Oskar Kusch

deutscher Marineoffizier, U-Boot-Kommandant im Zweiten Weltkrieg und NS-Opfer
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. Mai 2005 um 17:11 Uhr durch Steschke (Diskussion | Beiträge) (Die Mannschaft von „U 154“). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Oskar-Heinz Kusch (*6. April 1918 in Berlin, †12. Mai 1944 in Kiel) war ein deutscher U-Boot-Kommandant im Zweiten Weltkrieg.

Kuschs Jugendzeit

Kusch war von 1924 bis 1928 Schüler der Volksschule Berlin-Schöneberg und besuchte von 1928 bis 1936 das Hohenzollerngymnasium Berlin-Schöneberg, wo er im Herbst 1936 das Reifezeugnis erhielt. Schon im Kindesalter kam er als Zehnjähriger 1928 zur Bündischen Jugend und gehörte der Deutschen Freischar und dem Deutschen Pfadfinderbund an. Aus der Ringgemeinschaft deutscher Pfadfinder bildete sich der „Tahoe-Ring“, woraus 1932 der Jungenbund „Südlegion“ hervorging, wo auch Kusch aktiv war. Diese Gruppe interessierte sich für humanistische Literatur und Philosophie. Die Gruppe wurde 1933, als die Unterdrückung der Bündischen Jugend begann, als Spielschar in die Hitler-Jugend (HJ) übernommen und später illegal weitergeführt, als die Säuberung der HJ vorgenommen wurde. Kusch schied 1935 aus der HJ aus, nachdem die von ihm geführte Gruppe der Spielschar „Oskar“ aufgelöst worden war. Jedoch gehörte er der Gruppe bis 1937 illegalerweise weiter an. Einige Anzeichen weisen darauf hin, dass Kusch während dieser Zeit von der Gestapo überwacht wurde. So die Angabe der Staatspolizeistelle (STL) Berlin und die Bemerkung der STL, Kusch habe sich in Briefen an seinen ehemaligen Gruppenführer der Bündischen Jugend, Dr. Pallas, in „krasser Form“ über den Reichsarbeitsdienst geäußert, den er von Oktober 1936 bis März 1937 ableistete.

Kusch in der Marine

Oskar Kusch trat am 3. April 1937 als Seeoffiziersanwärter in die Kriegsmarine ein. Kuschs Wunsch Seemann zu werden wird mehrere Gründe gehabt haben. Seine Mutter sagte 1949: „Insbesondere beschäftigte er sich mit Marinebüchern und äußerte früh den Wunsch, er wolle Kommodore werden. […] Als mein Sohn dann selbst Kommandant eines U-Bootes wurde, war er sehr stolz darauf.“

Die Begeisterung für die Marine, Abenteuerlust und der in der Bündischen Jugend geschulte Führerinstinkt werden auch eine Rolle gespielt haben.

Am wichtigsten jedoch werden politische und ideologische Erwägungen gewesen sein. Denn in § 26 des Wehrgesetzes heißt es: „Die Soldaten dürfen sich politisch nicht betätigen. Die Zugehörigkeit zur NSDAP oder einer ihrer Gliederungen oder zu einem der ihr angeschlossenen Verbände ruht für die Dauer des aktiven Wehrdienstes.“, was Kusch wohl sehr gelegen kam. Die Wehrmacht – und besonders die Marine – galt als Ort, an dem man sich dem Griff der NSDAP entziehen konnte, denn die Wehrmachtführung war sehr auf ihre Autonomie erpicht.

Hinzu kommt: Das Ergreifen eines zivilen Berufs hätte sich als schwierig erweisen können, da hierfür oftmals eine Mitgliedschaft in einer NS-Organisation erforderlich war, was Kusch ideologisch bedingt ablehnte. Außerdem musste er auch aufgrund seiner illegalen Tätigkeit in der Bündischen Jugend mit Schwierigkeiten bei diesem Vorhaben rechnen.

So kam es, dass Kusch nach Aufenthalten auf verschiedenen Lehrschiffen und Teilnahme an Lehrgängen als Fähnrich vom 3. April 1939 bis zum 31. März 1940 auf dem Kreuzer (Schiff) „Emden“ stationiert war. Die Ausbildung zum Wachoffizier in der U-Bootwaffe dauerte vom 1. April 1940 bis zum 27. September 1940, am 25. Juni 1941 wurde er erstmals an Bord von „U 103“ als zweiter Wachoffizier (II. W.O.) eingesetzt.

Oskar Kusch wurde für seine Leistungen am 1. September 1941 zum Oberleutnant zur See (Olt.z.S.) befördert und erhielt am 10. November 1941 das Eiserne Kreuz II. Klasse, nach Ende der Feindfahrt auf „U 103“ am 5. Juni 1942 das Eiserne Kreuz I. Klasse. Nachdem er den Kommandantenlehrgang im August 1942 abgeschlossen hatte, stieß er wieder zu „U 103“, diesmal als I. WO. Nach dem Einlaufen in Lorient erhielt Kusch am 8. Februar 1943 das Kommando über „U 154“.

Geschehnisse an Bord von U 154

Die Mannschaft von „U 154“

Die Besatzungsstärke der „U 154“ betrug 48 Mann, davon vier Offiziere (Kommandant, I. und II. WO und Leitender Ingenieur (L.I.)) und 44 Unteroffiziere und Mannschaften.

Oberleutnant zur See Ulrich Abel, der I. W.O., wurde am 3. März 1912 geboren und fuhr nach seinem Abitur von 1929 bis 1932 zur See. 1938 promovierte er zum Dr. jur.

II. W.O. war Oberleutnant zur See Heinrich Meyer, Leitender Ingenieur war Kurt Druschel, er war vor seinem Eintritt in die Kriegsmarine ein „hoher Hitler-Jugendführer“.

Kuschs erste Feindfahrt als Kommandant von „U 154“

Am 20. März verließ „U 154“ mit ihrem neuen Kommandant Kusch Lorient, um zur insgesamt fünften Feindfahrt aufzubrechen. Kurz vor der Ausreise gab Kusch seinem Heizer mit den Worten „Nehmt das mal weg da, wir betreiben hier keinen Götzendienst“ den Befehl, das im Offizierraum befindliche Führer-Bild zu entfernen. Früh zeigte sich, dass zwischen Kusch und seinen Offizieren politische Gegensätze bestanden, denn Kusch als Gegner der nationalsozialistischen Regierung und Abel und Druschel als überzeugte Nazis führten einige Streitgespräche, oft im Beisein der Mannschaft. Dr. med. Nothdurft, Schiffsarzt auf Kuschs zweiter Feindfahrt, beschrieb Abel und Druschel später als „typische Offiziere, die an den Sieg glaubten und sich stets stolz als „Gefolgsleute des Führers bezeichneten.“ Nach Zeugenaussagen sollen diese Gespräche trotz unüberwindbaren ideologischen Gegensätzen jedoch stets in einem kameradschaftlichen Ton stattgefunden haben.

Kusch machte keinen Hehl aus seiner antinationalsozialistischen Einstellung, im Gegenteil, seine Haltung war der gesamten Besatzung bekannt. Aufgrund der begrenzten räumlichen Verhältnisse auf dem U-Boot wird sich Kuschs Einstellung schnell herumgesprochen haben. Fähnrich Kirchammer sagte vor dem Kriegsgericht später aus: „Der Angeklagte sagte uns Fähnrichen mal, wir sollten uns eine eigene Meinung bilden und uns propagandistisch nicht beeinflussen lassen.“ Kusch verbreitete einen Witz unter der Besatzung: „Was haben das deutsche Volk und ein Bandwurm gemeinsam? Sie sind beide von brauner Masse umgeben und ständig in Gefahr, umgebracht zu werden.“

Zum Bruch zwischen den Offizieren kam es am 3. Juli 1943, als „U 126“ in unmittelbarer Nähe der „U 154“ bei einem Fliegerangriff versenkt wurde. „U 154“ und „U 126“ befanden sich auf dem gemeinsamen Rückmarsch nach Lorient, als um 02:44 Uhr ein feindliches Flugzeug auftauchte und Bomben auf die Boote abwarf. „U 126“ und „U 154“ tauchten sofort ab, um dem Angriff zu entgehen. Da nach dem Tauchen keine Kommunikation mit „U 126“ möglich war, ging Kusch davon aus, dass „U 126“ wie verabredet getaucht weitermarschiert sei und sich deshalb außer Reichweite befände. Jedoch hörte man in der Zentrale von „U 154“ kurz darauf knackende Geräusche, was auf die Implosion von „U 126“ aufgrund des Wasserdrucks schließen ließ. Kusch entschloss sich zum Weitermarsch unter Wasser und tauchte um 7:07 Uhr vier Seemeilen vom Ort des Angriffs entfernt auf, um nach Überlebenden zu suchen, brach aber um 8:33 Uhr aufgrund der Gefahr eines erneuten Angriffs ab.

Obwohl Kuschs Verhalten während des Angriffs und danach vom Befehlshaber der Unterseeboote als anstandslos bewertet wurde, machte Abel laut Zeuge Kirchammer kurz nach dem Abtauchen seinem Kommandanten schwere Vorwürfe, dass dieser nicht intensive Rettungsversuche unternommen hat, denn auf „U 126“ fuhr ein guter Freund von Abel. Kusch lehnte aber das Auftauchen ab, um das eigene Boot nicht in Gefahr zu bringen. „Von dem Augenblick an sei Dr. Abel geradezu von Hass entflammt gewesen und das bisherige Einvernehmen, das er zwischen den Offizieren trotz ihrer völlig diametralen politischen Einstellung immerhin auf der fachlichen und kameradschaftlichen Ebene habe beobachten können, sei von jetzt an völlig zerstört gewesen.“ Hinzu kam, dass Abel nach der Fahrt von Kusch als nicht geeignet als Kommandant bewertet wurde. Der Funkmaat Janker hielt dies für „die eigentliche Ursache, die in Abel den Wunsch zur Rache und Revanche aufkommen ließ.“

Kuschs zweite Feindfahrt als Kommandant von „U 154“

Kuschs zweite Feindfahrt als Kommandant begann, als er mit „U 154“ am 2. Oktober 1943 den Hafen von Lorient verließ. Dass die politischen Gespräche zwischen Kusch auf der einen und Druschel und Abel auf der anderen Seite während der zweiten Fahrt immer heftigere Gestalt annahmen, bezeugt Funkmaat Kurt Isensee:

Als Unterwasserhorcher wurde ich des öfteren Zeuge von politischen Gesprächen, die im Offiziersraum stattfanden, und bei denen man deutlich erkennen konnte, daß es nicht nur um eine Unterhaltung ging wie bei der ersten Fahrt, sondern daß Druschel und Abel jede Gelegenheit zur Opposition nutzten. Auch ich bin der festen Überzeugung, daß diese gegnerische Stellungnahme der gekränkten Eitelkeit entsprang, die wiederum dadurch entstand, daß Oberleutnant Abel noch eine Fahrt als Kommandanten-Schüler machen mußte.

Isensee stellt fest, dass „außer zwei oder drei Schmierernaturen die ganze Besatzung auf der Seite des Kommandanten stand.“ Er ist deshalb der Meinung, Kuschs Äußerungen wären nicht wehrkraftzersetzend gewesen. Mit an Bord bei dieser Fahrt war der Stabsarzt des Heeres, Dr. med. habil. Nothdurft, um wissenschaftliche Messungen an Bord eines Frontbootes unter Tropenbedingungen durchzuführen. Nothdurft gab am 12. Juni 1946 vor dem CIC Heidelberg eine „Eidesstattliche Erklärung“ ab, die das Zusammenleben mit den Offizieren von „U 154“ beschrieb. In diesem Dokument schildert er Kuschs Verhalten, jedoch im Gegensatz zu Isensee äußert er sich negativ:

Den Krieg hielt er für verbrecherisch und verloren, die U-Bootwaffe für lachhaft und erledigt. Er drängte diese Meinung jedem auf, obgleich die Leute aus Angst sie nicht hören wollten. […] Es kam daher oft zu heftigsten Auseinandersetzungen zwischen Abel und Druschel einerseits und Kusch andererseits.

Im Laufe der zweiten Feindfahrt planten die Offiziere, Kusch zur Meldung zu bringen, was aber zunächst nach Nothdurfts Angaben unterblieben sei. Er sagt weiter, Abel und Druschel wären bemüht gewesen, ihn auf ihre Seite zu ziehen und davon zu überzeugen, Kusch sei ein Feigling, Defätist und Hitlergegner. Abel und Druschel meinten es ernst mit ihrem Vorhaben: zu Nothdurft sagten sie: „Als Stabsarzt sind Sie der Ranghöchste an Bord. Das macht sie zu einem prächtigen Anführer unserer dienstlichen Mitteilung gegen Kusch. Als Heeresangehöriger scheiden Sie dafür aus, mit der Beseitigung Kuschs eigene Vorteile anstreben zu können.“ Kuschs Angewohnheit, feindliche Radiosender abzuhören, war später ein weiterer Vorwurf an ihn. Laut Nothdurft ließ sich Kusch „vom Funkmaaten mehrmals täglich feindliche Sender einstellen.“ Auch seine oft artikulierte Ablehnung gegen Hitler war später Anklagepunkt gegen ihn. Nothdurft berichtet, Kusch habe Hitler „einen Verrückten, einen Verbrecher, das größte Unglück, das dem deutschen Volk beschert werden konnte und einen wahnsinnigen Teppichbeißer“ genannt. Nothdurft meint, Hinweise darauf gesehen zu haben, Kusch hätte den Plan gehabt, überzulaufen und das Boot an den Feind zu übergeben. Laut Nothdurft entsprachen Kuschs politische Belehrungen „ohne jeden Zweifel […] gelegentlich der Aufforderung zur gemeinsamen Desertion mit dem ganzen Boot“. Dieser Aspekt war jedoch kein Bestandteil der Meldung Abels.

Meldung und Verurteilung

Die Offiziere Druschel und Funke (der auf der zweiten Feindfahrt unter Kusch den L.I. Meyer ersetzt hatte) hielten sich an Nothdurfts Bitte, Kusch nicht zu melden. Am 12. Januar 1943 jedoch denunzierte Dr. Abel mit seiner Meldung an die 3. Unterseebootslehrdivision Oskar Kusch, trotz der Versuche Nothdurfts, dies zu verhindern. Abel traf die Entscheidung Kusch zu melden, nachdem er eine Ansprache von KKpt. Kals gehört hatte, die den „Erlass gegen die Kritiksucht und Meckerei“ Dönitz vom 9. September 1943 zum Thema hatte. Abel bestritt in seiner Vernehmung am 24. Januar 1944 die Vorwürfe, er habe seine Meldung aus Gehässigkeit geschrieben.

Kapitän zur See Rösing, Führer der Unterseebote West, leitete am 16. Januar 1944 ein Ermittlungsverfahren gegen Kusch wegen „Zersetzung der Wehrkraft, Beschimpfen des Reiches und sogenannter Greuelpropaganda“ ein. Kusch wurde am 20. Januar in Lorient verhaftet und in die Kriegswehrmachthaftanstalt Angers eingeliefert. Die Verhandlung gegen Kusch begann am 26. Januar 1944 in Kiel beim Gericht des Höheren Kommandos der Unterseebootausbildung. Kuschs Wahlverteidiger hatte nur am Vorabend Gelegenheit zur Einsicht der Akten.

Nach der Anklageverfügung wurde Kusch wegen Verbrechen gegen §5 Absatz 1, Ziffer 1 und 2 der KSSVO (siehe Anhang B) und nach §1 der „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ angeklagt. Am Abend des 26. Januar 1944 wurde Kusch „wegen fortgesetzter Zersetzung der Wehrkraft und wegen Abhörens von Auslandssendern zum Tode und zu einem Jahr Zuchthaus“ verurteilt, gleichzeitig wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen.

Immerhin wurde der später hinzugefügte Vorwurf Abels der „Feigheit vor dem Feinde“ von einem Gutachter als unbegründet zurückgewiesen.

Am 12. Mai 1944 wurde Oskar Kusch in Kiel erschossen, nachdem Kuschs Vorgesetzte, darunter Großadmiral Dönitz, eine Begnadigung abgelehnt hatten.

Literatur

  • Walle, Heinrich: Die Tragödie des Oberleutnants zur See Oskar Kusch, Franz Steiner Verlag Stuttgart, 1995