Die Stadt Weingarten (Württemberg) in Oberschwaben hat sich in Zeiten der Industrialisierung deutlich verändert.
Bevölkerungsentwicklung
Die Bevölkerungsentwicklung in Weingarten war ein wichtiger Bestandteil für die Industrialisierung der Stadt Weingarten . Seit 1806 stieg die Zahl der Einwohner bis heute auf rund 25 000 .
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¹ Volkszählungsergebnis
In den ersten Jahrzehnten des [19.Jahrhunderts kam es zunächst nur zu einer mäßigen Zunahme der Einwohner . Dies mag damit zusammenhängen , dass nach der Säkularisation der Benediktinerabtei Weingarten (1803) und dem Übergang des einstigen vorderösterreichischen Marktfleckens Altdorf an das Königreich Württemberg (1806) , der mit der Auflösung der Landvogtei verbunden war, sich in Altdorf-Weingarten ehemalige Mittelpunktsfunktionen kaum halten bzw. neu entwickeln konnte. Das Gemeinwesen geriet immer mehr in den Schatten der aufstrebenden nahen Oberamtsstadt Ravensburg.
Grund für eine große Zunahme
In den 30er und 40er Jahren ist allerdings eine deutliche Bevölkerungszunahme zu registrieren , die neben einer Erhöhung der mittleren Lebenserwartung auf die hohen Geburtenraten zurückführen ist. Diese Aufwärtsentwicklung wird in der Jahrhundertmitte unterbrochen . Ursache war einen allgemeine Teuerung , ausgelöst durch eine damals europaweit auftretende Kartoffelkrankheit (1851/52) , die selbst im oberschwäbischen Bauerland zu einer Auswanderungswelle führte. Gegen Ende der 60er Jahre steigt die Bevölkerung wieder deutlich an , eine Tendenz , die sich bis zum Ersten Weltkrieg fortsetzt . Die Hauptimpulse für dieses überdurchschnittliche Wachstum waren die Stadterhebung (1865) , die beginnende Industrialisierung (z.b. Gründung der Maschinenfabrik Weingarten 1866) sowie die Einrichtung einer Garnison (seit 1868)
Standortfaktor Wasserkraft
Mit dem Mühlbach (stillen Bach) und der Scherzach besaß Weingarten ein beachtliches Energiepotential das seit alters her durch zahlreiche Mühlen und Triebwerke intensiv genutzt wurde und in der Frühphase der Industrialisierung einer der wichtigsten Ressourcen für die Gewerbe- und Industrieentwicklung des Ortes darstellte .
Durch die Wasserkraft entstand Weingartens ältestes noch heute bestehendes Unternehmen Habisreutinger . Es begann mit dem Erwerb einer Mühle bzw. eines Wasserrechts .Der einstige Klostersäger Franz Josef Habisreutinger konnte nach Aufhebung der Reichsabtei 1803 die Obere Säge als Pächter übernehmen. 1822 ging der Betrieb in das Eigentum der Familie über. Eine 40-PS-Trubine wurde 1892 im Rahmen einer Betriebserneuerung durch das Wasserrad ersetzt.Der Betrieb stieß jedoch bald an seine Grenzen , weil die Wasserkraft nicht mehr ausreichte. Eine Leistungssteigerung war nur möglich , wenn zusätzlich Wasserechte erworben werden konnte. Bach langwierigen Verhandlungen gelang es dem Unternehmen , durch den Bau einer Druckwasserleistung zwischen Mahlweiher und Sägerei (1910) die Turbinenleistung auf 150 PS zu erhöhen . Diese Leistung reichte bis 1960 , erst dort wurde ein Dampfkraftwerk mit 300 PS errichtet . Ein weiteres noch heute bestehendes Unternehmen ist die Schellinger Mühle .1879 erwarb Josef Schellinger die kleine Getreidemühle und baute sie zu einer leistungsfähigen Kunstmühle aus.In den vergangen Jahrzehnten wurde der Betrieb mehrfach erweitert und zählt heute zu den großen Getreidemühlen und Kraftfutterwerken Baden-Württembergs . Eine weitere Firma , deren Produkte jahrzehntelang mit dem Namen Weingarten eng verbunden waren und die ihre Wurzeln auch auf einen einstigen Mühlenstandort zurückführen konnte , war die Hefefabrik . 1885 kaufte Eberhard Riedlinger eine alte Ölmühle am unteren Mühlbach und begann bald darauf mit der Herstellung von Getreidepresshefe und Fruchtbranntwein. Nach mancherlei Umbauten und Besitzwechsel erlebte das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg eine beachtlichen Aufschwung , konnte aber angesichts der starken Konkurrenz in der Lebensmittelbranche auf Dauer nicht überleben. Ende der 70er Jahre wurde die Hefefabrik geschlossen und im Zuge der Stadtsanierung 1982 abgerissen .
Die eigentliche Industrialisierung
Im Jahre 1866 begann im Lauratal die eigentliche Industrialisierung Weingartens. Dort baute man die Flachs - , Hanf – und Abwergspinnerei Weingarten. Diese Firma war lange Zeit der größte Betrieb im Ort . Sie wurde damals mit den modernsten Produktionsgesichtspunkten geplant und mit englischen Maschinen ausgestattet. Die Fabrik wurde von Anfang an mit einer Dampfmaschine ausgerüstet , das besondere es war die erste in Weingarten. Sie wurde dazu benützt um den sommerlichen Wassermangel der Scherzach auszugleichen. Von dieser Möglichkeit , eine Dampfmaschine als Energiereserve einzusetzen , machten in den folgenden Jahren eine größere Zahl von Betrieben Gebrauch , wie die folgende Tabelle verdeutlicht
Firma | Gewerbe | Jahr |
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Spinnerei AG | - | 1866 |
Alois Wahl | Färberei | 1866 |
C.F Autenrieth | Holzmanufaktur | 1867 |
Ris und Reiser | Papierfabrik | 1869 |
Heinrich Schatz | Machinenwerkstatt | 1869 |
Johann B. Rupp | Strumpfwirkerei | 1870 |
Georg Bildstein | Maschinenfarbrik | 1879 |
August Konzett | Mühle | 1883 |
E. Riedlinger | Hefefarbrik | 1885 |
Joseph Jakob | Gerberei | 1894 |
Köpff | Brauerei | 1895 |
Konzett | Grieselmühle | 1903 |
B. Jordan | Holzmanufaktur | 1905 |
Schiele | Bad Schoeneck | 1907 |
Thomas Sontheimer | Treibriemen | 1911 |
VersorgungsKrankenhaus | - | 1922 |
Hummler | Seifenfarbrik | 1926 |
Milchversorgung | - | 1934 |
Weingarten und das Schienenetz
Ein großes Problem für Weingarten in der Industrialisierung war das Weingarten nicht an das Schienenetz angebunden war. Zahlreiche Güter mussten nach Ravensburg oder Niederbiegen gebracht und von dort geholt werden. Erst mit dem Bau der Lokalbahn Ravensburg-Weingarten in den Jahren 1887/88 geriet die junge Stadt etwas aus dem Verkehrsschatten .Eine Verbesserung der mangelhaften Transportmöglichkeit , die sich vor allem für die expandierende Maschinenfabrik als großer Standortnachteil erwies , brachte die Bahnstrecke Weingarten-Niederbiegen , die am 1.Oktober 1911 eingeweiht wurde. Damals erhielt neben der Maschinenfabrik auch das kleine Industriegebiet an der Ettishoferstraße einen Gleisanschluss.
Literatur
- Werner Heinz: Altdorf-Weingarten 1805–1945. Industrialisierung, Arbeitswelt und politische Kultur. Eppe, Bergatreute 1990, ISBN 3-89089-018-0