Schwerter zu Pflugscharen

Bibelzitat aus Micha 4,3 und Motto der Friedensbewegung
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Schwerter zu Pflugscharen ist ein zur Redewendung gewordenes Teilzitat aus der Bibel, das das Ziel der internationalen Abrüstung, Rüstungskonversion und des Völkerfriedens ausdrückt. Von Judentum und Christentum, aber auch von Atheismus und Kommunismus geprägte Menschen beziehen sich darauf. Seit 1980 wird das Zitat in Deutschland vor allem mit Initiativen der staatsunabhängigen Friedensbewegung in der DDR, darüber hinaus mit dem Pazifismus verbunden.

Datei:Schwerter zu Pflugscharen(Alter Fritz).jpg
Symbol der DDR-Friedensbewegung

Bibel

Micha

Beim Propheten Micha heißt es in Mi 4,1–4 EU:

„In den letzten Tagen aber wird der Berg, auf dem Gottes Haus steht, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden hingehen und sagen: ‚Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des Herrn gehen und zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln!‘
Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Ländern. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken.
Denn der Mund des Herrn Zebaot hat es geredet.“

Im schroffen Kontrast dazu kündigt Mi 3,1–12 EU zuvor die Zerstörung des Jerusalemer Tempels als unausweichliche Folge der Ausbeutung der Armen durch korrupte, vom Opferkult abhängige Heilspropheten und Priester an:

„Haben sie etwas zu beißen, dann rufen sie: Friede! Wer ihnen aber nichts in den Mund steckt, dem sagen sie den Heiligen Krieg an. Darum kommt die Nacht über euch, in der ihr keine Visionen mehr habt … Ihr erbaut Zion mit Blut und Jerusalem mit lauter Unrecht. Die Häupter dieser Stadt sprechen Recht und nehmen dafür Geschenke an, ihre Priester lehren gegen Bezahlung. Ihre Propheten wahrsagen für Geld und doch berufen sie sich auf den Herrn und sagen: ‚Ist nicht Gott in unserer Mitte? Niemals kann Unheil über uns kommen!‘
Deshalb wird euretwegen der Zion als Feld umgepflügt, Jerusalem wird zum Trümmerhaufen, der Tempelberg zur bewaldeten Höhe.“

Dieses Gerichtswort entzog allen damaligen Autoritäten und dem ganzen Jerusalemer Tempelkult jede Rechtfertigung. Jeremia erinnerte seine Gegner, die Tempelpriester, noch 150 Jahre später daran und rettete so sein Leben (Jer 26,17ff). Bald darauf trat die Ankündigung ein (586 v. Chr.).

Die Verheißung des Völkerfriedens setzt also das unwiderrufliche Ende des bisherigen Tempelkults und des israelitischen Königtums voraus. Michas Kritik an der falschen Heilsgewissheit gilt nach Mi 1,2 EU auch allen übrigen Völkern, die am Beispiel der Geschichte Israels Gottes Rechtswillen erkennen und für sich gelten lassen sollen: Weder politische Diplomatie noch militärische Rüstung könnten Frieden gewährleisten. Eben diese Anpassung an die Politik der Großmächte in Israels Umgebung sei tödlicher Ungehorsam gegen Gottes Rechtswillen gewesen. So widerspricht V.4 dem Fazit zur Epoche Salomos, des Tempelbauers, in [[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1_Kön]] 5,5 EU, und dem Angebot eines Fremdherrschers, den Israeliten ein Auskommen im Falle ihrer Unterwerfung zu gewähren, in [[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|2_Kön]] 18,31 EU.[1]

Stattdessen werde JHWH, der „Gott Jakobs“, eines Tages selbst seinen Platz einnehmen und sichtbar über die ganze Welt herrschen. Die Erhöhung des Tempelberges Zion zum Weltmittelpunkt ist das Gegenbild zur Selbsterhöhung der Völker beim Turmbau zu Babel (Gen 11), die dort Sprachverwirrung, Zerstreuung und Fremdheit verursachte. Alle Völker würden diesen Gott ohne weltliche Zwischeninstanzen anerkennen und sich gegenseitig einladen, sein Gebot (Weisung, Schiedsspruch) in ihren Konflikten einzuholen. Darauf würden sie weltweit alle Waffen ab- und umrüsten, Berufsheere und Kriegsdienste abschaffen und so allen Menschen ein Auskommen und furchtloses Zusammenleben ermöglichen. Die Verheißung fordert also keine bestimmte Politik, verspricht aber konkrete Befreiung von Hunger, Heimatlosigkeit und Angst durch freiwilligen und rückhaltlosen Verzicht auf Waffen und Militär, dauerhaftes Verlernen von Kriegshandlungen, radikale Neuorientierung auf das zum Miteinanderleben Notwendige.[2]

Dem folgt ein ein feierliches liturgisches Glaubensbekenntnis der Gemeinde in Israel (Mi 4,5 EU):

„Denn alle Völker gehen ihren Weg, jedes ruft den Namen seines Gottes an; wir aber gehen unseren Weg im Namen Jahwes, unseres Gottes, für immer und ewig.“

Dies deuten Exegeten als Selbstverpflichtung der Verheißungsempfänger, dem Abrüstungsgebot Gottes schon jetzt zu folgen, auch solange die übrigen Völker es noch nicht beachten.[3]

Mi 5,9–13 EU kommt auf die vorhergehende Sozialkritik zurück und entfaltet sie: Sowohl militärische Machtmittel (V.9f) als auch religiöse Verklärung derselben (V.11ff) könnten Israel nicht retten, Gottes Gericht schlage sie seinem Volk aus der Hand. Am Schicksal ihrer religiösen und politischen Autoritäten machte diese Prophetie den Juden Gottes Abrüstungswillen pars pro toto (stellvertretend für das Ganze) deutlich. Hoffnung auf weltweiten und dauernden Frieden gründete für sie darin, dass Israel das Gericht über sich als selbstverschuldet annimmt und umkehrt.[4] Realistische Friedenshoffnung gab es für sie daher nur dort, wo Menschen sich den selbstverursachten Katastrophen ihrer Geschichte stellen und sie als Gericht Gottes über menschliche Eigenmacht annehmen.[5]

In Jes 2,2–4 EU taucht die Verheißung der „Völkerwallfahrt zum Zion“, die zur weltweiten Umrüstung der Waffen führt, fast wortgleich auf. Daher datieren manche Alttestamentler ihre Entstehung in die Zeit Jesajas nach dem Untergang des Nordreichs Israel (722 v. Chr.), andere erst in die Zeit nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil (586–539 v. Chr.), bevor der Tempel wiederaufgebaut wurde. In jedem Fall wurde die Friedensverheißung wohl erst nach der Tempelzerstörung 586 v. Chr., mit der auch Königtum und Eigenstaatlichkeit Israels endeten, in den Zusammenhang des Michabuches eingefügt.[6]

Hans Walter Wolff betonte 1978 die Verbindlichkeit dieser Verheißung auch für alle Nichtjuden, besonders für Christen:[7]

„Der Gott Israels, der Herr der Kirche will nicht abseits von seinen geringsten Brüdern gefunden werden. […] Der Prophet reißt die Augen dafür auf, daß kein heiliger Ort Garant der Gegenwart Gottes und darum der Zukunft ist. […] Die Kirche denkt genau so weit für die Zukunft der Völkerwelt, als sie ihrerseits der Stimme vom Zion entsprechend nicht nur redet, sondern lebt. Eben wenn unsere Völker immer noch den Krieg einüben, sollte die Gemeinde um so klarer den Weg des Friedens einschlagen. […] So wird die Gemeinde Israel zum Ort des Friedens, an dem alle Verteidigungs- und Angriffsmittel zerschlagen sind, ebenso die okkulten religiösen Selbstsicherungspraktiken. So wird Zion gerade durch seine Entmachtung zugerüstet, dem Friedenswerk und Friedenswort seines Gottes allein zu trauen.“

Jürgen Ebach betonte 1980 den Realismus der Verheißung:[8]

„Die ersehnte Friedenszeit hat mit einem Schlaraffenland nichts zu tun. Es wird – wie nach der Schilderung der Paradieserzählung bereits im Garten Eden (vergl. 1. Mose 2,15) – auch in einer glücklichen Zukunft Arbeit geben. Die Arbeit mit dem Pflug und dem Winzermesser ist zudem schwere Arbeit, wie sie zum Alltag des Verfassers und seiner Hörer gehört. Menschsein ohne Arbeit kommt für das Alte Testament gar nicht in den Blick, ist nicht einmal erstrebenswert. Erhofft wird dagegen eine Zeit, in der der Einzelne in seiner Gemeinschaft den Ertrag seiner Arbeit genießen kann, einer Arbeit, die keine Zwangsarbeit ist, die nicht zerstört, die unter nicht entfremdeten Bedingungen getan werden kann.“

Micha habe gewusst, „dass es nicht damit getan ist, Frieden zu wollen und Friedenswillen zu bekunden, daß vielmehr jede Rüstung, jede Waffenansammlung Kriegsgefahr bedeutet“:

„Frieden ist nicht schon da gesichert, wo Rüstung defensiv angelegt ist, wo Kriegslust glaubwürdig durch 'Verteidigungsbereitschaft' ersetzt ist, wo eine Armee darauf angelegt ist, Kriege zu verhindern. Wo dies erreicht ist, mag Fortschritt erzielt sein. Frieden aber ist erst da möglich, wo aus Waffen produktive Geräte geworden sind, wo es keine Armee mehr gibt, ja, mit Jes 2,4 erst, wo niemand mehr lernt, Kriege zu führen.“

Willy Schottroff betonte 1984, die Verheißung sei Ergebnis eines jahrhunderte langen schmerzhaften Lernprozesses in Israel gewesen. Micha habe aus dem Scheitern traditioneller monarchischer Großmacht-, Bündnis- und Rüstungspolitik gefolgert:[9]

„Die Abschaffung der Rüstung allein genügt nicht, um wirksamen Frieden zu schaffen. Frieden hat vielmehr vorgängig Gerechtigkeit zur Voraussetzung: daß nicht ein Volk das andere beherrscht, unterjocht, ausbeutet oder gar ausplündert und auf seine Kosten lebt und daß nicht innerhalb eines Volkes eine Klasse die andere unterdrückt und ausbeutet. […] Das friedliche Bild […], daß jeder ungestört unter seinem Weinstock und seinem Feigenbaum sitzen und sein Genüge haben soll, ist kein Bild des Reichtums, aber auch kein Bild des Hungers. Es wird noch großer Anstrengungen der Solidarität und des solidarischen Teilens bedürfen, bis erreicht ist, was dieser Utopie vorschwebt …“

Hans Walter Wolff erklärte 1984 gegenüber Trutz Rendtorff und Wolfhart Pannenberg, die damals von einem Missbrauch der Abrüstungsverheißung in der Friedensbewegung sprachen und ein Glaubensbekenntnis der EKD gegen die Atomrüstung ablehnten:[10]

„Die universale Verheißung, nach der alle Völker auf Jahwes Weg den Frieden suchen, ist noch gänzlich unerfüllt. Die Völkerwelt denkt noch nicht daran, ihre Entscheidungen nach Jahwes Wort zu richten. Doch Jahwes Gemeinde soll (Jes 2,5) und will (Mi 4,5) jetzt schon auf seine Weisung und sein Wort hören, jetzt schon Schwerter zu Pflugscharen machen und nicht mehr das Kriegshandwerk lernen. So betritt die Jahwegemeinde jetzt schon den Weg, der für die Zeitenwende allen verheißen ist. […] Die Hörer des Wortes bauen ihre Waffen in Friedensgeräte um, sie hören auf, den Krieg zu lernen und zu erklären. In der Konsequenz von Jahwes Schlichten und Richten ist offenbar die Entscheidung nicht zu umgehen, Schwerter in Pflugscharen umzuschmieden. Die Richtung ist eindeutig. Eine Alternative dazu, gar in Richtung auf die Bereitstellung moderner Menschheitsvernichtungswaffen, ist doch weder hier noch in der Fülle verwandter alttestamentlicher und neutestamentlicher Texte auch nur von ferne zu erkennen. Das Hinarbeiten auf internationale Rechtsabsprachen zur Abrüstung ist zwar dringend zu wünschen, ersetzt aber nicht annähernd, was hier als Konsequenz des Jahwewortes verkündigt wird. Müssen wir uns nicht als Menschen, die auf den Gott der biblischen Zeugen hören, hier wie vielfach in neutestamentlichen Apostel- und Jesus-Worten der Zumutung eines besonderen und vorläufig einseitigen Friedensverhaltens in der Nachfolge stellen, unabhängig von verbindlichen internationalen Absprachen, aber wahrscheinlich zu deren intensiver Förderung?“

Joel

Der nachexilische Prophet Joel verkündete um 440 v. Chr. (Joel 4,1.9–12 EU):

„Denn siehe, in jenen Tagen zu der Zeit, da ich das Schicksal Judas und Jerusalems wenden werde, will ich alle Heiden zusammenbringen und sie ins Tal Josaphat hinabführen und dort mit ihnen Gericht halten wegen meines Volks … Ruft dies aus unter den Heiden: Bereitet euch zum Heiligen Krieg! Bietet die Starken auf! Lasst alle Kriegsleute herzukommen und hinaufziehen! Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße!“

Hier wird das Hoffnungsmotiv der weltweiten Ab-und Umrüstung, die der Völkerwallfahrt zum Tempelberg folgen werde (Mi 4,3; Jes 2,4), bewusst zum Aufmarsch der hochgerüsteten Fremdvölker gegen den Gott Israels umgekehrt. „Wegen meines Volkes“, d.h. der wiederholten Exilierung und Zerstreuung der Israeliten, sollten sie sich zur letzten Entscheidungsschlacht mit diesem Gott rüsten. Dabei wird der Aufruf zum heiligen Krieg, mit dem Jer 6,4 EU Gottes Gericht über Israel und den Zion ankündete, nun zum Gericht über Israels Feinde gewendet.[11]

Dies wird jedoch nicht als Rücknahme der Verheißung von Mi 4,1–5 gedeutet. Denn der Gerichtsankündigung geht die Heilsverheißung in Joel 3,1–5 EU voraus: Danach werde Gott seinen Geist über alle Sterblichen ausgießen, so dass die, die am „Tag JHWHs“ (dem Endgericht) seinen Namen anrufen, gerettet würden. Ulrich Dahmen kommentierte daher:[12]

„Wer von den Völkern sich jetzt immer noch zum Umschmieden der Werkzeuge in Kriegsgerät und zum Waffengang gegen Jerusalem – und damit gegen JHWH – verleiten lässt (VV. 9 f), der – und nur der! – verfällt dem kommenden Gericht (vgl. Jes 66,23 f). Die Völker, die friedlich und auf der Suche nach der Weisung JHWHs nach Jerusalem und zum Zion ziehen, haben nichts zu befürchten.“

Francis L. Andersen und David Noel Freedman kommentierten:[13]

„There is no indication that the Jews ever lost this hope [Mi 4,1–5], given as a promise to Abraham, of bringing blessing to the whole world when the nations realize that Yahweh is God.“

Sie verwiesen damit auf den Völkersegen in Gen 12,1–3 EU und darauf, dass z.B. Sach 8,20–23 EU Jahrhunderte später an die Verheißung Michas erinnerte und diese aktualisierte.

Jesus

Jesus von Nazaret beantwortete Jahrhunderte später die kriegerisch-nationale Messiaserwartung in der judäischen Landbevölkerung bei seinem Einzug in Jerusalem – „Hosianna dem Sohne Davids!“ – mit einem Eselsritt (Mk 11,1–10 EU). Diese Zeichenhandlung erinnerte an eine Weissagung Sacharjas, der nach dem babylonischen Exil einen machtlosen Messias der Armen angekündigt hatte, durch den Gott allen Völkern Abrüstung gebieten werde (Sach 9,9 EU). Damit hatte er nationalistischen und imperialistischen, auf Erneuerung des davidischen Großreichs gerichteten Messiashoffnungen in Judäa widersprochen.

In Mk 14,45ff EU bekräftigte Jesus die Vision Daniels (Dan 7,2-14 EU), die sich auf die dauerhafte Entmachtung und Abschaffung aller antiken Großreiche und auf Waffengewalt und Landraub beruhenden Gewaltsysteme richtete, durch seinen Gewaltverzicht.

Das Matthäus- und Lukasevangelium stellen daher bereits Jesu Geburt als Erfüllung prophetischer Friedensverheißungen dar. So bezieht sich Mt 2,5f EU ausdrücklich auf Mi 5,1ff, wonach der künftige Retter in Betlehem geboren und den zuvor angekündigten Völkerfrieden personhaft verkörpern werde. Lk 2,14 EU lässt das Engelsheer stellvertretend für die Menschheit Jesu Geburt als Beginn des verheißenen Friedens auf Erden besingen.

Patristik

Die meisten christlichen Theologen der Patristik lehnten jedes Töten von Menschen, besonders bewaffnete Selbstverteidigung, mit Bezug auf die Bergpredigt strikt ab. Da Jesus die biblische Verheißung des Völkerfriedens auf gewaltlose Weise zu erfüllen begonnen und seinen Nachfolger aufgetragen habe, allen Völkern Frieden zu verkünden, könnten Christen unmöglich an Krieg und Militär teilnehmen.

So kommentierte Justin der Märtyrer in seiner Ersten Apologie Micha 4:[14]

„Wenn aber der prophetische Geist als Verkünder der Zukunft sich vernehmen läßt, sagt er also: ‚Von Zion wird ausgehen das Gesetz, und das Wort des Herrn von Jerusalem, und er wird richten mitten unter Nationen und viel Volk zurechtweisen; und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Lanzen zu Sicheln umschmieden, und sie werden nicht mehr Volk gegen Volk zum Schwerte greifen und werden den Krieg verlernen‘.
Und daß das eingetroffen ist, davon könnt ihr euch überzeugen; denn von Jerusalem gingen Männer aus in die Welt, zwölf an der Zahl, ganz ungebildet und der Rede nicht mächtig; aber durch die Kraft Gottes haben sie dem ganzen Menschengeschlechte gezeigt, daß sie von Christus gesandt waren, allen das Wort Gottes zu predigen. Und wir, die wir einst einander mordeten, enthalten uns jetzt nicht nur jeder Feindseligkeit gegen unsere Gegner, sondern wir gehen, um nicht zu lügen und die Untersuchungsrichter nicht zu täuschen, auch freudig für das Bekenntnis Christi in den Tod.“

Dass das Christentum die verheißene weltweite Abrüstung durch eigene Gewaltlosigkeit, Kriegsdienstverweigerung und Bereitschaft zum Martyrium erfülle und lehre, vertraten auch Irenäus von Lyon, Tertullian, Klemens von Alexandrien und Origines.[15]

Großkirchliche Kriegstheorie

Mit der konstantinischen Wende zu Beginn des 4. Jahrhunderts wurde die gewaltlose und militärkritische Haltung der meisten frühen Christen bald von einer Bejahung des römischen Staates und seiner militärischen Verteidigung abgelöst. Daraufhin verlor die biblische Abrüstungsverheißung ihre konkrete handlungsleitende Rolle für die Getauften. Sie wurde nun zu einem von Menschen nicht herstellbaren, erst mit Gottes Endgericht eintreffenden Zustand im jenseitigen Reich Gottes erklärt.

Maßgebend für kirchliches Reden und Handeln zu Krieg und Militär wurde die 420 von Augustinus von Hippo formulierte Theorie vom Gerechten Krieg. Sie sollte das Gewaltmonopol des römischen Staates der geistlichen Führung der Reichskirche und seine Kriege ihren moralischen Kriterien unterordnen. Sie diente jedoch oft zur Rechtfertigung, nicht zur Begrenzung von Kriegen christlicher Regierungen.

Thomas von Aquin entwickelte im 13. Jahrhundert Augustins Lehre vom Gerechten Krieg weiter, ohne die Friedensverheißungen des Alten Testaments zu berücksichtigen. Für ihn war das von der Römisch-katholischen Kirche geistlich geführte Reich eine gerechte Friedensordnung, die notfalls auch mit kriegerischen Mitteln gegen Bedrohungen verteidigt werden musste. Daher problematisierte er Rüstung als solche nicht und strebte keine allgemeine Abrüstung an.

Friedenskirchen

Seit etwa 1200 entstanden christliche Minderheiten, die Waffenbesitz und Kriegsdienste als unvereinbar mit der Nachfolge Jesu ablehnten: so die Waldenser, seit der Reformation die Hutterer, Mennoniten und Quäker, später die Unitarier und Adventisten. Diese und weitere christliche Gruppen knüpfen an die urchristliche Gewaltlosigkeit an und lehnen Waffendienste darum für sich ab. Sie werden heute als „Friedenskirchen“ bezeichnet.

Neuzeitlicher Pazifismus

Nicht die Kirchen, sondern die Philosophie der Aufklärung begann mit Überlegungen, wie der Traum vom „ewigen Frieden“ politisch zu realisieren sei. Immanuel Kant entwarf 1795 eine internationale Vertragsordnung souveräner republikanischer Staaten, die den friedlichen Interessenausgleich der Völker nachhaltig regeln sollte:

  • Ein Friedensvertrag unter Völkern muss versteckte kriegerische Absichten und künftige Kriegsursachen ausschließen.
  • Er muss die Souveränität jedes Staates und sein Gebiet anerkennen.
  • „Stehende Heere … sollen mit der Zeit ganz aufhören.“

Die sonst fortbestehende Kriegsdrohung würde Wettrüsten und Angriffskriege erzeugen. Sie degradiere Menschen zu Sachen und Kriegsmaschinen, sei also mit der Idee des universalen Menschenrechts unvereinbar.[16]

Im 19. Jahrhundert entstand mit dem Pazifismus eine Bewegung, die diese aufgeklärten Ideen zu realisieren versuchte. Umfassende Abrüstung und Ausschluss des Angriffskrieges wurden nun erstmals als politische Ziele angestrebt. Dabei wurde die biblische Vision aus ihrem religiösen Kontext gelöst und säkularisiert: Das Gebot des Gottes Israels wurde in einen moralischen Appell an die Gewissen und die ethische Entscheidung des Einzelnen für einen Verzicht auf bewaffnete Selbstverteidigung transformiert (vgl. Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!).

Erst nach dem Ersten Weltkrieg gewann diese Bewegung in Deutschland an Zulauf und etablierte u.a. den Antikriegstag als Datum einer jährlich wiederkehrenden Großdemonstration. Doch die Pazifisten blieben eine gesellschaftliche Minderheit: zum einen, weil das Verhältnis von eigenem Gewaltverzicht zu politischer Macht und nationaler Souveränität ungelöst blieb, zum anderen, weil sie untereinander zerstritten waren in Vertreter einer prinzipiellen Gewaltlosigkeit, Antimilitaristen („Krieg dem Kriege!“) und Sozialisten, die sich die Überwindung des Krieges erst von der Abschaffung aller Klassenherrschaft erhofften und dazu bedingte revolutionäre Gewalt rechtfertigten. Dabei beriefen sich auch Neomarxisten wie Ernst Bloch auf die Bibel: Die Prophetie von Mi 4/Jes 2 sei „das Urmodell der pazifizierten Internationale“, die allen Menschen zugänglich und verständlich sei, da sie ihre nächstliegenden Interessen zum Ausdruck bringe.[17]

Der „Militärisch-industrielle Komplex“ – die Abhängigkeiten und Verflechtungen von Rüstungsindustrie, Militär und Staatsführungen – blieb in vielen gesinnungsethischen Appellen unzureichend berücksichtigt. Rüstungskonversion stand in den meisten Abrüstungsforderungen erst ganz am Ende eines internationalen Verständigungsprozesses.

Kirchenhaltung zu den Weltkriegen

Im Zuge des aufkommenden Nationalismus seit dem 19. Jahrhundert verstanden sich auch die Großkirchen bei kriegerischen Konflikten meist als Nationalkirchen, die die „eigene Sache“ zu unterstützen hatten. Nur manche Angehörigen der oben genannten kleinen Gemeinschaften verweigerten Kriegsdienste. Schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs sprach sich zwar Papst Benedikt XV. in seinem Apostolischen Schreiben Ubi primum vom 8. September 1914 nationenübergreifend gegen den Krieg aus. Obwohl diesem Schreiben noch mehrere folgten – darunter auch die Friedensinitiative Dès le début – unterstützten die meisten Katholiken - vor allem die nationalen Bischofskonferenzen - weiterhin die Kriegsanstrengungen ihrer eigenen Nation.

Nach Kriegsende forderte etwa die Enzyklika Pacem, Dei munus pulcherrimum von 1920 die Bereitschaft der Völker zu Versöhnung und ihre Vereinigung zu einer Völkergemeinschaft, nicht aber internationale Abrüstung.

Die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 – die den Versailler Vertrag von 1919 endgültig brach – begrüßten die Bekennende Kirche und die Deutschen Christen in einer gemeinsamen Presseerklärung:[18]

„Die allgemeine Wehrpflicht ist den Protestanten die gewaltige Volksschule, ein Erziehungsmittel, das wie kaum ein anderes unserem Volke die großen sittlichen, seelischen und körperlichen Werte mitzuteilen imstande ist, deren ein Volk im Kampf um sein Dasein bedarf, die Deutschland groß gemacht haben und es schwere Schicksalsschläge überwinden ließen … Darum heute und immer: Gott mit uns!“

Auch die deutschen katholischen Bischöfe rechtfertigten die Wehrpflicht 1936 wie 1914 einhellig als notwendige Vorbereitung eines angeblichen Verteidigungskrieges:[19]

„Der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler hat den Anmarsch des Bolschewismus von weitem gesichtet und sein Sinnen und Sorgen darauf gerichtet, diese ungeheure Gefahr von unserm deutschen Volk und dem gesamten Abendland abzuwehren. Die deutschen Bischöfe halten es für ihre Pflicht, das Oberhaupt des Deutschen Reiches in diesem Abwehrkampf mit allen Mitteln zu unterstützen, die ihnen aus dem Heiligtum zur Verfügung stehen.“

Nach Hitlers Überfall auf Polen hieß es in einem weiteren „Hirtenwort“ vom 17. September 1939:[20]

„In dieser entscheidungsvollen Stunde ermuntern und ermahnen wir unsere katholischen Soldaten, im Gehorsam gegen den Führer, opferwillig, unter Hingabe ihrer ganzen Persönlichkeit ihre Pflicht zu tun. Das gläubige Volk rufen wir auf zu heißem Gebet, dass Gottes Vorsehung den ausgebrochenen Krieg zu einem für Vaterland und Volk segensreichen Erfolg und Frieden führen möge.“

Im Ersten Weltkrieg hatten Kirchengemeinden ihre Kirchenglocken manchmal freiwillig als Kriegsmaterial gespendet. Anfang April 1940 forderte ein Erlass Hermann Görings die Abgabe fast aller deutschen Kirchenglocken an die Rüstungsindustrie „zur Sicherung der Metallreserve für eine Kriegsführung auf lange Sicht“. Die Leitung der DEK unter dem Vorsitz von August Marahrens empfahl am 12. April 1940 allen Landeskirchen, den Befehl als „freudiges Opfer für Führer und Vaterland“ in Form einer „Glockenopferfeier“ umzusetzen. Zugleich beschloss sie eine Gratulation, Kanzelabkündigung und landesweites Glockengeläut zum „Führergeburtstag“. Die zu dieser Sitzung eingereichte briefliche Bitte des am 16. März 1940 vom Reichskriegsgericht zum Tod verurteilten Kriegsdienstverweigerers Hermann Stöhr, sein Gnadengesuch an Hitler zu unterstützen, wurde nicht behandelt.[21] - Im Ergebnis wurden 47.000 von 63.000 Glocken (fast 77%) eingeschmolzen und meist zu Granaten verarbeitet.[22]

UN-Charta

Das Ziel eines nachhaltigen Völkerfriedens wurde gleichwohl im modernen Völkerrecht festgeschrieben. Mit der UN-Charta haben die meisten Staaten das Verbot jedes Angriffskriegs seit 1945 theoretisch anerkannt (Kapitel I, Absatz 4):

„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

Sowjetische Skulptur

Am 4. Dezember 1959 schenkte die Sowjetunion der UNO eine Bronzeskulptur von Jewgeni Wutschetitsch, die das biblische Motiv bildlich-plastisch darstellt.[23] Die Skulptur wurde im Garten des UNO-Hauptgebäudes in New York City aufgestellt. Ihr Modell befindet sich vor der Zweigstelle der Tretjakow-Galerie für moderne Kunst in Moskau.

Die Skulptur zeigt einen muskulösen Heros, der im Sinne der Rüstungskonversion ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet. Sie ist im Stil des Sozialistischen Realismus gestaltet und hebt die Schöpferkraft des arbeitenden Menschen hervor. Zugleich appelliert sie an das Friedensziel der UN-Charta. Sie ist das dritte Werk einer Trilogie dieses Bildhauers, die durch das Schwertmotiv verbunden ist: Ihr ging die Skulptur „Mutter Heimat“ voraus, deren Figur das Schwert dem heldischen Kämpfer übergibt (Standort Wolgograd, das frühere Stalingrad), sowie „der Befreiungskrieger“, ein russischer Soldat, der mit dem Schwert das Hakenkreuz zerstört (Standort sowjetisches Ehrenmal in Berlin-Treptow).

Damit bekräftigte die sowjetische Staats- und Parteiführung ihre damals offiziell erklärte Bereitschaft zur friedlichen Koexistenz mit dem „Klassenfeind“. Die Sowjetunion stellte sich stets als Friedensmacht dar und beanspruchte ihre Hochrüstung nicht für offensive, sondern defensive Ziele einzusetzen – ebenso wie die USA und die NATO-Staaten. Zwar unterstrich sie dieses Ziel mit eigenen Abrüstungsinitiativen, konterkarierte es aber häufig durch aggressive Kriegshandlungen zur Durchsetzung ihrer Großmachtinteressen und fortgesetzten Militarisierung im Inneren.

Abrüstungsvorleistungen ohne multilaterale Vertragsbindung wurden von den Staatsführungen in Ost wie West im Kalten Krieg überwiegend als Gefährdung des Gleichgewichts und damit Destabilisierung des Nichtkriegszustands betrachtet.

Großkirchen seit 1945

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die traditionelle kirchliche Kriegsethik stärker in Frage gestellt. 1948 verabschiedete der Ökumenische Rat der Kirchen auf seiner Gründungsversammlung im Konsens den Satz:[24]

„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“

1950 begann der Kampf um die westdeutsche Wiederbewaffnung: Martin Niemöller, der sich als einer der ersten dagegen aussprach, wurde von der EKD-Leitung, zu der er damals noch gehörte, gerügt.

Im Zuge des Streits um die Atombewaffnung der NATO forderte der Rat der EKD im Mai 1954 einen allgemeinen Stopp des atomaren Wettrüstens; ihm folgte die Vollversammlung des ÖRK im August 1954. Im Juni 1956 rief die Synode der EKD mit einer von Heinrich Vogel verfassten Erklärung alle Christen auf, sich nicht an Entwicklung und Herstellung von Massenvernichtungsmitteln zu beteiligen. Seitdem drückte die Formel vom „Friedensdienst mit und ohne Waffen“ die Haltung der EKD aus: Sie bejaht und unterstützt Kriegsdienstverweigerung, betreibt aber parallel die Betreuung derer, die Militärdienst leisten (Militärseelsorgevertrag).

Auf Seiten der der Katholischen Kirche verfasste Papst Johannes XXIII. 1963 die Enzyklika Pacem in terris. In dieser Enzyklika, die erstmals an „alle Menschen guten Willens“ gerichtet ist, heißt es unter anderem:

„Deshalb fordern Gerechtigkeit, gesunde Vernunft und Rücksicht auf die Menschenwürde dringend, daß der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört; daß ferner die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden; daß Atomwaffen verboten werden; und daß endlich alle auf Grund von Vereinbarungen zu einer entsprechenden Abrüstung mit wirksamer gegenseitiger Kontrolle gelangen.“

Auch wenn ein Verbot von Atomwaffen und eine umfassende Abrüstung gefordert werden, wird hier einer reziproken Abrüstung im Rahmen politischer Verträge der Vorzug vor einer einseitigen Abrüstung eingeräumt.

Innerhalb der Großkirchen entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg Bewegungen, die das militärische Sicherheitskonzept allmählich durch andere Formen der Verteidigung ablösen wollen. Besonders hervorzuheben sind

Bei ihnen ist die biblische Friedensvision verbindliches Leitbild für die konsequente Ausrichtung auf Abrüstung, gewaltfreie Konfliktlösungsmodelle und die Versöhnung mit Opfernachfahren deutscher Gewaltherrschaft und Menschheitsverbrechen.

Ähnliche Gedanken formuliert das Zweite Vatikanische Konzil 1965 in Gaudium et Spes, Nr. 82:

„Darum sind vor allem eine neue Erziehung und ein neuer Geist in der öffentlichen Meinung dringend notwendig. Wer sich der Aufgabe der Erziehung, vor allem der Jugend, widmet und wer die öffentliche Meinung mitformt, soll es als seine schwere Pflicht ansehen, in allen eine neue Friedensgesinnung zu wecken.“

Den bisher letzten Stand der kirchlichen Friedensdiskussion gibt katholischerseits das Hirtenwort Gerechter Friede der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2000 wieder. In ihm wird – auch im Rückgriff auf die Prophetenworte – besonders betont, dass Frieden nur entstehen kann, wenn gerechte Lebensbedingungen für alle existieren. Dementsprechend wird ein Einsatz für Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung, sowie auf Gewaltpävention bzw. Konfliktnachsorge gelegt. Von den Staaten wird eine Rüstungsbegrenzung und eine atomare Abrüstung gefordert. Auch Gerechter Friede verzichtet auf die Forderung nach einer Totalabrüstung, sondern gesteht den Staaten (konventionelle) Streitkräfte in einer Größenordnung zu, wie sie „für Aufgaben im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung, aber auch für ein angemessenes Engagement im Rahmen internationaler Krisenbewältigung ausreicht“.[25] Dieses Zugeständnis ergibt sich für die deutschen Bischöfe angesichts der „Pflicht […], Menschen vor fremder Willkür und Gewalt wirksam zu schützen“.[26]

Ökumene

Seit Mitte der 1970er Jahre hat der Ökumenische Rat der Kirchen in Genf ein Antimilitarismus-Programm eingeführt, das sich mit der weltweiten Aufrüstung, kriegerischen Konflikten und Alternativen dazu befasst. Unter seinem Dach finden sich zahlreiche nationale und internationale Initiativen, die sich unter dem Stichwort „Schwerter zu Pflugscharen“ für Abrüstung einsetzen. Eins ihrer Ziele ist die Abschaffung der Atomwaffen, auf die der ÖRK seine Mitgliedskirchen verpflichtet; ein anderes ein weltweites Verbot von Landminen. Vertreter des ÖRK versuchen im Verbund mit anderen Nichtregierungsorganisationen auf NATO-Staaten einzuwirken, die im Atomwaffensperrvertrag eingegangene Verpflichtung zur atomaren Abrüstung umzusetzen.

Ein Beispiel für eine solche Gruppe ist Ploughshares („Pflugscharen“) in Kanada: Die Gruppe gibt u.a. einen detaillierten jährlichen Bericht über Kriege, bewaffnete Konflikte und Aufrüstung heraus, der deren Ursachen benennt und sie in Beziehung zu den Ausgaben für Entwicklungshilfe setzt.[27]

Friedensinitiativen in den USA und Großbritannien

In den 1960er Jahren stieß der Vietnamkrieg der USA weltweit auf zunehmende Ablehnung. Ein einflussreicher Kriegsgegner in den USA war Martin Luther King jr.: Er hielt am 30. April 1967 die Predigt It’s A Dark Day In Our Nation.[28] Darin nannte er sieben Gründe für seine Haltung: zuerst seine Gewissensnot vor Gott, der ihn zum Reden zwinge, da Schweigen Verrat an den Kriegsopfern bedeute; zuletzt seine Liebe zu Amerika, das mit diesem Krieg seine eigenen konstitutionellen Werte, die Menschenwürde und gottgegebenen Menschenrechte, verlassen habe. Zum Schluss ermutigte er seine Hörer, ihren Glauben an die weltverändernde Kraft der Liebe, der Hindus, Buddhisten, Juden, Christen, Muslime verbinde, nicht aufzugeben, und paraphrasierte als Quelle dieser Kraft zuletzt Michas Friedensverheißung:

„Mit diesem Vertrauen können wir den Tag beschleunigen, an dem wir überall auf der Welt […] singen: … Dank Gott dem Allmächtigen, wir sind endlich frei! […] Menschen werden ihre Schwerter in Pflugscharen umschmieden und ihre Speere in Sicheln. Und Nationen werden nicht gegen Nationen aufstehen, noch werden sie mehr Krieg lernen. Und ich weiß nicht wie ihr dazu steht, aber ich werde nicht mehr Krieg lernen.“

Damit verknüpfte King sein an Mahatma Gandhi angelehntes Konzept des „gewaltfreien Widerstandes“ und „zivilen Ungehorsams“ für die Bürgerrechte der Afroamerikaner mit dem Eintreten gegen diesen Krieg.

In den 1980er Jahren entstand in den USA und Großbritannien erneut eine breite außerparlamentarische Protestbewegung, diesmal gegen atomare Rüstungsprojekte unter Ronald Reagan. Pazifistische und antimilitaristische Gruppen der Pflugscharbewegung bezogen sich dabei ausdrücklich auf das Bibelzitat. Sie wollten u.a. mit Blockaden und Besetzungen von militärischem Firmengelände zeigen, dass nicht nur öffentlicher Druck, sondern direkter risikobereiter Widerstand gegen die Atomrüstung notwendig und möglich sei. Dabei unterschieden sie strikt Gewalt gegen Sachen von Gewalt gegen Personen.

Die Plowshare Eight („Pflugschar Acht“) bestand aus acht Personen, darunter der katholische Priester Daniel Berrigan. Am 9. September 1980 drangen sie in eine Fabrik für Atomwaffen in Pennsylvania ein und schlugen mit Hämmern auf Nuklearsprengköpfe ein. Sie machten Konstruktionspläne für Atomwaffen mit ihrem eigenen Blut unbrauchbar und beteten in der Fabrikhalle für den Frieden, bis sie verhaftet wurden. Es folgten Prozesse mit Hafturteilen von fünf bis zehn Jahren wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“. Diese Urteile wurden später auf knapp zwei Jahre Haft reduziert. Nach der Freilassung blieben die Mitglieder der Gruppe zusammen und setzten ähnliche Aktionen fort. Der Priester Carl Kabat feierte den 25. Jahrestag seiner Priesterweihe mit einem Hammer auf einem Atomwaffengelände.

Andere Gruppen wie die Trident Ploughshares in Großbritannien griffen die Idee auf; diese Gruppe erhielt 2001 für ihre gewaltfreien Aktionen gegen ein Atomunterseeboot den Alternativen Friedensnobelpreis. Man kennt weltweit bis heute rund 70 derartige Aktionen, meist in westlichen Staaten, die über Atomwaffen verfügen. Sie alle berufen sich auf die biblische Friedensvision und begehen gezielte, auf Rüstungsobjekte bezogene Gewalt, beanspruchen aber ansonsten strikte Gewaltfreiheit. Die Täter bleiben meist am Ort der Tat bis zur Verhaftung und verteidigen ihr Vorgehen vor Gericht mit Bezug auf Gott, das eigene Gewissen und das Widerstandsrecht.

Friedensinitiativen in der DDR

Erste Friedensdekade

1978 hatte die SED das Pflichtfach „Wehrerziehung“ an DDR-Schulen eingeführt. Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR legte dagegen erfolglos Widerspruch ein und stellte ein Alternativprogramm „Erziehung zum Frieden“ vor. Daraufhin entstanden in vielen Kirchengemeinden staatskritische, unabhängige Friedensinitiativen. Regelmäßige Seminare, etwa in Königswalde (Ortsteil von Werdau in Sachsen), zogen Jugendliche aus der ganzen DDR an.

 
„Schwerter zu Pflugscharen“-Grafik von 1980 als Banner am Greifswalder Dom, 2008

Das Abbild der sowjetischen Skulptur zusammen mit dem Schriftzug „Schwerter zu Pflugscharen“ wurde erstmals als Lesezeichen für eine Einladung zum Gottesdienst am Buß- und Bettag des Jahres 1980 von evangelischen Jugendgruppen in der DDR verwendet. Dieser Feiertag war als Abschluss einer ersten zehntägigen „Friedensdekade“ mit dem DDR-Kirchenbund verabredet worden. Die Anregung dazu kam vom überkonfessionellen „Interkirchlichen Friedensrat“ in den Niederlanden, der als erste kirchliche Vereinigung einen Totalabbau aller Atomwaffen in Europa forderte und dies mit dem Votum der Reformde Kerk begründete, wonach Friedenssicherung durch atomare Abschreckung mit dem Christsein völlig unvereinbar sei.

Die erste Friedensdekade ging aus der intensiven Vorbereitungsarbeit des Evangelischen Jungmännerwerks (Ostwerk) und einer Arbeitsgruppe des CVJM (Westwerk) im Oktober 1979 hervor. Ein weiteres Arbeitstreffen musste wegen des Überwachungsdrucks der Stasi zum Teil nächtlich in privaten Wohnungen in Berlin stattfinden (siehe WDR-Dokumentation Im Auge der Macht vom 3. Oktober 2005). Die Initiatoren teilten die starke Sorge über die Aufrüstung in der Mitte Europas beiderseits der innerdeutschen Grenze. Sie versuchten, dazu einen klaren gemeinsamen Standpunkt zu finden. So forderten sie folgerichtig die vollständige Entmilitarisierung beider deutscher Staaten. Das erarbeitete Material wurde als Auftrag an die Konferenz der evangelischen Landesjugendpfarrer in der DDR weitergeleitet, eine gemeinsame Friedensaktion zu realisieren: die erste Friedensdekade. Diese sollte gleichzeitig in allen Gliedkirchen beider deutscher Kirchenbünde stattfinden und wurde diesen daher vorgeschlagen.

Die Einladung gestaltete der damalige sächsische Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider; die Grafikerin Ingeborg Geißler schuf eine druckfähige Zeichnung dafür. Das Lesezeichen wurde in einer Auflage von 120.000 Stück in der Druckerei Abraham Dürninger der Herrnhuter Brüdergemeine auf Vliesstoff gedruckt, da dies als „Textiloberflächenveredlung“ galt und keine staatliche Druckgenehmigung erforderte. Der Einladungstext wies auf Gottesdienste, Jugend- und Gemeindeabende und eine „Friedensminute“ hin: Am Bußtag um 13 Uhr sollten landesweit die Kirchenglocken gleichzeitig mit der staatlichen Sirenenübung zum Gebet mahnen. Nachdem die DDR-Regierung dies als Gefährdung des Zivilschutzes und Aufruf zur Arbeitsniederlegung untersagte, wurde das Läuten auf 13:15 verlegt.

Das Motto der Dekade lautete „Frieden schaffen ohne Waffen“. Dasselbe Motto verwendete unabhängig davon auch die westdeutsche Aktion Sühnezeichen mit ihrem Vorsitzenden Volkmar Deile. Es ging auf ein weltweites Treffen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) zurück: Er hatte 1975 in Nairobi allen Mitgliedskirchen empfohlen, gegenüber den je eigenen Regierungen ihre Bereitschaft zu erklären, „ohne den Schutz von Waffen zu leben“. Dies blieb den meisten Kirchengemeinden zunächst unbekannt und wurde von kaum einer Kirchenleitung publik gemacht. Die EKD sprach in ihren offiziellen Erklärungen stets vom „Friedensdienst mit und ohne Waffen“ und rechtfertigte die Abschreckung sogar mit Atomwaffen 1982 wie schon 1959 weiterhin als „christlich mögliche Handlungsweise“.

Im Juni 1980 griff die Evangelische Studentengemeinde Dresden als erste Gruppe in der DDR die Empfehlung des ÖRK auf, um einen Diskussionsprozess in den Gemeinden auszulösen. Unter dem wachsenden Druck der kirchlichen Jugend beschloss die Konferenz der Kirchenleitungen daraufhin die erste Friedensdekade. Nach Gesprächen mit dem Sekretariat des DDR-Kirchenbundes, Manfred Stolpe, wurde die Einladung dazu mitsamt der Grafik des Lesezeichens genehmigt. Der Aufnäher traf die Friedenssehnsucht der Jugendlichen: Sie trugen ihn nun spontan überall auf ihrer Straßenkleidung, an Mänteln, Taschen und Mützen in Schulen und Betrieben und machten so ihren Friedenswunsch öffentlich.

Zweite Friedensdekade

Im Frühjahr 1981 schlugen einige Kirchengemeinden ihren Synoden vor, einen zweijährigen Sozialen Friedensdienst als gleichberechtigte Alternative zum staatlichen Wehrdienst in der NVA und zu den Bausoldaten einzuführen. Einige Landessynoden stellten sich bis zum Jahresende öffentlich hinter diese Forderung, andere lehnten ab. Ein Treffen der Kirchenleitungen mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen Klaus Gysi im September endete mit der strikten staatlichen Ablehnung der Idee.

Am 10. Oktober 1981 fand auf der Hofgartenwiese in Bonn mit etwa 300.000 Teilnehmern die bislang größte Demonstration gegen die „Nachrüstung“ in der alten Bundesrepublik statt. Während die traditionellen, häufig der DKP nahestehenden Gruppen meist das bekannte Symbol der blauen Friedenstaube von Pablo Picasso verwendeten, zeigten vor allem christliche Friedensgruppen aus Solidarität mit den staatsunabhängigen Friedensgruppen der DDR das Motiv „Schwerter zu Pflugscharen“. Vielfach wurden diese Plakate auch mit Hinweisen auf die Solidarność-Gewerkschaft in Polen verbunden, um

  • eine von sowjetischen oder großdeutschen Interessen unabhängige, blockübergreifende Friedensbewegung anzumahnen,
  • auf das gemeinsame Abrüstungsinteresse von Arbeiterbewegung und Friedensbewegung hinzuweisen,
  • das Friedensthema mit dem Thema der Demokratisierung und sozialen Gerechtigkeit zu verbinden.

Als Vertreter der ostdeutschen Friedensgruppen durfte der Erfurter Propst Heino Falcke vor den Bonner Demonstranten sprechen.

Die folgende Friedensdekade vom 8. bis 18. November 1981 wurde erstmals gleichzeitig auch innerhalb der westdeutschen EKD durchgeführt und stand unter dem Thema „Gerechtigkeit – Abrüstung – Frieden“. Da nicht mit einer Druckgenehmigung der DDR-Behörden für Aufkleber oder Anstecker zu rechnen war, wurde das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ mit nochmals 100.000 Stück auf Vliesstoff gedruckt und als Aufnäher weiterverwendet. In der Nikolaikirche (Leipzig) wurde wenig später eine große Schautafel mit dem Symbol aufgestellt.

Während zahlreiche Schullehrer, Volkspolizei und Betriebsfunktionäre nun die Entfernung der Aufnäher forderten, nahmen Kirchenvertreter die Träger in Schutz, wiesen auf die Herkunft des abgebildeten Symbols und die offizielle Propaganda hin. So war das sowjetische Denkmal auch im DDR-Geschichtsbuch für die 6. Klasse abgebildet, und das Lehrbuch für die Jugendweihe von 1975 erläuterte: „Wir schmieden Schwerter zu Pflugscharen um.“ Die „Deutsche Zeitschrift für Philosophie“ der DDR zitierte zum Jahresbeginn 1982 die Jesajastelle und schrieb dazu:[29]

„Welcher Marxist würde behaupten wollen, dass religiöser Glaube in dieser Form reaktionär sei und, obwohl er selbst noch kein wissenschaftlich fundiertes Bewusstsein darstellen konnte, unvereinbar mit Wissenschaftlichkeit sei? Dieser […] Glaube ahnt gewissermaßen die wissenschaftliche Erkenntnis von einer klassenlosen Gesellschaft, in der es keine Kriege mehr gibt, voraus.“

Unter Berufung darauf gelang es den Kirchenbehörden zunächst, ein Verbot des Aufnähers abzuwenden. Doch ab November 1981 erhielt der sächsische Landesbischof Johannes Hempel die amtliche Mitteilung: „Wegen Missbrauchs dürfen diese Aufnäher in Schule und Öffentlichkeit nicht mehr getragen werden.“ Dahinter stand das Bemühen der SED, Akzeptanz für das neue Wehrdienstgesetz zu organisieren. Die Aufnäherträger wurden nun mit massiven Vorwürfen konfrontiert: Der undifferenzierte Pazifismus sei friedensfeindlich, die Aufnäher seien westliche Importe und schulfremdes Material, wer sie trage, übe Wehrkraftzersetzung aus und untergrabe die staatliche und gesellschaftliche Tätigkeit zum Schutz des Friedens. Sie seien zum Zeichen einer unabhängigen Friedensbewegung geworden, die nicht geduldet werden könne.

Viele, die die Aufnäher nicht entfernten, wurden aus Hochschulen und Erweiterten Oberschulen entlassen, erfuhren Strafversetzung, Nichtzulassung zum Abitur, Verweigerung der gewünschten Lehrstelle, Schulverbot oder Hinderung beim Betreten seines Betriebs. Pädagogen und Polizisten schnitten die Aufnäher aus Jacken heraus, wenn Jugendliche dies nicht freiwillig taten, oder beschlagnahmten die Kleidungsstücke. Anfang 1982 reagierte eine wachsende Zahl von Jugendlichen, indem sie sich runde weiße Flecken auf die Jacken nähten oder mit Filzstift auf den Ärmel schrieben: „Hier war ein Schmied.“

Andere Abrüstungsinitiativen

Am 25. Januar 1982 veröffentliche Rainer Eppelmann, damals Pastor in Ost-Berlin, seinen Berliner Appell: Darin forderte er den Abzug aller Atomwaffen aus der DDR, der Bundesrepublik und Mitteleuropa. Prominente DDR-Dissidenten wie Stefan Heym und Robert Havemann unterstützten den Aufruf und forderten öffentlich eine autonome Friedensbewegung in der DDR. Damit war der Versuch der SED-Führung vorerst gescheitert, die westeuropäische Opposition gegen den NATO-Doppelbeschluss zu fördern, aber eigenständige ostdeutsche Abrüstungsinitiativen als Gefahr für den „sozialistischen Friedensstaat“ zu unterdrücken.

Sie reagierte darauf mit einer FDJ-Aktion unter dem Titel: Der Friede muss verteidigt werden – der Friede muss bewaffnet sein. Dabei wurde die Initiative für den Sozialen Friedensdienst als verfassungsfeindlich dargestellt. Damit zeigte die SED dem Kirchenbund seine Grenze: Zum Staatsvertrag gehörte, dass er sich nicht als politische Opposition betätigte. Die Bischöfe wollten diese Grenze achten, verteidigten aber Recht und Pflicht der Christen auf selbständiges Nachdenken über eigene Friedensbeiträge und Kritik an Militarisierungstendenzen im Rahmen des DDR-Systems.

Am 13. Februar 1982 riefen private Christengruppen aus Anlass des 37. Jahrestags der Luftangriffe auf Dresden zu einem Schweigemarsch für Frieden und Abrüstung auf. Um die befürchteten Zusammenstöße zwischen Demonstranten, Stasi-Beamten und Volkspolizei zu vermeiden, bot die Dresdner Kreuzkirche ein „Forum Frieden“ als Alternative zur Demonstration an. Dies gestattete die SED-Bezirksregierung. 5000 Besucher diskutierten im Kirchenraum dann offen über die außen- und innenpolitische Lage. Die Ablehnung der NATO-Aufrüstung war ebenso einhellig wie die Ablehnung der fortgesetzten DDR-Militarisierung und Knebelung eigener friedenspolitischer Betätigung. Bischof Hempel erfuhr viel Kritik, weil er vom Tragen des Aufnähers abriet, da dies den Staat provoziere, die Handlungsspielräume der Kirche verenge und diese die Jugend nicht vor Strafverfolgung schützen könne. – Unmittelbar nach der Veranstaltung zogen einige hundert Menschen zur Ruine der Frauenkirche (Dresden), um dort schweigend zu verharren, Lieder zu singen und Kerzen anzuzünden. Das offene Forum und folgende Schweigegebet werden seither jährlich am 13. Februar in Dresden begangen.

Zwischen dem Aufruf Eppelmanns und dem Dresdner Forum bestand kein direkter Zusammenhang. Ostdeutsche unabhängige Friedensinitiativen waren nicht landesweit organisiert und bildeten gerade so eine echte Alternative zu staatlich verordneten, seit langem stagnierenden Vereinigungen wie dem „Friedensrat der DDR“. Die westdeutschen Medien versuchten zwar, eine flächendeckende Systemopposition als Pendant zur westlichen Friedensbewegung herbeizuschreiben: Doch die meisten kirchlichen Jugendgruppen der DDR lehnten damals weitreichende Forderungen nach Abzug der Besatzungstruppen und Austritt der deutschen Teilstaaten aus den Militärbündnissen ab. Sie wollten zunächst die Spielräume für Eigeninitiative und soziales Engagement erweitern.

Bei einem weiteren Gespräch mit Klaus Gysi am 7. April 1982 protestierten die Kirchenvertreter gegen die Angriffe und Verdächtigungen, denen die Träger des Aufnähers ausgesetzt wurden. Das Symbol sei ein christliches Friedenszeugnis, sein Verbot eine Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Kirche sei nicht bloß Verstärker der staatlichen Außenpolitik, sondern betreibe eine eigenständige Friedensarbeit, die als „Abrüstungsimpuls“ nötig bleibe. Das Symbol dürfe nicht als Gegensatz zur staatlichen Friedenspolitik aufgefasst werden. – Damit versuchte der Kirchenbund die Jugendlichen und kirchliche Freiräume zu schützen. Zugleich schloss er weitergehende, die staatliche Militärpolitik angreifende Konzepte aus der Debatte zunächst aus.

Am 24. September 1983 fand während eines evangelischen Kirchentages in Wittenberg auf dem Lutherhof eine symbolische Aktion statt: Der örtliche Schmied Stefan Nau schmiedete vor etwa 4000 Teilnehmern ein Schwert zu einer Pflugschar um. Wegen der Präsenz von westlichen Medienvertretern und Richard von Weizsäcker als Gast griffen die Staatsorgane nicht ein.

Die Initiative zu der Aktion ging von Friedrich Schorlemmer, damals Pastor an der Schlosskirche Wittenberg, aus. Dieser hatte bereits 1980 einen Friedenskreis gegründet, der sich auch nach dem Verbot des Aufnähers und dem Abklingen der westdeutschen Friedensbewegung hielt.

Die Wende von 1989

Im Juli 1989 ging aus dem Wittenberger Friedenskreis eine Bürgerrechtsgruppe hervor, die sich mit anderen Vorläufern zur Initiative Demokratischer Aufbruch verband. Auch in der Nikolaikirche Leipzig entwickelte sich unter dem Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ ein regelmäßiges offenes Montagsgebet, das zur Keimzelle der späteren Montagsdemonstrationen vom Herbst 1989 wurde. Dabei blieb das biblische Symbol zunächst Ausdruck für alternative Friedensaktivitäten im Rahmen der DDR. Es eignete sich ein sowjetisches Bildmotiv an und kehrte es gegen die staatliche Propaganda, wonach die DDR die Einheit von Volk, Staat und Partei realisiert habe und daher per definitionem eine „Friedensmacht“ sei. Es drückte den Wunsch aus, das Christen und Marxisten gemeinsame Ziel einer befriedeten Welt zur Beendung des Wettrüstens und der gesellschaftlichen Militarisierung zu nutzen. Militärische Sicherheitskonzepte sollten von politischer Friedensfähigkeit abgelöst werden. Eine direkte Konfrontation mit den jeweiligen Systemen war darin nicht vorgesehen.

 
„Schwerter zu Pflugscharen“-Denkmal in der Stadtkirche Teterow aus einem verschrotteten NVA-Panzer

Gerade so verband das Symbol christliche Friedensgruppen in West und Ost und wurde zum ersten sichtbaren Zeichen einer Bürgerrechtsbewegung, die über die blockübergreifende Verhinderung von Aufrüstung und Krieg hinaus einen Systemwandel anvisierte und schließlich bewirkte. Dabei war das pazifistische Erbe ein wesentlicher Faktor für die Gewaltlosigkeit der Revolution von 1989.

Die Perspektive von sozialer Gerechtigkeit und Überwindung des Welthungers, die durch umfassende Abrüstung ermöglicht werden sollte und in der biblischen Herkunft des Symbols angelegt ist, ging dagegen weitgehend verloren. Die Friedensdekaden, die seit 1994 in der gesamtdeutschen EKD durchgeführt werden, mahnen diese Perspektive an und verwenden dazu nach wie vor das Bild des Stoffaufnähers.

Liedgut

Im den Worksongs, Gospels und Spirituals der Afroamerikaner ist ein Lied Ain't gonna study war no more („ich werde nicht mehr Krieg lernen“) überliefert, das auf die Verheißung von Mi 4 anspielt. Es entstand möglicherweise nach dem US-amerikanischen Bürgerkrieg. Die Textzeile erschien gedruckt erstmals 1898 in der Hymne Down by the River.[30] Die heute weit verbreitete Textversion wurde 1940 durch eine Ausgabe von Amercan Negro Spirituals in den USA bekannt:[31]

„I’m going to lay down my sword and shield
Down by the riverside
Down by the riverside
Down by the riverside
Going to lay down my sword and shield
Down by the riverside
Ain’t going to study war no more …“

Die Zeile Down by the Riverside wurde zum Titel des Songs; sie spielt auf die Taufe Jesu im Jordan und die analoge Taufe der Nachfolger Jesu an, die im Urchristentum eine Selbstverpflichtung zur Waffen- und Gewaltlosigkeit beinhaltete. Dieser Song wurde nach 1945 vor allem durch Pete Seeger, Willie Dixon,[32] Mahalia Jackson und über 600 weitere Interpreten in zahlreichen Abwandlungen popularisiert.

Die Liedzeile dient auch als Buchtitel, etwa für eine exegetische Studie über die biblischen Friedensvisionen[33] oder eine historische Studie über die US-Friedensbewegung[34] oder eine wissenschaftliche Untersuchung über vom Militär finanzierte Forschungsprojekte an britischen Universitäten.[35]

Zu der Melodie eines auch in den USA bekannten israelischen Volksliedes dichteten Dieter Trautwein und Friedrich Karl Barth 1978 das neue geistliche Lied Ein jeder braucht sein Brot sein Wein mit dem an Michas Verheißung angelehnten Text:

„Ein jeder braucht sein Brot sein’ Wein,
und Frieden ohne Furcht soll sein.
Pflugscharen schmelzt aus Gewehren und Kanonen,
daß wir im Frieden beisammen wohnen.“

Michael Jacksons Song Heal the World fordert die Hörer im dritten Vers auf:[36]

„Create A World With No Fear
Together We’ll Cry Happy Tears
See The Nations Turn
Their Swords Into Plowshares“

Siehe auch

Einzelbelege

  1. Helmut Utzschneider: Micha; Zürcher Bibelkommentare; Zürich: Theologischer Verlag, 2005; ISBN 3-290-17368-2; S. 91
  2. John Knox u. a. (Hrsg.): Twelve Prophets; The Interpreters Bible, Band 6; Nashville/Tennessee: Abington, 1982 (19561); S. 921 ff.
  3. Hans Walter Wolff: Micha, Biblischer Kommentar (1. Auflage 1982) 2004, S. 94; Robert Oberforcher: Micha; Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testament; Stuttgart 1995; S. 98 f.; Rainer Kessler: Micha; Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament; Freiburg u. a.: Herder, 1999; S. 189 f.; Bertold Klappert: Schritte zum Frieden; Neukirchen-Vluyn: Aussat, 1983; S. 273
  4. Hans Walter Wolff: Micha, Biblischer Kommentar Altes Testament, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1982, S. 97
  5. Bertold Klappert, Ulrich Weidner (Hrsg.): Schritte zum Frieden. Theologische Texte zu Frieden und Abrüstung; S. 271 ff.
  6. Diskussion referiert bei Hans Wildenberger: Jesaja 1–12; Biblischer Kommentar Altes Testament; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1972; S. 78 ff.
  7. Hans Walter Wolff: Mit Micha reden. Prophetie einst und heute Christian Kaiser, München 1978, ISBN 3-459-01161-0; S. 95.99.108
  8. Jürgen Ebach: Das Erbe der Gewalt. Eine biblische Realität und ihre Wirkungsgeschichte; Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1980; ISBN 3-579-00378-X; S. 36
  9. Willy Schottroff: Die Friedensfeier. Das Prophetenwort von der Umwandlung von Schwrtern zu Pflugscharen (Jes 2,2–5/Mi 4,1–5): in: Luise und Willy Schottroff: Die Parteilichkeit Gottes. Biblische Orientierungen auf der Suche nach Frieden und Gerechtigkeit; München: Christian Kaiser, 1984; ISBN 3-459-01548-9; S. 101 f.
  10. Hans Walter Wolff: Schwerter zu Pflugscharen – Mißbrauch eines Prophetenwortes? Praktische Fragen und exegetische Klärungen zu Joel 4,9–12, Jes 2,2–5 und Mi 4,1–5 (Gastvorlesung in der Universität München am 27. Januar 1984)
  11. Hans Walter Wolff: Dodekapropheton 2: Joel, Amos; Biblischer Kommentar Altes Testament Band 14/2; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1969; S. 96
  12. Ulrich Dahmen, Gunther Fleischer: Das Buch Joel. Das Buch Amos; Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testament 23/2; Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk, 2001; S. 88
  13. The Anchor Bible: Michah; New York 2000; ISBN 0-385-08402-1; S. 412
  14. Justin der Märtyrer († um 165): Erste Apologie: 39. Allgemeiner Völkerfriede im Alten Testamente geweissagt
  15. Peter Bürger: Frühkirchlicher Pazifismus und „gerechter Krieg“, Teil 1: Dreihundert Jahre Gewaltfreiheit
  16. Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf; 1795; 3. „Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“
  17. Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1967, S. 578
  18. Hans Prolingheuer, Thomas Breuer: Dem Führer gehorsam: Christen an die Front, Publik Forum, Oberursel 2005, ISBN 3-88095-147-0, S. 30
  19. Hans Prolingheuer, Thomas Breuer: Dem Führer gehorsam: Christen an die Front, a. a. O. S. 174
  20. Hans Prolingheuer, Thomas Breuer: Dem Führer gehorsam: Christen an die Front, a. a. O. S. 185
  21. Eberhard Röhm: Sterben für den Frieden, Calwer Verlag, Stuttgart 1985, S. 218
  22. Werner Finke : Die Tragödie der deutschen Kirchenglocken (1957); 2008 Pfarrei Mariä Himmelfahrt Hollfeld: Christliche Zeichen und Symbole - Kirchturm und Glocken
  23. Gifts to the UN
  24. Vollversammlung der Ökumene Amsterdam 1948, Sektion IV, Die Kirche und die internationale Unordnung; aus: Erziehung zum Frieden, herausgegeben vom Ev. Gemeindedienst für Württemberg, Stuttgart
  25. Die deutschen Bischöfe, Gerechter Friede (2000), Nr. 132.
  26. Die deutschen Bischöfe, Gerechter Friede (2000), Nr. 150, weiter 150–161.
  27. Ploughshares
  28. Martin Luther King: It’s A Dark Day In Our Nation. Why I Am Opposed to the War in Vietnam (Predigt am 30. April 1967 in der Ebenezer Baptist Church)
  29. zitiert nach Anke Silomon: „Schwerter zu Pflugscharen“ und die DDR: Die Friedensarbeit der evangelischen Kirchen in der DDR im Rahmen der Friedensdekaden 1980–1982, S. 53 (online-Auszug)
  30. Holger Terp: Ain't gonna study war no more (pdf)
  31. John W. Work: Study War no More, 1940
  32. Willie Dixon: Study War No More
  33. Albert C. Winn: Ain’t Gonna Study War No More: Biblical Ambiguity and the Abolition of War (Westminster/John Knox Press, Louisville, Kentucky 1993)
  34. Milton Meltzer: Ain't Gonna Study War No More: The Story of America's Peace Seekers, Landmark Books, Random House Books for Young Readers, 2002, ISBN 0375822607 (englisch)
  35. Tim Street, Martha Beale (Campaign Against Arms Trade): Study War No More
  36. Michael Jackson Lyrics Heal the World

Literatur

Bibelexegese
  • Hans Walter Wolff: Dodekapropheton 4. Micha. Biblischer Kommentar Altes Testament. Neukirchener Verlag 2004, ISBN 3788720255
  • Bertold Klappert, Ulrich Weidner: Schritte zum Frieden. Theologische Texte zu Frieden und Abrüstung. Aussaat Verlag, Neukirchen-Vluyn 1983, ISBN 3761546629
Kirchen- und Theologiegeschichte
  • Karl Hammer: Deutsche Kriegstheologie (1870–1918), Kösel-Verlag, München 1971
deutsche Friedensbewegung
  • Anke Silomon: „Schwerter zu Pflugscharen“ und die DDR. Die Friedensarbeit der evangelischen Kirchen in der DDR im Rahmen der Friedensdekaden 1980–1982. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3525557337 (online-Auszug)
  • Uwe Koch (Hrsg.): 20 Jahre Friedensdekade. Arbeitsgemeinschaft Christliche Kirchen in Deutschland, Frankfurt/Main 2001
  • Klaus Ehring, Martin Dallwitz: Schwerter zu Pflugscharen: Friedensbewegung in der DDR. rororo aktuell, 1986, ISBN 3499150190
  • Reinhard Henkys (Hrsg.): Die Evangelischen Kirchen in der DDR – Beiträge zu einer Bestandsaufnahme, Chr. Kaiser München 1982, ISBN 3-459-01436-9
  • Helmut Zander: Die Christen und die Friedensbewegungen in beiden deutschen Staaten, Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 54, Duncker & Humblot, Berlin 1989, ISBN 3-428-06641-3
  • Wolfgang Büscher, Peter Wenierski, Klaus Wolschner, Reinhard Henkys (Hrsg.): Friedensbewegung in der DDR. Texte 1978–1982. edition transit Band 2, Scandica Verlag, Hattingen 1982, ISBN 3-88473-019-3
Abrüstung und Rüstungskonversion
  • Christoph Butterwegge, Martin Grundmann (Hrsg.): Zivilmacht Europa. Friedenspolitik und Rüstungskonversion in Ost und West. Bund-Verlag, Köln 1996, ISBN 3766325779
Abbildungen des Symbols
Bibelauslegung
deutsche Friedensbewegung
außerdeutsche Initiativen
Beispiele für Rüstungskonversion