Als Fleischfressende Pflanzen, auch Karnivoren oder vereinzelt Insektivoren, bezeichnet man Pflanzen, die zusätzlich zur Stickstoffaufnahme aus dem Boden Kleintiere, meist Insekten oder Spinnen, mit Fallen fangen und verdauen. Rund 600 Arten sind in 13 Gattungen bekannt (davon fünf monotypisch), die acht Familien angehören, wobei immer noch weitere Arten entdeckt werden, insbesondere bei den Fettkräutern und dem Sonnentau. Zwar sind nicht alle fleischfressenden Pflanzen direkt miteinander verwandt, fast alle Gattungen (bis auf die Schlauchpflanzen und den Zwergkrug) aber gehören entweder zur Ordnung Lamiales oder den Nepenthales.
Allgemeines
Alle fleischfressenden Pflanzen leben in nährstoffarmen, zumeist sauren Substraten, d.h. in Mooren, Sandböden oder im Wasser. Die meisten Arten schätzen dabei vollsonnige, gelegentlich halbsonnige Standorte, Schattenpflanzen sind die absolute Ausnahme.
Karnivor / Präkarnivor
Bei den Wanzenpflanzen (Roridula) und den Bromeliengattungen Brocchinia und Catopsis spricht man von sogenannten Präkarnivoren. So bezeichnet man Pflanzen, die nicht alle Voraussetzungen erfüllen, um als fleischfressende Pflanze anerkannt zu werden, was zumeist bedeutet, das sie zwar Insekten fangen, aber keine Vorrichtungen zur Verdauung besitzen. Ein interessantes Zwischenstadium findet sich bei den Wanzenpflanzen, die ihren Fang indirekt durch eine Symbiose verwerten, indem sie die Ausscheidungen von symbiotisch mit ihr lebenden Wanzen und Spinnen als Blattdünger aufnehmen, welche sich wiederum von ihrem Fang ernähren.
In der Regel besteht die Beute aus kleinen Insekten wie Mücken und Fliegen, größere Kannenpflanzen (Nepenthes) können auch kleine Säugetiere (z.B. kleine Nagetiere) verdauen. Reusenfallen und Moose sind auf Protozoen spezialisiert. Bei den Wasserschläuchen bilden zusätzlich zu Insekten planktische Algen einen erheblichen Teil (bis zu 50 %) der Beute, bei den Fettkräutern sogar Pollen (bis zu 70 %).
Neben fleischfressenden Pflanzen existieren auch fleischfressende Pilze.
Fallentypen
Man unterscheidet bei fleischfressenden Pflanzen fünf verschiedene Fallentypen:
Klebefallen
Klebefallen funktionieren über ein klebriges Sekret, welches über Drüsen auf den Blättern selbst oder an den Spitzen kleiner Tentakeln austritt, mit denen die Blätter besetzt sind. Pflanzengattungen, die diese Fangmethode verwenden, sind Sonnentau (Drosera), Fettkräuter (Pinguicula), Regenbogenpflanzen (Byblis), das Taublatt (Drosophyllum) und die Liane Hakenblatt (Triphyophyllum). Das Insekt wird durch das duftende Sekret angelockt und bleibt daran haften. Während es versucht sich zu befreien, verfängt es sich immer mehr in der Falle, bei den sogenannten aktiven Klebefallen der Gattungen Drosera und Pinguicula wird dies auch noch durch zusätzliche Bewegungen der Fangvorrichtungen unterstützt. Zusätzlich im Klebesekret ausgeschüttete Enzyme dienen der dann folgenden Verdauung.
Klappfallen
Die Fangtechnik der Klappfalle ist die wohl bekannteste, wenn auch seltenste Fangmethode der Karnivoren. Es handelt sich dabei um die schnelle Schliessbewegung zweier Blatthälften, die ausgelöst wird durch kleine Fühlhaare auf den Blattinnenseiten. Jedes der zwei Blatthälften hat 3 bis 9 dieser Haare, wird eines mehrmals oder verschiedene Haare einmals innerhalb kurzer Zeit berührt, so klappen die beiden Blatthälften zu. Die Reizkontrolle verhindert ein Schließen aufgrund von Regen oder Luftzügen. Nach dem Verschließen bildet sich zwischen den Blatthälften ein Hohlraum, in dem das Insekt durch Sekrete verdaut wird. Die Klappen öffnen sich nach ungefähr 8 Tagen wieder und geben die unverdaulichen Reste ihres Opfers frei. Die einzigen Pflanzen mit diesem Fangprinzip sind die beiden Arten Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) und Wasserfalle (Aldrovanda vesiculosa).
Saugfallen
Das Prinzip der Saugfallen funktioniert nur unter Wasser oder unter der Erde. Die Pflanze, die mit dieser Fangmethode fängt, baut in sich einen Unterdruck auf, der sich schlagartig ausgleicht und dabei Wasser und Beute in sich hinein saugt. Die einzige Gattung, die dieses Prinzip anwendet, ist die der Wasserschläuche, die zugleich mit rund 220 Arten die größte Gattung aller fleischfressenden Pflanzen darstellt.
Fallgrubenfallen
Bei den Fallgrubenfallen bilden die Blätter einen Hohlraum, in den das Insekt hineinfällt und aufgrund glatter Innenwände und kleinem Raum nicht oder schwer herauskommt. Dort gibt es zwei Untergruppen, nämlich die Krugpflanzen wie der Zwergkrug (Cephalotus), die Sumpfkrüge (Heliamphora) und die Kannenpflanzen (Nepenthes) einerseits und die Schlauchpflanzen wie die Schlauchpflanzen (Sarracenia) und deren nahe Verwandte, die monotypische Gattung Kobralilie (Darlingtonia) andererseits.
Reusenfallen
Erheblich komplizierter konstruiert, sind die Reusenfallen, deren Vorkommen namengebend auf die Gattung der Reusenfallen (Genlisea) mit ihren 21 Arten und -in sehr verschiedener Art- die Papageien-Schlauchpflanze (Sarracenia psittacina) beschränkt ist. Ihre Opfer -bei Genlisea ausschließlich Einzeller- können in der Reuse nur in eine Richtung weitergehen, bis sie in einer Art Magen angelangt sind, wo sie dann verdaut werden. Auch die beiden als entweder karnivor oder präkarnivor eingestuften Moosgattungen Colura und Pleurozia verwenden dieses Fangprinzip.
Gattungen karnivorer Pflanzen
Gefässpflanzen
- Sonnentau (botanisch: Drosera)
- Wasserfalle (botanisch: Aldrovanda)
- Schlauchpflanzen (botanisch: Sarracenia)
- Wasserschläuche (botanisch: Utricularia)
- Fettkräuter (botanisch: Pinguicula)
- Kannenpflanzen (botanisch: Nepenthes)
- Regenbogenpflanzen (botanisch: Byblis)
- Reusenfallen (botanisch: Genlisea)
- Hakenblatt (botanisch: Triphyophyllum peltatum)
- Taublatt (botanisch: Drosophyllum lusitanicum)
- Venusfliegenfalle (botanisch: Dionea muscipula)
- Kobralilie (botanisch: Darlingtonia californica)
- Zwergkrug (botanisch: Cephalotus follicularis)
Moose
Gattungen prä-karnivorer Pflanzen
- Wanzenpflanzen (Roridula)
- Sumpfkrüge (Heliamphora)
- Brocchinia
- Catopsis
Literatur
- Darwin, Charles: "Insectenfressende Pflanzen", Stuttgart, 1876
- Feßler, Alfred: "Fleischfressende Pflanzen für Haus und Garten", Stuttgart, 1982, ISBN 3-440-05070-X
- Slack, Adrian: "Karnivoren", Stuttgart, 1985, ISBN 3-8001-6158-3
- Carow, Thomas; Fürst, Ruedi: "Fleischfressende Pflanzen", Nüdlingen, 2000, ISBN 3-9801839-1-2
- Braem, Dr. Guido J.: "Fleischfressende Pflanzen", München, 2002, ISBN I3-8043-7249-X
- Labat, Jean-Jacques :"Fleischfressende Pflanzen", Stuttgart, 2003, ISBN 3-8001-3582-5
- Bastian, Annette : "Fleischfressende Pflanzen", 2003, ISBN 3-9367-8206-7
- Barthlott, Wilhelm; Porembski, Stefan; Seine, Rüdiger; Theisen, Inge: "Karnivoren", Stuttgart, 2004, ISBN 3-8001-4144-2
- "Das Taublatt", Fachzeitschrift der Gesellschaft für Fleischfressende Pflanzen, seit 1984