Electoral College

Einrichtung, die den Präsidenten und Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten wählt
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Als Electoral College (deutsch: Wahlmännerkollegium) wird in den Vereinigten Staaten das Gremium bezeichnet, das alle vier Jahre den Präsidenten und Vizepräsidenten wählt. Es wird im zweiten Artikel der Verfassung der Vereinigten Staaten beschrieben und besteht aus zur Zeit 538 Wahlmännern, die von den 50 Bundesstaaten sowie dem Bundesdistrikt entsandt werden. Der Wahlvorgang wurde zweimal mittels Verfassungsänderung angepasst (1803 durch den 12. Zusatzartikel und 1961 durch den 23. Zusatzartikel).

Verteilung der Wahlmänner in den Präsidentschaftswahlen 2004 und 2008.

Arbeitsweise

Die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten erfolgt indirekt alle vier Jahre am Wahltag. Obwohl die Stimmzettel heute gewöhnlich die Namen der Kandidaten für das Präsidenten- und Vizepräsidentenamt selbst enthalten, bestimmt die Bevölkerung nur die Wahlmänner für den Bundesstaat, in dem sie wohnen, oder für den Bundesdistrikt, wenn sie ihren Wohnsitz in Washington (D.C.) haben. Diese Wahlmänner wählen später den Präsidenten und Vizepräsidenten.

In den meisten US-Bundesstaaten und dem Bundesdistrikt gilt das Mehrheitswahlrecht. Dadurch erhält der Kandidat, der die meisten Stimmen auf sich vereint, alle dem Bundesstaat zugeteilten Wahlmänner, während die anderen Kandidaten leer ausgehen. Die einzigen Ausnahmen sind Maine und Nebraska, wo die Wahl ähnlich den Kongresswahlen abläuft: für jeden Wahlkreis dieser zwei Staaten erhält der Kandidat mit den meisten Stimmen einen Wahlmann (ähnlich dem Repräsentantenhaus), während der Kandidat mit der Mehrheit aller Stimmen im Bundesstaat zwei weitere Wahlmänner erhält (ähnlich dem Senat). Diese Methode wird in Maine seit 1972 und in Nebraska seit 1996 benutzt. Erstmals ist während der Präsidentenwahl 2008 in Nebraska eine Aufteilung der Wahlmännerstimmen auf zwei Kandidaten erfolgt. Diese späte Premiere wird vor allem auf das sogenannte Gerrymandering zurückgeführt.

Die Wahlmänner treffen sich 41 Tage nach dem Wahltag in den Hauptstädten der Bundesstaaten und geben ihre Stimmen ab. Entsprechend tritt das Electoral College nie an einem einzigen Ort als ein gemeinsames Gremium zusammen. Die Stimmzettel werden versiegelt und dem amtierenden Vizepräsidenten in seinem offiziellen Amt als Präsident des Senats übersandt. Am ersten Sitzungstag des neuen US-Kongresses, welcher von der Verfassung seit 1933 auf den 6. Januar festgesetzt ist, werden die Stimmzettel in der Anwesenheit beider Kammern ausgezählt. Präsident und Vizepräsidenten werden die Kandidaten, die jeweils die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen.

Wenn kein Präsidentschaftskandidat die absolute Mehrheit erhält, muss das neue Repräsentantenhaus einen der drei Kandidaten, die im Electoral College die höchsten Stimmzahlen erhielten, zum Präsidentenamt wählen. Dabei stimmt die Delegation jedes Bundesstaats jeweils gemeinsam ab und erhält gemeinsam nur eine Stimme. Das Votum eines Bundesstaats wird durch die Mehrheit seiner Abgeordneten bestimmt. Gibt es eine Stimmengleichheit innerhalb der Delegation, wird die Stimme als eine Enthaltung gezählt. Der Wahlgang wird solange wiederholt, bis ein Kandidat die absolute Mehrheit erhält. Mit 50 Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten müssten also die Delegationen von mindestens 26 für denselben Kandidaten stimmen.

Wenn kein Vizepräsidentschaftskandidat die absolute Mehrheit erhält, muss der Senat ein ähnliches Verfahren einsetzen, wählt allerdings nur zwischen den zwei Kandidaten mit der höchsten Stimmanzahl. Auch müssen die beiden Senatoren eines Bundesstaates nicht gemeinsam abstimmen, können sich also für unterschiedliche Kandidaten aussprechen. Es ist nicht klar, ob der Vizepräsident auch in dieser Situation bei Stimmengleichheit die ausschlaggebende Stimme hat, zumal er hier unter Umständen über seine eigene nächste Vizepräsidentschaft, beziehungsweise wie im Fall von Al Gore über seinen eigenen zukünftigen Vize, abstimmen würde.

Wenn sich das Repräsentantenhaus bis zum Tage der vorgesehenen Amtseinführung, von der Verfassung seit 1933 auf den 20. Januar angesetzt, nicht einigen kann, so führt der neue Vizepräsident die Geschäfte des Präsidenten aus, bis die Kammer einen neuen Präsidenten wählt. Wenn es am 20. Januar auch keinen neuen Vizepräsidenten gibt, tritt die gesetzliche Nachfolgeregelung des Präsidenten in Kraft. Damit würde der Sprecher des Repräsentantenhauses die Amtsgeschäfte des Präsidenten ausführen, bis das Repräsentantenhaus einen neuen Präsidenten oder der Senat einen neuen Vizepräsidenten wählt.

Es ist nicht eindeutig geregelt, was passiert, wenn bis zum Tag der Amtseinführung zwar ein neuer Präsident gewählt wurde, der Senat sich aber nicht auf einen Vizepräsidenten einigen kann. Einerseits bestimmt der 12. Zusatzartikel zur Verfassung, dass der Senat den neuen Vizepräsidenten wählen soll, ohne eine zeitliche Begrenzung festzulegen. Andererseits schreibt der 25. Zusatzartikel vor, dass der Präsident, mit Zustimmung beider Häuser des Kongresses, einen neuen Vizepräsidenten zu ernennen hat, wenn das Amt vakant ist.

Bis 2006 hat das Repräsentantenhaus zweimal den Präsidenten gewählt, Thomas Jefferson 1800 und John Quincy Adams 1824. Der Senat hat nur einmal einen Vizepräsidenten gewählt, Richard M. Johnson 1837.

Ungebundenheit an Wählerwillen

In 24 Bundesstaaten (Stand 2002) sind die Wahlmänner frei in ihrer Entscheidung für einen Kandidaten, könnten also auch entgegen dem Wählerwunsch abstimmen. In 26 Bundesstaaten und Washington D.C. sind die Wahlmänner indes per Gesetz – und zusätzlich oft per Gelöbnis an den Staat oder ihre Partei – dazu verpflichtet, nur für einen bestimmten Kandidaten abzustimmen; in Virginia könnte der Gesetzestext allerdings auch als Empfehlung (nicht als Gebot) gelesen werden.[1] In der Praxis werden in jedem Staat nur die Unterstützer eines Präsidentschaftskandidaten als Wahlmänner bestimmt.

Ein Wahlmann, der entgegen dem Wählerwunsch abstimmt, wird als faithless elector bezeichnet.

Kritik am Wahlsystem

Kritiker am System des einfachen Mehrheitswahlrechts und der konsequent umgesetzten Konkurrenzdemokratie im „Winner-takes-all“-Prinzip beklagen, dass sich der Wahlkampf hauptsächlich auf die Swing States (die Staaten ohne klare Mehrheitsverhältnisse) konzentriert und damit die Anliegen der Wähler in diesen Bundesstaaten bevorzugt würden. Beispielsweise versprachen im Wahlkampf 2008 sowohl Barack Obama wie auch John McCain neue Weltraumflüge durchzuführen (ohne die Pläne aber zu konkretisieren oder Kontakt mit Experten gesucht zu haben): Im Swing State Florida stellt die NASA mehrere zehntausend Arbeitsplätze.

 
Die 5 Wochen vor der Wahl 2004: links die Zahl der Kandidaten-Besuche pro Staat; rechts die Kandidaten-Ausgaben für TV-Werbung in Millionen $

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Stimmen der Wähler, die für die Minderheit gestimmt haben, immer unter den Tisch fallen, auch wenn diese einen beträchtlichen Anteil ausmachen (im Extremfall Kalifornien bedeutete es zum Beispiel, dass in diesem Bundesstaat 4,5 Millionen George-W.-Bush-Wähler nicht gezählt wurden; für John Kerry wurden zum Beispiel allein in Florida fast 3,5 Millionen Stimmen ignoriert, weil der jeweils andere den Staat gewonnen hatte und damit restlos alle Wahlmänner für das Electoral College bekam).

Schließlich repräsentieren die Wahlmänner je nach Staat unterschiedlich viele Einwohner; obwohl die Wahlmänner grob der Einwohnergröße entsprechen sollen, repräsentieren beispielsweise die drei Wahlmänner von Wyoming je 174.277 Einwohner, die 20 Wahlmänner von Ohio je 573.346 Einwohner und die 34 Wahlmänner von Texas je 703.070 Einwohner (Einwohnerzahlen von 2007).

Im Extremfall kann der Präsidentschaftskandidat, der bundesweit die meisten Stimmen auf sich vereint, die Wahl dennoch verlieren, weil sein Konkurrent mehr Wahlmännerstimmen erhält. Das trat in der Geschichte der USA viermal ein: Bereits 1824 erzielte Andrew Jackson 38.149 mehr Stimmen (1,4 %) als der zum Präsidenten gewählte John Quincy Adams. Allerdings wurden damals nicht in allen Staaten allgemeine Wahlen durchgeführt (zum Teil durfte die Staatsregierung festlegen, für wen ihre Wahlmänner stimmen sollten), außerdem erhielt Jackson auch die meisten Wahlmännerstimmen (99 – Adams erhielt 84). Da jedoch kein Kandidat eine absolute Mehrheit bei den Wahlmännern bekam, wurde der Präsident verfassungsgemäß vom Repräsentantenhaus gewählt, und dort verlor Jackson. 1876 gewann Samuel J. Tilden landesweit die Stimmenmehrheit (Vorsprung von 254.235 oder 3.1 %), doch in der umstrittenen Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1876 gaben drei Bundesstaaten doppelte Stimmen an ihre Wahlmänner; die Kommission, die einen Weg aus der Krise finden sollte, stimmte schließlich gemäß der politischen Ansichten ihrer Mitglieder knapp für eine Lösung, die Rutherford B. Hayes zur Präsidentschaft verhalf. 1888 wurde Präsident Grover Cleveland laut Stimmenmehrheit (90.596 bzw. 0,8 %) im Amt bestätigt, lag aber in der Abstimmung 65 Wahlmänner hinter Benjamin Harrison zurück. Ein ähnliches Ergebnis ergab sich erst wieder im Jahr 2000, als Al Gore bei den Wahlen 543.895 Stimmen (0,5 %) mehr als George W. Bush erhielt, Bush aber fünf Wahlmänner mehr gewann. – Allerdings ist die USA-weite Stimmenmehrheit (die theoretische „Volkswahlmehrheit“) ein statistisch fragwürdiges Konstrukt, da die Wahlbeteiligung in den für die eine oder andere Partei als sicher geltenden Staaten meist wesentlich niedriger ausfällt als in den umkämpften Staaten. Außerdem ist die Wahlkampftaktik der Präsidentschaftsanwärter auf ebenjenes Wahlsystem und nicht auf eine Volkswahl ausgelegt.

Alternativvorschläge und Gegenkritik

Trotz der Kritik am Mehrheitswahlsystem durch das Electoral College sind die Aussichten auf Einführung eines Verhältniswahlrechts (bisher nirgends realisiert) oder eines bezirksbasierten Wahlrechts (wie bisher nur in Maine und Nebraska), wodurch sich die Bedeutung der Swing States für den Wahlkampf relativieren würde, gering: In Colorado wurde beispielsweise ein Änderungsentwurf des Wahlmännergesetzes im Jahr 2004 von den Bürgern abgelehnt. Das Problem liegt darin, dass „Winner takes all“ die Bedeutung des einzelnen Staates für die Kandidaten erhöht, sodass es unwahrscheinlich erscheint, dass einzelne Staaten dieses System abschaffen, während es in anderen in Kraft bleibt. Die Verfassung gibt aber ausdrücklich den Einzelstaaten das Recht, über den Wahlmodus zu entscheiden. Ein Verfassungszusatz könnte dies ändern, aber auch er müsste von einer Dreiviertelmehrheit der Einzelstaaten gebilligt werden.

Alternativ wurde als Lösung ohne Verfassungsänderung vorgeschlagen, dass die einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschieden, die ihre jeweiligen Wahlmänner für den Kandidaten stimmen lassen, der USA-weit die meisten Stimmen erhält. Der springende Punkt ist, dass die Bundesstaaten diese Regelung an die Bedingung knüpfen würden, dass mindestens 270 Wahlmänner (d. h. die absolute Mehrheit) an die Regelung gebunden sind. De facto würde damit das Wahlmännersystem von einem Mehrheitswahlrecht abgelöst, aber es bedürfte weder einer Verfassungsänderung noch – zumindest je nach Größe der zustimmenden Bundesstaaten – der Zustimmung von drei Vierteln der Bundesstaaten.[2] Maryland wurde im Jahr 2007 der erste Bundesstaat, der ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat.[3] Ähnliche Gesetze wurden auch in Illinois, Hawaii und New Jersey erlassen.[4][5]

Obwohl solche Lösungen möglich sind, besteht in den USA nur mäßiges Interesse an ihnen. Die lauteste Kritik am amerikanischen Wahlrecht kommt traditionell aus dem Ausland, aus Staaten mit differierendem Wahlrecht. Damit sind sie allerdings in guter Gesellschaft: auch in den USA halten weite Teile der – insbesondere konservativen – Bevölkerung ihr Wahlrecht und ihre Demokratie generell für das beziehungsweise die beste; grundlegende Reformen halten sie daher nicht für sonderlich dringend. Wähler der Demokratischen Partei sind den Reformen gegenüber sehr viel aufgeschlossener, vor allem durch die Enttäuschung bei der Wahl 2000, in denen der demokratische Kandidat Gore trotz Gesamt-Stimmenmehrheit dem republikanischen Kandidaten George W. Bush unterlag.[3]

Außerdem wird auch das Mehrheitswahlrecht nicht nur positiv gesehen. Denn es kann dazu führen, dass schon eine auf viele Staaten verteilte, womöglich relativ schwache relative Mehrheit ausreicht, um die Wahlen zu gewinnen. In den USA, in denen traditionell genau zwei Parteien eine Rolle spielen und die Wahl zum Präsidenten die absolute Mehrheit der Wahlmänner erfordert, erzeugt die Vorstellung von mehr als zwei wichtigen Parteien und schwachen relativen Mehrheiten Sorgen vor politischer Destabilisierung.[3]

Verteilung

Bundesstaat Wahlmänner[6] Einwohner pro Wahlmann
Alabama 9 514.206
Alaska 3 227.826
Arizona 10 633.876
Arkansas 6 472.466
California 55 664.603
Colorado 9 540.168
Connecticut 7 500.330
Delaware 3 288.255
Florida 27 675.972
Georgia 15 636.617
Hawaii 4 320.847
Idaho 4 374.851
Illinois 21 612.026
Indiana 11 576.844
Iowa 7 426.864
Kansas 6 462.666
Kentucky 8 530.184
Louisiana 9 477.023
Maine 4 329.302
Maryland 10 561.834
Massachusetts 12 537.480
Michigan 17 592.460
Minnesota 10 519.762
Mississippi 6 486.464
Missouri 11 534.401
Montana 3 319.287
Nebraska 5 354.914
Nevada 5 513.076
New Hampshire 4 328.957
New Jersey 15 579.061
New Mexico 5 393.983
New York 31 622.507
North Carolina 15 604.069
North Dakota 3 213.238
Ohio 20 573.346
Oklahoma 7 516.759
Oregon 7 535.351
Pennsylvania 21 592.038
Rhode Island 4 264.458
South Carolina 8 550.964
South Dakota 3 265.405
Tennessee 11 559.702
Texas 34 703.070
Utah 5 529.066
Vermont 3 207.085
Virginia 13 593.238
Washington 11 588.039
Washington D. C. 3* 196.097
West Virginia 5 362.407
Wisconsin 10 560.164
Wyoming 3 174.277
Vereinigte Staaten 538 560.634

Belege

  1. What is the Electoral College? auf: U.S. National Archives and Records Administration (die hier Daten vom Congressional Research Service nutzen (engl.; abgerufen 5. November 2008)
  2. Joel Connelly (20. November 2007). Electoral College is past its prime. Seattle Post Intelligencer column (engl.; abgerufen 4. November 2008)
  3. a b c Bill Schneider (10. April 2007), Dropping out of the electoral college. CNN.com (engl.; abgerufen 4. November 2008)
  4. National Popular Vote
  5. Is it time to scrap the Electoral College?
  6. U.S. National Archives and Records Administration

Siehe auch