Der Arzt und Rasseforscher Gerhart Stein (geboren am 22. Dezember 1910 in Bad Kreuznach; † 8. Mai 1971) war 1938 ein Mitarbeiter der Rassehygienischen und Kriminalbiologischen Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes, die im Nationalsozialismus die Erfassung der deutschen Sinti und Roma durchführte und so einen bedeutenden Beitrag zum Völkermord an ihnen leistete. Seine Dissertation gilt als ein Schritt des Pradigmenwechsel in der "Zigeunerfrage" hin zur Lösung "aus dem Wesen der Rasse" (Heinrich Himmler).
Biographie
Gerhard Stein wurde am 22. Dezember 1910 in Bad Kreuznach als Sohn des Augenarztes Ludwig Stein und seiner Ehefrau Helene, geborene Stuber geboren. Seinen Schulabschluss mache er 1930 am "Deutschen Kolleg" in Bad Godesberg. Er begann mit dem Medizinstudium in Würzburg, Insbruck, Tübingen dann Frankfurt. [1]
SA und Zigeunerforschung
Stein trat der SA 1931 bei, eine spätere Liste nennt als Mitgliedaszeitraum den 1.12.1931-1.12. 1933/34.[2] Diese politische Tätigkeit verlängerte sein Studium wie er im Lebenslauf seiner Dissertation vermerkt: "Ich brauchte für mein Gesamtstudium etwas länger, weil ich im Jahre 1931 in Tübingen in die Partei und die SA. [sic!] eintrat und meine Zeit und Kraft der Bewegung widmete, mich dafür auch ein Semester beurlauben ließ." Seit 1934 studiert in an der Frankfurter Uni, wo er im Mai 1937 die medizinischen Staatsexamensprüfungen ablegte. [3]
Nächste Stufe auf dem Weg zur Dissertation ist nach der gleichen Quelle "Nach dem Staatsexamen arbeitete ich sechs Monate am Institut fuer Erbbiologie und Rassenhygiene bei Herrn Professor Dr. Freiherr von Verschuer in Frankfurt a.M. Ich beschäftigte mich mit Begutachtungen über Sterilisationen und Ehetauglichkeit und mit Zwillingsforschung." Er war 1938 vier Monate für Ritter tätig, vier weitere Monate im Berliner Krankenhaus Urban. Seine Approbation erhielt er am 10. August in Berlin. [4] Das Thema und den Doktorvater hatte sich Stein 1936 selbst ausgesucht. [5] Bereits vor seiner Dissertation muss Stein nach einer etwas undeutlichen Auskunft seines Doktorvaters "Zigeunerforschung" betrieben haben: "Die Durchführung der eigenen Arbeit war nur möglich Dank der langjährigen Erfahrung von Herrn Stein im Umgang mit Zigeunern."[6]
Der Titel seiner Ende 1938 abgegebenen Dissertation war: "Zur Psychologie und Anthropologie der Zigeuner in Deutschland", sie erschien 1941 unter mit einem Druckfehler im Titel als "Zur Physiologie und Anthropologie der Zigeuner in Deutschland" in der Zeitschrift für Ethnologie. Für seine Dissertation wertete er Untersuchungen, die er vor allem 1937 an 247 Sinti und Roma, die zum größten Teil "in einem Lager in der Nähe von Berlin konzentriert" [7] waren, aus.
Methode.
Stein ergänzte seine Berliner Forschungen um Erhebungen in Frankfurt. [8]
Beim Lager in der Nähe von Berlin kann es sich nur um das von der Polizei bewachte Zwangslager in Berlin-Marzahn gehandelt haben. Am 16. Juni 1936 meldete eine Lokalzeitung Berlin als "zigeunerfrei". Das Lager wurde von Polizisten mit Hunden ständig bewacht, die die Insassen misshandelten. Zugang hatte nur Ritters "Forschungsstelle" und die evangelische "Zigeunermission". Die Kinder durften nicht zur Schule gehen, für die Erwachsenen und Jugendlichen herrschte Arbeitszwang. Von Marzahn wurden Sinti und Roma direkt nach Auschwitz deportiert. [9] Während seiner Arbeiten in dem Zwangslager 1936 machte er in mehreren Schreiben an das Preusischen Polizeibehörden Vorschläge wie die Verfolgung von Sinti und Roma effektiver zu gestalten sei.[10]
Steins Untersuchungen sind in der veröffentlichten Fassung - und vermutlich auch im Manuskript, das nur noch fragmentarisch in der Dissertationsakte erhalten ist - anonymisiert, so dass es unmöglich ist das Schicksal einzelner von ihm für seine Doktorarbeit missbrauchter Personen zu erschliessen. Dies gilt besonders für die in Marzahn untersuchten Sinti und Roma.
Inhaltlich liefert Stein nichts als die pseudowissenschaftliche Legitimation der NS-Politik. So schreibt er im Sinne einer "Völkerpsychologie": "Die Zigeuner sind Tiere ..." (S. 85) oder "Das ist die typische Zigeunerpsyche: tierhaft, triebhaft, affektbetont". (S. 87)
Ein Dissertationsgutachter werten das so: "Neben den sehr interessanten Ausführungen ihres Familien und Sippenlebens scheint mir vor allem gerade in der Zeit, da vom Reichsgesundheitsamt eine Gesamterfassung sämtlicher in Deutschland lebender Zigeuner in die Wege geleitet wird, die Betonung des Herrn Stein wichtig, die Zigeuner nicht ohne weiteres mit den Asozialen und Kriminellen gleichzusetzen, sondern letztere als Abkömmlinge der Kreuzung von asozialen Elementen der Wirtsbevölkerung mit Zigeunern abzugrenzen."[11]
Die Prüfer bewerteten Steins Dissertation einhellig mit einem politisch motivierten "sehr gut", die ärztliche Prüfung hatte er dagegen nur mit "genügend" bestanden.[12]
Steins Arbeit für die "Forschungsstelle Ritter"
In den erhaltenen Akten der "Forschungsstelle Ritter" findet sich ein Aktenpaket sogenannter Arbeitslisten nach denen sich das Datum und Bearbeiter einzelner Städte zuordnen lassen. Danach hat Stein Anfang 1938, also vor Abgabe seiner Doktorarbeit in mehreren deutschen Städten Sinti und Roma aufgesucht und für die "Forschungsstelle Ritter" Daten erhoben. Im Januar und Februar war er in Wiesbaden, im Februar 1938 in Oberingelheim und Mainz, im März folgte Köln und Bergzabern.[13] (Foto der Baracke Bergzabern ohne Zeitangabe bei Arnold Die Zigeuner S. 276, angeblich Foto der Kreisverwaltung) Daneben ist eine Liste zu Frankfurt am Main erhalten, die als Zeitangabe 1936 und Januar und Frebruar 1938 trägt.[14]
Steins Arbeitslisten können mit teilweise erhaltenen Deportationslisten und dem erhaltenen Lagerbuch des "Zigeunerfamilienlager" Auschwitz abgeglichen werden. Aufgrund bereits 1940 erfolgten Deportationen in Wiesbaden, Ingelheim, Mainz sowie Köln und dem darauf folgenden schlecht dokumentierten "Verbleib" der Deportierten, sind die späteren Deportationen direkt nach Auschwittz xxx
Erfassung, Depotrtation, Auschwitz
Der Zusammenhang zwischen der Erfassung der Sinti und Roma durch die Polizei und Stein als Angehörigen der "Arbeitsgruppe Ritter" bis hin zur Ermordung in Konzentrationslagern läßt sich am besten für bei einzelnen Opfern nachweisen, die 1943 unmittelbar nach Auschwitz deportiert worden. Besonders gut ist dieser Zusammenhang bei der Wiesbadener Familie L., bei der die Polizei Steins Arbeitsliste für ihre Deportationslisten nur noch um die 1938 unter sechsjaehrigen Kinder erweitern musste: Name: Geboren Erfasser Nr. Ankunft Auschwitz "Zigeunerfamilienlager"
An gest ung Dep.W Auschw Auschwitz i .
Josef L. 19.5.95 Stein 36 13.3.4 24.7.43 1938 3 Wilhelm L. 18.12.02 Stein 40 13.3.4 - 5 1938 3 Josef L. 28.6.28 Stein 41 13.3.4 21.4.44 1938 3 Anna Maria 29.5.98 Stein 37 [13.3. 20.4.43 L. 1938 43]
Anna Maria 18.1.24 Stein 39 [13.3. 9.6.44 L: 1938 43] Hildegart 6.6.30 Stein 42 [13.3. Sterbedatum L. 1938 43] unleserlich Bertha L. 1.6.32 43 [13.3. 20.5.44 43] Rosina L. 30.3.36 44 [13.3. 28.9.43 43] Therese L. 24.11.4 [13.3. 2.5.43 1 43] Jakob L. 11.11.1 Stein 38 3 1938
Die Sinti aus den von Stein aufgesuchten Städten Köln, Ingelheim und Mainz wurden am 16. Mai 1940 ins Generalgouvernement deportiert, wo sich ihre idividuelle Spur verleirt, ein Großteil ist dort ermordet worden.
Weitere berufliche Laufbahn
Nach 1945 arbeitete Stein als Arzt in Wiesbanden.[15] Wie alle Mitarbeiter der "Forschungsstelle Ritter" wurde Stein niemals zur Verantwortung gezogen.
Werke
- Zur Psychologie und Anthropologie der Zigeuner in Deutschland. Druckfassung der Dissertation 1941
Literatur
Peter Sandner: "Rassenanthropologische" Forschung des Verschuerschülers Gerhard Stein. In: Fritz Bauer Institut: "beseitigung des jüdischen Einflusses--": Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus. Campus Verlag, 1999 ISBN 3593360985, 9783593360980 S. 80-XY [1]
- Michael Berenbaum, Abraham J. Peck, United States Holocaust: The Holocaust and History. [3]
- Auschwitz, XY-Buch "Zigeunerlager"
- Klee : personenlexikon
Archivalien
- Namensverzeichnis der ehemaligen Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen. Nachtrag 1 Wiesbaden Alt
- Gerhard Stein Dissertationsakte Nr. 2157 im Archiv des Dekanates Fachbereich Humanmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universitaet Frankfurt a.M.
- Erfassungslisten der "Forschungsstelle Ritter" Bundesarchiv R 165/38
- Deportationsliste Wiesbaden Landeshauptarchiv Wiesbaden
- Ritter Bericht an DFG R 73 14005
Einzelnachweise
- ↑ Sandner S. 90-92; Hohmann S. 291
- ↑ Namensverzeichnis der ehemaligen Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen. Nachtrag 1 Wiesbaden Alt
- ↑ Lebenslauf Steins in seiner Dissertationsakte nach Sandner, S.80
- ↑ Lebenslauf Steins in seiner Dissertationsakte. Siehe auch Hohmann, S. 291
- ↑ Gutachten Otmar von Verschuers in der Dissertationsakte
- ↑ Gutachten Otmar von Verschuers in der Dissertationsakte
- ↑ Gutachten Otmar von Verschuers in der Dissertationsakte
- ↑ Gutachten Otmar von Verschuers in der Dissertationsakte
- ↑ Gilsenbach: Oh Django sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 139-147
- ↑ "Rassenanthropologische" Forschung des Verschuerschülers Gerhard Stein, S.80-81
- ↑ Dissertationsakte Stein im Archiv der Uniklinik Frankfurt
- ↑ Dissertationsakte Stein im Archiv der Uniklinik Frankfurt, zur Wertung Sandner
- ↑ BA R 165/38
- ↑ BA R 165/38
- ↑ Namensverzeichnis der ehemaligen Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen. Nachtrag 1 Wiesbaden Alt