Textgeschichte des Neuen Testaments

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Als Textgeschichte des Neuen Testaments wird die Überlieferung des Textes durch Handschriften bezeichnet.

Die erste dänische Bibel (1550)

Die handschriftliche Überlieferung des Neuen Testaments ist besser und umfangreicher als die jedes anderen antiken Literaturdenkmals. Die ältesten Textzeugen liegen der Entstehungszeit der Originale sehr nahe.

Die für die Textgeschichte wesentlichen Handschriften werden aufgeteilt in Papyri, Majuskeln, Minuskeln, Lektionare und frühe Übersetzungen.

Material

Als Material für die Handschriften wurde Papyrus und Pergament verwendet.

Papyrus war das Papier der Antike, das aus den gepressten Stängeln der Papyrusstaude hergestellt wurde. In feuchtem Klima sind Papyri nicht sehr haltbar, in trockenem jedoch so lange, dass Funde von antiken Papyri seit dem 19. Jahrhundert in Ägypten und Palästina für Aufsehen sorgten. Papyrus ist ziemlich brüchig, sodass die meisten Fundstücke Fragmente mit nur wenigen Buchstaben sind. Pergament ist widerstandsfähiger gegen Feuchte und Bruch, daher sind viel mehr Handschriften auf Pergament erhalten geblieben, auch wenn diese zur Zeit ihrer Entstehung vermutlich klar in der Minderzahl waren.

Schriftrolle und/oder Kodex

Die Handschriften sind entweder Rollen - vor der Beschriftung werden mehrere Papyrus- oder Pergamentblätter seitlich aneinandergeklebt und auf einen Stock gerollt - oder Kodizes, eine frühe Form unserer Bücher.

Neutestamentliche Handschriften sind einzig in Kodex-Form überliefert. Das lässt sich auch an kleinsten Bruchstücken sicher entscheiden, da Blätter eines Kodex immer beidseitig beschrieben wurden (außer vielleicht beim letzten Blatt des gesamten Kodex). Einseitig beschriebene neutestamentliche Handschriftenreste sind äußerst selten und gehören nicht zu üblichen Schriftrollen (vgl. dazu die Handschriftenlisten bei Aland: Der Text des Neuen Testaments).

Ob neutestamentliche Handschriften eventuell von Anfang an in Kodex-Form geschrieben wurden, es also nie neutestamentliche Schriften in Rollenform gegeben hat, ist derzeit nicht sicher aussagbar. Die ältesten neutestamentlichen Papyri stammen aus der zweiten Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, blicken also bereits auf rund 100 Jahre Textgeschichte zurück. Immer wieder behauptete Frühdatierungen neutestamentlicher Texte haben sich nicht durchsetzen können. Der berühmte Johannes-Papyrus  52 wird auf 125-150 datiert.[1]

Noch weitreichendere Frühdatierungen von Fragmenten teilweise bis in die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts sind in der Wissenschaft umstritten. Einige Forscher ordnen beispielsweise  7Q5 als neutestamentlichen Papyrus ein. Ein prominenter Vertreter dieser frühen Datierung war Carsten Peter Thiede. Die Papyri  64 en und Papyrus  67 dürfen nach wie vor als Papyri des zweiten Jahrhunderts betrachtet werden.

Papyri

Papyri sind die ältesten erhaltenen Handschriften des Neuen Testaments. Sie stammen aus dem 2. bis 7. Jahrhundert.

Papyri wurden ab dem 19. Jahrhundert entdeckt, als Ägypten und andere Länder des nahen Ostens für archäologische Ausgrabungen erschlossen wurden.

Einige wichtige Papyri-Sammlungen sind nach dem Käufer (Chester Beatty, Martin Bodmer) oder nach dem Fundort (Oxyrhynchus) benannt. Papyri werden in der Textkritik mit Zahlen abgekürzt, die mit   beginnen. Es sind heute über 4000 Papyri bekannt. Davon enthalten etwas mehr als 100 Teile des NTs, die jedoch zum Teil nur sehr kleine Bruchstücke sind.

Die wichtigsten Papyri sind

  • Bodmer Papyri, z.B.  66 und  75, beide um 200, umfassen einen Großteil des Johannesevangeliums.
  • Chester Beatty Papyri  45,  47, um 200-250;  46 en (hat die meisten Paulusbriefe) ebenfalls um 200, aber von einem Autor ins 1. Jahrhundert datiert (Biblica Magazine, Vol. 69, No. 2, 1988, Palaeographical Dating of p46 to the Later First Century)
  • Oxyrrhynchus Papyri, 2.-4. Jahrhundert, z.B. P90
  •  52, ein kleines Stück Johannesevangelium aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, das älteste mit Sicherheit dem Neuen Testament zuzuordnende Fragment.

Majuskeln

Majuskeln nennt man in Großbuchstaben auf Pergament geschriebene Handschriften, einem teureren, aber haltbareren Material, das in der Zeit des Neuen Testaments besonders für wertvolle Dokumente verwendet wurde.

Es sind heute etwa 300 Majuskeln bekannt, die aus dem 4. bis 9. Jahrhundert stammen. Sie werden mit in der Textkritik mit Großbuchstaben abgekürzt, oder mit Zahlen, die mit einer Null beginnen.

Die wichtigsten davon sind

  • der Codex Sinaiticus, abgekürzt א oder 01, Neues Testament, 4. Jahrhundert
  • der Codex Alexandrinus, abgekürzt A oder 02, Altes und Neues Testament, 5. Jahrhundert
  • der Codex Vaticanus, abgekürzt B oder 03, Altes und Neues Testament, 4. Jahrhundert
  • der Codex Ephraemi, abgekürzt C oder 04, etwa zwei Drittel des Neuen Testaments, 5. Jahrhundert
  • der Codex Bezae oder Cantabrigiensis (von Cambridge), abgekürzt D oder 05, die vier Evangelien und Teile der Apostelgeschichte, aus dem 5. oder 6. Jahrhundert

Minuskeln

Minuskeln nennt man die in Kleinbuchstaben der Minuskelschrift geschriebene Handschriften, die aus dem 9. bis 15. Jahrhundert stammen. Es sind etwa 2500 Minuskeln katalogisiert.

Das geringe Alter beschränkt den Wert der Minuskeln für die Textkritik, es gibt jedoch einige, die nah mit wesentlich älteren Handschriften verwandt sind. Zum Beispiel die Minuskeln 33, 579, 892 und 2427 sind in der höchsten Qualitätsstufe eingeteilt.

Frühe Übersetzungen

Syrisch

Es werden fünf verschiedene syrische Übersetzungen des Neuen Testaments unterschieden, die zwischen dem zweiten und sechsten Jahrhundert entstanden sind: die altsyrische Übersetzung, die Peschitta, die philoxenische, die harcleanische und die palästinisch-syrische.

Latein

Vor der bekannten Vulgata des Hieronymus aus dem späten 4. Jahrhundert gab es verschiedene lateinische Übersetzungen, die in Afrika, Italien und Gallien entstanden. Die ältesten entstanden im letzten Viertel des 2. Jahrhunderts in Afrika. Manchmal werden Sie unter dem Namen "Itala" zusammengefasst.

Koptisch

Zu Beginn des 3. Jahrhunderts entstanden die ersten Übersetzungen ins Koptische. Es gibt verschiedene Dialekte, z.B. das Sahidische, das Bohairische usw.

Gotisch

Wulfila übersetzte die Bibel um die Mitte des 4. Jahrhunderts ins Gotische.

Armenisch

Die armenische Übersetzung aus dem 5. Jahrhundert, auch die "Königin der Bibelübersetzungen" gilt als genaueste der frühen Bibelübersetzungen. Von der Vulgata abgesehen, sind von keiner anderen Übersetzung annähernd so viele Manuskripte erhalten.

Entdeckung der Handschriften

Gegenwärtig sind etwa 5000 Handschriften bekannt, die den ganzen oder einen Teil des griechischen Neuen Testaments enthalten. Der größte Teil davon wurde in den letzten 200 Jahren gefunden.

Zur Zeit der Reformation war, abgesehen vom Codex Bezae, keine Handschrift bekannt, die vor dem 11. Jahrhundert entstanden war.

Im Jahr 1627 bekam König Karl I. (England) vom Patriarchen von Konstantinopel den Codex Alexandrinus geschenkt. Diese Kodex wurde im 18. Jahrhundert publiziert. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden zwei der wichtigsten Majuskeln publiziert, der Codex Vaticanus und der Codex Sinaiticus.

Um 1900 wurden die Oxyrhynchus Papyri entdeckt, 1930 die Chester Beatty Papyri und 1950 die Bodmer Papyri.

Literatur

  • Kurt Aland, Barbara Aland: Der Text des Neuen Testaments. 2. Aufl. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1989 ISBN 3-438-06011-6 (das Standardwerk zum Thema)
  • Bruce M. Metzger: The Text of the New Testament. Its Transmission, Corruption, and Restoration. 3. Auflage 1992, ISBN 0-19-507297-9

Einzelnachweise

  1. [http://www.kchanson.com/ANCDOCS/greek/johnpap.html P52: A Fragment of the Gospel of John (englisch)]

Siehe auch