Von der Jüdischen Gemeinde in Trier wurden drei verschiedene Friedhöfe genutzt. Vom mittelalterlichen Friedhof sind nur ein paar Grabsteine erhalten. Der Jüdische Friedhof Trier in der Weidegasse wurde zwischen 1620 und 1650 angelegt und 1922 aufgrund der vollständigen Belegung geschlossen. Er liegt in Trier-Süd im Straßenspitz zwischen Gilbertstraße und Weidegasse. Es sind über 500 Grabsteine erhalten; zu den bedeutendsten Grabstätten zählen die des Großvaters und Urgroßvaters von Karl Marx. Nachdem der Friedhof nicht mehr erweitert werden konnte, wird von der jüdischen Gemeinde seit 1922 eine Abteilung im Trierer Hauptfriedhof genutzt.

Mittelalterlicher Friedhof am heutigen Viehmarkt
Der erste nachweisbare jüdische Friedhof lag östlich der Kirche Sankt Antonius auf einem Teil des heutigen Viehmarktes. Er befand sich dort bis zur Ausweisung der jüdischen Gemeinde im Jahr 1418. Im Historischen Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen des Mosellandes ist die Jüdemerstraße als Judenmauerstraße aufgeführt (lateinisch juxta Jude mura). An dieser Judenmauer lag der alte Judenfriedhof. Die ehemalige Jüdemerstraße begann im Bereich der heutigen Sparkasse Trier und führte in Fortsetzung der Hauptachse der Schalterhalle in Richtung Viehmarktthermen.[1] Der Friedhof lag in der Nähe der heutigen Ruinen des mittelalterlichen Kapuzinerklosters. Die Mauern dieses Klosters sind freigelegt und im Viehmarktthermen-Museum zu besichtigen. Sie liegen wesentlich höher als das römische Mauerwerk in der Nähe der Treppe und sind nicht weiter ausgeschildert.
Im Landesmuseum Trier befinden sich Grabmäler und Fragmente aus dem Mittelalter mit elf hebräischen Steininschriften, die zu zehn Grabsteinen gehören. Fünf dieser Funde wurden 1903 bei Kanalarbeiten auf dem Viehmarkt geborgen. 1911 und 1912 wurden einige Grabsteine mit hebräischen Inschriften bei Ausgrabungen an der Mauer der Jüdemerstraße gefunden[2], ein weiterer Stein wurde bei Straßenarbeiten als Abdeckung eines Kanals gefunden[3]. Die erhaltenen Grabsteine waren wohl teils als Zweitverwendung in die spätere Klostermauer des Kapuzinerklosters eingemauert. [4]
Jüdischer Friedhof an der Weidegasse
Geschichte
Anlage
Eine Neuanlage des Friedhofs wurde um 1620 notwendig, als nach der Vertreibung des 15. Jahrhunderts wieder Juden in größerer Zahl in Trier angesiedelt hatten. Für die Bestattung ihrer Toten mussten die Trier Juden ein Grundstück außerhalb der Stadttore erwerben. Der Kauf erfolgte wohl noch vor 1652 und ist im Kreditverzeichnis von 1651/52 belegt.[5] Die erste Anlage umfasste 1066 m². Dabei handelt es sich um den Teil des Friedhofs, der an der heutigen Gilbertstraße liegt. In der Folgezeit wurde er mehrfach erweitert: Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ein Nachbargrundstück gekauft und die Anlage auf 1620 m² erweitert. Nach 1886 erhielt der Friedhof dann seine heutige Fläche von 3481 m². Mit einer Mauer wurde das Friedhofsgrundstück 1827 umgeben. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts lag er auf freiem Feld. Die Stadtpläne aus dieser Zeit zeigen nur wenige Häuser. Erst allmählich wurde die Bebauung dichter, und um 1915 war der Friedhof gänzlich von Häusern umgeben. Er war voll belegt und konnte nicht erweitert werden. Zuletzt, während des Ersten Weltkriegs, musste wegen Platzmangel sogar noch ein früher vorhandener Mittelweg Gräber aufnehmen.[6] Im Jahre 1920 entschied sich die jüdische Gemeinde deshalb zur Verlegung ihres Friedhofs auf das Areal des städtischen Friedhofs im Norden der Stadt. Im Jahre 1922 wurde der Friedhof an der Weidegasse endgültig geschlossen.
Nationalsozialistische Herrschaft
Während der Nationalsozialistischen Herrschaft blieb der Friedhof nahezu unangetastet. Allerdings wurden alle Metallteile wie Metallbuchstaben und eiserne Umfassungen für die Eisensammlung fortgeschafft. In einer Ecke des Areals steht – auch heute noch hinter Büschen – ein Luftschutzbunker, der im Zweiten Weltkrieg von den Bewohnern der umliegenden Häuser als Schutzraum genutzt wurde. Im Zuge der Bombardierung Triers wurden zahlreiche Steine durch Bombenfall beschädigt.
Nach dem zweiten Weltkrieg
In der Nachkriegszeit wurde der Friedhof trotz der hohen Umfassungsmauern mehrfach geschändet. 1982 beschmierten Unbekannte das Friedhofstor mit antisemitischen Parolen. 1983 wurden 30, 1992 12 und 1995 16 Grabsteine umgeworfen und beschädigt. Bei einem schweren Sturm wurden 1987 einige Bäume umgerissen. Diese zerstörten mehrere Grabsteine und Grabplatten. Beim Wiederaufbau wurden die Inschriften zweier Gräber vertauscht. Andere Steine wurden falsch herum auf ihrem Sockel befestigt.[7]
Bedeutende Grabsteine
Auf dem jüdische Friedhof haben sich 446 Grabsteine erhalten. Bei einigen ist die Schrift nicht mehr lesbar, andere sind mehr oder weniger stark in den Boden eingesunken. Der älteste erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahr 1686 mit dem Grab des Uri ben David Mordechai Hakohen.[8]
Grabsteine verschiedener Zeitepochen
Einer der fundamentalsten israelitischen Glaubensgrundsätze, die Unantastbarkeit der Totenruhe, führte dazu, dass Gräber und Grabmale über Jahrhunderte erhalten bleiben, dass die jüdischen Friedhöfe über Generationen hinweg „wachsen“, während auf anderen Friedhöfen immer wieder – nach Ablauf von Ruhefristen – einzelne Gräber oder ganze Grabfelder geräumt werden. [9] Wie auf vielen anderen jüdischen Friedhöfen auch gibt es auch auf diesem Friedhof Grabsteine aus dem ganzen Belegungszeitraum, von Ende des 17. Jahrhunderts bis etwa 1920.
Weil im Tode alle Menschen gleich sind, finden sich bis Mitte des 18. Jahrhunderts gleichförmige Grabsteine aus Sandstein. Diese besitzen auf einer Seite eine Inschrift in hebräischer Sprache. Rabbinergräber waren wie auf den Bilder oben oft mit Ornamenten geschmückt. Viele dieser Grabsteine wirken auf Grund des über die Jahrhunderte aufgrund von Humuseintrag gestiegenem Bodenniveaus wie eingesunken. Im Rahmen der Inventarisierung 1992-1995 wurden die Grabsteine zeitweise gehoben, photographiert und wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückversetzt.
Erst mit der Haskala, den zunehmenden Rechten jüdischer Bürgerinnen und Bürger, und der Assimilation beginnen die Juden, ebenso prunkvolle Grabstätten zu errichten wie in christlichen Friedhöfen dieser Zeit.
-
Isidor Simon, 1844
-
Ester Gumprich, 1849
-
Sabina Kaufmann 1889
-
Jacob Schloß, 1883
Die Grabsteine ware bis etwa 1900 zumeinst gänzlich aus zumeist an der Obermosel gebrochenem Sandstein gefertigt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzten sich wesentlich witterungsbeständigere Marmorplatten, zuerst für die Beschriftung und danach für den gesamten Grabstein durch. Die ursprünglich rein hebräischen Aufschriften wurden zuerst durch den Namen des Begrabenen in Lateinischer Schrift ersetzt. Es folgen zweisprachige Grabsteine in Deutsch und Hebräisch und schließlich verschwinden die hebräische Texte zu Gunsten einer rein deutschsprachigen Beschriftung.
-
Gräber aus dem späten 19.Jahrhundert im Bereich der letzten Friedhofserweiterung
-
Henriette Simon 1894
-
Isodor Bach 1910
-
Julie Thal, 1921
Vorfahren von Karl Marx
Links vom Eingang steht eine freistehende Gruppe von vier Grabsteinen, in deren nächster Nähe sich zwei weitere befinden. Die beiden vorderen Steine zeigen schon durch ihre sorgfältige Bearbeitung, dass sie für besondere Leute gesetzt waren. Dass sie miteinander in Zusammenhang stehen, ist schon aus der fast gleichen Form und Ornamentik zu ersehen. Auffallend sind die hohen Titel auf beiden Inschriften und der Name Heschl Lvuv auf dem kleineren und älteren Stein und der Name Samuel Poslburg auf dem größeren. Es handelt sich bei den beiden Steinen um die Grabmäler des Urgroßvaters und des Großvaters von Karl Marx väterlicherseits. (Anm: der Vater von Karl Marx konvertierte zum evangelischen Glauben). Weiterhin sind die Gräber der Großtante und der Großmutter von Karl Marx erhalten.
Das Epitaph für Mose Abraham, Sohn von Heschl Lwow, den Urgroßvater väterlicherseits von Karl Marx lautet (übersetzt): Hier ist bestattet der große Mann, der gelehrte und universale Herr, ein Priester hoher Abkunft, Abraham Mose, der Sohn des großen Gaon, des verehrten Heschel Lwow, das Andenken an eine Gerechten gereiche zum Segen! In Ewigkeit lebt er! – Und er pflegte zu wägen mit der Waage, mit den Waagschalen der Gerechtigkeit, von seiner Jugend an, und (auch) seine (eigenen) Taten von seinem Erwachen an bis zu dem Tage des Beginns des Monats Ab (des Jahres) 548 der (kleinen) Zeitrechnung. – Und du mögest ruhen und du mögest erstehen zu deinem Erbteil am Ende der Tage! (Anm: Das Sterbedatum entspricht dem 5. August 1788.)
Das Epitaph für Mordechai Hallevi, Sohn des Samuel Postelberg, den Großvater väterlicherseits von Karl Marx lautet (übersetzt): Hier hat man bestattet den großen Mann, den gelehrten und universalen Herrn, unseren Lehrer und Meister; ein verehrter heiligmäßiger Gelehrter war der berühmte Priester hoher Abkunft, Mordechai Hallevi, der Sohn unseres Lehrers Samuel Pastelburg, das Andenken an eine Gerechten gereiche zum Segen. 35 (Jahre) war er Gerichtsvorsitzender in Trier und auf den Pfaden der Ewigkeit und einer, der wägt mit den Waagschalen der Gerechtigkeit, von seiner Jugend an, und (auch) seine (eigenen) Taten von seinem Erwachen an bis zu diesem Tage, da er vollendet wurde nach himmlischem Ratschluß am 4. Wochentage, dem 19. Marcheschwan des Jahres 565 der (kleinen) Zeitrechnung hier in Trier; und er wurde begraben am selben Tage mit Trauer und unter Weinen um ihn wie gebührlich. Seine Seele möge ruhen mit den übrigen Gerechten und den gerechten (Frauen), die im Garten Eden sind. – Und du mögest erstehen zu deinem Erbteil am Ende der Tage! (Anm: Das Sterbedatum entspricht dem 24. Oktober 1804.)[10]
Im Ersten Weltkrieg gefallener Soldat
Am Friedhofseingang, rechts neben dem Ende des Steinpflasters, trägt ein Grabstein von 1918 folgende Inschrift: Hier ruht in Frieden unser unvergesslicher einziger Sohn, Siegfried Wolff, Leutnant der Reserve und Kompanieführer im Infanterieregiment 296, Ritter des eisernen Kreuzes II. und I. Klasse, geb. 27. Januar 1893, gestorben im Dienste für sein geliebtes Vaterland am 4. Juni 1918. Seine Eltern Max Wolff und Alwine geb. Cahn. Der Vaters des Kriegstoten, Max Wolff wurde 1942 im Alter von 75 Jahren nach Theresienstadt deportiert. Dort starb er am 31. August 1942.
Erhaltung
Der jüdische Friedhof an der Weidegasse überdauerte den Krieg, wenn auch in sehr mitgenommenem Zustand. Das städtische Friedhofsamt hat die Grabstätte nach einer Vereinbarung mit der jüdischen Kultusgemeinde seit 1973 in Pflege übernommen und wieder hergerichtet. 2002 wurden alle Grabsteine photographiert und alle Inschriften dokumentiert. Das Ergebnis dieser Arbeiten wurde in dem Buch Der Jüdische Friedhof an der Weidegasse in Trier von Annette Haller[11] veröffentlicht.
Jüdischer Friedhof im Trierer Hauptfriedhof
Der neue jüdische Friedhof, 1920 von der jüdischen Gemeinde gekauft, war ursprünglich viermal so groß wie das heutige jüdische Gräberfeld. Von 1921 bis 1941 wurden hier 136 Erwachsene und 15 Kinder beigesetzt. Seit 1945 (bis 1988) sind 30 neue Gräber hinzugekommen. Da nach jüdischer Tradition keine Gräber wiederbelegt werden dürfen, stößt dieser Friedhof mittlerweile an Kapazitätsgrenzen[12]
Inmitten des jüdischen Gräberfeldes erhebt sich ein Ehrenmal, das die jüdische Kultusgemeinde durch den Trierer Steinmetzmeister Melchisedech errichten ließ. Es spricht für die Rücksichtnahme der Judengemeinde, dass sich deutscher und hebräischer Text auf diesem Steinmal deutlich unterscheiden. Der deutsche Text lautet: Den Opfern der Verfolgung aus Trier und Umgebung zum Gedenken. Den Lebenden zur Mahnung. 1933–1945. In hebräischer Schrift auf der Rückseite heißt es frei ins Deutsche übersetzt: Zum Gedenken an die während der Herrschaft der verbrecherischen Bosheit Ermordeten aus der Heiligen Gemeinde Trier und Umgebung. Das ganze Volk soll es hören und soll nicht mehr in Zukunft Böses tun …[13]
Zugang: Hinter dem Haupteingang (Herzogenbuscherstraße) wird die alte Friedhofskapelle umrundet. Geradeaus bis zu einem hohen Erinnerungsmal für die Soldaten von 1870/71, die in Trier ihren Wunden oder ihrer Krankheit erlagen. Etwa 25 Meter dahinter kreuzt eine lange Reihe hoher Bäume den Mittelweg. Dieser Baumreihe nach rechts über einen schmalen Nebenweg und durch einen Mauerdurchlass folgen. Hier steht das Denkmal für die Opfer der Gewaltherrschaft 1939–45. In Blickrichtung der Denkmalfigur gleich links liegt das jüdische Areal des Friedhofs.[12]
Literatur
- Annette Haller: Der Jüdische Friedhof an der Weidegasse in Trier; Paulinus, 2003
- Juden in Trier, Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek und des Stadtarchivs Trier, 1988
- Dieter Peters und Martina Strehlen: Jüdische Begräbnisstätten, Gedenkstätten in Rheinland-Pfalz. SACHOR Heft 16-2/98. Verlag Matthias Ess, Bleichstr. 25, 55543 Bad Kreuznach.
- Eva-Maria Reuther im Trierischer Volksfreund zum Tag des offenen Denkmals 8./9. September 2001
- Eugen Ludwig Rapp: Epitaphien für Vorfahren von Karl Marx auf dem jüdischen Friedhof in Trier in: Trierer Zeitschrift 33, 1970
Weblinks
- Commons: Jüdische Friedhöfe in Trier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Juden in Trier, Ausstellungskatalog einer Sonderausstellung von Stadtbibliothek und Stadtarchiv 1988
- ↑ vgl. Dieter Peters und Martina Strehlen: Jüdische Begräbnisstätten… S. xyz
- ↑ Annette Haller, S. 351
- ↑ Eine Beschreibung der Grabsteine mit Bildern findet sich u.a. bei der Datenbank der Kulturgüter in der Region Trier http://www.roscheiderhof.de/ku/kultur2948.html
- ↑ s. Annette Haller, S, XIV
- ↑ s. Juden in Trier. Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek und des Stadtarchivs Trier, 1988, und Eva-Maria Reuther in: Trierischer Volksfreund
- ↑ Annette Haller, S. XV bis XII
- ↑ Annette Haller, S. XVIII und 347
- ↑ aus dem Vorwort des Buches „Der jüdische Friedhof“, herausgegeben von Alfred Udo Theobald, Karlsruhe 1984)
- ↑ vgl. Eugen Ludwig Rapp, Mainz; Epitaphien für Vorfahren von Karl Marx. – in verkürzter Form mit Bilder der Grabsteine auch bei der Kulturdatenbank Region Trier: http://www.roscheiderhof.de/ku/kultur3473.html
- ↑ Annette Haller: Der Jüdische Friedhof an der Weidegasse
- ↑ a b Öffentliche Führung durch den Hauptfriedhof Trier durch den Friedhofsgärtner Herr Tholl, 2002
- ↑ s. Dieter Peters und Martina Strehlen: Jüdische Begräbnisstätten, Gedenkstätten in Rheinland-Pfalz. SACHOR Heft 16-2/98.