Marie Kahle wurde am 6. Mai 1893 in Dahme als Marie Gisevius geboren und starb 1948 in London. Wegen ihrer Hilfe für jüdische Mitbürger wurde sie von den Nazis verfolgt und musste ihre Heimat verlassen. Ihre Erfahrungen hat sie als Autorin niedergeschrieben.
Hilfe für jüdische Nachbarin
Marie Kahle war verheirat mit dem Orientalisten Paul Kahle. Die Familie lebte mit ihren fünf Söhnen in Bonn. Am 10. November 1938, in der Reichspogromnacht, drangen SS-Männer in das Geschäft der Nachbarin Emilie Goldstein ein und verwüsteten es. Am folgenden Tag half Marie Kahle zusammen mit ihrem Sohn Wilhelm der Jüdin beim Aufräumen des Geschäfts. Ein Polizist, der die Frau bei ihrer Hilfsaktion beobachtete, nahm ihre Personalien auf und meldete den Vorfall der Nazi-Partei.
Von anderen Hilfsaktionen Marie Kahles zugunsten jüdischer Mitbürger bekamen weder die Polizei noch die Gestapo etwas mit. So verbarg Frau Kahle mehrere Wochen einen jüdischen Studenten in ihrer Wohnung, bevor sie ihm in einem Bonner Krankenhaus eine Zufluchtsstätte besorgen konnte.
Verfolgung
Am 17.11.1938 erschien im NSDAP-Blatt „Westdeutscher Beobachter" ein Hetzartikel mit der Überschrift "Das ist Verrat am Volke/ Frau Kahle und ihr Sohn halfen der Jüdin Goldstein bei Aufräumarbeiten“. Nach dem Erscheinen des Artikels erlebten die Familiemitglieder zahlreiche Repressalien, woraufhin Marie Kahle beschloss, mit dem jüngsten und dem ältesten Sohn in ein Kloster zu fliehen. Nach einer Woche wurde sie von der Gestapo aufgespürt und verhört. Paul Kahle verlor seine Stelle in der Universität, ihr Sohn Wilhelm wurde von der Universität verwiesen. Ein Gestapo-Mittelsmann legt Marie Kahle nahe, durch einen Selbstmord ihre Familie zu retten. Mit Hilfe eines befreundeten Beamten gelang es Marie mit ihrem Sohn Wilhelm 1939 über Holland nach London zu fliehen. Ihr Mann folgte mit den anderen Söhnen später.
Was hätten Sie getan?
1945 veröffentlicht Marie Kahle in London ihr Buch "What would you have done?", in dem sie ihre Erlebnisse in Bonn und die Flucht ihrer Familie schildert. Es dauerte mehr als 50 Jahre, bis das Buch ins Deutsche übersetzt wurde. Eine französische Ausgabe unter dem Titel "Tous les Allemands n'ont pas un coeur de pierre" liegt seit 2001 vor.
Marie Kahle starb 1948 im Alter von 55 Jahren. Ihr früher Tod war auch Folge eines Leidens, das durch die psychische und physische Erschöpfung während der Nazizeit ausgelöst wurde.
Ehrung durch die Stadt Bonn
Eine Allee im Bundesviertel von Bonn trägt seit ein paar Jahren Marie Kahles Namen.
Literatur
- Marie Kahle, What would you have done? The Story of the Escape of the Kahle Family from Nazi Germany, 1945
- Marie Kahle/ Paul Kahle: Was hätten Sie getan? Die Flucht der Familie Kahle aus Nazi-Deutschland / Die Universität Bonn vor und während der Nazi-Zeit, Bonn 1998, ISBN 3416028066
Personendaten | |
---|---|
NAME | Kahle, Marie |
KURZBESCHREIBUNG | Opfer der NS-Zeit |
GEBURTSDATUM | 6. Mai 1893 |
GEBURTSORT | Dahme/Mark |
STERBEDATUM | 1948 |
STERBEORT | London |