Die Sprachwissenschaft (Linguistik) untersucht die menschliche Sprache und die verschiedenen Einzelsprachen und Sprachtypen der Welt: Was ist Sprache?, Ist sie typisch für den Menschen?, Wie wird sie erworben?
Sprache
Eine natürliche Sprache ist ein „lebendes“, sich dynamisch entwickelndes Gebilde, das der Verständigung, dem Wissensaufbau und der Wissensverarbeitung dient. Die Sprachwissenschaft fragt nach den Formen, dem Sprachsystem, und den Funktionen der Sprache. Sie versucht auch herauszufinden, was sie für die Gesellschaft bedeutet. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Sprachen und Dialekte werden herausgearbeitet. Ein Ziel ist es für manche, Modelle zu erarbeiten, die für alle Sprachen gelten. Dazu nutzt sie auch Erkenntnisse der Naturwissenschaften und Methoden der Mathematik. Andererseits ist sie der Philosophie und den Sozialwissenschaften nicht fern, wenn sie die Rolle der Sprache in der Gesellschaft behandelt.
Ferner kann man den Oberbegriff "Linguistik" in zwei eigenständige, untereinander verflochtene Wissenschaften ansehen:
- Diachrone Sprachwissenschaft (Geschichte, Entwicklung einer Sprache)
- Synchrone Sprachwissenschaft (Untersuchung eines bestimmten Sprachzustandes)
Lautsprache und Gebärdensprache
Die folgenden Ausführungen sind vor allem im Hinblick auf "gesprochene" Sprachen bzw. Lautsprache formuliert. Dabei ist zu beachten, dass für Gebärdensprachen entsprechende andere Begriffe "mitgedacht" werden müssen, zum Beispiel Handformen anstelle von "Lauten". Nichtsdestoweniger benutzt die Gebärdensprach-Linguistik in Anlehnung an die Sprachwissenschaft auch deren Terminologie, beispielsweise bei "Phonemen".
Einige Grundfragen der Forschung
- Wie sind Sprachen aufgebaut? Was ist allen gemeinsam in Form und Funktion?
- Wie wird in den Sprachen gehandelt?
- In welchem Verhältnis stehen Sprache und Denken? Bestimmt die Muttersprache mit ihren "Kategorien" das Denken ("sprachliche Relativitätstheorie")?
- Welche Typen von Sprachen gibt es?
- Wie entsteht und wann "stirbt" eine Sprache?
- Wie werden Sprachen erworben?
- Wie funktioniert Zweisprachigkeit/Mehrsprachigkeit?
- Haben Tiere vergleichbare "Sprachen"?
Teilgebiete
- Allgemeine Linguistik
- Phonetik, Phonologie, Graphematik
- Lexikologie (Lehre von den Strukturierungen im Wortschatz)
- Morphologie (Wortbildung, Flexion)
- Semiotik
Für die funktionale Linguistik fundiert die Pragmatik die anderen Teilbereiche, die formale Linguistik sieht sie als eine Verwendungskomponente, unabhängig vom System. Die Grammatik ist das System der Formen der Sprache, die zum Handeln gebraucht werden. Neben Syntax und Morphologie gehört auch die Orthographie zur Grammatik.
Phonetik und Phonologie befassen sich auf verschiedene Weise mit den untersten Einheiten der Sprache (Töne, Laute). Die Phonetik beschäftigt sich mit den lautlichen Aspekten der Sprache: Sie untersucht die Produktion, Übertragung und Wahrnehmung von Lauten. Die Phonologie gesprochener Sprachen hingegen bringt Laute in ein System das sich daran orientiert, wie Laute Bedeutungen unterscheiden.
Bei Gebärdensprachen befasst sich die Phonologie in gleicher Weise mit den Ausführungsformen Handform, Handstellung, Ausführungsstelle und Bewegung von Gebärdenzeichen.
- Computerlinguistik Hierunter werden zwei Bestrebungen zusammengefasst: Zum Einen die Unterstützung der sprachwissenschaftlichen Forschung durch den Einsatz von Computern. Das geschieht z.B. durch die automatische Analyse großer Textmengen um sprachliche Phänomene zu untersuchen oder die Gültigkeit von Theorien zu prüfen. Zweitens die Entwicklung sprachverarbeitender Systeme, z.B. für die maschinelle Übersetzung, automatische Textzusammenfassung, Extraktion von Informationen aus Texten, natürlichsprachige Interaktion mit Maschinen, u.s.w.. Es steht hierbei also mehr die Anwendung im Vordergrund. Der zweite Teil wird auch mit Natural Language Processing (NLP) oder Sprachtechnologie (Language Technology) bezeichnet.
- Deskriptive Linguistik
- Dialektologie
- Diskursanalyse
- Feministische Linguistik
- Gesprächsanalyse (auch Dialoganalyse) und das verwandte Gebiet der Konversationsanalyse
- Historische Linguistik
- Interlinguistik beschäftigt sich mit der internationalen Kommunikation, Sprachpolitik und den Plansprachen
- Kontaktlinguistik
- Kontrastive Linguistik
- Korpuslinguistik
- Paläolinguistik
- Paralinguistik: beschäftigt sich mit Lautverbindungen, die nicht zur gewöhnlichen Sprache gehören, aber trotzdem Bedeutungsgehalt besitzen.
- Psycholinguistik und Neurolinguistik: Diese beiden eng verbundenen Gebiete beschäftigen sich mit der Entstehung, Verarbeitung und Erkennung von Sprache im menschlichen Gehirn auf psychologischer bzw. neurologischer Ebene. Thematisiert werden auch der Erstspracherwerb und der Zweitspracherwerb, sowie der Verlust der Sprachfähigkeit durch Alter oder Krankheit.
- Rechtslinguistik
- Soziolingustik: beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Aspekten der Sprache bzw. von Einzelsprachen. So können etwa unterschiedliche Gruppen in einer Gesellschaft unterschiedliche Sprachen oder Sprachformen sprechen: nach der Geographie spricht man dann von Dialekten, nach der sozialen Stellung der Sprecher von Soziolekten.
- Sprachphilosophie: befasst sich mit der Sprache und den Problemen, die daraus entstehen, dass Sprachgebrauch nicht verstanden, Begriffe nicht angemessen analysiert oder schlicht unsinnige Fragen gestellt werden.
- Textlinguistik
Weiter unterteilt man auch diejenigen Sprachwissenschaften, die sich nur auf eine Sprache oder eine begrenzte Auswahl von Sprachen beschränken, dafür aber zusätzlich die sprach- oder landesspezifische Literaturwissenschaft umfassen. Dazu gehören beispielsweise Amerikanistik, Anglistik, Arabistik, Finno-Ugristik, Germanistik, Jiddistik, Romanistik, Sinologie, Skandinavistik und Slawistik
Verwandte Wissenschaften/Disziplinen
- Ivar Aasen, begründete die neunorwegische Schriftsprache Landsmål (heute Nynorsk).
- Leonard Bloomfield
- Karl Bühler
- Avram Noam Chomsky, der Gründer der Generativen Transformationsgrammatik
- Jacques Derrida
- Louis Hjelmslev
- Roman Jakobson
- John Lyons
- Antoine Meillet beschäftigte sich mit den indoeuropäischen Sprachen
- Ferdinand de Saussure gilt als Begründer des Strukturalismus und prägte den zweiseitigen Zeichenbegriff
- Nikolai Sergejewitsch Trubezkoi, Phonologe
- August Schleicher gilt als Begründer der Stammbaumtheorie in der vergleichenden Sprachforschung
- Johannes Schmidt gilt als Begründer der Wellentheorie
Weiterführende Angaben
Siehe auch
Portal Sprache, Kommunikationswissenschaft, Relator, Sprachphilosophie, Konkomitanz
Weblinks
- http://www.zas.gwz-berlin.de - Zentrum für allgemeine Sprachwissenschaft, Typologie und Universalienforschung (ZAS)
- http://www.linguistikonline.com - multimediale Linguistikeinführung mit Online-Übungen und Glossar
- http://www.linguistik.net - Linguistik im Netz. Das Forum der Sprachwissenschaft
- http://www.fb10.uni-bremen.de/linguistik/khwagner/grundkurs1/ - Einführung in die Linguistik
- http://www.kontrastivlinguistik.de/themen.html - Einführung (Ausführliche Notizen einer Linguistin)
- http://www.linse.uni-essen.de - Linguistik Server der Universität Essen
- http://www.sil.org/linguistics/topical.html - SIL International (Summer Institute of Linguistics)
- http://home.edo.uni-dortmund.de/~hoffmann/Gruende/10Gruende.html - 10 Gründe, Sprachwissenschaft zu studieren
- Es werde Wort - und zwar schnell! Ein Bericht über die "rasante Entwicklung von Sprache"
- Mathe ist sprachlos - Zum Erfassen mathematischer Prinzipien ist Sprache nicht notwendig Bericht in www.wissenschaft.de über eine Publikation im PNAS
Literatur
- Heidrun Pelz: Linguistik, eine Einführung. Hoffmann & Campe, Hamburg (2002), ISBN 3455103316
- Geoffrey Sampson: Schools of Linguistics. Hutchinson, London (1980), ISBN 0804710848
- John Lyons: Einführung in die moderne Linguistik. C.H. Beck, München, ISBN 3406394655
- David Crystal: The Cambridge Encyclopedia of Language. Cambridge University Press, ISBN 0521559677
- Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. Kröner, Stuttgart, ISBN 3-520-45202-2
- Angelika Linke, Markus Nussbaumer, Paul R. Portmann: Studienbuch Linguistik. Niemeyer, Tübingen, ISBN 3-484-31121-5
- Csaba Földes: Interkulturelle Linguistik. Vorüberlegungen zu Konzepten, Problemen und Desiderata. Veszprém: Universitätsverlag/Wien: Ed. Praesens 2003 (Studia Germanica Universitatis Vesprimiensis, Supplement; 1); ISBN 3-7069-0230-3 und ISBN 963-9495-20-4
- George Yule: The study of language. Cambridge University Press, 1996. ISBN 052156851X.
- Ludger Hoffmann: Sprachwissenschaft: Ein Reader. de Gruyter, 2000. ISBN 3110168960.
- Peter Matthews: The Concise Oxford Dictionary of Linguistics. Oxford Paperbacks, 1997. ISBN 0192800086.