Reichsparteitagsgelände
Reichsparteitagsgelände wird das Areal im Südosten Nürnbergs genannt, auf dem von 1933 bis 1938 die Reichsparteitage der NSDAP abgehalten wurden. Der Gesamtentwurf für die Gestaltung des Geländes stammte von Albert Speer und umfasste eine Gesamtfläche von über 11 km². Einige der Kolossalbauten wurden ganz oder teilweise fertiggestellt und sind noch heute zu besichtigen.
Das Gelände vor 1933: Naherholungsgebiet
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich im Südosten Nürnbergs rund um den kleinen und großen Dutzendteich ein Naherholungsgebiet für die Bewohner der rasch wachsenden Stadt. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden an den Teichen eine Strandpromenade, Cafes und eine Badeanstalt eingerichtet.
In dem Bereich zwischen Dutzendteich und dem heutigen Platz der Opfer des Faschismus fand 1906 die Bayerische Jubiläums-, Landes-, Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung statt. Der nördliche Teil des Ausstellungsgeländes wurde zu Ehren des damaligen Prinzregenten Luitpold Luitpoldhain genannt. Die für die Ausstellung errichteten Gebäude wurden, bis auf dem Leutturm und die Maschinenhalle, wieder abgetragen. Diese erhielt nach einigen Umbauten zu einer Veranstaltungshalle den Namen Luitpoldhalle.
Die Geschäftsstelle der "Bayerischen Jubiläums-Landes-, Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung 1906" beantragte, laut dem im Stadtarchiv Nürnberg vorhandenen Bauakt, am 14.1.1905 beim Stadtmagistrat den Bau des Leuchtturms am Dutzendteich. Der Antrag wurde dort am 10.2.1905 genehmigt. Der Leuchtturm war Ausstellungsbeitrag der Firma Josef Houzer, Spezialgeschäft für Schornsteinbau und Feuerungsanlagen. Baubeginn für den Turm war am 1.10.1905. Durch den später erfolgten Bau einer Eisenbetonbrücke wurde das Ensemble erst bis zum 22.6.1906 fertiggestellt. Während der Ausstellung diente der Turm (TURMHÖHE: ca.15 m) tagsüber als Aussichtsplattform und nachts beleuchteten dort angebrachte Scheinwerfer das Gelände. Am 30.12.1907 wurde der Leuchtturm zur weiteren Nutzung an die Stadt Nürnberg verkauft, die einen Aufzug einbauen ließ. In der Stadtchronik findet sich ein Zeitungsartikel, dem zufolge die Stadtverwaltung 1925 plante, ihn abzubrechen. Diese Pläne wurden jedoch nicht weiter verfolgt, bis das Gelände nach der Machtübernahme durch die NSDAP für die Errichtung der Kongresshalle als Teil des Reichsparteitagsgeländes ausersehen wurde. Der Leuchtturm stand im Weg und wurde am 29.10.1936 im Zuge von Bodenverdichtungsarbeiten durch die 1. Kompanie des Pionierbataillons 45 Neu-Ulm gesprengt. Heute steht dort der Torso der Kongresshalle.
Auf Grund dieser Einrichtungen und der günstigen Verkehrsanbindung wurde das Gelände zum beliebten Ort für Großveranstaltungen überregionaler Bedeutung, darunter auch die NSDAP-Parteitage von 1927 und 1929. 1930 errichtete man auf der östlichen Seite des Hains ein Gefallenendenkmal, die sogenannte Ehrenhalle, zum Gedenken an die Toten des ersten Weltkriegs.
In dem Bereich zwischen Luitpoldhain und dem Dutzendteich wurde 1912 der Nürnberger Tierpark eröffnet, 1939 wurde er in den Schmausenbuck verlegt, da er den Ausbauplänen für das Parteitagsgelände im Weg stand.
Im Gebiet jenseits des Dutzendteichs entstand ab 1923 auf Anregung des Nürnberger Oberbürgermeisters Hermann Luppe ein Sport- und Erholungsgelände mit dem im Bauhausstil gehaltenen, achteckigen Städtischen Stadion. Dieses bot Platz für 50.000 Zuschauer, inklusive einer überdachten Tribüne für 2500 Zuschauer. Teil des Geländes war auch eine Wiese, auf der 1909 ein Luftschiff landete und die seither Zeppelinfeld heißt. Der Gesamtentwurf des Sportparks erfuhr internationale Anerkennung, unter anderem eine goldene Medaille für die Planung bei den Olympischen Spielen 1928. Dadurch ermutigt, bewarb sich Nürnberg um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 1936, die Bewerbung wurde jedoch zugunsten Berlins fallengelassen.
Das Gelände zwischen 1933 und 1945: Die Bauwerke
Luitpoldarena
Die Parkanlage des Luitpoldhains wurde ab 1933 durch eine streng gegliederte Aufmarschfläche ersetzt, der sog. Luitpoldarena mit einer Fläche von 84.000 m². Gegenüber der Ehrenhalle errichtete man eine Rednertribüne. An der Ehrenhalle selbst wurde jetzt primär der Gefallenen des Hitlerputsches von 1923 gedacht. Die direkte Verbindung zwischen Tribüne und Halle bestand aus einem breiten Granitweg. In diesem Ensemble fanden während der Reichsparteitage die Aufmärsche von SA und SS mit bis zu 150.000 Menschen statt. Zentrale "Reliquie" hier war die Blutfahne, die angeblich beim Hitlerputsch von den Putschisten mitgeführt worden war. Bei der Blutfahnenweihe wurden neue Standarten von NS-Einheiten durch Berührung mit der Blutfahne "geweiht".
Luitpoldhalle
Die Luitpoldhalle besaß eine Ausdehnung von 180 mal 50 Metern und bot Platz für bis zu 16.000 Menschen. In ihr fand im Rahmen der Reichsparteitage der Parteikongreß statt. Da die verspielten Jugendstilfassade der 1906 errichteten Halle nicht zur Optik der Luitpoldarena passte, verblendete man sie 1935 mit einer strengen Kulisse, die dem Eingang zur Halle einen Monumentalen Eindruck verlieh. Auch im Innenraum wurde durch Fahnen und Vorhänge die Aufmerksamkeit der Zuhörer von der Architektur weg auf die Redner, namentlich Adolf Hitler und weitere Parteigrößen, gelenkt.
Kongresshalle
Die Kongresshalle ist der größte erhaltene NS-Monumentalbau in Deutschland und steht heute unter Denkmalschutz. Der Entwurf stammte von den Nürnberger Architekten Ludwig und Franz Ruff, geplant als Kongresszentrum für die NSDAP mit einer Kapazität für 50.000 Menschen mit einem freitragendem Dach. Allein der Innenraum hat die Größe von etwa fünf Fußballfeldern. Die Architektur, insbesondere der Außenfassade orientiert sich am Kolosseum in Rom. Die Grundsteinlegung erfolgte 1935, der Bau blieb jedoch unvollendet, insbesondere kam es nicht mehr zur Überdachung.
Große Straße
Die Große Straße wurde 1939 als Aufmarschstraße und zentrale Achse des Geländes fertiggestellt. Sie ist in nördlicher Richtung auf die mittelalterliche Kaiserburg ausgerichtet, um eine Verbindung zu den Kaisern des Mittelalters und zum "Heiligen Römischen Reich" herzustellen. Sie konnte jedoch nie auf Parteitagen benutzt werden, da nach Kriegsbeginn keine Veranstaltungen mehr stattfanden.
Sie ist zwei km lang und 60 Meter breit, besteht aus quadratischen Granitplatten und führt zwischen kleinem und großem Dutzendteich in das für die Wehrmacht geplante Märzfeld.
Deutsches Stadion
Das Deutsche Stadion sollte nach den Vorstellungen von Albert Speer das größte Sportstadion der Welt werden. Das vorgesehene Fassungsvermögen wird mit mehr als 400.000 Zuschauern angegeben. Der Grundriss des hufeisenförmigen Baus erinnert an das antike Stadion in Olympia. Trotz Grundsteinlegung 1937 wurde bis 1945 lediglich die Baugrube ausgehoben. Heute ist die Baugrube durch Grundwasser geflutet und wird als Silbersee bezeichnet.
Märzfeld
Der Name Märzfeld ist eine Anspielung auf den römischen Kriegsgott Mars und eine Erinnerung an die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht im März 1935. Das Gelände sollte Platz für Schaumanöver der Wehrmacht während der Reichsparteitage bieten (Größe 955 x 610 Meter, das entspricht etwa 60 ha). Mit dem Bau wurde 1938 begonnen, zu einer Fertigstellung kam es nicht. Umrahmt von 24 Türmen, sollte es den Eindruck einer monumentalen Festungsarchitektur erwecken, an den Rändern waren zudem Tribünen für mehrere hunderttausend Zuschauer geplant.
Städtisches Stadion/"Stadion der Hitlerjugend"
Zeppelinfeld
Das Zeppelinfeld hat seinen Namen von der Landung Ferdinand Graf von Zeppelins mit einem seiner ersten Zeppeline im Jahr 1903.
Das Gelände nach 1945
Nach dem 2. Weltkrieg wurden die übriggebliebenen Baumaterialien und Schutt mit Erde abgedeckt; dadurch entstanden die kleinen Hügel, die heute das Naherholungsgebiet rund um den Dutzendteich prägen.
Das Märzfeld war nach 1945 weitgehend ungenutzt. Die US-Streitkräfte beschlagnahmten einen Großteil des Gebiets um provisorische Munitionslager in einigen der Türme anzulegen. In den 60er Jahren wurde das Gelände freigegeben um Platz zu machen für die Wohnbebauung des neuen Stadtteils Langwasser. Die ersten Türme wurde 1966 gesprengt.
Nach 1945 nutzte die US-Army die Große Straße zunächst als Militärflugplatz. Mit der Zeit erwies sich die riesige Fläche dann als äußerst günstig gelegener Parkplatz in direkter Nähe zum Messegelände, zum Franken-Stadion und zum Volksfestplatz.
1992/93 wurde eine Sanierung für 12 Millionen Mark durchgeführt.
In der Kongreßhalle wurde im Jahre 2001 ein Dokumentationszentrum über das Gelände und die Parteitage eingerichtet.
Auf Teilen des Geländes finden auch heute noch Großveranstaltungen statt. Das Festival Rock im Park findet im und um das heutige Franken-Stadion statt. Einer der beeindruckendsten Konzerte auf dem Gelände war der Auftritt Bob Dylans, der am 1. Juli 1978 vor rund 80.000 Besuchern direkt gegenüber der Tribüne des Zeppelinfeldes u.a. "Masters of War" sang (Dylan: 80 000 Deutsche haben Hitler den Rücken gekehrt und sich mir zugewandt).
Rund um die Tribüne am Zeppelinfeld befindet sich der Norisring, auf dem jährlich ein DTM-Autorennen abgehalten wird. Vor der Ruine des Kongresshalle finden die Nürnberger Volksfeste statt.
Literatur
- Geschichte für Alle e.V. (Hrsg.), Geländebegehung - Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Sandberg Verlag, Nürnberg 2002, ISBN 3930699370
- CD-ROM: Das Reichsparteitagsgelände - The Nazi Party Rally Grounds, Verlag imbiss-media, Nürnberg 2004, ISBN 3938451009
Weblinks
- Virtueller Rundgang über das Reichsparteitagsgelände
- Homepage des Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände
Siehe auch: Geschichte der Stadt Nürnberg