Auf dieser Seite sammle ich Ideen, wie man mittelfristig die gesamten Relevanzkriterien durch Qualitätskriterien ersetzen könnte.
Basis ist u.a. der Vorschlag Benutzer:TheK/Außensicht sowie Benutzer:P. Birken/Was ist eigentlich eine Enzyklopädie.
Das Problem
Eine der umstrittensten Sektionen unserer Enzyklopädie sind seit jeher die Löschkandidaten. Um etwas Ordnung in diese Sektion zu bekommen, wurden die Relevanzkriterien erstellt. Diese zeigen an, ab welchem "Bekanntheitsgrad" man einen Artikel nicht mehr wegen mangelnder Relevanz löschen darf.
Problematisch an diesem Ansatz ist folgender:
- Die Diskussionen rund um die Relevanzkriterien binden eine riesige Menge von Ressourcen. Heutzutage muss für eine Änderung einer kleinen Sektion dieser Seite entweder eine umfangreiche, mindestens 2-3 Bildschirmseiten umfassende Diskussion stattgefunden haben oder die Sache wird direkt mit einem Meinungsbild gelöst. Zweiteres ist zwar dann "Wikipedia-rechtlich" einwandfrei, doch die neuesten Meinungsbilder rund um die RKs zeigen, wie lange die Vordiskussionen oft sind. Wäre diese Zeit nicht anders sinnvoller nutzbar?
- Die Relevanzkriterien hängen wesentlich davon ab, welche Nutzer sich an der Diskussion zu ihrer Etablierung/Änderung beteiligt haben. Nicht alle Wikipedianer haben Lust und Zeit, sich über solche Sachen Gedanken zu machen, und dadurch kommt es zu einem hohen "Verlust" an Meinungen. Die meisten Relevanzkriterien können daher nicht als Konsens der Gemeinschaft, sondern nur der Diskussionsteilnehmer, angesehen werden.
- Auch etablierte Relevanzkriterien bieten Ermessensspielraum. Und genau hier kommt es zu den bekannten Konflikten zwischen Ex- und Inklusionisten, Admins und normalen Nutzern, mit Folgen wie über erbosten Nutzern, die sich über "Adminwillkür" beschweren, riesige Löschprüfungsdiskussionen usw. Meines Erachtens sind diese Diskussionen noch vor dem Sperrdiskussionen "Streitgrund Nr. 1" in der Wikipedia. Sollte nicht darüber nachgedacht werden, ob es dies wirklich wert ist?
- Die Relevanzkriterien stehen entgegen des ursprünglichen Sinns der Löschkandidaten. Wer sich einmal etwas Wikipedia-historisch betätigt, wird feststellen, dass es bei der Einführung der Löschkandidaten ursprünglich um die Qualität der Artikel ging, also um schlechte, unrettbare, "falsche Stubs".
- Einige Relevanzkriterien sind nicht sinnvoll nachprüf- und belegbar. Der augenscheinlichste Fall ist die "5000er-Auflage-Regel" bei den Musikern, die in den Löschdiskussionen als wichtige Regel zur Aufnahme oder Nichtaufnahme eines Musikers oder einer Band führt - aber nur durch Vermutungen und Spekulationen beurteilt werden kann.
- Eine Enzyklopädie soll laut WP:QA auf Sekundärquellen basieren. Warum soll dann nicht auch diesen überlassen werden, festzustellen, was relevant ist und was nicht? Die meisten Quellen arbeiten nach mehr oder weniger rationalen Kriterien, die Wikipedia dagegen hat einen gewissen Bias zu einigen Themen im Hinblick auf die Benutzer, die sie gestalten, was sich auch auf die Konsensfindung in den Relevanzkriterien auswirkt.
Zwar könnten viele dieser Probleme durch die Behauptung "Relevanzkriterien sind keine Regeln, sondern eine Zusammenfassung der Löschpraxis" entkräftet werden. Die Praxis sieht jedoch anders aus. In der Mehrzahl der Fälle orientieren sich sowohl die Diskutanten in den Löschdiskussionen, als auch die abarbeitenden Admins an den vorhandenen Relevanzkriterien.
Sinn der Relevanzkriterien
Die Relevanzkriterien haben in der Wikipedia einen Sinn, der nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, nämlich den der Qualitätssicherung. Sie verhindern, das zu viele Artikel zu Nischenthemen erstellt werden, die so wenig Leute interessieren, dass sie monatelang ungelesen und -verbessert in den Tiefen der "Deep Wikipedia", kaum verlinkt und so auch kaum auffindbar, vergammeln. Sie tragen also zur Skalierbarkeit der Wikipedia bei, was vereinfacht gesagt bedeutet, dass durch sie die Antwort auf die Frage "Reichen die Nutzer der Wikipedia aus, um ihre Qualität zu sichern?" positiver ausfällt.
Die Frage ist nun: Warum hat man nicht gleich konkrete Qualitätsanforderungen an die Artikel (außer dem minimalistischen Wikipedia:Artikel) gestellt, damit solche Problem-Artikel gar nicht erst entstehen? Ganz einfach: In der Anfangsphase der Wikipedia (bis 2006) war dies durchaus sinnvoll, denn zu einer kurzen Definition gesellte sich schnell ein zweiter Satz, bis irgendwann ein kompletter Artikel vorhanden war. Solange also zu den wichtigen Stichworten nicht schon Artikel vorhanden waren, waren die Relevanzkriterien statt Qualitätskriterien durchaus ein sinnvoller Ansatz.
Die Zeiten haben sich aber geändert. Bei 800.000 Stichwörtern gibt es nur sehr wenige noch nicht vorhandene Artikel, bei denen ein "Stub" noch Erfolgschancen zum Wachsen hat. Selbst "gestandene", aber schlechte Artikel werden immer häufiger zur Löschung vorgeschlagen und in der Diskussion wird mehr oder weniger eindeutig auf Löschen entschieden. Qualitäts-Richtlinien wie WP:MA und WP:AüF erfreuen sich immer höherer Akzeptanz, auch wenn sie nicht bei allen beliebt sind.
Vorschlag: Qualitäts- statt Relevanzkriterien
Alle neuen Artikel müssen ein Mindest-Qualitätsniveau erfüllen, das deutlich über dem eines "Stubs" liegt. Dieses Niveau beinhaltet:
- Eine genügende Anzahl Fakten. Es muss klar werden, warum der Gegenstand wichtig ist und einen Artikel verdient. Das bedeutet: Bei einem Personenartikel müssen Leistungen und Werke belegt oder leicht nachprüfbar angeführt werden. Es reicht also nicht "XXX war ein bedeutender Schriftsteller", sondern die "wichtigen" Werke müssen in diesem Fall inklusive zumindest einer Kurzbeschreibung der Rezeption bereits im Artikel erwähnt sein.
- Unabhängige 'Sekundärquellen als Belege. Dies gilt gleichzeitig als Relevanzkriterium, denn das, was nicht relevant ist, über das existiert in der Regel auch keine Sekundärliteratur. (Zur Problematik regional fokussierter Quellen s.u.)
- Enzyklopädischer Stil. Essays und Textwüsten werden nicht mehr akzeptiert.
- Neutraler Standpunkt im Sinne von "ein Standpunkt, der alle wichtigen Sichtweisen berücksichtigt und nicht tendenziös aus einer bestimmten Sichtweise heraus schreibt" (da ein neutraler Standpunkt objektiv gesehen unmöglich ist).
Weiterhin gelten die themenspezifischen Qualitätskriterien wie WP:MA weiter.
Mögliche Einwände ... und ihre mögliche Lösung
Nun kann man einwenden, dass mit einer derart strengen Regel, für sich alleine stehend, Neuautoren vergrault werden könnten. Texte mit wertvollem Inhalt könnten so gelöscht werden, nur weil sie etwa "zu essayhaft" geschrieben sind. Deshalb folgende Zusatzklausel:
- Für Texte, die die obigen Kriterien nicht erfüllen, die aber auch nicht eindeutig löschwürdig sind (also die Schnelllöschkriterien erfüllen), wird ein Entwurfsnamensraum eingerichtet. Dort könnnen Artikelentwürfe solange lagern, wie sie verbessert werden. Liegt ein Artikel 30 Tage lange ohne Bearbeitung und ohne die Kriterien zu erfüllen, im Entwurfsnamensraum, kann er per SLA gelöscht werden.
Die Möglichkeit, Artikelentwürfe im eigenen Benutzernamensraum anzulegen, wird dadurch nicht tangiert.
Ein weiterer Einwand in der Gegenrichtung könnte die Behauptung darstellen, dass diese Regelung der Werbung etwa für kleine Unternehmen, solange der Artikel gut geschrieben ist, keinen Einhalt gebieten würde, da Anforderung 2 von jedem Regionalunternehmen oder -verein erfüllt werden könne, da diese ja in der Regel in den regionalen Medien, Heimatbüchern etc. Eingang finden.
Dieses Problem lässt sich dadurch lösen, indem man klare Regeln dafür aufstellt, was als Beleg für Relevanz gilt und was nicht.
Quellenkritik
Bei den Qualitätskriterien kommt der zweiten Anforderung, der Nachprüfbarkeit durch Belege, eine entscheidende Bedeutung zu. Daher ist es wichtig, festzulegen, was in welcher Situation als Beleg oder Quelle gilt und was nicht.
Die Einteilung der Quellen könnte folgendermaßen vonstatten gehen:
- A-Quellen: Texte, die nach einer wissenschaftlichen Methodik erstellt wurden und uneingeschränkt zitierfähig sind. Diese gelten als Belege für strittige Textstellen und sind zwingend erforderlich, falls es sich um wissenschaftliche Themen handelt. Hierzu zählen auch anerkannte Fachlexika.
- B1-Quellen: Hier handelt es sich um nicht-wissenschaftliche, aber dennoch als "seriös" empfundene Werke, beispielsweise Publikationen bekannter Journalisten (z.B. Chroniken), seriöser Nachrichtenmedien, Fachzeitschriften usw. Diese Quellen können nur dann als Belege für strittige Passagen verwendet werden, wenn es sich beim Artikel nicht um ein wissenschaftliches Thema handelt, also keine A-Quellen vorhanden sind. Zu Themen des Zeitgeschehens sind sie als Belege für Einzelfakten erlaubt, nicht jedoch als Belege für ganze Theorien oder Konzepte.
- B2-Quellen: Alle Quellen, die nicht unter die in A und B genannten Gruppen fallen, die aber dennoch vom Thema des Artikels unabhängig sind und einen neutralen Standpunkt (im Sinne z.B. eines interpretativen/informativen Journalismus, kein Meinungsjournalismus) verfolgen. Beispiele: Zeitschriften und Zeitungen, die nicht als Leitmedium angesehen werden. In der Regel sind sie nicht als Beleg für strittige Textpassagen brauchbar, nur für die Ergänzung um Details.
- C-Quellen: Quellen, die keinen neutralen Standpunkt verfolgen. Beispiel: Boulevardjournalismus, Parteizeitungen, Blogs, private Websites. Diese sind in der Regel auch für Ergänzungen und scheinbar "unstrittige" Textpassagen nicht als Beleg benutzbar. Ausnahmen sind nur dann gegeben, wenn zu einem zweifellos wichtigen Thema wichtige Informationen nur über eine solche Quelle zu finden sind. Beispiel kann etwa eine Gemeinde in Zentralafrika sein, deren Sehenswürdigkeiten nur auf einer privaten Homepage beschrieben sind. Ein Artikel darf jedoch nie nur aus C-Quellen bestehen - auch für solche Artikel gibt es in der Regel mindestens einen Beleg aus einer B-Quelle, im genannten Fall etwa die Eintragung im Gemeindeverzeichnis als Beweis für die Existenz des Ortes.
- R-Quellen: Hier handelt es sich um regionale und lokale B- und C- Quellen, also beispielsweise Regionalzeitungen und Bücher von Heimatforschern. Diese Quellen sind zwar als Beleg für einzelne Details gestattet, nicht aber als Beleg für Relevanz. Das heißt: Ein Artikel darf nicht ausschließlich durch R-Quellen belegt sein.
Was zählt als Relevanzbeleg?
- Ein ganzer Artikel bzw. eine ganze Publikation in A- und B1-Quellen kann bedenkenlos als Relevanzbeleg akzeptiert werden. Es zählt nicht die reine Erwähnung oder die zufällige Erwähnung (etwa, wenn ein überregionales Medium eine bestimmte Person als Beispiel für eine gesellschaftliche Gruppe, oder eine Band als Beispiel für eine Musikrichtung aufführt) sondern es muss klar sein, dass das Thema deshalb ausgewählt wurde, weil das Medium ihm Wichtigkeit zugesteht.
- Bei B2-Quellen muss der Artikelgegenstand in mehreren (Richtwert: 3) Publikationen nicht-trivial erwähnt sein. Beispiel: Eine Band wird von drei überregionalen Zeitschriften mit einem Interview oder einer Reportage bedacht.
Vor- und Nachteile
Vorteile
- Keine Diskussionen mehr rund um Relevanzkriterien (schon dies bedeutet eine riesige Ressourceneinsparung).
- Weniger kontroverse Löschkandidaten und Löschdiskussionen, da die Regeln klarer sind.
- Die Bewertungsbausteine wie "Überarbeiten" und "Unverständlich" und vor allem "Belege fehlen" könnten langfristig überflüssig werden, da solche Problemartikel gar nicht erst erstellt werden dürften bzw. im Entwurfsnamensraum zwischenlagern können, solange sie aktiv verbessert werden.
- Auch die Relevanzkriterien wären klarer als bisher. Da Quellenangaben fast immer nachprüfbar sind, entstehen keine ewigen Diskussionen etwa ob eine Band wirklich 5000 Alben verkauft hat.
- Die Regelung entspricht voll dem aktuellen Grundsatz unter WP:Q.
- Die Zahl der Löschdiskussionen dürfte drastisch zuröckgehen, aus folgenden Gründen:
- Die Qualitätskriterien sind viel klarer. Was ein "Substub" ist und was schon ein "Artikel", ergibt sich bereits aus den Kriterien.
- Bei Essays, Textwüsten und Ähnlichem könnte der Text direkt in den Entwurfsnamensraum verschoben werden. Dabei müsste nur als Regel etabliert werden, dass der Autor / die Autoren benachrichtigt werden und eine URV-Prüfung vorgenommen wird.
- Artikel im Entwurfsnamensraum haben weit größere Chancen, bearbeitet zu werden, als solche im Benutzernamensraum. Auf die "Müllhalden" im BNR dagegen könnte man größtenteils verzichten - also würden auch viele Löschantrge gegen Benutzerunterseiten entfallen.
- Die QS könnte gestrichen werden oder durch eine weniger umfangreiche Version für Problemfälle ersetzt werden.
Nachteile
- Es könnte immer noch vorkommen, dass ein Artikelgegenstand, der nach den "alten" RK nicht relevant wäre, nach den "neuen" Kriterien akzeptiert werden würde. (Nur würde er nicht mehr monate- oder jahrelang als halbfertiger Artikel vergammeln)
- Ebenso vorstellbar ist auch das Gegenteil: wenn ein Artikel gelöscht wird, weil er nur aus regional fokussierten Quellen besteht.
- Es wäre nicht mehr möglich, Relevanzkriterien themen-gemäß zu erstellen. (Möglich wären dagegen Positivlisten von themenspezifischen Quellen)
- Unsere Relevanzkriterien würden sich von den Kriterien anderer Medien abhängig machen. (Dies ist allerdings eine logische Konsequenz aus dem Grundsatz, die Wikipedia auf Basis von Sekundärquellen zu erstellen.)
Was passiert bei einem mangelhaften Artikel?
Der Mitarbeiter der Eingangskontrolle findet einen mangelhaften Artikel. Er wägt ab:
- Artikel unrettbar oder eindeutig irrelevantes Thema -> SLA, wie bisher.
- Relevanz geht nicht aus dem Artikel hervor (Relevanzbeleg nicht erfüllt), ist aber möglich -> Entwurfsnamensraum & Autor benachrichtigen
- Relevanz vorhanden, Qualität aber nicht -> Entwurfsnamensraum & Autor benachrichtigen
- Artikel mit unwahrscheinlicher, aber nicht eindeutig nicht vorhandener Relevanz -> Löschdiskussion, wie bisher. Da aber für neue Artikel in der Eingangskontrolle die Qualitätskriterien bindend sind, wird sich dieser Fall auf "Altfälle" und einige wenigen Streitfälle beschränken, die zwischen dem Qualitätsniveau von Fall 1 und 2 liegen.
Was tun, wenn:
- Der Autor den Artikel zurückverschiebt oder ansonsten sein Missfallen der Entscheidung ausdrückt, der Artikel aber nicht verbessert wird? --> LA (wie bisher)
- Einspruch gegen SLA --> LA (wie bisher)
- Nach dem Verschieben in den Entwurfsnamensraum werden starke Zweifel an der Relevanz laut --> Es kann ein LA gestellt werden. Das "Vergessen" dieses Schrittes führt aber wegen der 30-Tage-Regel dazu, dass der Artikel trotzdem gelöscht wird - nur eben später.