Baptisten

evangelische Konfessionsfamilie mit der Praxis der Gläubigentaufe
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. April 2005 um 17:25 Uhr durch GregorHelms (Diskussion | Beiträge) (Weblinks: Interlingua hinzugef). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Baptistenkirchen sind eine Familie von Freikirchen in evangelikaler Tradition, deren besonderes Merkmal die Erwachsenentaufe auf Grund des Glaubens an Jesus Christus ist.

Titelseite des von Johann Ludwig Hinrichs 1840 abgefassten "Glaubensbekenntniß der Evangelischen Taufgesinnten (Baptisten) Gemeinden in Amerika, Großbritanien, Hamburg pp und Jever"

Name

Die Bezeichnung Baptisten ist abgeleitet vom griechischen "baptizein", was "untertauchen" und im übertragenen Sinne "taufen" bedeutet. Wie bei vielen christlichen Glaubensgemeinschaften ist auch bei den Baptisten ein ehemaliger Spottname zur Konfessionsbezeichnung geworden. Offizielle Namen der Baptistenkirchen in anderen Nationen sind unter anderem:

Die Bezeichnung "Baptisten" deutet auf die Tatsache hin, dass das Taufverständnis und die daraus folgende Taufpraxis ein wesentliches Kennzeichen dieser Freikirche ist.

Verbreitung

Allgemeiner Überblick

In rund 160 Ländern der Welt existieren Baptistengemeinden mit zirka 47 Millionen Mitgliedern. Rechnet man die Kinder und die am Leben der Gemeinde teil nehmenden Freunde hinzu, muss die genannte Zahl mindestens verdoppelt werden. Die meisten nationalen Baptistenunionen gehören zum Weltbund der Baptisten (Baptist World Alliance / BWA). Bedeutsame Ausnahmen sind hier unter anderem der US-amerikanische Bund der südlichen Baptisten (Southern Baptist Convention) mit ca 11 Millionen getauften Mitgliedern und die Rückwanderergemeinden der russlanddeutschen Baptisten mit ca 350.000 Mitgliedern. Die Zahl der Baptisten hat sich seit 1905 versiebenfacht. Die stärksten baptistischen Gruppen befinden sich in den USA, den Ländern der ehemaligen UdSSR sowie in Brasilien, Burma und in Indien. Der offizielle Name der deutschen Baptisten lautet seit 1941 Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG). Dieser Gemeindebund bildet mit rund 85.000 getauften Mitgliedern (ohne Kinder und Freunde) in 862 Gemeinden die größte Freikirche in Deutschland.

Statistischer Vergleich 1958 und 2004

Weltregion Mitglieder 1958 Mitglieder 2004 Zahl der Ortsgemeinden 2004
Afrika 279 241 6 126 307 25 389
Asien / Australien 769 875 4 718 530 25 937
Europa 1 142 127 793 507 12 973
Mittelamerika und Westindien 104 829 465 538 4 188
Nordamerika 19 804 632 17 901 569 61 817
Südamerika 146 988 1 447 745 10 126
Southern Baptist Convention /USA (seit Oktober 2004 nicht mehr BWA-Mitglied) (in der Zahl unter Nordamerika enthalten) 16 053 006 -
Total 22 247 692 47 512 077 ca. 210 000

Lehre

 
Anstecknadel deutscher Baptisten (um 1934)

Ein wesentliches Merkmal der Baptisten ist nach wie vor ihre Ablehnung der Kindertaufe, welche nach ihrem Verständnis nicht dem biblischen Gebot entspricht. Stattdessen lassen sich Baptisten im entscheidungsfähigen Alter taufen. Getauft werden nicht nur Erwachsene, sondern auch Jugendliche. Daher lehnen die Baptisten den Begriff Erwachsenentaufe ab und sprechen lieber von Gläubigentaufe.

Ein einheitliches baptistisches Glaubensbekenntnis existiert nicht. Große Übereinstimmung herrscht jedoch bei folgenden Prinzipien:

  • Für Lehre, Glauben und Leben ist die Bibel alleinige Richtschnur.
  • Das höchste Gebot stellt dabei die Nächstenliebe dar, wie Jesus Christus sie verkündet hat. Daraus folgen logischerweise alle anderen Gebote. Wer seinen Nächsten liebt, der bestiehlt oder tötet ihn nicht.
  • Die Gemeinde Jesu ist eine Schöpfung des Wortes Gottes. Die Verkündigung weckt, stärkt und korrigiert den Glauben des einzelnen Menschen und verlangt nach dessen Antwort. Die Verkündigung des Evangeliums ist die Voraussetzung dafür, dass ein Mensch zum Glauben kommt. Wer zum Glauben an Jesus Christus gekommen ist, wird eingeladen, sich aufgrund seines persönlichen Bekenntnisses taufen zu lassen.
  • Die örtliche Gemeinde der Glaubenden "verwaltet" das Wort und die von Jesus Christus eingesetzten Zeichen Taufe und Abendmahl. Sie delegiert diese Aufgabe an einzelne Gemeindemitglieder.
  • Baptisten sehen in der Evangelisation die vordringlichste Aufgabe sowohl des einzelnen Gemeindemitglieds (Johann Gerhard Oncken: "Jeder Baptist ein Missionar!") als auch der Gemeinde und ihrer regionalen und nationalen Zusammenschlüsse.
  • Baptisten treten weltweit für Glaubens- und Gewissensfreiheit des Menschen ein. Staat und Kirche sind zu trennen. Keine Religion darf vom Staat bevorzugt behandelt werden (siehe dazu: Thomas Helwys, Roger Williams und Julius Köbner, Das Manifest des freien Urchristentums von 1848).

Die Theologie der Baptisten ist gewöhnlich evangelikal in calvinistischer Tradition, wobei es ziemliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden geben kann.

Gottesdienst und Praxis

Die Gestaltung der Gottesdienste unterliegt keiner bestimmten Liturgie, wird also von jeder Gemeinde individuell gehandhabt. Die Verkündigung des Wortes Gottes steht aber klar im Vordergrund. Meistens teilt sich der Gottesdienst in einen Einleitungsteil, der von Gemeindemitgliedern oder -gruppen gestaltet wird und einen Predigtteil. Die Predigt kann durchaus auch von Laien gehalten werden. Die Musik ist oft modern. Viele Gemeinden sind charismatisch ausgerichtet. Ein wichtiges Element ist das offene Gebet der Gemeinde, bei dem jeder Gottesdienstbesucher die Möglichkeit hat laut mitzubeten. Vereinzelt wird dabei das Zungengebet praktiziert. Für Kinder wird parallel zum Gottesdienst die Sonntagsschule angeboten.

Die Taufe geschieht durch vollständiges Untertauchen. Für die Taufe gibt es in den meisten Baptistenkirchen ein Baptisterium (Taufbecken). Viele Baptistengemeinden taufen auch gerne in freien Gewässern. Im allgemeinen kann man nur durch eine Glaubenstaufe Mitglied einer Baptistengemeinde werden, sie muß jedoch nicht in einer Baptistengemeinde vollzogen worden sein.

Datei:Taufe Bremen.png
Baptistische Taufe

Das Abendmahl betont die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander und mit Jesus Christus. Eingeladen sind alle, die sich mit Gott und Menschen durch Jesus Christus versöhnt wissen Es gilt die biblische Mahnung: "Darum prüfe sich ein jeder selbst und esse so von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch!" (1. Kor 11) Meistens werden Teller mit gebrochenem Brot sowie Kelche durch die Reihen gereicht. Häufig wird mit Rücksicht auf Suchtkranke Traubensaft statt Wein gereicht. Auch andere Abendmahlsformen werden praktiziert.

Baptisten kommt es nicht so sehr auf die äußere Form des Gottesdienstes an, als vielmehr auf die intensive Gemeinschaft mit den anderen Gemeindemitgliedern und Jesus. Deshalb ist in vielen Gemeinden das anschließende Kirchencafé oder sogar ein gemeinsames Mittagessen inzwischen obligatorisch.

Gäste sind abgesehen von den Gemeindeversammlungen, wo über alle wichtigen Fragen des Gemeindelebens entschieden wird, zu allen Veranstaltungen willkommen.

Organisation

Die Baptistenkirchen sind kongregationalistisch organisiert, d.h. die einzelnen Gemeinden sind autonom. Auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene schließen sich Baptisten jedoch in der Regel zu Arbeitsgemeinschaften, Vereinigungen und Bünden zusammen. Die lokale Gemeinde spielt jedoch im Selbstverständnis der Baptisten die entscheidende Rolle. Oft existieren in einer Stadt mehrere Baptistengemeinden, die aus geschichtlichen, ethnischen, theologischen oder praktischen Gründen unterschiedlichen nationalen oder internationalen Zusammeschlüssen gehören. Es ist durchaus möglich, dass - zum Beispiel im Rahmen der Evangelischen Allianz - eine örtliche Baptistenkirche zu konfessionell anders geprägten Gemeinden intensivere Kontakte unterhält als zu den anderen Ortsgemeinden baptistischen Bekenntnisses.

Die einzelnen Gemeinden finanzieren sich ausschließlich durch freiwillige Spenden. Der deutsche Bund unterhält neben diakonischen Einrichtungen auch ein theologisches Seminar in Wustermark-Elstal bei Berlin, in dem eigene Pastoren ausgebildet werden. Auch Absolventen eines evangelischen oder katholischen Theologiestudiums können (nach einem Aufbaustudium) als Pastoren in den Gemeinden tätig werden.

Geschichte

Wie alle evangelischen Kirchen sind auch die Baptisten ein Produkt der Reformationsbewegung des 16. Jahrhunderts (Martin Luther, Johannes Calvin, Ulrich Zwingli, Thomas Müntzer u.a.). Auch sie sind in ihrer Geschichte vielen Einflüssen unterlegen, die sich nicht immer historisch fassen lassen. Die Hauptentwicklungslinie lässt sich unbestritten folgendermaßen darstellen:

1529 kam es in England unter Heinrich VIII. zur Abspaltung der katholischen Kirche von Rom und der Gründung der nationalen anglikanischen Kirche. Nach Heinrichs Tod machten sich auch hier die Auswirkungen der kontinentalen Reformation bemerkbar – unter anderem in der Entwicklung des calvinistisch geprägten "Puritanismus". Die englischen Könige waren jedoch darauf bedacht, die Einheit der anglikanischen Kirche zu erhalten.

Niederlande, England, Asien und Afrika

Auswanderer, die in England aufgrund ihrer nonkonformistischen Überzeugungen verfolgt wurden, bildeten 1609 in Amsterdam eine erste eigenständige taufgesinnte Gemeinde unter der Leitung von John Smyth.

Eine kleine Gruppe dieser Gemeinde ging unter Leitung des Juristen Thomas Helwys 1611 wieder nach England zurück und wurde zur Keimzelle der baptistischen Bewegung in Großbritannien. Helwys setzte sich vor allem schriftstellerisch für Religions- und Gewissenfreiheit ein, was ihm Gefängnis und Tod einbrachte. Bereits 1644 gab es allein in London - trotz Verfolgungen - sieben Baptistengemeinden. Bis 1689 kam es in Großbritannien zu einem starken Wachstum der britischen Baptisten. Erst mit der Gewährung der allgemeinen Religionsfreiheit kam es zu einer gewissen Stagnation, die aber durch die Einflüsse der methodistischen Erweckungsbewegung unter John Wesley überwunden werden konnte.

Durch die von William Carey begründete Particular Baptist Missionary Society fand die baptistische Bewegung 1792 ihren Weg nach Asien und Afrika, wo das Engagement baptistischer Missionare innerhalb der britischen Kolonien 1838 zur Abschaffung zur Sklaverei führte.

Vereinigte Staaten

Neben England waren die Vereinigten Staaten ein weiterer Ausgangspunkt der baptistischen Bewegung. Wie viele andere Anhänger reformatorisch geprägter Glaubensbewegungen zogen es schließlich auch die Puritaner vor, in das Gebiet der späteren USA auszuwandern. Dort (Rhode Island) wurde 1611 unter der Leitung von Roger Willams eine erste Baptistengemeinde gegründet. Vor allem ab dem 18. Jahrhundert erlebten die dortigen Gemeinden des Nordens einen großen Aufschwung, u.a. wegen ihrer kompromisslosen Haltung gegen den Sklavenhandel. Die Baptisten des Südens sahen das allerdings ganz anders, obwohl sowohl die Schwarzen als auch die Weißen ganz überwiegend Baptisten waren, waren die Kirchen bis in die 1960er-Jahre fast durchweg rassisch getrennt, teilweise sind sie es noch heute. Im Süden der USA sind die Baptisten bis heute die dominante Konfession. Nach den Katholiken bilden sie die zweitgrößte Konfession der USA.

Deutschland und Kontinentaleuropa

Im 19. Jahrhundert kehrte der Baptismus wieder nach Kontinentaleuropa zurück. Der aus Varel stammende Hamburger Kaufmann Johann Gerhard Oncken hatte sich zunächst auf einer Englandreise in einer methodistischen Gemeinde bekehrt. Nach Deutschland zurückgekehrt, kam er in Kontakt mit einem amerikanischen baptistischen Theologen, der die Gläubigentaufe an ihm vollzog. Oncken gründete am 23. April 1834 die erste Gemeinde in Hamburg, die zur Keimzelle vieler kontinentaleuropäischer Baptistenkirchen wurde.

Religions- und Gewissenfreiheit

Baptisten waren von Anfang an engagierte Vertreter der Religionsfreiheit. Das erste baptistische Glaubensbekenntnis von 1610 erklärt, dass Jesus Christus "das Amt der weltlichen Regierung nicht mit den Ämtern seiner Kirche verbunden hat". 1639 wurde in der von Baptisten besiedelten Kolonie Rhode Island - als erstem Land der Welt - völlige Religionsfreiheit garantiert. Neben den Quäkern setzten sich Baptisten dann später (1777) für die Aufnahme der Religionsfreiheit in die Verfassung der Vereinigten Staaten ein. In Deutschland vetrat Julius Köbner mit seinem Manifest des freien Urchristentums ähnliche Überzeugungen.

Bedeutsame Daten der baptistischen Geschichte

Bedeutende Baptisten


Die Baptisten unterhalten viele Kontakte zu anderen Kirchen, Freikirchen und internationalen Organisationen. "Jesus Christus baut seine Gemeinde in verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften", heißt es in einer BEFG-Bekenntnisschrift. Sie engagieren sich in der Deutschen Evangelischen Allianz und gehören zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Sie arbeiten auch in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen mit.

Literatur

  • Charles Willams: The Principles and Practices of the Baptists - A Book for Inquirers, London 1880
  • Henry C. Vedder: Eine kurze Geschichte der Baptisten, Hamburg 1896
  • Ernest A. Payne: The Fellowship of Believers - Baptist Thought and Practice Yesterday abd Today, London 1944
  • J.D. Hughey: Die Baptisten - Lehre, Praxis, Geschichte, Kassel 1959
  • Rudolf Donat: Das wachsende Werk - Ausbreitung der deutschen Baptistengemeinden durch 60 Jahre (1849-1909), Kassel 1960
  • Günter Balders: Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Baptisten), in: Hans-Beat Motel (Hrsg.): Glieder an einem Leib - Freikirchen in Selbstdarstellung, Stuttgart 1975, S.95-133 [ISBN 3-7673-6520-0]
  • Günter Balders (Hrsg.): Ein Herr - ein Glaube - eine Taufe - 150 Jahre Baptistengemeinden in Deutschland, Wuppertal/Kassel 1985, [ISBN 3-7893-7883-6]
  • Liste muss fortgesetzt werden

Siehe auch

Vorlage:Navigationsleiste Baptistika