Mystik

auf individuelles, nicht objektivierbares Erfahren gestütztes Glaubensverständnis
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Einführung

Die Mystik ist religiöses Bestreben, das nicht erst auf ein Jenseits nach dem Tod gerichtet ist, sondern bereits die diesseitige Vereinigung mit einer Gottheit oder das Erlangen der Erleuchtung zum Ziel hat. Sie ist eine in vielen Religionen mögliche Haltung innerer spiritueller Erfahrung. Höchstes Ziel bei einigen Religionen ist es die unio mystica, die Vereinigung der Seele mit höheren Wesen (z.B. Gott) zu erlangen.

Mystik bezeichnet die unmittelbare erlebte Erfahrung (Mystische Erfahrung) oder das Erlebnis einer göttlichen bzw. transzendenten Realität, die das gewöhnliche Bewusstsein und die gewöhnliche Erkenntnisfähigkeit des Menschen übersteigt.

Mystiker glauben, dass eine Vereinigung mit dem Göttlichen nur durch die persönliche Erfahrung, das Eintauchen der Seele in das Göttliche geschehen kann. Diesem Ziel sollen z.B. Kontemplation, materiell-dinglich begreifbare ekstatische Hingabe, Meditation, Askese, Fasten, Pilgerfahrten, aber auch Selbstgeißelung oder die Einnahme von bewusstseinsverändernden Drogen dienen.

Nicht mit Mystik sollte das Irrationale verwechselt werden, wie etwa der Glaube an rosa Einhörner, aus Edelsteinen die Heilung zu erwarten, zu glauben, dass aus dem Niederen das Höhere wird. Mystik hat damit zu tun, den Wundercharakter im Lebendigen zu betrachten, d.h. das dem Verstand übersteigende Erleben im Alltag. Das Leben als Wunder zu begreifen besagt, dass das, was jeder zu verstehen glaubt, im innersten Kern unverstehbar und verborgen liegt. Darum ist auch der Glaube an das Wunder einer göttlichen Macht der Mystik zuzurechnen, wenn hierbei aus dem absolut Göttlichen das Wunder des Seienden (vgl. Seiendes) wird.

Praktische Anwendung christlicher Mystik

Gebet in Form von aufrichtig gemeinter Fürbitte für die Mit-Menschen, aber auch Bitten um die göttliche Gnade der Erkenntnis, soweit sie für einen selber "richtig" ist (Dein, nicht mein Wille geschehe.) sowie unabdingbar: konsequentes an den Vorgaben Gottes Dran-bleiben-Wollen, auch bei zeitweiligem eigenem Versagen aus menschlicher Schwäche, soll dabei "Stein der Weisen" sein.

Praxis buddhistischer Mystik

In der buddhistischen Mystik, die insbesondere im tibetischen Buddhismus Vajrayana verbreitet ist, geht es wie bei allen buddhistischen Schulen nicht um direkte Erfahrung eines göttlichen Wesens, vielmehr ist die Natur des Geistes des Praktizierenden selbst jenseits von Dualität. Er wird aber jedoch aufgrund einer temporären Verschleierung nicht als solcher erkannt. Aus dieser Nichterkenntnis entsteht die Vorstellung eines unabhängig von anderne Phänomenen existierenden Ichs und damit geht das Auftreten der Geistesgifte Unwissenheit, Hass, Gier, Neid und Stolz einher, die Ursache allen Leidens. Ziel aller Praxis ist es, die Geistesgifte in ursprüngliche Weisheit umzuwandeln, die Ich-Vorstellung aufzulösen und die den unerleuchteten Wesen eigene Aufspaltung der Phänomene in Subjekt und Objekt zu überwinden. Einen Menschen, der dieses erreicht, nennt man erleuchtet oder schlicht Buddha.

Moderne religionsunabhängige Mystik

Seit Carl Gustav Jung wird Mystik immer mehr zu einer religionsunabhängigen inneren Kontemplation jenseits der Spaltung in verschiedene Konfessionen und Religionsbekenntnisse. Vorbild dazu ist der Schweizer Mystiker Niklaus von Flüe (Bruder Klaus), gemäss Carl Gustav Jung »der einzige hervorragende schweizerische Mystiker von Gottes Gnaden, [der] unorthodoxe Urvisionen hatte und unbeirrten Auges in die Tiefen jener göttlichen Seele blicken durfte, welche alle, durch Dogmatik getrennten Konfessionen der Menschheit noch in einem symbolischen Archetypus vereinigt enthält« [Ges. Werke, 11, § 487].

In ihrem Buch Die Visionen des Niklaus von Flüe zeigt Marie-Louise von Franz, wie die Visionen dieses mittelalterlichen Mystikers ihn dazu drängten, sein christliches mit einem heidnisch-germanischen Gottesbild zu verbinden. Es lassen sich darin aber auch Elemente des mystischen Islam (Sufismus), des mystischen Hinduismus und Buddhismus (Tantrismus) und des mystischen Judentums (Kabbala) nachweisen (vgl. Weblinks).

Etymologische Herkunft

Etymologisch lässt sich der Begriff Mystik von dem lateinischen mysticus: geheimnisvoll, geheim; bzw. dem griechischen Wort mystikos zu myein: (Augen und Lippen) schließen, herleiten.

Einteilungen und Modelle

In Ken Wilbers einigermaßen anschaulichem Modell der Bewusstseinsebenen sind die höchsten Stufen der Bewusstseinsleiter folgendermaßen den verschiedenen möglichen Ausprägungen von Mystik und mystischen Erfahrungen zugeordnet (Beschreibung der jeweiligen Erfahrung in Anführungszeichen gesetzt, da diese jeder Beschreibung spottet - das beginnend auf der unteren, psychischen Ebene)

  • Kausale Ebene - formlose Mystik - in Worten nicht beschreibbar
  • Subtile Ebene - Gottheitsmystik - "Erfahrung der Einheit mit Gott"
  • Psychische Ebene - Naturmystik - "Erfahrung der Einheit mit der Natur"
  • es folgen die weiteren Bewußtseinsebenen, die terminologisch nicht der Mystik zugeordnet sind

Siehe auch

Weiterbildung Bibliodrama - Schule der Mystik im Meister Eckehart Haus, Köln, Deutschland - mehr Infos unter www.meister-eckehart-haus.de