Kameralistik (lat. camera = fürstliche Schatztruhe), auch kameralistische Buchführung oder Kameralbuchhaltung, ist ein Verfahren der Buchführung. Im Gegensatz zur Doppik, also der doppelten Buchführung, werden bei der Kameralistik nur die reinen Einzahlungen und Auszahlungen betrachtet, jedoch nicht die Erträge und Aufwendungen. Die erweiterte Kameralistik versucht, durch eine Vielzahl zusätzlicher Nebenrechnungen die Erträge und Ressourcen einzubeziehen.
Im historischen Sinn versteht man unter Kameralistik auch die so genannte Kameralwissenschaft, das heißt die Wissenschaft von der staatlichen Verwaltung, wie sie in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert gepflegt wurde.
Ziel(e)
Die Kameralistik soll Auskunft über die Finanzierung des öffentlichen Haushalts sowie die Verwendung der Mittel geben. Der Kontenrahmen gliedert daher die Einnahmeseite u.a. nach den Einnahmearten (z. B. Steuern, Gebühren etc.), die Ausgabeseite u.a. nach dem Verwendungszweck. Weiterhin soll die Liquiditätsplanung vereinfacht werden.
Vorteile
Die Verwendung der Gelder wird dem Geldgeber (und somit letzlich dem Steuerzahler) detailliert dargelegt. Die Liquiditätsplanung wird vereinfacht.
Nachteile
Betriebswirtschaftliche Ineffizienz
An der kameralistischen Buchführung wird zunehmend das Erfordernis übermäßig detaillierter Planung und die damit verbundene mangelnde Flexibilität kritisiert. Es wird versucht, die Kameralistik durch die Doppik zu ersetzen. Dies scheitert jedoch oft bereits an gesetzlichen Vorschriften, so dass Ausnahmegenehmigungen erforderlich sind.
Zudem ist die Kameralistik nicht vereinbar mit der sich verstärkenden Tendenz, die öffentliche Verwaltung nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben zu betrachten und zu bewerten.
Budgetverschwendung
Als problematisch gilt ferner, dass die kameralistische Buchführung strikt auf einen bestimmten Wirtschaftszeitraum fixiert ist (normalerweise das Haushaltsjahr). Diese Fixierung hat zur Folge, dass Mittel, die im vorangegangenen Haushaltsjahr nicht benötigt wurden, nicht in das folgende Haushaltsjahr übertragen werden können. Die kameralistische Praxis bietet für sparsames Wirtschaften daher keinen Anreiz:
- Eingesparte Mittel erhöhen nicht den Finanzbestand, sondern verfallen am Ende des Haushaltsjahres.
- Ein nicht ausgeschöpfter Haushalt führt in der Regel dazu, dass der Haushalt des folgenden Jahres entsprechend gekürzt wird. Um diesen Effekt zu vermeiden, beobachtet man gegen Ende des Haushaltsjahres einen typischen Ausgabenzuwachs, der nicht bedarfsorientiert ist, sondern allein dem Ziel dient, die verfügbaren Mittel vollständig auszuschöpfen (so genanntes "Novemberfieber" bzw. Budgetverschwendung).
Informationsmängel
Die Kameralistik stellt kaum Informationen über Ergebnisse, Produkte, Kosten und Leistungen bereit.
Schwierigkeiten bei der Umstellung zur Doppik
Erscheint die Umstellung auf der kommunalen und der Landesebene mittlerweile durchaus sinnvoll, bestehen auf der Bundesebene noch erhebliche Schwierigkeiten.
Die Einführung der Doppik erfordert unter anderem eine vollständige Bewertung des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens, welches einen immensen Aufwand für die Bundesministerien und Bundesbehörden darstellt. Der Nutzen dagegen ist fraglich, da auf diese Vermögenswerte ohnehin keine Abschreibungen erfolgen können, da keine Steuern gezahlt werden.
Auch ist die Anwendung der Kostenstellenrechnung und der Kostenleistungsrechnung (integrale Bestandteile der Doppik, um den Verursacher von Kosten und ertragerwirtschaftende Stellen eindeutig identifizieren zu können) zwar sehr aufwendig, aber wenig sinnvoll, da ein großer Teil der Bundesbehörden und Ministerien (z.B. Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) schlicht keine Einnahmen aufweisen kann, sondern sich ausschließlich aus den im Bundeshaushalt beschlossenen und festgeschriebenen Einzelplänen finanziert. Gegebenenfalls erwirtschaftete Gewinne, wie z.B. durch die LKW-Maut, werden zunächst wieder an den Bundeshaushalt abgeführt. Das Bundesministerium der Verteidigung kann keine Gewinne erzielen.
Die Einführung der Doppik in diesen Bereichen erfordert also nicht nur entsprechende Gesetzesänderungen, sondern auch eine vollständige Neudefinition der Geschäftsprozesse und entsprechende Mitarbeiterschulungen, einhergehend mit entsprechenden Kosten, wobei der Nutzen fraglich bzw. gar nicht gegeben ist.
Auch hier wird jedoch die Anpassung der Kameralistik angestrebt, um den oben aufgezeigten Nachteilen entgegenzutreten.
Geschichte
Die Kameralistik kann als deutsches Pendant zum französischen Merkantilismus betrachtet werden.
Aktuelle Situation
Die Kameralistik wird heute weitestgehend nur noch in der öffentlichen Verwaltung verwendet. So leiten sich Begriffe wie Kämmerei und Kämmerer von dem Begriff Kameralistik ab.
Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts betreiben Länder und Gemeinden daher die Abschaffung der kameralistischen Buchführung zugunsten der kaufmännischen Buchführung. Hierbei wird mehr und mehr auf das neue kommunale Finanzmanagement (NKF) übergegangen.
Die erste deutsche Kommmune, die im Rahmen einer landesrechtlichen Ausnahme- und Experimentierklausel ihr kommunales Rechnungswesen umgestellt hat, ist die nordbadische Stadt Wiesloch. Deutschlandweit konkretisieren sich die Umstellungsbestrebungen inzwischen, so dass die Kameralistik in Deutschland, zumindest auf der kommunalen und der Landesebene wohl schon in wenigen Jahren der Vergangenheit angehören wird.
Zudem werden auf der Länderebene zunehmend Landesbetriebe eingerichtet, die nach kaufmännischen Grundsätzen geführt werden und Jahresabschlüsse nach den Regeln des Handelsgesetzbuches vornehmen müssen. Die damit verbundene Kostenrechnung erhöht die wirtschaftliche Kompetenz der Verwaltung, führt jedoch leicht zu Verständigungsschwierigkeiten und Konflikten mit den kameralen Interessen der jeweiligen Ministerialverwaltung.