn daß die erstern auf das Subject die andern auf das object bezogen unter einander zur Einheit verbunden werden.“
bei Bolzano
„Zweytens muß ich anzeigen, daß ich mich auch bey einem völlig strengen Beweise noch nicht befriedigen zu dürfen glaubte, wenn derselbe nicht aus den Begriffen, welche die zu beweisende thesis enthält, selbst hergeleitet ist, sondern sich vielmehr irgendeines zufälligen, fremdartigen Mittelbegriffes bedient, welches allemal eine fehlerhafte μεταβασις εις αλλο γενος ist. Hieher zählte ich in der Geometrie den Fehler, daß man alle Sätze von Winkeln und Verhältnissen gerader Linien gegeneinander (in Dreyecken) mittelst Betrachtungen der Ebene erweiset, wozu in den thesibus gar keine Veranlassung enthalten ist. Hieher zähle ich auch den Begriff der Bewegung, den manche Mathematiker zu Beweisen reingeometrischer Wahrheiten angewandt haben.“