Linksextremismus

politische Sammelbezeichnung
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Linksextremismus ist eine Sammelbezeichnung für politische Orientierungen, die die "Freiheitlich-Demokratische Grundordnung" und mit ihr eine Repräsentative Demokratie ablehnen, aktiv bekämpfen und sich dabei auf anarchistische, antiimperialistische oder marxistische Theoreme berufen.

Der Begriff

Der Ausdruck "Extremismus" beruht auf der Idee eines politischen "Spektrums", das eine "Mitte" und "Extreme" besitze. Er bestimmt das gemeinte Verhalten und Denken negativ als Gegensatz zum repräsentativ-demokratischen Verfassungsstaat, den er damit zugleich als "Normalität" definiert.

Diese Definition ist mit der offiziellen Sprachregelung des bundesdeutschen Verfassungsschutzes eng verknüpft. Meist wird "Extremismus" umgangssprachlich zudem als Steigerung von "Radikalismus" verstanden, der zwar die Gesellschaft gründlich verändern wolle, aber dabei ohne Gewalt auskomme. Im Selbstverständnis linker Gruppen ist das Attribut "radikal" meist positiv besetzt, während die staatliche Kennzeichnung einer Politik als "extrem" oder "extremistisch" diese abwertet und die Gefährdung der "Mitte" suggerieren soll.

In der Politologie sind sowohl die Verwendung als auch die Abgrenzung dieser Begriffe stark umstritten. Zum einen vernachlässigen sie die inhaltlichen Ziele, die "Links"- und "Rechts"-Extremisten unterscheiden, bewusst zu Gunsten einer bloß formalen Ähnlichkeit. Zum anderen blendet die Alternative von "Extremismus" zum Verfassungsstaat andere Demokratievorstellungen als die gegebenen tendenziell aus.

Im Gegensatz zu Rechtsextremisten, die von für sie naturgegebener Ungleichheit der Menschen ausgehen und eine kulturelle, nationale oder rassische "Volksgemeinschaft" anstreben, bejahen Linksextremisten theoretisch die fundamentale Gleichheit aller Menschen.

Sie sehen die repräsentative Demokratie aber nicht als politischen Ausdruck einer realisierten Gleichberechtigung, sondern als Herrschaftsinstrument zur Verhinderung wirklicher Gleichheit an. Sofern sie sich auf den Marxismus beziehen, betrachten sie die "formale" oder "bürgerliche" Demokratie als einen bloßen "Überbau" der kapitalistischen Klassengesellschaft, der deren ausbeuterischen Charakter verdecken und schützen solle.

Mit dieser Einschätzung geht allerdings - und das unterscheidet Linksextremisten von Marxisten und Sozialisten - eine Abwertung traditioneller Politikformen zur Überwindung der Klassenherrschaft einher. Linksextreme Gruppen und Personen sind oft nicht in der Arbeiterschaft verwurzelt und beteiligen sich kaum an der mühsamen Alltagsarbeit in Betrieben, Gewerkschaften und Linksparteien. Sie bevorzugen die direkte Konfrontation mit den Staatsorganen und glauben, dass damit eine revolutionäre Entwicklung in Gang gesetzt werden könnte. Dabei verstärken sich ihre gesellschaftliche Isolation und damit ihre Gewaltneigung bis hin zum Terrorismus dann leicht gegenseitig.

Im Ergebnis erreichen gewaltbereite Linksextremisten ohne die Menschen, die sie vorgeblich befreien wollen, nur die Zementierung der Verhältnisse, gegen die sie kämpfen. Insofern vertreten sie entgegen ihrem Anspruch nicht die Interessen einer unterdrückten Mehrheit, sondern nur den abstrakten Machtkampf einer isolierten Minderheit.

Andererseits versuchen viele Gruppen, die von Staatsbehörden als "linksextrem" eingestuft werden, Freiräume innerhalb der Gesellschaft zu erkämpfen und dort ihre Utopien zu leben. Dazu gehören zum Beispiel die Hausbesetzerbewegung, viele linksalternative Gruppen innerhalb der Ökologie- und Antiatombewegung sowie viele den Globalisierungsgegnern nahestehende Gruppen. Die regierungsamtliche Definition des Linksextremismus gewährleistet also keine ausreichende Differenzierung von Gruppen, die auf friedliche und basisdemokratische Weise eine andere Gesellschaft anstreben.

Linksextremismus in Deutschland

Die deutsche Nachkriegssituation war - und ist zum Teil bis heute - durch die nachhaltige Zerstörung von radikaldemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Bewegungen im Faschismus bestimmt. Im Kalten Krieg wurde dann ein pauschaler Antikommunismus zum Gründungskonsens der Bundesrepublik, während die DDR die Führungsmacht der Sowjetunion beschwor und glorifizierte. So setzte die amtliche bundesdeutsche Ideologie Linksradikalismus, Kommunismus und Demokratiefeindschaft stets gl dieser innenpolitischen Lage konnten Ansätze zu einer weitergehenden Demokratisierung von Ökonomie, Staat und Gesellschaft nur schwer Fuß fassen. Arbeiterbildung, basisdemokratische Parteistrukturen, Austausch mit Akademikern hatten in den 50er Jahren kaum Chancen. Rückfragen vor allem der jüngeren Generation nach realen Zusammenhängen zwischen Kapitalismus und Faschismus wurden auf diese Weise blockiert.

Erst die Studentenbewegung durchbrach diesen Konsens und politisierte eine neue Generation. Dabei wurden die Zusammenhänge zwischen Außen- und Innenpolitik, Vietnamkrieg und Bildungsnotstand erstmals angreifbar. Ein indirektes Ergebnis war die Ablösung der langjährigen CDU-Dominanz durch die SPD-FDP-Koalition 1969. Doch die Hoffnungen, die Willy Brandt mit seiner Regierungserklärung weckte - "mehr Demokratie wagen" - erfüllten sich nur unzureichend. Die Integration eines Teils der radikalisierten Studenten in das politische System misslang.

So ging aus dem "Linksradikalismus" der APO der "Linksextremismus" in Gestalt des Individualterrors der "Rote Armee Fraktion" hervor. Diese spezifisch bundesdeutsche Variante hatte mit dem Anarchismus und Marxismus, deren Theorien im 19. Jahrhundert entfaltet wurden, faktisch nichts zu tun. Ihre theoretische Basis war ein Konzept der "antiimperialistischen Stadtguerilla", bei dem Methoden des Guerillakampfes aus der "Dritten Welt" in die "Metropolen" der deutschen Industriegesellschaft übertragen wurden. Damit sollte der demokratische Staat als in Wahrheit faschistisches Machtgebilde "entlarvt" werden. Darum konzentrierten sich die Linksterroristen bei ihren Aktionen auf hervorgehobene Repräsentanten von Wirtschaft und Staat, die bereits im Nationalsozialismus Führungsämter bekleidet hatten.

Die in den 1970ern kulminierenden Anschläge der RAF führten zu massiven Kontroversen innerhalb der linken Szene über den Einsatz jeder Art von Gewalt. Teilweise wurde eine Gewalt "gegen Sachen" und "gegen Menschen" zu unterscheiden versucht und Letztere meist abgelehnt. In der Praxis war diese Unterscheidung jedoch kaum durchführbar: zum einen, weil auch Gewalt gegen Sachen - z.B. Castortransporte und Bahnstrecken - Menschen gefährdete, zum anderen, weil die Unterscheidung in der öffentlichen, von Medien und Parteien bestimmten Gewaltdefinition keinen Rückhalt fand. Vielmehr setzte sich die Einschätzung von Verfassungsschützern durch, dass nicht nur expliziter Terrorismus, sondern auch "Antiimperialismus" und "Autonome" als Linksextremisten einzustufen und zu bekämpfen seien.

Sogenannte "Autonome" - Gruppen mit antiimperialistischem Selbstverständnis und Gewaltbereitschaft - versuchten seit etwa 1980, die damals wachsende Friedensbewegung und Anti-Atomkraft-Bewegung zu prägen und für ihre Ziele zu beeinflussen. Ihre Zahl ging jedoch im Gefolge der europäischen Einigung der späten 80er Jahre stark zurück. Besonders seit der deutschen Einheit 1990 sind sie kein relevantes Gefahrenpotential mehr.

Im Kontext neuer sozialer Bewegungen wie der Globalisierungskritiker oder Hartz-IV-Opposition versuchen noch vorhandene radikale oder extreme Gruppen auf sich aufmerksam zu machen. Allerdings findet auch innerhalb der wachsenden sozialen Bewegungen eine Radikalisierung statt, nachdem bisherige Politrituale erfolglos blieben.

Liste des Verfassungsschutzes

Verfassungsschutz-Ämter unterscheiden hinsichtlich der Demokratiefeindschaft traditionell nicht zwischen relativ etablierten linken Parteien, bestimmten K-Gruppen, gewaltbereiten Autonomen und terroristischen Organisationen. Sie beziehen sich dabei vor allem auf deren vorgegebene Bestrebungen, weniger auf ihre tatsächlichen Inhalte und Aktionsformen. Als linksextrem mit unterschiedlichen Abstufungen werden zur Zeit vom Bundesverfassungsschutz eingestuft:

Literatur

Siehe auch