Umweltprämie

Prämie in Deutschland für die Abwrackung eines > 9 Jahre alten Autos (2009)
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Die Umweltprämie (umgangssprachlich auch Abwrackprämie oder Verschrottungsprämie) ist eine staatliche Prämie, die in Deutschland im Rahmen des Konjunkturpakets II am 14. Januar 2009 beschlossen wurde und bis Ende 2009 beim Kauf eines bestimmten Bedingungen genügenden Neuwagens oder eines Jahreswagens bei gleichzeitiger Verschrottung (Verwertung) eines hinreichend alten Kraftfahrzeugs nach den Maßgaben der Altfahrzeugverordnung gezahlt wird. Die Prämie geht auf einen Vorschlag von Frank-Walter Steinmeier zurück[1].

Sie soll einerseits den Absatz von Kraftfahrzeugen fördern und damit die Automobilindustrie stützen. Andererseits soll sie einen Beitrag zur Reduzierung der Schadstoffbelastung leisten, wobei unterstellt wird, dass die neu erworbenen Fahrzeuge umweltverträglicher sind als die verschrotteten Fahrzeuge.[2]

Verschrottungsprämien gibt es auch in anderen Ländern.

Modalitäten

Die Prämie von 2.500 Euro wird auf Antrag vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gezahlt, sofern der alte Pkw mindestens neun Jahre vor der Verschrottung erstmals zugelassen worden ist, mindestens ein Jahr auf den Halter zugelassen war und gleichzeitig ein Neuwagen oder Jahreswagen erworben wird. Der Neu- oder Jahreswagen muss mindestens der Abgasnorm „Euro 4“ entsprechen. Als Jahreswagen gilt hier ein Pkw, der „längstens ein Jahr einmalig auf einen Kfz-Hersteller, dessen Vertriebsorganisationen oder dessen Werksangehörigen, einen Kfz-Händler, eine herstellereigene Autobank, ein Automobilvermietungsunternehmen oder eine Automobilleasinggesellschaft zugelassen gewesen sein“ darf.[2]

Berechtigt sind nur Privatpersonen, gewerbliche Halter können die Prämie nicht in Anspruch nehmen. Auch Fahrzeuge mit Lkw-Zulassung sind nicht zuschussberechtigt. Die Antragstellung kann auch durch einen Händler (Verkäufer des Neuwagens) erfolgen.

Die Prämie gilt für Neuwagen und Jahreswagen mit Datum des Kaufvertrages ab 14. Januar 2009 und einem Zulassungsdatum bis 31. Dezember 2009. Ein Antragsformular steht auf der Website des BAFA zum Download bereit.

Die Anträge werden bearbeitet ab Inkrafttreten der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen, was voraussichtlich am 2. März der Fall sein wird.[3] Erst ab diesem Zeitpunkt erfolgt auch die Auszahlung der Prämie. Aus dem Fondsvermögen von 1,5 Mrd. Euro[4] wird auch der Verwaltungsaufwand des Bundes finanziert. Ohne Berücksichtigung dieses Aufwandes könnten rechnerisch maximal 600.000 Käufe gefördert werden. Werden mehr Anträge auf Umweltprämie gestellt, wird die Prämie in der Reihenfolge des Eingangs vollständiger Anträge gewährt. Vollständig sind Anträge nur, wenn alle geforderten Belege beigefügt sind. Dazu gehören insbesondere:

  • Kaufnachweis des neuen PKW
  • Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil 1 und 2 des neuen PKW
  • Nachweis der Außerbetriebsetzung des in Deutschland zugelassenen alten PKW
    • bis zum 02.03.09 durch Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil 1 mit Vermerk über die Außerbetriebsetzung und Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil 2
    • ab 02.03.09 durch entwertete Original-Zulassungsbescheinigung Teil 2
  • Nachweis über die erfolgte Verwertung des alten PKW

Einkommen

Die Umweltprämie muss nicht als Einkommen versteuert werden, wird jedoch auf Sozialleistungen des zweiten Sozialgesetzbuches (Hartz IV) als Einkommen angerechnet.

Eingereichte Anträge

Die vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle täglich veröffentlichten Zahlen der bisher eingereichten Anträge[5] haben sich wie folgt entwickelt [6]:

Wochentag Datum eingereichte Anträge Zuwachs
Di 03.02.2009 3.260
Mi 04.02.2009 4.366 1.106
Do 05.02.2009 11.450 7.084
Fr 06.02.2009 17.528 6.078
Mo 09.02.2009 21.995 4.467
Di 10.02.2009 34.210 12.215
Mi 11.02.2009 39.856 5.646
Do 12.02.2009 41.619 1.763
Fr 13.02.2009 44.161 2.542
Mo 16.02.2009 60.730 16.569
Di 17.02.2009 62.806 2.076
Mi 18.02.2009 76.926 14.120
Do 19.02.2009 85.304 8.378
Fr 20.02.2009 94.691 9.387
Mo 23.02.2009 104.840 10.149
Di 24.02.2009 112.889 8.049
Mi 25.02.2009 120.016 7.127
Do 26.02.2009 133.608 13.592
Fr 27.02.2009 139.964 6.356
Mo 02.03.2009 150.722 10.758
Di 03.03.2009 157.696 6.974
Mi 04.03.2009 166.238 8.542
Do 05.03.2009 180.492 14.254
Fr 06.03.2009 188.421 7.929

Der durchschnittliche Zuwachs pro Kalendertag der eingereichten Anträge betrug zwischen dem 3. Februar und dem 6. März 2009
5.888 Anträge (188.421 /32). In den vergangenen drei Wochen pendelten die eingereichten Anträge zwischen ungefähr 45.000 und 50.000 pro Kalenderwoche. Sechste Kalenderwoche: 17.528. Siebte Kalenderwoche: 26.633. Achte Kalenderwoche: 50.530. Neunte Kalenderwoche: 45.273. Zehnte Kalenderwoche: 48.457.

Datei:Diagramm Anträge Umweltprämie.gif
Entwicklung der Antragstellungen insgesamt (Balken) und Zuwachs pro Tag (Linie)


Kritik

Ökologische Bilanz

Die Umweltprämie ist umstritten, weil die Herstellung als Teil der Ökobilanz eines Fahrzeugs nicht berücksichtigt wird. Der Herstellungsprozess verursacht einen erheblichen Teil der Gesamtemissionen eines Autos und benötigt einen erheblichen Anteil am gesamten Primärenergiebedarf.[7][8][9] Daher kann die vorzeitige Entsorgung unökologisch sein, wenn sie ohne Rücksicht auf technischen Zustand durchgeführt wird.[10]

Moderne Autos verbrauchen heute trotz Fortschritten in der Motorenentwicklung (Energieeffizienz und CO2-Ausstoß) meist nicht weniger Kraftstoff als vergleichbare ältere Modelle, da sie oft stärker motorisiert und schwerer sind. Ökologisch wäre es häufig sinnvoller, bestehende Fahrzeuge zu erhalten und gegebenenfalls mit Abgaskatalysatoren bzw. Dieselrußpartikelfiltern nachzurüsten. Umstritten ist allerdings die Wirkung von Dieselrußpartikelfiltern, da zwar die Partikelemmission verbessert, jedoch der CO2 Ausstoß, aufgrund des Regenerationsprozesses des Filters (bedarfsgerechte Verbrennung der eingelagerten Partikel), gleichzeitig erhöht wird.

Die Emission des Treibhausgases CO2 ist für die Gewährung der Umweltprämie irrelevant, da die für den Neuwagen vorausgesetzte Abgasnorm Euro 4 keine CO2-Grenzwerte berücksichtigt. Es ist ökologisch nicht sinnvoll, dass die Umweltprämie damit auch „belohnt“, ein schwach motorisiertes Altfahrzeug durch ein größeres Neufahrzeug mit deutlich höherem CO2-Ausstoß zu ersetzen.

Die Umweltprämie berücksichtigt nicht die Abgasnorm des zu verschrottenden Altfahrzeugs. Dadurch kann auch die Verschrottung eines alten Euro-4-Fahrzeugs gefördert werden, das durch ein neueres, größeres und damit weniger umweltfreundliches Fahrzeug ersetzt wird. Ökologisch sinnvoller wäre es, eine wirkliche Verbesserung der Verbrauchs- und Abgaswerte zu subventionieren.

Erwarteter Erfolg für die deutsche Automobilindustrie

Der Großteil des Absatzes der deutschen Automobilindustrie erfolgt durch Export, dieser wird durch eine Prämie natürlich nicht beeinflusst.[11] Die Umweltprämie bringt unterproportionale Vorteile für die heimische Industrie, da die von den Altwagenbesitzern bevorzugten preiswerten Fahrzeuge überwiegend importiert werden. Vor Einführung der Umweltprämie lag der Marktanteil ausländischer PKW über Jahre konstant bei etwa 36%[12][13][14]. Nach Einführung der Prämie stieg er im Februar 2009 sprunghaft auf 45%[15], trotz der in diesen Zahlen enthaltenen Firmenfahrzeuge, die nicht gefördert werden.

Im Premiumsegment wird hingegen nur mit einem geringen Absatzplus gerechnet, da es überwiegend von nicht geförderten Firmen- und Geschäftsfahrzeugen geprägt ist.

Die beschlossene Umweltprämie führte bereits Mitte Januar 2009 zu erheblichen Absatzsteigerungen bei den Autohäusern. [16][17][18][19]

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Umweltprämie wird kritisiert, weil sie die Vernichtung der wirtschaftlichen Werte fördert, die die Altfahrzeuge noch darstellen.[20]

Gebrauchtwagenhandel

Viele Gebrauchtwagen werden von Deutschland nach Afrika und Osteuropa verkauft. Die Umweltprämie könnte zur Folge haben, dass der Bedarf an Fahrzeugen in diesen Ländern wegen der Verschrottung von Altfahrzeugen nicht mehr gedeckt werden kann. Dies hätte zur Folge, dass, sollte die Nachfrage nach Automobilen in diesen Ländern gleich bleiben, es für Afrikaner und Osteuropäer schwieriger wird ein günstiges Automobil zu bekommen.[21]

Werkstätten

Die Umweltprämie soll zu Lasten der Werkstätten gehen, die überwiegend Wartungs- und Reparaturarbeiten erbringen, da der verjüngte Fahrzeugbestand weniger reparaturbedürftig sei. Zusätzlich würden Neuwagenkäufer vermehrt Vertragswerkstätten in Anspruch nehmen. Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Abwrackprämie auf 600.000 Fahrzeuge limitiert ist, was weniger als 5% des Bestandes an Fahrzeugen die älter als 9 Jahre sind darstellt.[22]

Kulturelle Auswirkungen

Autoliebhaber befürchten das Aussterben einer ganzen Fahrzeuggeneration und das Verschwinden erhaltungswürdigen Kulturgutes von den Straßen. Betroffen werden vor allem Fahrzeuge sein, die vom Oldtimerstatus noch einige Jahre entfernt sind und deren Restwert unterhalb des Wertes der Umweltprämie liegt. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass mit 600.000 Fahrzeugen, weniger als 5% des zugelassenen Bestandes an Fahrzeugen, die älter als 9 Jahre sind von der Umweltprämie erfasst werden. [23]

Windhundverfahren

Zum Zeitpunkt der Antragsstellung muss das Altfahrzeug nachweisbar verschrottet und das Neufahrzeug gekauft und zugelassen sein. Laut BAFA steht die Prämie „unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit der veranschlagten Haushaltsmittel und erfolgt erschöpfend nach der Reihenfolge des Eingangs der vollständigen Anträge (Windhundverfahren)“. Gehen die veranschlagten Haushaltsmittel (1,5 Milliarden Euro für Prämien und Verwaltungskosten) zu Ende, kann der Antragsteller nicht sicher sein, ob er die Prämie erhält. Er steht dann vor der Alternative, das Fahrzeug zu verschrotten und eventuell keine Prämie zu erhalten oder das Fahrzeug zu veräußern und damit eventuell auf die höhere Prämie zu verzichten. Eine täglich aktualisierte Statistik über die Anzahl der eingegangenen Anträge auf Umweltprämie stellt das BAFA zur Verfügung. [24] Die Statistik enthält keine Angaben darüber, ob diese Anträge vollständig und somit grundsätzlich geeignet sind, einen Prämienanspruch zu begründen.

Missbrauch

Die für die Prämie notwendigen Unterlagen lassen sich leicht fälschen oder manipulieren. ADAC und der Bund Deutscher Kriminalbeamter sehen die Gefahr, dass die Umweltprämie in großem Stil für Betrug missbraucht wird.[25][26] Kritiker sehen in der Prämie daher ein „Konjunkturpaket für die organisierte Kriminalität“.

Entgegen dem ursprünglichen Entwurf verlangt die verabschiedete Förderrichtlinie für die Antragsstellung zusätzlich das „Original der entwerteten Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief)“[27]. Damit soll ab 2. März 2009 das Missbrauchsrisiko verringert werden[28].

Einzelnachweise

  1. http://www.ftd.de/politik/deutschland/:Abwrackpr%E4mie-Union-bremst-Steinmeier-aus/455172.html
  2. a b BAFA: Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen (PDF-Dokument). Stand 28. Januar 2009.
  3. http://www.bvse.de/?bvseID=52bcb5e16cf4000cc2ae3c42271a0229&cid=2&pid=2646
  4. Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland (Artikel 6 ITFG)
  5. BAFA: Fördermittelübersicht Umweltprämie
  6. Entwicklung der Anzahl eingereichter Anträge: [1]
  7. Deutschlandfunk: Auto-Abwrackprämie bringt keine Umweltvorteile, 16.01.2009, hier online; zuletzt eingesehen am 24. Feb. 2009
  8. www.umweltbrief.de: Umweltbrief Februar 2009, pdf; zuletzt eingesehen am 24. Feb. 2009
  9. Autobild: Ifo-Chef Sinn: Abwrackprämie für Autos ist pervers, hier online; zuletzt eingesehen am 24. Feb. 2009
  10. www.umweltbrief.de: Umweltbrief Januar 2009, pdf; zuletzt eingesehen am 24. Feb. 2009
  11. RP ONLINE: Das müssen Sie zur Abwrackprämie wissen. Stand 28. Januar 2009.
  12. [2] PDF-Datei 2006
  13. [3] PDF-Datei 2007
  14. [4] PDF-Datei 2008
  15. [5]
  16. SPIEGEL ONLINE: Autofahrer in Abwracklaune. Stand 28. Januar 2009.
  17. WELT ONLINE: Abwrackprämie entwickelt sich zum Renner. Stand 28. Januar 2009.
  18. FAZ.NET: Abwrackprämie: Autos leasen mit staatlicher Unterstützung. Stand 28. Januar 2009.
  19. FOCUS Online: Auto-Konjunkturpaket: Abwrackprämie wird Absatz ankurbeln. Stand 28. Januar 2009.
  20. Passauer Neue Presse: „Die Abwrackprämie ist pervers“ (Interview mit ifo-Präsident Hans-Werner Sinn vom 15. Januar 2009 (abgerufen am 31. Januar 2009).
  21. tagesschau.de: Was die deutschen Pläne für Westafrika bedeuten. Stand 28. Januar 2009.
  22. Kraftfahrt-Bundesamt: Bestand am 1. Januar 2008 nach Alter der Fahrzeuge , [6]; zuletzt eingesehen am 24. Feb. 2009
  23. Kraftfahrt-Bundesamt: Bestand am 1. Januar 2008 nach Alter der Fahrzeuge , [7]; zuletzt eingesehen am 24. Feb. 2009
  24. BAFA: Fördermittelübersicht Umweltprämie
  25. SPIEGEL ONLINE: Abwrackprämie in der Kritik: Einladung an die organisierte Kriminalität. Stand 28. Januar 2009.
  26. RP ONLINE: Konjunkturpaket II: Experten: Abwrackprämie begünstigt Kriminalität. Stand 28. Januar 2009.
  27. Förderrichtlinie, „6.1 Antragstellung“
  28. Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung: Umweltprämie: Fahrzeugbrief wird künftig von der BAFA eingezogen