Eugen Bircher (* 17. Februar 1882 in Aarau; † 20. Oktober 1956 ebenda) war ein Schweizer Chirurg, Offizier und Politiker.
Leben
Nach seinem Medizinstudium in Basel und Heidelberg sammelte Bircher 1915–16 kriegschirurgische Erfahrungen in Bulgarien. 1917–34 war er als chirurgischer Chefarzt, ab 1932 auch als Direktor am Kantonsspital Aarau tätig. Bircher genoss in den 1920er Jahren den Ruf eines führenden Schweizer Chirurgen. Er publizierte zahlreiche wissenschaftliche Beiträge in den Bereichen Kropf-, Magen-, Kniegelenk- und Kriegschirurgie und gilt als Begründer der Arthroskopie. Bircher führte die ersten Arthroskopien des Kniegelenks 1921 im Kantonsspital Aarau mit einem Gerät zur Spiegelung des Bauchraumes durch. Damals verwendete Bircher bereits Stickstoff zur Füllung des Gelenks. Dieses Verfahren und die Indikationsstellungen gelten heute im großen und ganzen weiterhin. Er engagierte sich auch in zahlreichen medizinwissenschaftlichen und standespolitischen Organisationen (u. a. Ehrenmitglied der Schweiz. Gesellschaft für Chirurgie). Aug. 1926–1956 Redaktor der „Schweizerischen Medizinischen Wochenschrift“. 1941 bis März 1943 Mitorganisator und zum Teil Leiter von in der schweizerischen Öffentlichkeit heftig umstrittenen Ostfrontmissionen (schweizerische militärärztliche Missionen auf deutscher Seite) des Schweizerischen Roten Kreuzes.
Seine Karriere bei der Schweizer Armee begann Bircher als Stabschef der Fortifikation Murten (1914-17). Aus seinen Sympathien für den deutschen Militarismus machte er nie einen Hehl. 1917 löste er durch seine öffentliche Kritik an der „Entente-freundlichen“ Haltung des schweizerischen Bundesrats die „De-Loys-Affäre“ aus. Nach seiner Ernennung zum Divisionskommandant war Bircher 1934–37 Kommandant der 4., 1938–42 der 5. Division. Zusammen mit Bundesrat Rudolf Minger war Bircher führender Verfechter der schweizerischen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung ab 1935, unter anderem initiierte er den Grenzschutz mit. Der 1926–39 als Dozent an der militärwissenschaftlichen Abteilung der ETH Zürich lehrende Bircher galt als führender schweizerischer Militär und Militärschriftsteller: 1931–37 Zentralpräsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft, 1931–46 Chefredaktor der „Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift“. Dank seinen zahlreichen Publikationen in den Bereichen Kriegsgeschichte (unter anderem zahlreiche Bücher zur Marneschlacht), Truppenpsychologie und Wehrpolitik pflegte er zum Teil intensive Kontakte mit deutschen und französischen Militärs in den Jahren 1918 bis 1955.
1918 gründete Bircher in Aarau die als Vaterländischen Verbände bekannt gewordenen Bürgerwehren, mit denen das Rechtsbürgertum auf den Generalstreik reagierte. Dabei pflegte er enge Beziehungen zu deutschen Freikorps, und ihren Exponenten wie Waldemar Pabst. Ursprünglich freisinnig, gehörte Bircher 1920 zu den Mitbegründern der rechtskonservativen Bauern- Gewerbe- und Bürgerpartei im Kanton Aargau. 1942 trat er in den Nationalrat ein, wo er sich mit militär-, asyl- und gesundheitspolitischen Vorstössen profilierte (1943–1947 Mitglied der Vollmachtenkommission sowie 1946–1950 der Militärkommission. In der Kontroverse um die Zulassung jüdischer Flüchtlinge rief er 1942 an einer Versammlung aus: „Die Emigranten wollen sich bei uns eine wirtschaftliche Position erobern (…) Sie werden ihr Gift ausstreuen. Sie bilden einen Fremdkörper im Volke, der wieder herausgeschafft werden muss.“ Seine Motion zur Tuberkulose-Bekämpfung (Schirmbildobligatorium) resultierte in einem entsprechenden Ergänzungsgesetz, das – von Ärzteschaft und Bürgertum bekämpft – 1949 in einer Referendumsabstimmung unterlag.
Wirtschaftlich bekleidete Bircher mehrere Verwaltungsratsmandate, namentlich bei der SIG Holding, der Internationalen Verbandsstoffefabrik Schaffhausen, den Öl- und Fettwerken SAIS und bei den Albiswerken.
Mitglied der Studentenverbindungen Argovia, Wengia und Helvetia, war Bircher ein typischer Vertreter eines mit elitären, zum Teil sozialdarwinistischen, antimodernistischen, rassistischen und demokratiekritischen Elementen durchsetzten Weltbildes. Seine scharfe Frontstellung gegen die politische Linke führte ihn anfänglich zu erheblichen Sympathien für die Frontenbewegung und Nationalsozialismus.
Literatur
- Daniel Heller: Eugen Bircher, Arzt, Militär, Politiker. Verl. Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1988; ISBN 3858231959.
- Hans Ulrich Jost: Die reaktionäre Avantgarde. Die Geburt der neuen Rechten in der Schweiz. Chronos, Zürich 1992; ISBN 3905311097.
Weblinks
- Vorlage:PND
- {{{Autor}}}: Eugen Bircher. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Personendaten | |
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NAME | Bircher, Eugen |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Chirurg, Offizier und Politiker |
GEBURTSDATUM | 17. Februar 1882 |
GEBURTSORT | Aarau |
STERBEDATUM | 20. Oktober 1956 |
STERBEORT | Aarau |