Albert Speer

deutscher Kriegsverbrecher, Architekt, Minister für Rüstung und Kriegsproduktion im 3. Reich
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Albert Speer (* 19. März 1905 in Mannheim, † 1. September 1981 in London) war ein deutscher Architekt, hoher Funktionär während der Zeit des Nationalsozialismus und Verbrecher. Speer stand Adolf Hitler nah wie kaum ein anderer und hatte trotz Leuten wie Bormann und Goebbels, die ihm feindlich gesonnen waren, bis zum Ende des Dritten Reichs direkten Zugang zum Diktator. Dieser direkte Zugang stellte in sich eine Macht dar, die angesichts des Charakters Hitlers' seinesgleichen suchte (seinen Duzfreund Röhm liess er umbringen) und wohl auf ehrliche Freundschaft gründete, die Speer aber nur zu seinem eigenen Interesse nutzte, wenngleich er als Architekt Hitlers "Germania"-Ideen (die Umgestaltung in ein Über-Rom und Über-Paris) nicht nur guthiess, sondern förderte.

Als Hitlers Rüstungsminister (ab Februar 1942) verstrickte er sich in die Nazi-Verbrechen. Mehr und mehr forderte er Sklaven (Zwangsarbeiter) an, die ihm Himmler zutrieb. Das Wohl der Sklaven interessierte ihn nicht. In einem Fernseh-Interview nach seiner Freilassung 1966 behauptete Speer, von der massenhaften Ermordung der Juden und anderer Minderheiten während der deutschen Besatzung nichts gewusst zu haben. Das war eine Lüge.


Datei:Adolf Hitler in Paris 1940.jpg
Albert Speer, Adolf Hitler und Arno Breker im besetzten Paris - 28. Juni 1940

Leben

Werdegang vor 1933

Albert Speer entstammte einem großbürgerlichen Elternhaus, bereits Vater und Großvater waren Architekten.

Speer studierte zunächst "aus finanziellen Gründen" in Karlsruhe und von Frühjahr 1924 bis Sommer 1925 an der Technischen Hochschule in München. Im Herbst 1925 wechselte er nach Berlin und bemühte sich vergeblich darum, an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg in das Seminar von Hans Poelzig aufgenommen zu werden. 1926 erhält Heinrich Tessenow einen Lehrauftrag in Berlin und Speer wird sein Schüler. Nach dem Diplom 1927 bleibt er zunächst für mehrere Jahre als Tessenows Assistent an der Hochschule.

1932 verlässt Albert Speer Berlin und geht zurück nach Mannheim. Er lässt sich dort als Architekt nieder, führt in Mannheim jedoch mangels Aufträgen keine Bauten aus.

Architekt Hitlers ab 1933

Nach eigenem Bekunden erwachte sein Interesse am Nationalsozialismus im Dezember 1930 nach dem Besuch einer politischen Kundgebung in der Berliner Hasenheide mit Adolf Hitler als Redner. Bereits am 1. März 1931 trat er in die NSDAP ein. Seine ersten Bauaufgaben überhaupt waren kleinere Umbauten von Parteigebäuden ab 1932. Nach der Machtergreifung 1933 lernt er Hitler kennen und der architekturbegeisterte "Führer" nimmt den jungen Speer in den engsten Kreis seiner Günstlinge auf. 1934, nach dem Tod des Münchners Paul Ludwig Troost, Hitlers bisherigen "Hofarchitekten", nimmt Speer dessen Rolle ein.

In den Jahren nach 1933 entwarf Speer monumentale Bauten für die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg, die jedoch kriegsbedingt nur zum Teil realisiert wurden. Später wurde Speer zum Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt Berlin ernannt. In Berlin errichtete er auch die neue Reichskanzlei (1938/39). Teil seiner Aufgabe war der Umbau Berlins in die Welthauptstadt Germania. In diesem Rahmen sollte im Spreebogen mit der Großen Halle die größte Kuppelhalle der Welt entstehen. Teil der Planungen war die Zusammenfassung des Eisenbahnverkehrs in einem neuen Nord- und Südbahnhof sowie die Errichtung von Breitspurstrecken. Mit Heinrich Himmler vereinbarte Speer, dass die benötigten Steine von Konzentrationslagern zu liefern waren. Das Kapital für die von der SS gegründete Firma Deutsche Erd- und Stein-Werke GmbH wurde aus dem Haushalt Speers finanziert. Das Geld floß direkt in den Aufbau des KZ-Systems. Zurückzahlen sollten die Totenkopfverbände der SS den zinslosen Kredit in Form von Steinen. Zu diesem Zweck wurden fast alle KZs zwischen 1937 und 1942 in der Nähe von Tongruben oder Steinbrüchen gebaut. Für die Lager in Groß-Rosen in Schlesien und Natzweiler-Struthof im Elsass hat Speer 1940 die Standorte wegen der Granitvorkommen selbst festgelegt. Die Deportationslisten zwischen Oktober 1941 und März 1943 haben Mitarbeiter Speers zusammen mit der Gestapo erstellt, wie Akten nachweisen. Speer hat das bis zu seinem Tod bestritten, obwohl er in einem Brief vom 13. Dezember 1941 bei Martin Bormann schreibt, dass die Aktion in vollem Gange sei und sich darüber beschwert, dass dieser Judenwohnungen ausgebombten Berlinern bereit stellen wolle, obwohl diese ihm (Speer) gehörten.

Minister ab 1942

1942, nach dem Tode von Fritz Todt, wurde Speer von Hitler zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition und Generalinspekteur für Straßenwesen, Festungsbau, Wasser und Energie ernannt. Speer gehörte seitdem endgültig zum engsten Kreis der Machthaber um den "Führer". Er war in seiner neuen Position auch verantwortlich für die Zuteilung von Baumaterial an die Konzentrationslager. In diesem Zusammenhang erlangte er über zwei Angestellte auch Kenntnis davon, dass Auschwitz künftig auch der "Lösung der Judenfrage", also der massenhaften Ermordung von Juden, dienen sollte. Letzteres wurde von Speer selbst bis zuletzt bestritten.

Zusätzlich berief ihn Hitler 1943 zum Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion. Albert Speer schaffte es, insbesondere durch den Einsatz von Millionen von Fritz Sauckel beschafften Zwangsarbeitern, die Produktion massiv zu erhöhen.

1945 widersetzt sich Speer nach eigenen Angaben Hitlers "Politik der verbrannten Erde" (Nerobefehl). Er sabotierte Anweisungen, die auf die Zerstörung der Infrastruktur in Deutschland und den teilweise noch besetzten westeuropäischen Ländern zielten. Speer wird - als dem einzigen Intellektuellen neben Goebbels unter den oberen Naziführern - vorgeworfen, dass er die Verhinderung des so genannten Nerobefehls nur mit einer vollständigen Totalisierung des Krieges von Hitler "erkauft" habe, eine Totalisierung, die trotz absehbarem Kriegsende noch Millionen das Leben kostete. Diese Totalisierung ließ noch zahlreiche Städte Deutschlands sinnlos von amerikanischen Bombern in Schutt und Asche gelegt werden. Speer soll befohlen haben, die Fabriken bis kurz vor Eroberung Rüstungsgüter weiterproduzieren zu lassen und erst im allerletzten Moment "zu lähmen".

Nach 1945

In den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen 1946 wurde Speer wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er im Kriegsverbrechergefängnis Spandau verbrachte. 1966 wurde er aus der Haft entlassen. Nach der Haftentlassung trat Speer der SPD bei.

Albert Speer war Vater von 6 Kindern. Sein gleichnamiger Sohn Albert Speer (junior) ist ein bekannter Architekt. Seine Tochter ist die Erziehungswissenschaftlerin und ehemalige Abgeordnete der Alternativen Liste im Berliner Abgeordnetenhaus Hilde Schramm, die 2004 für ihr Engagement in der Stiftung "Zurückgeben" zugunsten künstlerischer oder wissenschaftlicher Arbeiten noch unbekannter jüdischer Frauen den Moses-Mendelssohn-Preis erhielt.

Speers Beziehung zu Hitler

Speer selbst war schon bei der ersten Teilnahme an einer Kundgebung Hitlers fasziniert von Hitlers Visionen, Idealen, seiner intuitiven Anpassungsfähigkeit und seinem süddeutschen Charme. Er sagte später über sich und Hitler: „Wenn Hitler Freunde gehabt hätte, wäre ich bestimmmt einer seiner engen Freunde gewesen“. Hitler fand in Speer hingegen den Architekten, der ihm in schnellster Zeit mit einem unglaublichen organisatorischen Talent ganze Bauwerke erstellen und mit dem er über Kunst philosophieren konnte. Vor allem aber wusste er Speers Loyalität zu schätzen. Hitler, der an Kunst im allgemeinen, vor allem aber an Architektur interessiert war*, gewährte Speer alle möglichen Mittel für seine Bauten, was wohl der Traum jedes Architekten ist (Zitat Speer: „Für einen großen Bau hätte ich wie Faust meine Seele verkauft. Nun hatte ich meinen Mephisto gefunden.“). Speer verkörpert das, was Hitler immer so gern sein wollte, Künstler und Visionär. Er schätzte bei Speer auch Ehrlichkeit, Fleiß, Arbeitseifer, Pflichtbewusstsein („urdeutsche bzw. preußische Tugenden“)

  • Zitat: [...] Dann kam er [Hitler] gern auf die alte Klage zurück, dass er wider Willen Politiker geworden, im Grunde ein verhinderter Architekt und nur deshalb als Baumeister nicht zum Zuge gekommen sei, weil er nur als staatlicher Bauherr diejenigen Aufgaben stellen konnte, die ihm selber angemessen gewesen seien.

Der Architekt Speer

Speers Architekturstil und seine Bedeutung

 
Modell der "Großen Halle" für die Welthauptstadt Germania, rechts unten das Brandenburger Tor im Vergleich

Speer pflegte einen trockenen, reduzierten Klassizismus, der auch als Neoklassizismus bezeichnet wird. Es sollte eine „klare Linie“ sichtbar sein. In der Architektur sollte man die NS-Ideologie auch wiederfinden. So sollte die Größe der Gebäude einerseits einem Staatsgast die germanische Macht und Stärke zeigen (Chauvinismus), andererseits sollte das Volk hingegen bei so großen Gebäuden denken, dass sie nur ein sehr kleiner, unwesentlicher Teil des Ganzen sind nach dem Prinzip der Volksgemeinschaft. Andere wesentliche ideologische Werte, die über die Architektur näher gebracht werden sollte, waren:

  • Militarismus: Die vielen militaristisch ausgelegten Gebäude heroisieren den Krieg.
  • Imperialismus: Die vielen an die Antike anlehnende Gebäude unterstreichen den imperialistischen Gedanken der Nazis. Man wollte wie das „Imperium Romanum“ ein Imperium werden und erhebt gleichzeitig Anspruch auf mehr Land.
  • Propaganda: Die Reichsparteitage waren eine gigantische Selbstinszenierung der NSDAP, die in der Propaganda Goebbels' eine große Rolle spielt. Dieser Gigantismus konnte viele Leute in den Fanatismus leiten.

Hitler plante sämtliche städtebaulichen Veränderungen, wie Hamburg als „Welthandelszentrum“, München als „Stadt der Bewegung“, Nürnberg als „Stadt der Reichsparteitage“ und Linz. Hitler gab Speer 1937 den größten Auftrag, Berlin in die „Welthauptstadt“ Germania umzubauen. Hitler meinte zu Speer: „Berlin ist eine Großstadt, aber keine Weltstadt. Sehen sie Paris an, die schönste Stadt in der Welt! Oder selbst Wien! Das sind Städte mit einem großen Wurf. Berlin aber ist nichts als eine ungeregelte Anhäufung von Bauten. Wir müssen Paris und Wien übertrumpfen.“

Die Ruinenwerttheorie

Hitler verlangte sog. „Traditionsbrücken“ zu zukünftigen Generationen zu bilden, deswegen waren modern konstruierte Bauwerke, die als „rostende Trümmerhaufen“ nicht den heldenhaften Geist vermittelten wie die Bauten der Vergangenheit, für ihn nicht akzeptabel. Speer hatte so, aufgrund Hitlers Bewunderung der antiken Architektur, die Theorie entwickelt, dass er unter Verwendung besonderer Materialien, wie Granit, sowie Berücksichtigung besonderer statischer Überlegungen Bauten ermöglichen könne, deren Verfallszustand nach Hunderten oder – wie die megalomanen Nationalsozialisten rechneten – Tausenden von Jahren etwa den römischen Vorbildern gleichen würden. Diese Theorie vom Ruinenwert wurde, nachdem Speer sie Hitler näher gebracht hatte, als Standard für Bauskizzen im 3. Reich eingeführt. Hitler war nämlich der Meinung, dass nur Bauwerke die ehemalige Stärke der Völker in schwächeren Perioden anzeigen würden und das vielleicht auch in dem „Tausendjährigen Reich“. So würden beispielsweise von der ehemaligen Stärke Roms nur noch die Bauwerke zeugen.

Monographien

Literatur

  • Susanne Willems: Der entsiedelte Jude. Albert Speers Wohnungsmarktpolitik für den Berliner Hauptstadtbau. Berlin: Edition Hentrich 2002 ISBN 3894682590
  • Joachim Fest: Speer. Eine Biographie. Frankfurt a.M.: Fischer 2001 ISBN 3-59615-093-0
  • Joachim Petsch: Baukunst und Städteplanung im Dritten Reich. München: Hanser 1976 ISBN 3-44612-279-6
  • Matthias Schmidt: Albert Speer. Das Ende eines Mythos. München: Goldmann 1983 ISBN 3-44211-354-7
  • Gitta Sereny: Albert Speer - Das Ringen mit der Wahrheit und das deutsche Trauma. München: Kindler 1995 ISBN 3-46340-258-0
  • Heinrich Schwendemann: Albert Speer. Architekt des Todes. "Im Herbst 1944 stand NS-Rüstungschef Albert Speer auf dem Höhepunkt seiner Macht. Auch heute noch gern zum »verführten Bürger« umgelogen, gehörte Speer tatsächlich zu den brutalsten Führern des Regimes." Die Zeit, 28. Oktober 2004 [3]
  • Heinrich Schwendemann: "Drastic Measures to Defend the Reich at the Oder and the Rhine..." A forgotten Memorandum of Albert Speer of 18 March 1945, in: Journal of Contemporary History 38. Jg. (2003), S. 597-614.
  • Margret Nissen unter Mitarbeit von Margit Knapp und Sabine Seifert: Sind Sie die Tochter Speer?, DVA, 2005, 250 S. ISBN 3-42105-844-X
    - Rezension von Schwendemann [4]

Film

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