Akkommodation (Auge)

Anpassung der Brechkraft des Auges
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Akkommodation (accommodare, lat.: „anpassen“) ist die Fähigkeit des Auges, die Form seiner Linse und damit ihre optische Brechkraft unter Berücksichtigung einer gegebenenfalls bestehenden Achsenametropie und entsprechend der Entfernung eines zu betrachtenden Gegenstands so anzupassen, dass dieser auf der Fovea der Netzhaut stets scharf abgebildet wird. Anders ausgedrückt: Akkommodation ist ein Regulativ zur Veränderung der Brechkraft.

Die folgenden Angaben gelten für das menschliche Auge.

Durch eine Kontraktion des Ziliarmuskels (Musculus ciliaris) im Strahlenkörper stellen sich optisch-geometrische Veränderungen im Auge ein, die die Gesamtbrechkraft des Auges je nach Lebensalter um bis zu 15 Dioptrien verändern. Nicht immer kann die Akkommodation bewusst gesteuert werden.

Als Pseudoakkommodation wird die Fähigkeit bezeichnet, sowohl Gegenstände in der Ferne als auch in der Nähe ohne aktive Brechkraftänderung des Auges hinreichend scharf erkennen zu können.

Fernsicht ohne Akkommodation (links) und Fixation eines nahen Objekts mittels Akkommodation (rechts)

bei einem emmetropen Auge.

Mechanismus

Bei Säugetieren und Vögeln wird zur Akkommodation die Form der elastischen Linse verändert, um die Brechkraft zu variieren. Reptilien und Wirbellose haben eine stabile Linse mit konstanter Brechkraft. Sie verändern den Abstand der Netzhaut zur Linse.

Es gibt somit zwei Erklärungen für die Funktionsweise der aktiven Brechkraftveränderung durch Akkommodation:

  • Die Theorie von Helmholtz geht ausschließlich von einer Linsenverformung während der Akkommodation aus. Die Akkommodation wird durch den Ziliarmuskel gesteuert, an dem die Augenlinse durch die Zonulafasern aufgehängt ist. Die elastische Augenlinse wird bei Fernblick durch den Zug der Zonulafasern an der Linsenkapsel in eine Ellipsenform ausgespannt. Der Zug auf die Fasern wird dabei durch den entspannten Ziliarmuskel erzeugt (großer Durchmesser). Bei Akkommodation wird der Ziliarmuskel angespannt, der Durchmesser des Muskels verkleinert sich. Dadurch werden die Zonulafasern entlastet und der Strahlenkörper konzentrisch verengt. Die Linse verzieht sich dabei durch die elastischen Kräfte der Linsenkapsel in ihre kugelförmigere Ruheform, was eine Zunahme der Brechkraft verursacht. Die Veränderung des Krümmungsradius der Linse nennt man auch äussere Akkommodation. Es sind zudem Mechanismen bekannt, die zu einer Umschichtung der Mikrostrukturen und einer Formänderung der Linsenfasern im Linseninneren führen, und die ebenfalls akkommodationswirksam sind. Diese Vorgänge nennt man innere Akkommodation.
  • Die Schachar-Theorie (nach dem US-amerikanischen Wissenschaftler Ronald A. Schachar) geht zusätzlich von einer Vorverlagerung der Augenlinse bei der Akkommodation aus.

Beide Theorien werden durch dynamische Ultraschallbiomikroskopie gestützt.

Gleichzeitig mit der Anspannung des Ziliarmuskels vollziehen die Augen eine Konvergenzbewegung, das heißt, die Augen bewegen sich zueinander hin, so dass sich die Sehachsen im Fixierpunkt schneiden. Diese Konvergenzbewegung ist u. a. Voraussetzung für die Fusion der Seheindrücke beider Augen in der Nähe. Weiterhin stellt sich eine Pupillenverengung (Konvergenzmiosis) ein. Diese drei Mechanismen gehören zu einem Regelkreis, der sich Naheinstellungstrias nennt.

Die aufgebrachte Akkommodationsleistung (in Dioptrien) steht in einem direkten Verhältnis zur notwendigen Konvergenzbewegung (in Prismendioptrien). Dieses Verhältnis wird im so genannten AC/A-Quotienten ausgedrückt. Ist dieses Verhältnis gestört, kann es zu einem Schielen kommen.

Neuroanatomische und -physiologische Grundlagen

Die Reaktion entsteht zunächst im primären visuellen Kortex (Area 17 nach Brodmann), wobei Fasern zur Area pretectalis (dort zum Nucleus pretectalis) ziehen. Von dort verlaufen die Fasern zum Nucleus accessorius nervi oculomotorii (Edinger-Westphal-Kern), wobei ein Teil der Fasern über die Commissura epithalamica zur Gegenseite verläuft – es kommt dadurch also immer zu einer beidseitigen Reaktion, auch bei Blindheit eines Auges. Über parasympatische Fasern des Nervus oculomotorius wird der Musculus sphincter pupillae (dies führt zu einer Pupillenverengung, medizinisch Miosis genannt) und der Musculus ciliaris (Akkommodation) innerviert. Gleichzeitig wird der somatomotorische Teil des Nervus oculomotorius gereizt, der die Musculi recti mediales innerviert und zur Konvergenz der Sehachsen führt. Einige Autoren diskutieren einen Nucleus perlia, der sich zwischen den Edinger-Westphal Kernen befindet. Dieser Kern dient als Schaltstation für die Aktivierung der drei Prozesse: Pupillenverengung, Akkommodation (parasympatisch über Nucleus accessorius nervi oculomotorii) und Konvergenzbewegung (somatomotorisch über Ncll. oculomotorii), auch Naheinstellungstrias genannt.

Akkommodationsbreite

 
Akkommodationsbreite und minimale Sehweite in Abhängigkeit vom Alter.

Die maximal mögliche Brechkraftänderung wird als Akkommodationsbreite bezeichnet. Bei Kleinkindern beträgt sie ca. 14 dpt. Bezogen auf die Gesamtbrechkraft des Auges von ca. 58 dpt entspricht dies einer Variation von ca. 25 %. Im hohen Alter fällt die Akkommodationsbreite auf Werte unter 2 dpt bzw 4 % ab. Dadurch vergrößert sich der kleinste Abstand (Akkommodationsnahpunkt), in dem Gegenstände noch scharf gesehen werden können, von ca. 10 cm auf mehr als 50 cm.

Ursächlich für die Abnahme ist eine im zunehmenden Alter herabgesetzte Elastizität der Linsenkapsel bzw. eine Linsenverdickung durch lebenslanges Wachstum der Linsenschale (Helmholtz-Theorie), während die Schachartheorie den verbleibenden Rest an Akkommodation erklären kann.

Das Diagramm zeigt die Altersabhängigkeit der durchschnittlichen Akkommodationsbreite.

Mit

  • b: = Bildweite bei entspanntem Auge ohne Brille (in Metern)
  • f: = Bildweite des betrachteten Objekts (in Metern)
  • A: = Akkommodationsaufwand (in Dioptrien = 1/Meter)

gilt idealisiert die Linsengleichung: A + 1/b = 1/f

Bei Ausnutzung der vollen Akkommodationsbreite, also maximalem Akkommodationsaufwand (Amax) ergibt sich die minimale Gegenstandsweite („minimale Sehweite“) ohne Brille (fmin)

(1) Amax + 1/b = 1/fmin

oder

(2) fmin = 1/(Amax + 1/b)

Bei Emmetropie (Normalsichtigkeit) ist definitionsgemäß b unendlich und die minimale Gegenstandsweite der Kehrwert der Akkommodationsbreite.

Entsprechend lässt sich für einen Brillenträger fmin berechnen, indem man für 1/b den negativen Brillenwert für die Ferne (in Dioptrien) einsetzt – vorausgesetzt das Auge ist beim Tragen der Brille und Blick in die Ferne entspannt und sieht scharf.

Die altersabhängige minimale Gegenstandsweite („minimale Sehweite“) für Normalsichtige ist in der unteren Grafik gezeigt. Für Nicht-Normalsichtige gilt dieselbe Kurve beim Tragen einer Brille, die in der Ferne ein entspanntes, scharfes Sehen ermöglicht.

Akkommodationsstörungen

Klassifikation nach ICD-10
H52.4 Presbyobie
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Presbyopie (Alterssichtigkeit)

Fällt die Akkommodationsbreite mit zunehmendem Alter (siehe Abbildung) unter etwa 3 Dioptrien (die Zeitung muss zum Lesen mit Fernbrille in über 35 cm Abstand gehalten werden) spricht man von einer Presbyopie oder auch Alters(weit)sichtigkeit. Eine einfache Lesebrille, eine Bifokalbrille, Gleitsichtbrillen oder Mehrstärken-Kontaktlinsen können die Presbyopie erfolgreich ausgleichen.

Aus Gleichung (1) kann man die erforderliche Brillenstärke abschätzen, sofern die „Restakkommodation“ bekannt ist. Die „Restakkommodation“ ergibt sich als der Kehrwert der Entfernung (in Metern), in der mit aufgesetzter, korrekter Fernbrille aus der Ferne kommend gerade noch scharf gesehen wird.

Mit

  • ARest: = Restakkommodation
  • RBrille: = Stärke der Nahbrille

ergibt sich

ARest + RBrille = 1/fmin − 1/b

oder

(3) RBrille = 1/fmin − 1/b − ARest
Beispiel: Berechnung einer Nahbrille
Ist man weitsichtig mit einem Fernbrillenwert von +0,75 dpt (b = −1/0,75 dpt = −1,33 m) und möchte z. B. eine Nadel im Abstand von fmin = 0,25 m einfädeln, sieht aber mit der Fernbrille erst im Abstand von 1 m scharf (entsprechend ARest = 1 dpt), so muss die Stärke der Nähbrille mindestens (1/0,25 m + 0,75 dpt − 1 dpt =) +3,75 dpt betragen. Liest man z. B. in 0,33 m Buchabstand, genügen für die Lesebrille in diesem Fall +2,75 dpt. Trägt man keine Fernbrille, so setzt man 1/b = 0.

Daumenformel

Für Überschlagsrechnungen lässt sich Gleichung 3 vereinfachen:
Man bildet den Kehrwert der Entfernung in Meter, in der man ohne Brille aus der Ferne kommend gerade noch scharf sehen kann. Wenn man diese Zahl von 3 dpt abzieht (denn: 3 dpt = 1/0,33 m), erhält man die Brillenstärke, die mindestens erforderlich ist, um in 0,33 m Abstand ein Buch lesen zu können.

Es existieren neben den Brillen verschiedene Verfahren zum kosmetisch unauffälligen Ausgleich der Presbyopie, die allesamt auf Pseudoakkommodationsverfahren basieren

  • Monovision: ein Auge wird durch eine Kontaktlinse auf die Nähe abgestimmt
  • Multifokale Kontaktlinsen
  • Multifokale Intraokularlinsen

Seit 2000 werden auch Kunstlinsen implantiert, die durch minimale axiale Bewegung im Kapselsack eine Optik-Shift Akkommodation (analog der Schachar-Theorie) erbringen. Die Ergebnisse haben allerdings eine hohe Streubreite aufgrund zu vieler noch nicht bekannter Einflussfaktoren. Das Sehen wird bei solchen „akkommodativen“ Intraokularlinsen nicht schlechter als mit klassischen Kunstlinsen, allerdings ist die Vorhersagbarkeit der zu erzielenden Lesefähigkeit noch nicht ausreichend sicher.

Die Presbyopie wird im deutschen Sprachgebrauch auch als Altersweitsichtigkeit oder Alterssichtigkeit bezeichnet. Diese Begriffe sind korrekt, soweit sie nicht mit der Übersichtigkeit (Hyperopie) verwechselt werden, einer bestimmten Art von Brechungsfehler, die mit einer Presbyopie nichts zu tun hat, gelegentlich jedoch auch fälschlicherweise als Weitsichtigkeit tituliert wird.

Klassifikation nach ICD-10
H52.5 Akkommodationsstörungen
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Akkommodationslähmung

Bei einer Akkommodationslähmung, auch Zykloplegie genannt, liegt ein Funktionsverlust des Musculus ciliaris vor. Dieser kann pathologische Ursachen haben (zum Beispiel bei Schädigung der parasympatischen Nervenfasern des Nervus oculomotorius) oder zu diagnostischen Zwecken (zum Beispiel Refraktometrie) durch entsprechende pharmakologische Wirkstoffe (Zykloplegika) herbeigeführt werden. In letztem Falle sollte darauf geachtet werden, dass die Funktionseinschränkung für die Dauer der medikamentösen Wirkung möglichst vollständig ist. Für Emmetrope und Hyperope ist in diesem Zustand ein scharfes Sehen in der Nähe für eine gewisse Zeitspanne nicht mehr möglich.

Hypoakkommodation

Unter Hypoakkommodation versteht man eine deutlich eingeschränkte Akkommodationsbreite, die nicht neurologisch bedingt ist und in aller Regel einen Konvergenzexzess auslöst. Der Akkommodationserfolg entspricht hierbei nicht dem aufgewendeten Innervationsimpuls. Sie ist äußerst selten und tritt in der Regel im Kindesalter auf. Therapie der Wahl ist die Verordnung einer Bifokalbrille. Die Durchführung einer Schieloperation ist definitiv kontraindiziert.

Akkommodationskrampf

Bei hyperopen Augen ist bereits zum Scharfsehen in der Ferne ein entsprechender Akkommodationsaufwand erforderlich. Der Akkommodationsnahpunkt rückt deshalb um den Anteil an Akkommodationsleistung vom Auge weg, der zur Kompensation der Hyperopie benötigt wird. Bei erheblich unterkorrigierter Hyperopie oder bei einer überkorrigierten Kurzsichtigkeit kann sich nach längerer Zeit ein Akkommodationsspasmus einstellen. Dieser Zustand äußert sich in Kopfschmerzen und Verschwommensehen. In solchen Fällen hilft eine optimal angepasste Brille Übersichtigen, die zwar auch ohne Brille in Ferne und Nähe scharf sehen können, dies aber auf Dauer mit entsprechenden Beschwerden einhergeht. In manchen Fällen kann sich auch eine krampflösende medikamentöse Behandlung anbieten.

Siehe auch

Literatur

  • Herbert Kaufmann: Strabismus. Unter Mitarbeit von W. de Decker u. a., Stuttgart: Enke, 1986, ISBN 3-432-95391-7
  • Axenfeld/Pau: Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde. Unter Mitarbeit von R. Sachsenweger u. a., Stuttgart: Gustav Fischer Verlag, 1980, ISBN 3-437-00255-4