Dieser Artikel beschäftigt sich mit Marseille, der französischen Großstadt. Andere Namensträger finden sich unter Marseille (Begriffsklärung).

Marseille ist die wichtigste französische und die drittgrößte europäische Hafenstadt. Sie liegt am Golfe du Lion, einer Mittelmeerbucht. Die Stadt, deren Einwohner sich Marseillais nennen, ist Hauptstadt des Départements Nr. 13, Bouches-du-Rhône in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur. Marseille ist mit etwa 900.000 Einwohnern nach Paris die zweitgrößte Stadt Frankreichs; um diese Position streiten sich allerdings (seit vielen Jahren) die Städte Lyon und Lille. Das Ballungsgebiet Marseille hat, wenn man die unmittelbar angrenzenden Städte wie Allauch, Aubagne und Penne-sur-Huveaune hinzuzählt, ungefähr 1,2 Million Einwohner.
Geografie
Marseille liegt zwischen 0 und 160 m ü. NN hoch. Das Hinterland ist gebirgig und findet seine höchste Erhebung im 710 m hohen Croix de Garlaban. Im Nordwesten grenzt die Stadt an die Chaîne de l'Estaque, einer aus Kalkfelsen bestehenden Bergkette hinter l'Estaque, die den Étang de Berre, ein großes salzhaltiges Binnengewässer, vom Meer abtrennt. Von dort aus sind es etwa 20 Kilometer zum für den Süden Frankreichs bedeutenden, da zentral gelegenen Flughafen Marignane. Neben ihm beginnt westlich der Étang de Berre, ein großes, jedoch salzhaltiges (auch zur Muschelzucht erforderliches) Binnengewässer.
Geschichte
Um 600 v. Chr. gründeten ionische Griechen aus Phokäa in Kleinasien eine Kolonie an der Mündung der Rhône und nannten sie Massalia oder Massilia, das heutige Marseille. Einer Legende nach ist die Stadt wie folgt entstanden:
Nachdem Protis an Land gegangen war, um sich mit der schönen Ligurerin Gyptis zu vereinen, ward Marseille gegründet. Protis war Phäake, und die Phäaken, dieses Seefahrervolk von der Insel Scheria, hatten nicht nur einen gastfreundlichen König namens Alkinoos, der den schiffbrüchigen Odysseus aufnahm, um ihn dann in seine Heimat Ithaka zu geleiten. Er hatte auch eine schöne Tochter. Nausikaa war es, die den gestrandeten Odysseus fand und ins Haus ihres Vaters führte. Marseille wurde also von der Liebe gegründet.
Um das Jahr 545 erfolgte - nach der Flucht aus Phokaia durch Harpagos (einen Meder bzw. Perser, Statthalter des Königs Kyros) - ein erneuter Zuzug aus der Mutterstadt. (Hdt. 1,163,1-1,165,4, Solin. II,77, Liv. V,34,7-8).
481 fiel die Stadt an die Westgoten, 511 an die Ostgoten, 536 an die Franken und 879 an Niederburgund. Nachdem die Sarazenen sie zerstörten, wurde die Stadt im 10. Jh. wiederaufgebaut und den Vicomtes de Marseille unterstellt. Zwischen 1216 und 1218 wurde Marseille zur selbstständigen Republik und schließlich 1481 mit Frankreich vereinigt.
1720 und 1721 wütete die Pest. Am 9. Oktober 1934 fielen der jugoslawische König Alexander I. und der französische Außenminister Louis Barthou vor der Börse einem Mordanschlag zum Opfer. 1943 wurde ein Großteil der Altstadt von deutschen Truppen abgerissen. Den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Auguste Perret. 1993 erschütterte ein Skandal die Stadt, als der damalige Präsident des Fußballklubs Olympique Marseille, Bernard Tapie, wegen Bestechung zum Gewinn der Landesmeisterschaft eine Haftstrafe antreten musste.
Einwohnerentwicklung
1750 bis 1910 |
1920 bis 1962 |
1968 bis 1999 |
Politik
Bürgermeister
Bürgermeister von Marseille sind oder waren:
- von 1953 bis 1986 Gaston Defferre (war schon zwischen 1944 und 1946 Bürgermeister, wiedergewählt 1959, 1965, 1971, 1977 und 1983),
- von 1986 bis 1995 Robert Vigouroux (wiedergewählt 1989) und
- seit 1995 Jean-Claude Gaudin (wiedergewählt 2001).
Städtepartnerschaften
Seit 1958 unterhält Marseille eine Städtepartnerschaft mit Hamburg.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Museen
Das Musée des Beaux-Arts mit seinen Malereien aus dem 18. und 19. Jahrhundert und das Musée d'Histoire Naturelle mit seinen zoologischen und geologischen Ausstellungen befindet sich in den Seitenflügeln des Palais Longchamp (siehe Bauwerke). Das Musée d'Archéologie Méditerrannéenne und Musée d'arts Africains, Océaniens et Amérindiens befinden sich im Vieille Charité.
Bauwerke
Südlich des Stadtkerns befindet sich die von Henri-Jacques Espérandieu entworfene Notre-Dame de la Garde, erbaut in den Jahren 1853 bis 1864. Sie befindet sich auf einem 160 m hohen Kalkfelsen und ist neben dem vor dem Hafen liegenden Château d'If das Wahrzeichen von Marseille.
Der im Zentrum gelegene Alte Hafen Vieux Port bzw. am Quai des Belges gelegene Fischmarkt ist entgegen den Berichten von Reisebüros und Journalisten nicht der zentrale Treffpunkt der Stadt; es sei denn, man bewertet die Tatsache als entscheidend, daß von dort aus die (die kleinen, also alltäglich versorgenden oder die touristischen) Schiffe zu den Inseln hinausfahren: in Richtung der Îles d’Frioul, nach Château d’If oder nach Cassis. Hier findet zwar tatsächlich und täglich ein Treffen zwischen Hausfrauen und Fischern bzw. deren fischverkaufenden Frauen insofern statt, als die einen einkaufen und die anderen verkaufen (vor allem an Samstagen, da an Wochenenden in der Familie gegessen wird), doch es sind höchstens vier bis fünf Tische, manchmal vielleicht auch sechs aufgebaut, an denen frische Mittelmeerfische verkauft werden. Die Marseillais kaufen ihren Fisch sonst lieber im Supermarkt (frisch aus dem Atlantik oder sonstwoher, möglicherweise am Markt, an dem längst nicht mehr nur die örtlichen Araber einkaufen, in der Rue Longue des Capucins, wo es nahezu alles und höchst preiswert gibt) oder aber die Meeresfrüchte (Muscheln, Schnecken usw.) bei Toinou am Cours Saint-Louis. Unweit des Vieux Port, etwa zur Mitte der Strecke zum Cours Saint-Louis hin, leicht schräg gegenüber der Place du Général de Gaulle (ein paar Meter von der Stadtinformation Office du Tourisme) befindet sich auch die Börse (Bourse de Marseille) aus den Jahren 1852 bis 1860.
Vom Alten Hafen aus zieht sich die etwa ein km lange Canebière (provenzal. Canabiero = Cannabis - Hanf wurde hier gehandelt, daher der Name) – eine ehemalige Prachtstraße des 19. und anfänglichen 20. Jahrhunderts, endgültig verbleichend während der sechziger und siebziger Jahre, zur Église Saint-Vincent de Paul, der Kirche der Reformierten, hin. An ihrem Ende, nordöstlich der Kirche findet sie mit dem Boulevard Longchamp' ihre Fortsetzung, der zum Palais Longchamp mit seiner Brunnenanlage führt. Die Canebière ward von stattlichen Geschäftshäusern und Cafés gesäumt und früher oft mit der Pariser Avenue des Champs-Élysées verglichen. Die einstige Prachtstraße hat sich jedoch heute in eine unglaublich lärmende und stinkende Rennstrecke gewandelt, ohne den Charme von einst. Derzeit ist man seitens der Stadt bemüht, wieder ein wenig der alten Zeit zu rekonstruieren, etwa am Noailles, einem ehemaligen Hotel der einstigen Pracht, durchaus auch an anderen Orten. Nordöstlich von Noailles (auch seitlich gelegene Metro-Station) besteht offenbar kaum Interesse an Rekonstruktionsarbeiten.
Das nördlich des Alten Hafens gelegene, zu fuße des Alten Hafens gelegene Quartier du Panier ist – entgegen ständig wiederholter Verlautbarungen – nicht abgerissen! Das von den Einheimischen knapp Panier genannte, das 2. Arrondissement, ist das alte Marseille, das hinter dem barocken Rathaus Mairie/Hotel de Ville liegt. Es lebt – in Form des klassischen Marseille: einer Ur-Bevölkerung, die sich im Laufe der Jahrhunderte bzw. -tausende aus Menschen zusammensetzte bzw. -setzt, deren Abstammung aus dem gesamten Mittelmeerraum erfolgt ist. In den Büchern von Jean-Claude Izzo, dem einheimischen Journalisten und Schriftsteller, wird dies immer wieder sacht erwähnt.
Eine kurze Beschreibung des vermeintlichen Abrisses des Quartier du Panier:
Es entstanden an der nördlichen Seite des Alten Hafens, am Quai du Port, exakt gegenüber von Notre-Dame de la Garde, in den sechziger/siebziger Jahren fünfstöckige Reißbrett-Häuser; architektonische Mißgeburten, wie sie nicht nur aus Frankreich bekannt sind. Dahinter befindet sich eine weitere Reihe Wohnhäuser: verunglückte, mißbrauchte Bauhaus-Nachläufer, eine Art in die Länge und die Höhe gezogener Kleinteiligkeit, die sich in erkerförmigen Backsteinapplikation ausdrückt; ein zu dieser und auch späterer Zeit für das ganze Land ungewohnter Anblick. Der beiden Reihen Vorgänger aus dem 18. Jahrhundert wurden im Januar 1943 von den Deutschen geschleift, um so die sich dort versteckenden Juden (und die Résistance gleich mit) eliminieren zu können. Das kam den Stadtplanern von Marseille allerdings recht, denn die hatten hier bereits in den dreißiger Jahren einen planerischen Kahlschlag vorgesehen (wie man ihn aus der französischen Sanierungs-Tradition kennt, etwa aus Paris, als der Architekt und Städteplaner George Eugene Hausmann kontra-revolutionär sanierte; man kann dessen Taten auch überall in Marseille sehen). Unglücklicherweise erinnern sie an deutsche Gebäude der dreißiger Jahre. Anzumerken ist: Ein paar hundert Jahre zuvor hatten es die Marseillais allerdings selbst vorgemacht, wie man sogenannte Kriminelle wegsaniert – beispielsweise den über die Ufer getretenen Hafenstrich ...
Hinter diesen erwahnten riesigen Blöcken liegt das Panier mit Häusern, wohl überwiegend aus dem 18. Jahrhundert, aber eben auch sehr viel älter. Dieses Viertel ist alte Kern von Marseille. Wenn das quasi klassische, das antike Marseille auch unter diesen Gemäuern liegen dürfte. Manchmal lugt es zwischen den Häuserritzen hervor, wenn man sie mit Muße durchstreift: etwa von der Place du Lenche (eine Art Dorfmittelpunkt, den man erreicht, indem man die beiden häßlichen Häuserreihen durchgangen, duchstiegen hat) aus über die Straßen genannten Gassen Rue de l’Évêché, dann nach rechts durch die Rue du Petits Puits in Richtung Vieille Charité, dem ehemaligen Krankenhaus der Armen und der heutigen Kult(ur)stätte der gebildeteren Stände. Oder es blitzt auf wie bei Notre-Dame des Accoules an der Place Daviel, von der Revolution entweiht und erst seit etwa siebzehn Jahren als Kirche wieder in Betrieb – unten grundmassive, tiefgläubige, vierkantige Romanik, obendrauf beinahe zuckergußartige höfische späte Gotik.
Ebenfalls nördlich des Alten Hafens befindet sich die wie die Notre-Dame de la Garde im neobyzantinischen Stil erbaute Cathédrale de la Major. Sie entstand zwischen 1852 und 1893 und besitzt zwei kuppelgekrönte Türme sowie eine 16 m hohe Vierungskuppel. Unweit westlich erstreckt sich der Neue Hafen (Port Moderne). Von der ab 1844 angelegten Anlage legen heute die meisten Schiffe ab, darunter auch die Passagierschiffe nach Korsika.
Naturdenkmäler
Ein beliebter Tagesausflug führt nach Cassis mit seinen malerischen Steilbuchten und in die Calanques. Diese, südöstlich von Marseille gelegene Ortschaft erreicht man auf dem Wasserweg auch mit Schiffen, die am Vieux Port ablegen.
Wirtschaft und Infrastruktur
Bedeutende Industriezweige sind die Fahrzeug-, Maschinen-, Metall- und Nahrungsmittelindustrie.
Verkehr
Marseille verfügt über einen umfangreichen industriellen Ballungsraum sowie den größten Hafen im Mittelmeer. Für den dadurch aufkommenden Eisenbahngüterverkehr dient der Bahnknotenpunkt mit Rangierbahnhof in der zwischen Marseille und Avignon gelegenen Kleinstadt Miramas.
Durch den TGV ist Marseille seit 2001 von dem fast 800 km entfernten Paris nur drei Stunden entfernt. Die U-Bahn Marseille verfügt über zwei Linien. Der Flughafen Aéroport Marseille-Marignane befindet sich 20 km nordwestlich der Stadt.
Durch die südliche Altstadt führt der mautpflichtige Straßentunnel St-Laurent.
Persönlichkeiten
- César Baldaccini, Bildhauer
- Désirée Clary, Verlobte von Napoléon Bonaparte
- Charles Crodel, Maler
- Jean-Claude Izzo, Schriftsteller
- Émile Ollivier, Staatsmann
- Adolphe Thiers, Staatsmann
- Zinedine Zidane, Fußballspieler