Zum Inhalt springen

Comitatenses

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. Januar 2009 um 15:10 Uhr durch Veleius (Diskussion | Beiträge) (Vorgängerentwicklungen raus (nict relvant), tw. neu gegliedert.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Büste des Gallienus im Musée du Cinquantenaire, Brüssel. Gallienus (253–268 n.Chr.) setzte mit der Schaffung einer vom Grenzheer losgelösten Armee zu seiner besonderen Verfügung den ersten Schritt in Richtung der Comitatenses des 4. Jahrhunderts.

Die Comitatenses (lateinisch „Begleiter“) genannten Truppen bildeten zusammen mit den Limitanei das römische spätantike Heer.

Definition

Bewegungsheere wurde auch schon von den Soldatenkaisern aufgestellt, aber erst Diokletian und vor allem Konstantin der Große führten die entscheidenden Reformen konsequent durch. Die Bezeichnung leitete sich vom sacer comitatus, dem „heiligen Gefolge“ des Kaisers, ab, das ihn ins Feld begleitete und zu seiner unmittelbaren Verfügung stand. Die oft einzige Quelle für diese Truppen bietet die Notitia Dignitatum (ND), die Organisation, Namen und Schildbemalung der einzelnen Truppen wiedergibt, etwa die der Minervii.

Die Comitatenses fungierten als schnelles und standortungebundenes Bewegungsheer. Sie wurden an strategisch wichtigen Punkten im Hinterland stationiert und bildeten den Kern der spätrömischen Armee. Bei einem feindlichen Durchbruch der Grenze war es ihre Aufgabe, so schnell wie möglich die Eindringlinge zu stellen und zu zerschlagen.

Der Vorwurf, Konstantin habe damit die Grenzverteidigung geschwächt, ist insofern unbegründet da es ohnehin immer wieder zu Einfällen kam, die später nur dank der Comitatenses gestoppt oder eingedämmt werden konnten. Unter den Nachfolgern Konstantins wurde dieses System noch weiter ausgebaut. So wurden auch für besonders gefährdete Provinzen kleinere Bewegungsheere geschaffen. Als das Imperium unter Konstantins Söhnen und Nachfolgern zunächst in Teilherrschaften geteilt blieb, wurde der kaiserliche Comitatus auf die einzelnen Herrscher aufgeteilt und in Verbindung damit kam es auch zu einer neuen Benennung dieser Einheiten.

Römischer Follis mit dem Portrait des Diokletian, geprägt in Treveri (Trier) um 300 n.Chr. (Classic Numismatic Group, Inc. (CNG). Die strategische Reserven Diokletians und seines Mitregenten Maximianus waren zwar noch nicht so groß wie die Comitatenses des 4. Jahrhunderts, setzten sich aber aus besonders kampfkräftigen Einheiten zusammen, zu denen besonders Elitelegionen der Donauarmee zählten.

Entwicklung

Konstantin I. (der Große) konnte sich nach langwierigen Kämpfen als Alleinherrscher über das gesamte Reich durchsetzen. Nach dem Sieg über Maxentius und der darauffolgenden Übernahme des gesamten westlichen Reichsteiles findet sich in den Quellen auch zum ersten Mal die Bezeichnung Comitatenses. Konstantin fügte je fünf Vexillationen von Legionstruppen und zehn Auxilia zu einem Verband namens comitatus zusammen. Sie hatten einen höheren Status als die Grenztruppen und innerhalb des Comitatus rangierte die Kavallerie höher als die Infanterie.

Konstantin I.
Büste im Kapitolinischen Museum, Rom.

Seine Armeereform, die die im Laufe des vorangegangenen Jahrhunderts improvisierten Maßnahmen konsequent in ein einheitliches System einband, sollte das römische Heer bis zu dessen Untergang im Westen maßgeblich prägen. Die mobile Feldarmee erhielt nun eine dauerhafte Organisationsstruktur. Unter Konstantins kommt auch erstmals eine neue Truppengattung (mit alter Bezeichnung hinzu), die auxilia, eine schwer gepanzerte, meist aus Germanen bestehende, Infanterie, die ebenfalls als Eliteeinheiten im Römischen Heer geführt wurden. Mit Hilfe der Comitatenses konnte sich Konstantin auch wirksam gegen eventuelle politische Gegner verteidigen und seine Macht als alleiniger römischer Kaiser dauerhaft sichern. Außerdem erhielt er so auch die Unterstützung der Provinzen, die ihrerseits darauf hofften, mit Hilfe dieser neuen Streitkräfte mit ihren eigenen Problemen vor Ort leichter fertig zu werden. Die Unterbringung der Comitatenses in den Städten, oft weit im Inland des Reiches, die in manchen Fällen schon seit 100 Jahren keinen Soldaten mehr gesehen hatten, wird von Zosimus (der allerdings Heide war) scharf kritisiert (II, 34). Die Bürger seien durch die Einquartierungen und den Reibereien, die zwangsläufig auftreten, wenn Militärs und Zivilisten aufeinandertreffen, ohne Not arg unter Druck geraten. Zudem gewöhnten sich die Soldaten sehr rasch an das bequeme Leben in ihren Stationierungsorten, wodurch angeblich ihre Kampfkraft litt.

Funktion und Taktik

Da im Gegensatz zu den Limitanei die Comitatenses aber nicht auf Dauer in einer bestimmten Grenzregion eingesetzt waren, wurden sie für gewöhnlich auch nicht für Polizei- und Verwaltungsaufgaben herangezogen. Die Schaffung weiterer mobiler Armeen in den Provinzen erwies sich später aber dennoch als notwendig, da die Palatinii nicht alleine mit gleichzeitig auftretenden Problemen in unterschiedlichen Provinzen fertig werden konnten.

Porphyr-Figurengruppe der Kaiser und Mitregenten der 1. Tetrarchie an der Kirche San Marco in Venedig. Die Augusti und ihre Caesaren sind in Feldherrenuniformen des späten 3. Jahrhunderts dargestellt.

Neu war auch die Verteidigungsstrategie, die sich im 4. Jahrhundert entwickelte. Die Limitanei hatten am Limes für Ruhe und Ordnung zu sorgen sowie kleinere Überfälle in Eigenregie abzuwehren. Bei einem größeren Einbruch sollten sie die wichtigsten Kastelle und Städte oder Schlüsselstellungen wie z.B. Passübergänge halten und dann zusammen mit den Comitatenses den Feind vernichten.

Die größte Schwierigkeit hierbei bestand darin die meist kleinen Beutegemeinschaften aufzuspüren um dann überraschend über sie herzufallen um sie mit geringstmöglichen Verlusten niedermachen zu können. Dafür war ein geschicktes Vorgehen der Spähtrupps (exploratores) und der Offiziere auf allen Kommandoebenen notwendig. Diejenigen Angreifer, die dennoch ohne größere Niederlagen wieder über die Grenze in ihr eigenes Territorium entkommen konnten genossen danach großes Prestige bei ihren Stammesangehörigen und waren deswegen auch bald wieder zu neuen Aktionen bereit. Die Tatsache, dass die Römer meist erst eingriffen wenn die Gegner sich schon tief im Inneren der Provinzen befanden war wohl nicht das Ergebnis einer ausgeklügelten Strategie sondern zeigt wohl vielmehr die Unfähigkeit der Armee solche Durchbrüche schon im Ansatz zu ersticken. Hatten die Comitatenses aber einmal den Feind aufgespürt und die Verfolgung aufgenommen, hetzten sie oft auch die kleinste Gruppe systematisch bis auf den letzten Mann zu Tode. Bei diesen Kleinkriegen waren die Römer im Vorteil da es ihre gut organisierte Logistik erlaubte ihre Armeen zu jeder Jahreszeit ausreichend zu versorgen. Die tägliche Marschleistung der Comitatenses darf man sich nicht als allzu groß vorstellen. Keine dieser Armeen konnte schneller sein als ihre Infanteristen oder, was eine noch größere Einschränkung bedeutete, der Tross. Abgesehen davon wurde ihre Einsatzfähigkeit durch die oft mit Schwierigkeiten verbundene Bereitstellung der erforderlichen Marschverpflegung für die Truppen noch weiter eingeschränkt. Größere Feldzüge erforderten eine Vorbereitungszeit von mindestens einem Jahr. Die Abkommandierung einer mobilen Feldarmee störte Wirtschaft und Verwaltungsbetrieb einer Region weitaus weniger als früher wenn ganze Legionen aus ihren angestammten Garnisonen abrückten.

Mit der Veränderung der Truppenorganisation ging auch eine Änderung in der Taktik einher. Kleinere Einheiten ermöglichten eine viel flexiblere Kriegsführung. Die meisten Feldzüge bestanden nun hauptsächlich aus überfallartigen Kommandoaktionen. Kam es doch zu einer größeren Schlacht, kämpften alle Einheiten in Reih und Glied und die Comitatenses fungierten wieder als schwere Linieninfanterie im klassischen Sinn. Einige Kohorten in den neuen Einheiten waren auch als leichte Infanterie ausgebildet. In der Schlacht fasste man sie dann so zusammen, wie man sie gerade benötigte. Solche Spezialisten waren z.B.:

  • sagittarrii (Bogenschützen),
  • exculatores oder
  • lanciarii (Speerwerfer),
  • funditores (Schleuderer) und
  • balistarii (Feldartilleristen).

Kavallerie

Die Kavallerie der Comitatenses bestand aus den vexillationes comitatenses. Über die genaue Stärke solcher spätrömischen Einheiten herrscht heute Ungewissheit, wahrscheinlich hat sie je nach Einsatzdauer stark geschwankt. Eine spätrömische vexillatio dürfte regulär 400-500 Mann gehabt und somit in etwa einer ala quingenaria der alten Auxiliarverbände entsprochen haben. Um 400 n. Chr. gab es im Westen des Reiches über 47 dieser vexillationes (davon alleine 23 in den nordafrikanischen Provinzen), im Osten insgesamt 43. Addiert mit den Scholae Palatinae ergäbe das für das Gesamtreich zusammen etwa 45.000-50.000 Mann comitatenses zu Pferd. Die Kavallerie müsste demnach also ungefähr ein Viertel der comitatenses ausgemacht haben. Ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. errang die Kavallerie endgültig den Vorrang gegenüber der Infanterie und die pedes (Fusstruppen) wurden nicht mehr als Rückgrat der Armee angesehen.

Infanterie

Die Infanterie setzte sich aus den

  • legiones comitatenses, den
  • auxilia comitatensia und den
  • legiones pseudocomitatenses

zusammen. Die Sollstärke ist aus heutiger Sicht nur schwer einzuschätzen, wahrscheinlich zählte sie - für beide Reichsteile zusammengerechnet - ungefähr rund 150.000 Mann.

Die spätantiken Legionen dürften, wie schon oben erwähnt, aus etwa 1000 Mann bestanden haben, dafür hatte man ihre Anzahl beträchtlich erhöht. Dies wohl auch eine Folge der zahlreichen Reichsteilungen, die eine zunehmende Aufsplitterung der Verbände verursachten.

Die auxilia ähnelten nun größtenteils wieder denen der späten Republik oder auch den numeri der frühen Kaiserzeit. Es handelte sich hierbei vor allem um germanische „Fremdenlegionäre“, die nun den zahlreichsten und schlagkräftigsten Teil der comitatensischen Infanterie ausmachten.

Die legiones pseudocomitatenses (siehe auch Limitanei) waren Einheiten der Grenzarmee, die aufgrund guter Leistungen zwar ins Bewegungsheer übernommen wurden, sich aber dennoch mit einen niedrigeren Status begnügen mussten.

Gardetruppen

Auch aus dem aus der Kaisergarde und anderen, zumeist berittenen, Eliteverbänden gebildeten comitatus hatte sich schon im Laufe des 3. Jahrhunderts ein Vorläufer der Comitatenses entwickelt. Diese Einheiten, die scholae palatinae, traten um 320 n.Chr. an die Stelle der alten, 312 n. Chr. in der Schlacht an der Milvischen Brücke mit Maxentius untergegangenen Prätorianergarde. In der ND wird die Anzahl dieser scholae mit fünf für den West- und sieben für den Ostteil des Reiches angegeben. Die Mannschaftsstärke einer schola lag bei 500 Mann. Traditionell aus Germanenvölkern rekrutiert, waren sie fast ausschließlich Reitersoldaten. Wie ihre Vorgänger, die Prätorianer und Equites Singulares Augusti, fungierten sie als Palastgarde und schnelle Eingreif- oder Polizeitruppe des Kaisers für besondere Einsätze sowie als Kriegsschule von Offizieren die auch für höhere Aufgaben am Hof oder in der Verwaltung vorgesehen waren und wurden palatinii („kaiserliche“) genannt. Sie rangierten zwar vor den regulären Einheiten, genossen deswegen aber keine besonderen Vorrechte. Am Ende des 5. Jahrhunderts degenerierten die scholae palatinae zu einer reinen Paradetruppe. Auch nach Konstantins Tod erhielten einige verdiente Einheiten noch den Ehrennamen Palatinii, ohne aber deswegen zu einer Gardetruppe aufgewertet worden zu sein.

Einheitsbezeichnungen

Als bei der Reichsteilung zwischen Valentinian I. und Valens im Jahre 364 n. Chr. auch die Comitatenses zwischen beiden Herrschern aufgeteilt wurde, erhielten die für den Westen vorgesehenen Verbände die Zusatzbezeichnung seniores, die für den Osten iuniores.

Die meisten Einheiten waren aber, wie auch schon vorher, nach den jeweiligen Volksgruppen, aus denen sie angeworben wurden, benannt, häufig floss auch die spezielle Bewaffnung und aufgrund außerordentlicher Leistungen verliehene Ehren- und Kaisernamen in die Namensgebung ein.

Typische Zusatzbezeichnungen, die noch auf das 3. Jahrhundert zurückgingen, waren

  • stablesiani (von stabulum „Stall“),
  • promoti (wörtlich: „Versetzte“, ursprünglich zum mobilen Heer abkommandierte Legionsreiterei),
  • scutarii („Schildträger“) und
  • sagittarii.

Diese Namen kamen auch bei Scholae- und Grenztruppen vor.

Offiziere und Dienstränge

Die gesamte Kavallerie befehligte anfangs der magister equitum, die Infanterie der magister peditum. Davon ausgenommen waren die scholae palatinae, die dem magister officiorum unterstanden. Später wurde diese Trennung aber aufgehoben, sodass ein magister militum alle Teilstreitkräfte unter seinem Kommando vereinigte.

Das Feldheer in der Provinz unterstand einem Comes. Ein Comes war in manchen Fällen auch für mehr als eine Provinz zuständig (z.B. der Comes Britanniarum) und im Kriegsfall auch gegenüber den Limitanei der Duces weisungsbefugt.

Eine Kavallerie-vexillatio wurde von einem tribunus angeführt, dem ein primicerius zur Seite stand. Der Kirchenvater Hieronymus zählte in einer seiner Streitschriften (Contra Ionam, 19) alle Kavalleriedienstgrade des späten 4. Jahrhunderts auf:

  • tiro (Rekrut),
  • eques,
  • circitor,
  • biarchus,
  • centenarius,
  • ducenarius,
  • senator,
  • primicerius,
  • tribunus.

Den Feldzeichenträger nannte man draconarius.

Die mobilen Armeen im 5. Jahrhundert

Laut der ND gebot das Ostreich über fünf mobile Armeen, zwei waren dem kaiserlichen Hof zugeteilt, während das Westreich sieben hatte, darunter drei vergleichsweise kleine Armeen. Am Beginn des 5. Jahrhunderts verzeichnet die ND für das ganze Reich insgesamt 12 dieser Armeen, im Osten

  • eine Praesentalis-Armee

(d. h. die unmittelbar dem Kaiser zur Verfügung stand), stationiert bei Konstantinopel, aufgeteilt auf 12 Kavallerie- und 24 Infanterieeinheiten.

Zusätzlich gab es im Osten noch 3 regionale Armeen stationiert in

  • Thrakien (7 Kavallerie- und 21 Infanterieeinheiten),
  • im östlichen Illyricum (2 Kavallerie- und 24 Infanterieeinheiten)
  • und in Orientum, d. i. Kleinasien und im Vorderen Osten (10 Kavallerie- und 21 Infanterieeinheiten).

Im Westen gab es zwei große Armeen:

  • in Gallien (12 Kavallerie- und 35 Infanterieeinheiten),
  • in Italia (7 Kavallerie- und 28 Infanterieeinheiten).

Regionale Armeen gab es noch in

  • Britannien (6 Kavallerie- und 3 Infanterieeinheiten),
  • im westlichen Ilyricum (22 Infanterieeinheiten),
  • Spanien (16 Infanterieeinheiten),
  • Mauretania Tingitata (3 Kavallerie- und 4 Infanterieeinheiten)
  • und in Africa (19 Kavallerieeinheiten).

Literatur

  • Arnold Hugh Martin Jones: The Later Roman Empire, 3 Bde., Blackwell, Oxford 1964. (mehrere Nachdrucke)
  • Dietrich Hoffmann: Das spätrömische Bewegungsheer und die Notitia dignitatum, 2 Bde., Rheinland-Verl., Düsseldorf 1969–1970
  • R. S. O. Tomlin: The army of the late Empire. In: J. Wacher (Hrsg.): The Roman World. Bd. 1, 1987, S. 107–133.
  • J. Casey: The Legions in the Later Roman Empire. 4th Caerleon Lecture (1990)
  • T. Coello: Unit Sizes in the Late Roman Army. BAR Int. Ser. 645 (1996).
  • Adrian Goldsworthy: Die Kriege der Römer. Brandenburgisches Verlagshaus 2001, ISBN 3-89488-136-4.