Classis Britannica

Römischer Flottenverband
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Die Classis Britannica (römisch-britische Provinzflotte) war eine in Gesoriacum (Boulogne-sur-Mer) stationierte Abteilung der römischen Flotte, die vor allem den Verkehr auf dem Ärmelkanal und den schiffbaren Teil der Themse kontrollierte. Der Hauptstützpunkt auf britannischer Seite war wahrscheinlich Portus Dubris (Dover). Die Mehrzahl der dort vorgefundenen Ziegel der einstigen römischen Festung tragen die Initialen CLBR (CLassis BRitannica). Die classis britannica war neben der Rheinflotte (classis germanica) eine der größten Provinzflotten im Römischen Reich.

Die Ruine des östlichen Leuchtturms (Pharos) im Dover Castle ist Englands besterhaltenes römisches Baudenkmal und dient nun als Glockenturm für die St. Marys Church. Ein baugleicher Leuchtturm stand einst an der Westseite des römischen Hafens von Portus Dubris von dem aber heute nur noch Fundamente zu sehen sind.

Name

Der Name classis britannica (CB) erscheint oft auf zeitgenössischen Inschriften. Die meisten von ihnen stammen aus Gesoriacum. Er ist von flavischer Zeit bis in die Mitte des dritten Jahrhunderts n. Chr. bezeugt.

Funktion und Taktik

Die Hauptaufgabe der CB war die Sicherstellung eines reibungslosen Schiffsverkehrs zwischen Britannien und Gallien sowie die römischen Legionen beim Vormarsch in Britannien zu unterstützen und später die Küsten gegen friesische, fränkische und sächsische Seeräuber zu sichern. Auch der Geleitschutz für die von Britannien an die Rheinmündung abgehenden Getreidetransporter oblag diesen Seestreitkräften. Aufbau und Ausrüstung der CB erfolgten in Gesoriacum, bemannt wurden die neuen Schiffe wohl zuerst mit Angehörigen der Mittelmeerflotte. Gesoriacum eignete sich besonders gut als Einschiffungshafen nach Britannien, da es am Ende einer wichtigen Römerstraße lag die von der Rheingrenze bis an den Atlantik reichte.

Die meisten Schiffe der CB waren im Süden und Osten der Insel stationiert. Ständige Patrouillen durchkämmten den Oceanus Britannicus (Nordsee und Ärmelkanal) nach potientiellen Raubschiffen und auch investigative Feindaufklärung ermöglichte es den Römern diesen Bedrohungen begegnen zu können. Die Taktik hierfür war immer gleich, abfangen und zerstören von Feindschiffen wenn sie sich der Küste näherten oder Plünderern und Invasoren den Rückzug abzuschneiden soferne sie schon an der Küste gelandet waren.

Eingesetzt wurden hauptsächlich Liburnen (Biremen) und große Transportfrachter. Für eine größere Anzahl von Triremen (Dreiruderer) bestand kein Bedarf da es in diesen Gewässern keine gegnerischen Schiffe dieser Größe gab. Sie wären gegen die kleineren, schnellen und wendigen Ruderboote der örtlichen Piraten auch praktisch nutzlos gewesen.

Flottenoperationen

1. Jahrhundert n.Chr.

Datei:Triremis Rome BC31.jpg
Trireme des 1. Jahrhundert n.Chr.

Der Vorläufer der CB war die von Caesar 56. v. Chr im Krieg gegen die Veneter verwendete Flotte in Gallien. Diese wurde auch in den Jahren 55 bis 54 v. Chr. bei seinen Landungen in Britannien eingesetzt. Nachdem aber Cunobelinus, König der Catuvellaunen, von 37 bis 41 das südöstliche Britannien besetzt und damit die Römer provoziert hatte, holte Kaiser Claudius 43 zum entscheidenden Schlag aus. Der Feldherr Aulus Plautius landete mit seiner Flotte vier Legionen in Kent an um mit ihnen anschließend weiter nach Norden vorzustossen. Da später die zunehmende Piraterie im Kanal den Warenverkehr zwischen Britannien und dem übrigen Reich empfindlich störte, war Kaiser Claudius gezwungen, eine eigene Seestreitmacht für diese Region aufzustellen. Auch bis zur endgültigen Eroberung eines Großteils der Insel im Jahre spielte die CB noch eine wichtige Rolle, da sie durch ihre amphibischen Operationen das Landheer wirksam unterstützte.

Durch Verrat fiel im Jahre 69 eine aus 24 Einheiten bestehende Flottilie der Rheinflotte in die Hände der aufständischen Bataver unter Civilis. Aus diesen von den Römern erbeuteten und nachgebauten Schiffen stellten die Bataver bald eine eigene Flotte zusammen, deren Aufgabe darin bestand, die gallischen Getreidetransporte für die Armee in Germanien an Maas-, Rhein- und Scheldemündung abzufangen. Zu ihrer Bekämpfung mussten daher auch britannische Einheiten herangeführt werden. Weder der britischen noch der Rheinflotte gelang es aber entscheidende Erfolge bei der Bekämpfung des Aufstandes zu erringen.

Im Jahre 78 begann der Statthalter Cn. Iulius Agricola mit seinen Feldzug gegen die Caledonier in Nordschottland. Zwischen 82 und 84 fanden im Rahmen dieser Kampagne auch zahlreiche Vorstösse der Flotte bis an die Ostküste Schottlands statt. Im Jahre 84 umsegelte Agricola während einer Flankenschutzoperation auch das Promunturium Calidonia (die Nordspitze Schottlands, heute Duncansby Head). Dabei entdeckte und beanspruchte er auch die Orkneyinseln für das Reich. Der römische Historiker Tacitus berichtet in seiner Biographie des Agricola (Kap. 10 Abs. 4), dass Agricola mit der römischen Flotte auch die britischen Inseln umfahren und dabei endgültig die Inselgestalt Britanniens bewiesen habe. Während der Fahrt seien u.a. die "orcades" (Orkney-Inseln) entdeckt und bezwungen worden. Die CB unterstützte die entlang der Ostküste Schottlands vorstossenden Legionen auch mit Nachschub. Parallel dazu setzte Agricola seine Schiffe an der West- und Nordküste zur Aufklärung ein. So wurden neben den Orkneys auch die Hebriden und auch ein Teil der hibernischen (irischen) Küste durch die Flotte erkundet.

2.Jahrhundert n.Chr.

Kaiser Hadrian sicherte anlässlich seines Besuches auf der Insel im Jahre 122 n.Chr. die Eroberungen seiner Vorgänger weiter ab und ließ überall in der Provinz die Befestigungen erneuern oder neue Anlagen errichten. Beim größten dieser Projekte, dem Hadrianswall, arbeiteten auch Angehörige der Flotte mit.

3.Jahrhundert n.Chr.

Während des verlustreichen Feldzuges Kaiser Septimius Severus der Jahre 208 bis 210 gegen die Caledonier in Nordschottland unterstützte die CB das Landheer indem sie die Flanken von See her sicherte und Nachschubtransporte durchführte. Die Schiffe der CB drangen dabei auch wieder bis zum nördlichsten Punkt der britischen Inseln vor, Seegefechte fanden aber keine statt. Die Nachfolger des Severus' verfolgten danach keine offene Expansionspolitik mehr, sodass die CB nun hauptsächlich wieder zur Grenzsicherung, für die Piratenbekämpfung sowie Getreide- und Versorgungstransporte herangezogen wurde.

Ab 275 n.Chr. bekämpfte die CB hauptsächlich sächsische Seeräuber. Mit ihren wendigen und schnellen Ruderbooten suchten sie plündernd die Kanal- und Ostküste Britanniens heim. 286 n.Chr. erhielt der Menapier M. Aurelius Musaeus Carausius, den Auftrag, die immer mehr um sich greifende Piraterie im Kanal und in der Nordsee zu bekämpfen. Für diese Aufgabe wurden von ihm auch zahlreiche ehemalige fränkische Piraten in die CB aufgenommen. Im Zuge von Streitigkeiten über Unterschlagung von Kriegsbeute kam es jedoch zum Konflikt mit dem Kaiser des Westens Maximian. Dies hatte zur Folge, dass sich Carausius von seinen größtenteils loyalen Truppen und mit ihm verbündeten Franken zum Imperator Britanniens ausrufen ließ. Da er noch dazu über die größte Flotte im Nordwesten des Reiches verfügte, konnte er nicht nur ganz Britannien, sondern bald auch einen großen Teil der gallischen Kanalküste unter seine Kontrolle bringen. Zur Beendigung dieser letzten großen Ursurpation des 3. Jahrhunderts war daher eine neue und schlagkräftige Flotte vonnöten.

Der neu ernannte Cäser des Westens, Constantius Chlorus, konnte 293 n.Chr. Gesoriacum von Land her einnehmen und als Basis für seine Flottenrüstung nützen. Carausius wurde deswegen auch bald darauf von seinem Quästor Allectus ermordet.

Im Frühjahr 296 war die neue römische Flotte in Gallien endlich stark genug, um sich dem Kampf mit den britischen Abtrünnigen zu stellen. An der Seinemündung wurde unter dem Kommando des Prätorianerpräfekten Asclepiodotus ein Expeditionskorps nach Britannien eingeschifft. Unbehelligt vom aktuellen britischen Gegenkaiser Allectus - es herrschte trübes Wetter und dessen Geschwader lagen bei Vectis Insula (Isle of Wight) auf der Lauer - konnten seine Einheiten zwischen den Wachschiffen der CB durchschlüpfen und an Land gehen. In der darauffolgenden Entscheidungsschlacht zwischen Asclepiodotus und Allectus konnte ersterer einen überragenden Sieg davontragen. Ohne weitere Zwischenfälle konnte Constantius Chlorus daher in Londinium einziehen und sich als Befreier Britanniens feiern lassen.

4.Jahrhundert n.Chr.

Die CB wurde aber nicht nur für Kämpfe, sondern auch als Mittel der Machtdemonstration eingesetzt. Da die gallischen und germanischen Provinzen durch die Einfälle der Germanen wirtschaftlich schon sehr gelitten hatten und dort zudem grosse Truppenkontingente zu unterhalten waren, ließ der zuständige Cäsar, Julianus, im Jahre 359 n.Chr. binnen zehn Monaten eine Transportflotte von 400 Schiffen aus dem Boden stampfen und erhöhte damit die Kapazität der CB schlagartig um 200 %. Nun konnte wieder britisches Getreide in grossem Umfang an die Rheingrenze verbracht werden. Die Transporte verliefen jetzt in der Regel ohne Probleme, da die römische Flotte noch einmal die Seeherrschaft im Kanal an sich reißen konnte.

Constans, Kaiser im Westen, nutzte ab 343 n.Chr. Bononia (das alte Gesoriacum) als Ausgangsbasis für einen Britannienfeldzug. 360 n.Chr. verschiffte der Feldherr Lupicinus von Bononia aus Hilfstruppen nach Rutupiae (Richborough) um eingefallene Scoten und Pikten wieder zurückzuwerfen. Ab 364 n.Chr. musste sich die britische Flotte dann ständig mit ihnen auseinandersetzen, da sie nun auch begannen von See her anzugreifen.

 
Rekonstruktion einer spätrömischen navis lusoria im Museum für antike Schiffahrt in Mainz.

Diese Überfälle erreichten 367 n.Chr einen dramatischen Höhepunkt. Da wirksame und rasche Hilfe aus dem übrigen Imperium nicht zu erwarten war, befestigte man die gefährdesten Küstenabschnitte und Flußmündungen Britanniens noch zusätzlich mit aus Stein erbauten Kastellen oder baute schon vorhandene um. Der Limes der sog. "Sachsenküste" war laut Notitia Dignitatum (Occ. XXVIII) ein eigener Militärbezirk unter dem Kommando des Comes litoris Saxonici per Britanniam (Graf der Sachsenküste in Britannien) der neben Infanterie- und Kavallerieabteilungen auch Einheiten der CB unter seinem Kommando hatte. Erste Signalstationen, Kastelle und befestigte Häfen hatte Carausius bereits 286 n.Chr. errichtet und man hatte daher auf seinen Vorleistungen aufbauen können. Auch Vegetius, ein Chronist der seine Werke am Ende des 4. Jhdt. verfasste, erwähnt, dass zu dieser Zeit die Provinzflotte noch im vollem Umfang existierte (Epit 4.37). Er beschreibt getarnte Ruderschiffe die u.a. zur Aufklärung eingesetzt wurden und so Invasion und Infiltration verhindern sollten.

Um das Pikten- und Scotenproblem (barbarico conspiratio) dauerhaft zu entschärfen, entschloss sich Kaiser Valentinian I mit Hilfe der Kanalflotte 367 n.Chr. von Bononia aus eine Interventionsarmee unter dem Befehl des Magister militum Theodosius nach Rutupiae (Richborough) überzusetzen. Seine Kriegsschiffe bekämpften danach auch noch erfolgreich die Sachsen.

Über das weitere Schicksal der CB ist mangels schriftlicher Quellen nichts mehr bekannt.

Schiffstypen und -namen der CB

Zumeist Liburnen, mit einer Trireme (Dreiruderer) als Flaggschiff.

  • Ammillia Augusta Felix (?)
  • Pacatrix Augusta (?)
  • Radians (Trireme)

Flottenstützpunkte

Hauptstützpunkt bis 296 n.Chr.: Portus Itius (später Gesoriacum , das spätantike Bononia heute; Boulogne, Frankreich) Hauptstützpunkt ab da: Rutupiae (auch: Portus Ritupis; Richborough, England)

  • Alauna (Maryport, England)
  • Anderitum (Pevensey bei Eastbourne, England)
  • Branodunum (Brancaster, England)
  • Camboglanna (Birdoswald, England; Marinedepot ohne Hafen)
  • Castra Exploratorum (Netherby, Marinedepot ohne Hafen)
  • Clanoventa (Ravenglass, England)
  • Clausentum (Bitterne bei Southampton, England)
  • Cramond (bei Edinburgh am Firth of Forth, England)
  • Deva (Chester, England)
  • Dubrae (auch Portus Dubris; Dover, England)
  • Gariannonum (Burgh Castle bei Great Yarmouth, England)
  • Glevum (Gloucester, England)
  • Isca Silurum (Caerleon bei Newport, England)
  • Lemanae (auch: Portus Lemanis; Lympne, England)
  • Londinium (London, England)
  • Petuaria (auch Pretorio; Brough-on-Humber, England; wahrscheinlich der Vorhafen zu Eburacum (York))
  • Pons Aelius (Newcastle, England; Hafenfort an der Mündung des Tyne)
  • Portus Magnus (Portsmouth, England)
  • Regulbium (Reculver, England)
  • Segontium (Caernarvon, England)
  • Condivincum (später: Portus Namnetum genannt; Nantes, Frankreich)
  • Portus Ulterior (Ambieteuse, Frankreich)
  • Venetae (später Dariorigum genannt; Vannes, Frankreich)

Befehlshaber

Mehrere Präfekten der Flotte sind uns durch Inschriften bekannt:

  • Marcus Maenius Agrippa, nach 130 n. Chr.
  • Lucius Aufidius Pantera, um 140 n. Chr.
  • Sextus Flavius Quietus, um 150 n. Chr.
  • Quintus Baienus Blassianus, um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr.
  • Titus Varius Priscus, Datierung unsicher

Literatur

  • Georg Alexander Rost, Helmut Flashar: Vom Seewesen und Seehandel in der Antike: eine Studie aus maritim-militärischer Sicht, Veröffentlicht von John Benjamins Publishing Company, 1968, ISBN 9060323610, 9789060323618,
  • H.D.L. Viereck: Die Römische Flotte, Classis Romana, 1996, Köhlers Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg, ISBN 3-930656-33-7
  • Nick Fields: Rome’s Saxon Shore Coastal Defences of Roman Britain AD 250–500, Fortress 56, Osprey Books, Dezember 2006, ISBN 978-1-84603-094-9.