Der Wilhelmskanal in Heilbronn bildete seit dem Mittelalter die erste Möglichkeit für die Schifffahrt, den Neckar über Heilbronn hinaus zu befahren.





Geschichte
Schon unter König Friedrich waren Überlegungen zur Durchgängigmachung des Neckars angestellt worden, der seit dem Neckarprivileg aus dem 14. Jahrhundert in Heilbronn für Schiffe nicht mehr passierbar war. Wilhelm I. beauftragte kurz nach seinem Regierungsantritt Karl August Friedrich von Duttenhofer mit der Planung einer neuen Schifffahrtsstraße bis Cannstatt. Nach Protesten der Heilbronner, die auf das jahrhundertealte Privileg des Stapelgelds nicht verzichten wollten, hatte man aber zunächst vorgesehen, von Tulla ein Gutachten erstellen zu lassen, bevor der Bau begann. Dies wurde aber von badischer Seite verzögert, da auch Mannheim noch vom Stapelrecht Gebrauch machte und kein Interesse daran hatte, dass diese Einrichtung in Heilbronn aufgehoben wurde. Finanzminister Weckherlin drängte schließlich energisch darauf, Duttenhofers Vorschlag, einen Seitenkanal mit Kammerschleuse unter Umgehung der bisherigen Wehre einzurichten, in die Tat umzusetzen, und argumentierte damit, dass sich wichtige Verkehrswege sonst vielleicht auf Gebiete außerhalb Württembergs verlagern könnten. Der König ließ sich überzeugen und erteilte den Auftrag zum Bau. Kaum war diese Order ergangen, fand Tulla plötzlich Zeit zu der erbetenen Besichtigung. Er erhob keine Einwände gegen Duttenhofers Pläne.
Bau
150 Festungssträflinge vom Hohenasperg begannen am 11. März 1819 mit den Arbeiten an der Baugrube für die Schleuse, die etwa 70 m lang und 12 m breit war. Bald stellte sich allerdings heraus, dass der Untergrund nicht so tragfähig war, wie man vermutet hatte, und ein Pfahlgerüst errichtet werden musste. 800 tannene Tragpfähle wurden mehrere Meter tief eingetrieben, darüber wurde ein starker Rost aus liegendem Fachwerk gelegt und ausgemauert. Darauf wiederum wurde ein kalfaterter Belag aus Tannenholz mit einer Dicke von 16,6 cm angebracht, auf dem die Schleusenmauern errichtet wurden. Quer zu den Schleusenmauern lagen Ripphölzer, die mit Bruchsteinen in Trassmörtel ausgemauert wurden; darüber kam ein eichener Deckboden.
Sieben Monate lang musste die Baugrube frei von Wasser gehalten werden. Bei niedrigem Wasserstand konnte dies mit Bohlenpumpen, die von 40 Männern bedient wurden, und einem Pansterrad im Neckar, das weitere Pumpen antrieb, bewerkstelligt werden. Bei Hochwasser kamen Schaufelwerke und 164 Mann zum Einsatz, um die Grube trocken zu halten.
Neben den Pumpen waren zwei bei Grundler in Wasseralfingen gefertigte Kleinkrane die wichtigsten Maschinen bei der Errichtung der Kammerschleuse. Sie leisteten beim Versetzen der über fünf Tonnen schweren Schilfsandsteinquader, die aus Steinbrüchen der Umgebung stammten, wertvolle Dienste.
Die unteren Lagen wurden mit Trassmörtel vermauert, die oberen mit hydraulischem Kalk. Im Bereich der Tore wurden die Mauern noch durch eine 43 cm dicke Schicht Beton gesichert.
Die Kammerschleuse hatte eine Länge von 37,25 m, eine Breite von 4,60 m und eine Tiefe von 2,57 bis 4,87 m. Sie besaß Stemmtore mit einem Gewicht von 3,7 Tonnen. Die Kammer konnte in acht bis zehn Minuten gefüllt werden. Bei der Konstruktion hielt sich Duttenhofer an die Vorgaben von Johann Albert Eytelwein. Der Schifffahrtskanal, der sich an die Schleuse anschloss, war etwa 430 m lang und am oberen Ende mit einem Einlasstor abgeschottet, das Schutz bei Hochwasser und Eisgang bot. Der Kanal hatte einen trapezförmigen Querschnitt und weitete sich an einer geeigneten Stelle zum „Schiffsbehälter“ mit 86 m Länge und 16 m Breite. Dieser war mit einem Ladekran versehen und über Brücken an die Verkehrswege angebunden.
Die Arbeiten unter der Bauleitung von Duttenhofers Sohn August Friedrich dauerten 30 Monate und kosteten insgesamt etwa 171 000 fl. Am 17. Juli 1821 wurde der Kanal durch König Wilhelm eröffnet und nach diesem benannt. Duttenhofer wurde bei dieser Gelegenheit die Würde eines „Kommenthurs des Ordens der württembergischen Krone“ verliehen, was mit einer Erhebung in den Adelsstand verbunden war. Sein Sohn August Friedrich Duttenhofer konnte sich nach dieser Leistung auf Reisen begeben.
Nutzung
In den Jahren nach der Einweihung des Kanals nahm der Schiffsverkehr neckaraufwärts immer größeren Umfang an, auch wenn die Lasten vorerst noch von den größeren badischen auf kleinere württembergische Schiffe umgeladen werden mussten, weil bis Cannstatt noch zahlreiche Untiefen und Engstellen beseitigt werden mussten. Schon bald wurde über eine Erweiterung des Wilhelmskanals nachgedacht, doch bevor die Planungen in die Tat umgesetzt wurden, wurde 1848 der Schiffsverkehr auf dem Neckar großenteils durch die Eisenbahnverbindung Stuttgart-Heilbronn abgelöst. In den 1870er Jahren ging die Handelsschifffahrt auf dem Neckar oberhalb Heilbronns zu Ende; sie wurde erst durch die Großsschifffahrt Mitte des 20. Jahrhunderts nach dem Bau des Neckarkanals wiederbelebt.
Der Wilhelmskanal ist in teilweise veränderter Form erhalten geblieben. Die 1884 eingerichtete König-Wilhelm-Schleuse im Wilhelmskanal ist die einzige noch von Hand betriebene Schleuse des Neckars und nach wie vor betriebstauglich.
Literatur
- Fritz Bürkle, Karl August Friedrich von Duttenhofer (1758-1836). Pionier des Wasserbaus in Württemberg, Stuttgart 1988 (= Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart 41), ISBN: 3-608-91521-4