Punk

Jugendkultur, die Mitte der 1970er Jahre in New York und London entstand
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. Mai 2005 um 19:22 Uhr durch Macador (Diskussion | Beiträge) (-abschnitt "feinde" (sinnlos bis dümmlich), -bandlink (kommt bei punk (musik) rein)). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
  1. Eine Musikrichtung, siehe Punk (Musik)
  2. Eine Jugendkultur, die auf Grundlage der Punkmusik Mitte der 1970er in den Vereinigten Staaten Amerikas entstand und in Großbritannien, speziell in London ihren "Boom" erlebte.
  3. Punk, Plural: Punks. Angehöriger ebendieser Jugendkultur, deutsche Fremdbezeichnung auch: Punker.

Herkunft des Wortes

Das Wort Punk Vorlage:Lautschrift aus dem Englischen taucht erstmals im frühen 13. Jhd. auf und bezeichnete einen Stapel moderiges Holz. Später wurde es eine Bezeichnung für "Abschaum, Dreck". Damit ist eine Person gemeint, die sich nicht den gerade geltenden gesellschaftlichen Normen angepasst hat. Im Musikbereich wurde der Begriff Punk-Rock 1972 von Lenny Kaye eingebracht, dem Gitarristen der Patti Smith Group, in den Erläuterungen einer von ihm veröffentlichten Anthologie des amerikanischen Garagenrocks der 1960er Jahre. Der Punk-Veteran Donny the Punk hat erklärt, dass das Wort Punk von einem Slangausdruck für Vergewaltigungen im Gefängnis kommt ("I punked that kid"). Ein Punk ist in diesem Zusammenhang das Opfer.

Geschichte

Der Ursprung des modernen Punk liegt in den späten sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Vorreiter dieser Zeit waren die Gruppen The Stooges, MC5, The Sonics und The Velvet Underground. Punk war vor allem in seinen Ausdrucksformen eine Reaktion auf die Hippie-Bewegung. Er wendete sich sowohl gegen den Idealismus als auch gegen die Friede-Freude-Eierkuchen-Esoterik der Hippies. Stattdessen setzte Punk auf offene Ablehnung der Gesellschaft und erteilte hoffnungsvollen Zukunftserwartungen mit dem Slogan „No Future” eine Absage. Er meinte die Gesellschaft: "There's no future for you!" (Sex Pistols: God Save The Queen).

Analyse der Entstehung

Greil Marcus' Auffassung zufolge ist Punk unweigerlich mit dem Situationismus der 1960er Jahre verknüpft. Diesen Standpunkt wollte auch Malcolm McLaren als einer der frühen Hauptprotagonisten, in der Arbeit mit den Sex Pistols (als Mentor dieser Gruppe) gerne als den Ausgangspunkt dieser Bewegung ausgeben.

Allerdings ist der Situationismus durch politische Ziele des Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus gefärbt. Der Anarchismus bei den frühen Punks wie Steve Jones, Paul Cook und Sid Vicious gleicht jedoch eher einer gewaltsamen diebischen Anomie (im wörtlichen Sinne).

 
Punks Punk Festival HITS 2003 Morecambe UK

Dass zwischen dem Situationismus und dem Punk kaum eine Verbindung besteht, geht auch eindeutig aus dem Buch "Sex Pistols - The Inside Story" von Fred und Judy Vermorel hervor. Dieses bildet aus heutiger Sicht eine der zuverlässigsten Quellen der Geschehnisse um die Sex Pistols und der frühen Punkbewegung Londons, da es zeit- und protagonistennah erstellt wurde. Durch die Autobiographie Johnny Rottens No Irish, No Blacks, No Dogs wird die These, dass die Londoner Punk-Szene losgelöst vom Situationismus zu betrachten ist, zusätzlich unterstützt.

Die Entstehung des englischen Punks – in den frühen 1970ern – ist aus vielen Gründen sehr speziell und lässt sich im Großen und Ganzen nicht mit der US-amerikanischen Entwicklung vergleichen.

Grundlage des englischen Punks war ein in erster Linie apolitischer Groll auf sämtliche institutionellen Organisationen. Fehlender oder mangelhafter Halt durch die Bildungsinstitutionen und nach dem Verlassen dieser die mangelnden Aussichten (soziale und kulturelle Armut) – bedingt durch das steife englische Klassensystem - überhaupt eine Arbeit zu finden, geschweige denn einen gesellschaftlichen Aufstieg innerhalb dieses Systems, bildeten das Fundament für die punkimmanente Grundeinstellung.

Derart ausgeschlossen aus dem Kreise der Geldverdiener, war es den Jugendlichen (die den Hauptanteil der Bewegung ausmachte) verwehrt, an den Dingen – die ihr Herz begehrte oder begehren gemacht wurde – wie modischer Bekleidung, neue und neueste Musik in allen Formen und im Allgemeinen dem Konsum von Getränken in Gaststätten teilzuhaben.

So kann die jugendliche Punkbewegung Londons – wo das Zentrum der Entstehung war – als ein seit dem Anfang der 1970er sich über mehrere Jahre entwickelnde spätpubertäre Antihaltung sowohl am politischen Establishment als auch gegenüber der Kulturindustrie (insbesonderer der Musikindustrie) und dem Bürgertum allgemein verstanden werden.

Die Alternative hieß Eigenproduktion unter anderem der Bekleidung, wenn auch aus dem Altkleidercontainer, Musik (am Beispiel der Sex Pistols mit geklautem Equipment) und dazugehöriger Vertriebswege und -mittel. So bahnte sich langsam aber sicher eine neue Kultur den Weg an die Oberfläche.

Grundsätze waren: Ekstase, Verschwende dich selbst, glaube niemandem, do it yourself, stelle Autorität oder Stars in Frage.

So waren auch die ersten kreativen und künstlerischen Exponate musikalischer, modischer, lyrischer und bildener Künste Ausdruck dieser naiven apolitischen und jugendlichen revoltierenden Emanzipation, wie auch einige der ersten Musiker an Kunsthochschulen studierten.

Parallel zum Entstehen des Punks entwickelte sich zeitgleich die wesentlich radikalere Industrial Culture mit Vorreitern wie Throbbing Gristle, Cabaret Voltaire und SPK.

Erst die zweite, dritte und vierte Generation politisierte den Punk zunehmend.

Datei:Punkgirls.jpg
Punk Girls Punk Festival HITS 2003 Morecambe UK

Die Punkbewegung war immer eng mit der gleichnamigen Musikrichtung verbunden. Punk stellte sich gegen einst als progressiv geltende Bands, die nach Meinung der Bewegung durch rein kommerzielle Strategien in die Hitparaden gepusht wurden und gegen Bands wie Pink Floyd, Genesis oder Led Zeppelin, die sich in immer unglaublicherer Gigantomanie auf LP und im Konzert verbreiteten. Welches die erste Punkrock-Band war, darüber lässt sich streiten. Genannt werden in dem Zusammenhang, oder als Vorläufer, The Velvet Underground, eine Band um Andy Warhol, die schon in den 1960ern aktiv waren, The Stooges, Iggy Pop, The New York Dolls, MC5, die Ramones oder auch Patti Smith. Alle diese Bands kommen aus den USA. Als amerikanisches Zentrum des Punks gilt der Club CBGB in New York City. Als britischer Vorläufer gelten die frühen Kinks und Bands wie The Troggs. Von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird die langsam entstehende Punk-Kultur 1976 in England, als die Sex Pistols mit ihren Singles (Anarchy in the UK, und 1977 God Save The Queen) Furore machen. Zeitgleich schießen aber viele andere Bands aus dem Boden, und die Punk-Bewegung diversifiziert in fast ebensoviele Richtungen, wie Anarcho-Punk, Oi Punk, Skapunk, Fun Punk, Skatepunk, und viele mehr. Eine etwas mehr auf den Massengeschmack ausgerichtete Nachfolgebewegung war New Wave. Einen Versuch, den Geist des Punk zu bewahren bildete die Hardcore-Bewegung, die Mitte der Achtziger Jahre entstand. Als wichtigste Bands seien an dieser Stelle Agnostic Front, Dead Kennedys, Black Flag, Minor Threat und Sick Of It All erwähnt.

Punk war in den 1980ern die dominierende Kultur in den meisten Autonomen Zentren. Die Chaostage in Hannover waren von 1982 bis 1984 ein fester Treffpunkt der Szene. Diese wurden 1994/1995 wiederholt, führten zu bundesweiten Medienberichten und sorgten für ein kleines Revival der Szene.

 
Punks auf dem UZ-Pressefest 2003

Es gibt gemeinsame Merkmale, die typisch sind für die Punk-Kultur: Punk bringt seine Kritik durch Punkmusik, den Kleiderstil, aber auch Fanzines und eine bestimmte Grafik (Collagen, Xerographien und Comic-Zeichnungen) zum Ausdruck. Punk betont das Hässliche und will provozieren. Er stellt sich gegen die Gewohnheiten, die herrschende Klasse, die Konsumgesellschaft, das Bürgertum und gegen Snobismus. Durch seine strikte Antihaltung und einer Lebensart von „Anarchie und Chaos”, wendet er sich gegen das ihm vorgelebte hierachische Gesellschaftssystem. Manche Punks sehen für sich keine Zukunftsperspektive (Schlagwort: „No Future” auf sich selbst angewendet), somit ist auch die oft körperschädigende Lebensart vieler Punks zu erklären. Es gibt aber auch komplett gegenteilige Tendenzen in der Punk-Szene, wie die Veganer- und Straight Edge-Bewegung.

Ende der 1970er traten in England verschiedentliche Bands wie "Crass", "Conflict" oder "Zounds" auf, die sich einem radikalen Antikommerzialismus verschrieben hatten. Ihr Protest richtete sich nicht nur direkt gegen Institutionen wie Politik, Kapital und Geistlichkeit, sondern gegen die Gesellschaft und deren grundlegende Werte, insbesondere die Konsumgesellschaft. So lebten die Mitglieder der Band Crass nahe London auf einer Farm in dem Versuch einer autarken und selbstversorgten, in kommunenartiger Struktur organisierter Lebensweise. Tonträger dieser Bands wurden meist zum Selbstkostenpreis verkauft, Konzerteintrittspreise waren, wenn sie überhaupt erhoben wurden, lediglich kostendeckend. Im Bezug auf Alkohol und Drogen, die in der restlichen Punkszene häufig konsumiert wurden, ging diese Strömung auch auf Gegenkurs: Um nicht von Händlern und Herstellern der Alkoholika und Drogen finanziell und moralisch abhängig zu sein, wurden diese Produkte strikt abgelehnt. Ähnlich verhielt es sich mit Fleischverzehr. Es wurde versucht, sich in keinem Lebensbereich durch etablierte Strukturen vereinnahmen zu lassen, bzw. ihnen zu folgen.

Dass soviel „Anti” trotzdem von der Mode vereinnahmt werden konnte, überraschte in den frühen 1980ern nicht nur die Punks selber. Viele Leute sind der Ansicht, dass alle Punks, die nach der ersten Welle kamen, nur noch modische Nachahmungen sein könnten und den Kernsatz des „alles neu, so wie es noch nie war” der anfänglichen Punkbewegung, oder die im Punk oft verkörperten politischen Ansichten (z. B. Anarchie) gar nicht mehr erfüllen können. Die Mode fand sich innerhalb der Szene. Bestimmten Bands wie zum Beispiel The Exploited wurde vorgeworfen konservativ einen Stil zu bewahren um kommerziell erfolgreich zu sein. Punk beeinflusste aber auch die Mainstream-Kultur. Die Neue Deutsche Welle wurde ursprünglich von Bands getragen, die der Punk-Szene sehr nahe standen, bevor die Musikindustrie den Trend entdeckte und eigene Bands ins Rennen schickte.

Während zum Anfang der Punkszene die meisten noch recht jung waren, sind mittlerweile die "Altpunks" über 40 Jahre alt. Charlie Harper, Frontmann der englischen "UK Subs", feierte 2004 gar seinen 60. Geburtstag.

Szenetypische Erscheinung

Obwohl Punk als Idee gerade gegen Normen und für Individualität auftritt, hat sich seit den 80ern ein gewisser Dresscode herausgebildet, der innerhalb der Szene vorherrscht, auch wenn er keinesfalls verpflichtend ist. Wegen der Vielzahl der Strömungen, die jeweils eigene Codes hervorgebracht haben, ist es schwierig, "den" Punk zu beschreiben. Auch solche Leute, deren Aussehen nicht sehr auffällig ist, bezeichnen sich oft selbst als Punks. Im Allgemeinen treten bei beiden Geschlechtern Kombinationen folgender Elemente auf:

Frisuren

Punks sind berüchtigt für ihre auffälligen Haarschnitte. Am bekanntesten ist der sog. "Irokesenschnitt", bei dem die Seiten abrasiert werden und ein Haarstreifen vom Nacken bis zur Stirn stehenbleibt, der oft kammartig aufgestellt wird. Variationen mit mehreren parallel verlaufenden "Iros" kommen vor. Bei der "Spike"-Frisur stehen die Haare zu Stacheln geformt vom Kopf ab. In der Regel werden die Haare zusätzlich grell gefärbt, oft in mehreren Farben. Dazu wurde früher gerne Autolack benutzt, was heute eher selten geworden ist

Körperschmuck

Piercingschmuck ist in der Punkszene verbreiteter als in anderen Jugendbewegungen. Schon um 1980 sollen sich Punks Sicherheitsnadeln durch die Haut gestochen haben, um sie als Schmuck zu tragen. Tätowierungen sind ebenfalls sehr häufig.

Kleidung

  • Stahlkappenstiefel, z.B. Doc Martens, fälschlicherweise oft als Springerstiefel bezeichnet; auch Turnschuhe (Chucks)
  • Enge Hosen, z.B. Jeans. Beliebt in der Szene sind jedoch sog. Bondagehosen in buntem Karomuster, die mit zahlreichen Reißverschlüssen und Stoffbändern versehen sind. Dazu gehört oft eine Art Kilt.
  • Nietengürtel oder Ketten.
  • Lederjacken (oft bestückt mit Nieten, Sicherheitsnadeln, Sprüchen und Aufnähern), auch Bomberjacken oder sogar Parkas.
  • Nietenarm- und Halsbänder, Stiefelbänder und Ketten als Accessoires

Punkkleidung ist oft zerrissen, bemalt, beschriftet oder anderweitig von ihrem Träger verändert.

Literatur

  • Martin Büsser: If the Kids are united... - von Punk zu Hardcore und zurück, Ventil Verlag, 2000, ISBN 3-930-55948-X
  • Greil Marcus: Lipstick Traces - von dada bis punk, eine geheime Kulturgeschichte, Rowohlt, 1996, ISBN 3-499-60102-8
  • Jürgen Teipel: Verschwende deine Jugend. Ein Doku-Roman über den deutschen Punk und New Wave, (= Suhrkamp Taschenbuch 3271), Frankfurt am Main 2001 ISBN 3-518-39771-0
  • Paul Ott und Hollow Skai (Hgg.): Wir waren Helden für einen Tag. Aus deutschsprachigen Punk-Fanzines 1977-1981, Reinbek bei Hamburg 1983 ISBN 3-499-17682-3
  • Jan Off: Vorkriegsjugend, Ventil Verlag, 2004, ISBN 3-930-559-88-9
  • Rocko Schamoni: Dorfpunks, rororo, 2004, ISBN 3-499-23618-4