Rolf Hochhuth

deutscher Dramatiker (1931–2020)
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Rolf Hochhuth (* 1. April 1931 in Eschwege) ist ein deutscher Dramatiker und ein maßgeblicher Anreger des Dokumentartheaters. Schriftstellerisch setzte er sich oftmals mit der NS-Vergangenheit und mit aktuellen politischen und sozialen Fragestellungen auseinander. Dabei stellt er Personen der Zeitgeschichte innerhalb der Zeitumstände dar und verbindet sie mit erfundenen Figuren.

Hochhuth ist Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland, der Akademie der Künste in Berlin (seit 1986), der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München (seit 1989) und der Freien Akademie der Künste Hamburg (seit 2004).

Leben und Werk

Hochhuth war zunächst Buchhändler in verschiedenen Buchhandlungen und Antiquariaten, besuchte nebenbei Vorlesungen an Universitäten in München und Heidelberg. Danach wurde er Lektor bei einem Verlag des Medienkonzerns Bertelsmann. Seit 1963 arbeitet er als freier Autor. Hochhuth ist verwitwet und lebt in Grenzach-Wyhlen, einen Zweitwohnsitz hat er in Berlin. Er lebte längere Zeit in Basel. Sein umfangreiches Archiv befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern.

Der Stellvertreter

 
Kurt Gerstein war als Hygienefachmann der Waffen-SS 1942 Augenzeuge der Erprobung von Massenmorden in Belzec und Treblinka. Er versuchte, das Ausland darüber zu informieren.

Hochhuth reichte das Drama Der Stellvertreter 1961 bei Ruetten und Loening ein. Bei dem Verlag der Bertelsmann Verlagsgruppe war er zeitgleich als Lektor beschäftigt. Das Drama kam damals jedoch nur bis in die Druckvorstufe. Der Verlag stoppte den Druck, weil der Vatikan mit einer einstweiligen Verfügung gedroht hatte. Ein Skript wurde an den Rowohlt-Verlag weitergeleitet, der es zwei Jahre später veröffentlichte – zeitgleich mit der Uraufführung, für die der Verlag Erwin Piscator gewinnen konnte. Hochhuths Erstling sorgte für großes Aufsehen, da er sich erstmals kritisch mit der Haltung des Papstes Pius XII. gegenüber dem Holocaust auseinandersetzte. In dem Drama treten historische Personen wie der SS-Obersturmführer Kurt Gerstein, der die internationale Öffentlichkeit 1942 über den Holocaust zu informieren versuchte, neben fiktionalen Figuren auf.

In der Uraufführung (20. Februar 1963) durch den Regisseur des politischen Theaters Erwin Piscator in West-Berlin löste Der Stellvertreter 1963 die bis dahin größte und weitreichendste Theaterdebatte der Bundesrepublik Deutschland aus (Stellvertreter-Debatte) und sorgte international für erhebliche Kontroversen. Das Stück hat in anderen europäischen Ländern zu Tumulten während und nach Aufführungen geführt. So auch in Rom, wo man das Stück aus der Heiligen Stadt verbannte, indem man sich auf einen Paragraphen des vatikanischen Gesetzes berief, demzufolge in der Heiligen Stadt keine Schmähreden über Personen aus dem Vatikan gehalten werden dürfen.

Bis 1966 verbat sich Hochhuth die Aufführung seines Stücks in der DDR aus Angst, man interpretiere ihn dort so anti-katholisch, dass man ihn in Folge auch in der BRD nicht mehr lesen bzw. spielen werde. Es stellte sich aber heraus, dass die Interpretationen der Literaturkritiker der DDR denen der BRD ähnelten. Sie waren euphorisch v.a. über den Schluss, in dem die russischen Soldaten die letzten Opfer aus Auschwitz befreiten. Kritischer waren sie hingegen bei seinen Angriffen auf die Wirtschaft und die Kirche hinsichtlich deren antibolschewistischer Einstellung. Hochhuth sei hier noch nicht sozialistisch genug.

Die zentralen Aussagen des fiktionalen Texts mit dokumentarischem Anspruch sind aufgrund des von ihm ausgehenden historischen Verdikts über Pius XII. noch immer umstritten. Hochhuth bezieht sich maßgeblich auf Hannah Arendt als Referenz, wenn er auf die Verantwortung jedes Individuums für seine Taten hinweist. Arendt hatte dieses Dokumentarstück an verschiedenen Stellen ihres Werkes positiv besprochen. Der jüdische Theologe und Religionswissenschaftler Pinchas Lapide hat in wissenschaftlichen Untersuchungen festgestellt, dass durch die vatikanische Diplomatie von 1939 bis 1945 etwa 800.000 Juden gerettet worden sind.[1] Hochhuth hat sich gegen Behauptungen zur Wehr gesetzt, er habe für das vatikankritische Theaterstück auf Materialien des sowjetischen Geheimdienstes KGB zurückgegriffen oder sich gar von diesem mit Desinformationsmaterial versorgen lassen.[2]

Zur gegenwärtigen Beurteilung des Verhaltens Pius’ XII. in der Zeit des Nationalsozialismus siehe den entsprechenden Abschnitt im Artikel über Pius XII.

Das Werk wurde 2002 von Constantin Costa-Gavras verfilmt mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle.

Von Soldaten bis Alan Turing

 
Hans Filbinger (Mitte, 1978), trat 1978 als Ministerpräsident Baden-Württembergs zurück, nachdem im Kontext von Hochhuths Roman Eine Liebe in Deutschland bekannt geworden war, dass Filbinger als Richter der Kriegsmarine 1945 Todesurteile gegen Deserteure gefällt hatte.

Sein 1967 an der Freien Volksbühne Berlin uraufgeführtes Drama Soldaten, Nekrolog auf Genf stützte sich wesentlich auf Studien des damals noch unbekannten britischen Publizisten David Irving, der zwei Jahrzehnte später als Holocaustleugner hervortrat. In diesen frühen Werken Irvings wird der Alliierte Bombenkrieg als Kriegsverbrechen dargestellt. Hochhuth wirft in seinem Stück die Frage nach der Mitverantwortung Winston Churchills an den Luftangriffen auf deutsche Städte im Zweiten Weltkrieg auf. In England kommt es zu einem Verbot des Buches und zu zahllosen Prozessen gegen Hochhuth.

1972 fand im Schauspielhaus Zürich die Uraufführung der Komödie Die Hebamme statt. In diesem Stück setzt sich Hochhuth satirisch mit den sozialen Missständen in einer Kleinstadt auseinander. Der Regisseur Wolfgang Spier verfilmte den Stoff 1976 mit Inge Meysel als Hebamme.

Durch einen Vorabdruck seiner investigativen Erzählung Eine Liebe in Deutschland in der Wochenzeitung „Die Zeit“ entfachte Hochhuth 1978 die Diskussion um die Vergangenheit des Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger als NS-Richter (Hochhuth: der „furchtbare Jurist“). Filbinger trat im selben Jahr zurück und musste alle Ämter niederlegen. [3] Nach Filbingers Tod im April 2007 erhob Hochhuth gegen den Verstorbenen über die Vorwürfe von 1978 hinausgehende, nachweislich unzutreffende Anschuldigungen; siehe hierzu: Hochhuth und Oettinger.

In der halb fiktiven Erzählung Alan Turing schrieb Hochhuth 1987 über den Vater des modernen „Computers“, der mithalf Funksprüche der Wehrmacht automatisch und kriegsentscheidend zu entschlüsseln. Turing wurde wegen Homosexualität verurteilt und starb wahrscheinlich durch Zyankali-Suizid.

Spätwerk ab Wessis in Weimar

Neben geschichtspolitischen Stoffen kreist das späte Werk Hochhuths um die vielfältigen Facetten des Themenkomplexes „soziale Gerechtigkeit“ (Wessis in Weimar, Szenen aus einem besetzten Land, 1993; McKinsey kommt, 2004).

In Glasgow wurde 2001 sein historisch realistisches Stück Nachtmusik uraufgeführt, 2002 im Salzburger Landestheater gespielt. Erst 2006 fand die deutschsprachige Erstaufführung statt.

Im Jahr 2005 überraschte Hochhuth mit einem Gastauftritt in der Fernsehserie Gute Zeiten – Schlechte Zeiten wenige Tage bevor sein ausschließlich mit Schauspielern der Serie besetztes Stück Familienbande in der Stadt Brandenburg Premiere hatte.

Im Jahr 2006 verfasste Hochhuth ein von ihm als Tragikomödie bezeichnetes Theaterstück mit dem Titel Heil Hitler, das am 13. Januar 2007 in der Berliner Akademie der Künste Premiere hatte.[4] Weitere Aufführungen gab es bisher nicht.

Zur Zeit arbeitet Hochhuth an einem Stück über die Ermordung des Bankiers Alfred Herrhausen. Seine These: Es war gar nicht die RAF. Die Amerikaner hätten dahintergesteckt.

Der Schriftsteller und Dramatiker hat im Laufe seines Lebens Gedichte und Prosa veröffentlicht, die allerdings nicht die Bekanntheit seiner dokumentarischen Dramatik erzielten. Seine Sprache wird zuweilen als holzschnittartig und wenig differenziert bezeichnet.

Exemplarische Kontroversen

Kritiker werfen Hochhuth vor, rückläufige öffentliche Aufmerksamkeit als Dramatiker mit publikumswirksamen skandalträchtigen Effekten zu kompensieren. Darauf seien vermehrte Skandal-Meldungen in den Medien und darauf folgende öffentliche Diskussionen zurückzuführen.

McKinsey kommt

So hatte Hochhuth in „McKinsey kommt“ eine Passage eingebaut, die von Medienvertretern als mögliches „Verständnis für einen Mordaufruf“ gegen den Deutsche-Bank-Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann interpretiert wurde. Darin heißt es: „Die FAZ lehrt A's (=Ackermann) rechtlose Opfer als 'Umbau' zu tarnen! / 'Tritt' A. (=Ackermann) nur 'zurück' wie Geßler durch - Tell? / Schleyer, Ponto Herrhausen warnen.” In Schillers Wilhelm Tell wurde der tyrannische Landvogt Gessler durch den Freiheitshelden Tell getötet. Einer der Vorgänger Ackermanns, Alfred Herrhausen, war einem Anschlag der Rote Armee Fraktion (RAF) zum Opfer gefallen (RAF-Mordanschlagsthese konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden - siehe Artikel zu Alfred Herrhausen), ebenso wie die in der Passage erwähnten Wirtschaftsvertreter Hanns Martin Schleyer (Arbeitgeberpräsident) und Jürgen Ponto (Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank). Hochhuth wies den Vorwurf des Mordaufrufs entschieden zurück und erklärte, er habe auf eine objektive Bedrohung für die deutsche Wirtschaftselite als Folge u.a. der aktuellen Reform des Sozialsystems hinweisen wollen. Der Kontext des Zitats im Text stützt diese Darstellung jedoch sehr begrenzt.

Zu den Vorwürfen der Deutschen Bank wollte Hochhuth sich erst äußern, wenn er sie kenne.[5]

Hochhuth und Irving

 
Rolf Hochhuth (rechts) und David Irving (1966)

Im März 2005 geriet Rolf Hochhuth erneut in die Schlagzeilen, da er in einem Interview mit der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit den britischen Publizisten David Irving verteidigt hatte, der mehrfach gerichtlich als Holocaustleugner verurteilt wurde (München 1993, London 2000, Wien 2006) und in Deutschland mit einem Einreiseverbot belegt ist. Hochhuth sagte: „Irving ist ein fabelhafter Pionier der Zeitgeschichte, der großartige Bücher geschrieben hat. Ganz zweifellos ein Historiker von der Größe eines Joachim Fest. Der Vorwurf, er sei ein Holocaustleugner, ist einfach idiotisch!“ [6] Gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel" bekräftigte Hochhuth die Parteinahme einen Tag später. Hier sagte er, dass Irving „sehr viel seriöser (sei) als viele deutsche Historiker“. Irving, mit dem er eine persönliche Freundschaft pflege, sei ein „ehrenwerter Mann“. [7] Dabei hatten ihn seine Interviewpartner jeweils direkt mit holocaustleugnenden Aussagen von Irving konfrontiert. Bereits eine Frage in dem Junge Freiheit-Interview hatte gelautet: „Aber Herr Hochhuth, immerhin behauptet Irving, in Auschwitz hätte es keine Gaskammern gegeben. Er hat flapsig formuliert, in Gaskammern seien dort 'weniger Menschen umgekommen als 1969 auf dem Rücksitz Edward Kennedys' - und da saß bekanntlich nur dessen Freundin.“ Darauf antwortete Hochhuth: „Da hat er seiner nicht ganz unbritischen Neigung zum schwarzen Humor auf zynische Weise freien Lauf gelassen. Wahrscheinlich ist er wahnsinnig provoziert worden, ehe er das gesagt hat. Als Historiker ist er ein absolut seriöser Mann.“[8] Der Publizist Ralph Giordano bezeichnete die Interview-Äußerung Hochhuths als „eine der größten Enttäuschungen der letzten 60 Jahre. Es gibt keinen Akt des Nachtretens, der den Ermordeten im Deutschland nach 1945 erspart geblieben wäre“. Paul Spiegel, der damalige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, betonte seinerzeit: „Wenn Hochhuth den Briten als angeblich seriösen Wissenschaftler in Schutz nimmt, macht er sich dessen Position zu eigen und leugnet damit selbst den Holocaust“.[9]

Nur unter massivem Druck der Öffentlichkeit, insbesondere des Zentralrats der Juden, rückte Hochhuth eine Woche später von seinen Stellungnahmen ab und entschuldigte sich, nachdem er zuvor noch ausdrücklich jedes Wort der Reue abgelehnt hatte. Er habe nicht den Rechten das Wort reden und die Gefühle der jüdischen Bürger verletzen wollen. Die späten Äußerungen David Irvings seien ihm nicht bekannt gewesen (dpa, 26. Februar 2005). Der Umstand, dass die Entschuldigung so spät und nur unter Druck zustande gekommen war, ließ Kritiker an der Aufrichtigkeit der Reue zweifeln.

Die Berufung auf Uninformiertheit bezüglich der Rolle David Irvings, die jedem Zeitungsleser aufgrund ausführlichster Berichterstattung bekannt war, markiert zudem eine merkwürdige Diskrepanz zu der investigativen Anlage seiner Texte, die die Aufklärung von NS-Unrecht zum Gegenstand haben. Dass Hochhuth über Jahre hinweg keinen der zahlreichen Zeitungsartikel über seinen persönlichen „Freund“ gelesen haben wollte, war für Beobachter schwer nachzuvollziehen. Zudem war Hochhuth während des Skandals von Pressevertretern mehrfach auf Rolle und Äußerungen Irvings hingewiesen worden. Spätestens in dem einwöchigen Zeitraum zwischen Tätigung der Aussage und nachgereichter Entschuldigung hätte Hochhuth Zeit gehabt, um Irvings Äußerungen nachzulesen. Die Entschuldigungsbegründung, er sei nicht informiert gewesen, gilt daher als kaum glaubwürdig.

Ralph Giordano hat später seine frühere massive Verurteilung relativiert und Hochhuth in einem in der Berliner Zeitung veröffentlichten Artikel seine Solidarität bekundet. Giordano hat u.a. geschrieben: " Rolf Hochhuth hat, um es vorsichtig auszudrücken, in Sachen Irving vollkommen daneben gehauen - richtig." [...] "Nachdem ich also Rolf Hochhuth laut und deutlich gerüffelt hatte, wo er's verdient hat, versichere ich ihn von dieser Stelle aus genauso klar, dass er in der langwährenden Auseinandersetzung um die Naziepoche für mich, den Überlebenden des Holocaust, ein Bundesgenosse war, ein Bundesgenosse ist und ein Bundesgenosse bleiben wird." [10]

In direkter Folge der Kontroverse um das Hochhuth-Interview lehnte es die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) ab, Hochhuths Autobiografie zu verlegen. Der DVA-Verleger Horbach begründete dies damit, Hochhuth könne "nicht mehr in einem Verlag seine Autobiographie oder autobiographische Schriften veröffentlichen, der selber sehr viele jüdische Autoren im Programm hat".[11] Allerdings hatte keiner dieser Autoren einen solchen Schritt verlangt, und auch unter den Hochhuth-Kritikern fand sich keiner, der dies forderte oder auch nur billigte. Vielmehr regte sich öffentlicher Protest gegen diese Entscheidung. Kritik übten neben Ralph Giordano auch Eva Menasse, Tilman Jens, Joachim Güntner [12] und andere. Es wurde vor allem argumentiert, dass Hochhuth sich entschuldigt habe und ein Lebenswerk nicht durch eine einzige Äußerung zerstört werden könne.

Hochhuth und Oettinger

Am 11. April 2007 hielt Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) eine Trauerrede für seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger. In dieser Rede,[13], sagte er: "Es gibt kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte. Und bei den Urteilen, die ihm angelastet werden, hatte er entweder nicht die Entscheidungsmacht oder aber nicht die Entscheidungsfreiheit, die ihm viele unterstellen."

In seiner am 13. April 2007 in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Reaktion ("Der Lügner") [14] bezeichnet Hochhuth diese Aussage Oettingers als "Eine unverfrorene Erfindung" und beklagt zur Untermauerung die "Tragödie des Matrosen Walter Gröger", den Hans Filbinger angeblich "persönlich noch in britischer Kriegsgefangenschaft hat ermorden lassen". Filbinger, so Hochhuth, sei ein "sadistischer Nazi" gewesen, da er als Richter den Matrosen Walter Gröger angeblich nach dem "längst durch die totale Kapitulation" beendeten Krieg in einem britischen Kriegsgefangenlager zum Tode verurteilt habe und sich für eine Exekution Grögers von den Briten "zwölf Gewehre" geliehen habe.

Schnell stellte sich jedoch heraus, dass Hochhuths Darstellung teilweise erfunden war und möglicherweise auf einer Verwechslung der Fälle Gröger und Petzold beruhte. Weder war der Krieg zu Ende, als Gröger am 16. Januar 1945 verurteilt wurde [15], noch geschah dies alles in britischer Kriegsgefangenschaft (die Hinrichtung fand am 16. März 1945 in Oslo statt [16] ), noch war Filbinger im Fall Gröger der Richter. Die zwölf geliehenen Gewehre gab es ebenfalls nicht. "Hochhuth hat den Fall Gröger anscheinend mit dem Fall des Flakartilleristen Petzold verwechselt, den Filbinger in der Tat am 29. Mai 1945 in britischer Kriegsgefangenschaft verurteilte, wegen „Unbotmäßigkeit, Gehorsamsverweigerung und Widersetzung“, zu sechs Monaten Gefängnis." [...] [Laut H. zeige die] "Tatsache, dass er [Filbinger] ein sadistischer Nazi war." [...][Doch] "die Tatsache, die diese Tatsachenbehauptung stützt, ist keine", kommentierte Feuilletonchef Patrick Bahners in der F.A.Z. (s. Fußnote 22).

Die Online-Version des Artikels "Der Lügner" von Hochhuth wurde am 13. April 2007, einen Tag nach dem Erscheinen, von der Süddeutschen Zeitung wieder gelöscht. Die Stellungnahme der Süddeutschen Zeitung:

"Die Darstellung des Schriftstellers Rolf Hochhuth in der Süddeutschen Zeitung vom 13. April („Der Lügner“), Filbinger habe Gröger in britischer Gefangenschaft ermorden lassen, ist dagegen falsch. Die bekannte Aussage Hochhuths aus dem Jahr 1978 , Filbinger habe „sogar noch in britischer Gefangenschaft einen deutschen Matrosen mit Nazi-Gesetzen verfolgt“, bezieht sich auf den Fall Petzold. Für eine Stellungnahme war Hochhuth am Freitag nicht zu erreichen." [17]

Die Fälle Gröger und Petzold werden bei Günther Gilessen [18] sowie bei Wolfram Wette [19] ausführlich behandelt. Die Bewertung der beiden Fälle ist umstritten, wie die Darstellungen von Gillessen und Wette exemplarisch zeigen.

Weiterhin behauptete Hochhuth in dem Artikel, das Landgericht Stuttgart habe Filbinger als "furchtbaren Juristen" bezeichnet. Das Gericht hatte jedoch lediglich geurteilt, bei diesem Ausspruch Hochhuths über Filbinger handele es sich um ein Werturteil (also keine Tatsachenbehauptung), das vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei, weshalb Filbinger keinen Anspruch auf seine Unterlassung habe.

Auszeichnungen

Literarische Werke

  • 1963 - Der Stellvertreter (über die Rolle von Papst Pius XII im 2. Weltkrieg)
  • 1964 - Die Berliner Antigone: Novelle
  • 1967 - Soldaten, Nekrolog auf Genf (Tragödie; über den Bombenkrieg gegen Deutschland)
  • 1970 - Guerillas (Tragödie; behandelt einen fiktiven Staatsstreich in den USA)
  • 1971 - Die Hebamme (Komödie; behandelt Vetternwirtschaft und soziale Benachteiligung in einer fiktiven nordhessischen Kleinstadt)
  • 1971 - Krieg und Klassenkrieg: Studien
  • 1974 - Inselkomödie (Komödie; ursprünglicher Titel: "Lysistrate und die NATO"; Paraphrase der Aristophanes-Komödie vor dem Hintergrund der geplanten Errichtung eines US-Raketenstützpunktes auf einer ägäischen Insel)
  • 1974 - Zwischenspiel in Baden-Baden
  • 1976 - Entfernte Verwandte (Monolog)
  • 1976 - Tod eines Jägers ISBN 3499250683 (zur Person Ernest Hemingways und der Literaturszene der 1960er Jahre)
  • 1978 - Eine Liebe in Deutschland lieferbare Ausgabe: Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1983 ISBN 3-499-15090-5 - verfilmt von Andrzej Wajda
  • 1979 - Juristen ("Drei Akte für sieben Spieler"; zum gesellschaftlichen und politischen Einfluss von Altnazis in Deutschland)
  • 1980 - Ärztinnen (zum Thema Medikamententests und Praktiken der Pharmaindustrie)
  • 1982 - Räuber-Rede : drei deutsche Vorwürfe : Schiller, Lessing, Geschwister Scholl
  • 1982 - Spitzen des Eisbergs : Betrachtungen, Dialoge, Essays, Skizzen
  • 1984 - Judith (über die chemische Wiederbewaffnung der US-Armee und die Person Ronald Reagans)
  • 1985 - Atlantik-Novelle: Erzählungen
  • 1987 - Täter und Denker : Profile und Probleme von Cäsar bis Jünger
  • 1987 - War hier Europa? : Reden, Gedichte, Essays
  • 1987 - Alan Turing: Erzählung
  • 1988 - Jede Zeit baut Pyramiden: Erzählungen und Gedichte
  • 1989 - Unbefleckte Empfängnis (zum Thema künstliche Befruchtung)
  • 1990 - Sommer 14 (ein breit angelegtes Drama zum Ausbruch des I. Weltkriegs)
  • 1991 - Menzel : Maler des Lichts
  • 1991 - Panik im Mai: (Sammelband; sämtliche Gedichte und Erzählungen)
  • 1991 - Von Syrakus aus gesehen, gedacht, erzählt
  • 1992 - Tell gegen Hitler : historische Studien
  • 1993 - Wessis in Weimar
  • 1994 - Julia oder der Weg zur Macht: Erzählung
  • 1996 - Und Brecht sah das Tragische nicht : Plädoyers, Polemiken, Profile
  • 1996 - Effis Nacht: Monolog
  • 1996 - Wellen : Artgenossen, Zeitgenossen, Hausgenossen
  • 2000 - Hitlers Dr. Faust: Tragödie
  • 2000 - Das Recht auf Arbeit: Drama
  • 2001 - Anekdoten und Balladen
  • 2001 - Einsprüche! : zur Geschichte, Politik und Literatur
  • 2001 - Die Geburt der Tragödie aus dem Krieg : Frankfurter Poetik-Vorlesungen
  • 2002 - Gasherd und Klistiere oder Die Urgroßmutter der Diätköchin Novelle
  • 2003 - Nachtmusik
  • 2004 - McKinsey kommt (über den als "neoliberal" bezeichneten "Zeitgeist") ISBN 3-423-13134-9
  • 2004 - Nietzsches Spazierstock
  • 2005 - Familienbande
  • 2005 - Livia und Julia ISBN 3-784-42982-3
  • 2006 - Das Rolf Hochhuth Lesebuch. Herausgegeben von Gert Ueding. dtv, München 2006. ISBN 978-3-423-13432-3
  • 2006 - Heil Hitler (Tragikkomödie)

Reden und Aufsätze

Jacob Grimm oder Angst um unsere Sprache Dankesrede Rolf Hochhuths bei der Entgegennahme des ersten Jacob-Grimm-Preises in Kassel am 3. November 2001 Johann Georg Elser - 8. November 1939 Rolf Hochhuth im FAZ Magazin vom 10. November 1989

Verfilmungen und Tonträger

Verfilmungen

Tonträger

  • Hochhuth und Der Stellvertreter: Streitgespräch, Szenen, Dokumentation. Fontana 1964 (LP 681 320 EL).
  • Rolf Hochhuth: Die Berliner Antigone. Eine Erzählung gesprochen von Hannes Messemer. Berlin: Deutsche Grammophon Gesellschaft 2004 (= LP 168 078; auch als Audiokassette bei Rowohlt 1989).
  • Rolf Hochhuth: Der Stellvertreter. Regie: Erwin Piscator. Produktion: Hessischer Rundfunk 1963. München: der hörverlag 2003 (2 Audio-CDs).

Sekundärliteratur

  • Anat Feinberg Wiedergutmachung im Programm. Jüdisches Schicksal im deutschen Nachkriegsdrama Köln: Prometh, 1988 ISBN 3922009859
  • Walter Hinck (Hrsg.): Rolf Hochhuth – Eingriff in die Zeitgeschichte. Essays zum Werk. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1981.
  • Gerald Rauscher Kein Zeichen, kein Wunder. Rolf Hochhuth über Schöpfer, Schöpfung und Geschöpf. Mit einem Schriftsteller-Gespräch Frankfurt a. M.: Peter Lang, 2000 ISBN 978-3631366196
  • Rolf Hochhuth. Dokumente zur politischen Wirkung. Hrsg. und eingeleitet von Reinhard Hoffmeister. München 1980. ISBN 3-463-00764-9

Biografien Vorlage:LeMO

Interviews

Kommentare zur Irving-Kontroverse

Weitere Links

Einzelnachweise

  1. Kath.net: Rolf Hochhuth lobt Holocaust-Leugner David Irving 18. Februar 2005
  2. Wiesbadener Kurier: Hochhuth wehrt sich 3. Februar 2007
  3. Dazu ausführlich: Der Fall Filbinger Vortrag von Wolfram Wette vom 14. September 2003 (Kapitel 3: Der „furchtbare Jurist“: Hochhuth contra Filbinger 1978, S. 4-6 des pdf-Dokuments)
  4. Mitteilung auf der offiziellen Internetseite von Hochhuth
  5. [1] Hochhuth äußert sich zu Vorwürfen der Deutschen Bank in FAZ.NET vom 21. Januar 2004
  6. [2] Die Würde des Ortes respektieren. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth über seinen Vorschlag für ein Bombenkriegsmuseum, David Irving und Winston Churchill. Interview mit Rolf Hochhuth in der JF vom 18. Februar 2005
  7. [3] Schriftsteller Hochhuth lobt Leugner des Holocaust. Artikel von Frank Jansen im Tagesspiegel vom 19. Februar 2005
  8. Karl Pfeifer, Rolf Hochhuth: Lob für einen notorischen Holocaustleugner, Hagalil 21-02-2005. Der Kommentator von Hagalil weist darauf hin, dass Irving diese Bemerkung nicht nach einer "wahnsinnigen Provokaktion", sondern vor zahlendem Publikum getätigt hatte. Während des Londoner Prozesses war dieser Vortrag in einem Video gezeigt worden. Richard Rampton, der Anwalt der Beklagten, sagte daraufhin: "Spott allein reicht nicht. Sie müssen auch geschmacklos sein. Sie müssen Dinge sagen wie: Auf dem Rücksitz von Senator Edward Kennedys Auto in Chappaquidick starben mehr Frauen als in den Gaskammern von Auschwitz."
  9. Wie ein Blinder von der Farbe - Hochhuth hatte keine Ahnung, N-TV, 25. Februar 2005
  10. "Diese Verdammnis hat der Mann nicht verdient". Ralph Giordano nimmt Rolf Hochhuth in Schutz, Berliner Zeitung vom 26. März 2005
  11. Der Fall Hochhuth Bericht von Tilman Jens in der ARD-Fernsehsendung Titel Thesen Temperamente vom 6. März 2005
  12. Die Deutsche Verlagsanstalt will Rolf Hochhuths Autobiographie nicht drucken Joachim Güntner im Deutschlandradio vom 24. März 2005
  13. Trauerrede von Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger für Hans Filbinger im Wortlaut, Süddeutsche Zeitung, 12.04.2007
  14. "Der Lügner" von Rolf Hochhuth, Süddeutsche Zeitung, 13.04.2007
  15. Bahners P. "Das Urteil" FAZ vom 14.04.2007
  16. Bahners P. "Das Urteil" FAZ vom 14.04.2007
  17. Er war Öl im Getriebe Artikel von Robert Probst in der SZ vom 14./15. April 2007
  18. [4] "Der Fall Filbinger - Ein Rückblick auf die Kampagne und die historischen Fakten", Prof. Dr. Günther Gillessen, "Die Politische Meinung", Nr. 408 – S. 67-74 – November 2003
  19. [5] "Der Fall Filbinger", Vortrag zu der Veranstaltung "Was Unrecht war, kann nicht Recht sein!“, Freiburg, 14.9.2003; insbesondere Seiten 6 und 12 ff.
  20. Laudatio für Rolf Hochhuth anlässlich der Verleihung des ersten Geschwister-Scholl-Preises 1980 für "Eine Liebe in Deutschland" von Armin Eichholz
  21. Basler Goethe Stifung