Misandrie

Ansicht, dass Frauen mehr Wert seien als Männer
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Misandrie (griech. μισανδρεία misandreia (Männerhass), aus Vorlage:Polytonisch misein (hassen) und Vorlage:Polytonisch anēr (Mann), Genitiv: Vorlage:Polytonisch andrós; als Begriff dem älteren der Misogynie nachgebildet) ist eine feindselige Haltung gegenüber Männern aufgrund ihrer männlichen Geschlechtsmerkmale. Sie wird als eine Form von Sexismus betrachtet. Misandrie ist nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern anzutreffen.

Begriffsverwendung

Im Gegensatz zur Misogynie gibt es zur Misandrie kaum explorative Studien. Die Existenz von Misandrie als gesellschaftliches Phänomen und als Äquivalent zur „Misogynie“ ist wissenschaftlich umstritten, da strukturelle Misogynie in der Gesellschaft auf Grundlage patriarchaler Strukturen betrachtet werde. Inwieweit diese auch zu einer strukturellen Misandrie führen, ist bisher nicht erforscht.

Studien wie Judith Levines My Enemy, My Love. Men-Hating and Ambivalence in Women’s Lives befassen sich mit Männerhass bei Frauen. Levine wiederum wird kritisiert, weil sie Männerhass teilweise als verständliche Reaktion auf Misshandlungen durch Männer rechtfertige. Einige Autoren, die Misandrie als kollektives Problem in der Gesellschaft bewerten, sehen vor allen im Feminismus die Ursache. Dieser wird als „kollektives kulturelles Phänomen“ (Levine) bezeichnet, welches Kulturen so wirksam durchdringt, dass er kaum wahrnehmbar und zur Verdrängung sowie unkritischer Reflexion führe (Nathanson/Young).

Vor allem von der Männerrechtsbewegung werden verschiedene Erscheinungsformen von Männerhass und Männerdiskriminierung behauptet, die sich in den Feldern Gleichbehandlung, Lebenserwartung und Gesundheit, Häusliche Gewalt, Jungenarbeit, Diffamierung, Wehr- und Ersatzdienst, Scheidung und Sorgerecht, Berufswahl, Wissenschaftskritik, Behandlung von Müttern und Vätern vor Gericht in Scheidungsfragen, Vaterschaft, Frauengleichstellungen, finanzielle Situation von Männern in Teilzeitstellen, Zielgruppen der Frauenförderung, Lehrstühle an Universitäten und in der Beschneidung von Männern widerspiegelten. Hierzu liegen einige wissenschaftliche Studien, Fakten und Aussagen vor, die eine vorherrschende Misandrie in den jeweiligen Bereichen bestätigen, etwa die Studie von Prof. Amendt über die Männerbenachteiligung oder die als misandristisch zu verstehende langjährige Praxis der Richters Ulrich Vultejus, der grundsätzlich Männer härter als Frauen bestrafte. Auch die durch keine anderen sozialen oder ethnischen Faktoren erklärbare Relation im Geschlechterverhältnis von Kapitalverbrechen zu Todesstrafen in den USA lasse auf Misandrie schließen.

Medienwissenschaft

2001 gaben Paul Nathanson und Katherine K. Young die dreiteilige Untersuchung „Spreading Misandry: Teaching Contempt for Men in Popular Culture“ heraus. Sie beklagten darin eine in den Medien verbreitete Misandrie. Den Autoren wird von feministisch orientierten Soziologen wie beispielsweise Michael Kimmel vorgeworfen, aufgrund ihrer betont anti-feministischen Grundhaltung wesentliche Erkenntnisse der Geschlechts- oder Genderforschung vernachlässigt zu haben. Die beiden Religionswissenschaftler räumten ein, dass ihre Untersuchung nicht auf einer wissenschaftlichen Methode basierte, forderten aber, dass eine umfangreiche Studie mit der Fragestellung von Misandrie in den Medien durchgeführt werden müsste.

Jim R. Mcnamara legte 2006 eine solche Studie vor.[1]

Empirische Forschung

Vorurteilsforschung

Psychologische Forschungen ergaben, dass auf der Vorurteilsebene Zuschreibungen existieren, die von Männern erwartet werden. Eine Studie im Jahre 2001, die vom alltäglichen modernen Sexismus ausging, untersuchte sowohl Frauen als auch Männer als Betroffene von zwischenmenschlichem Sexismus. Es zeigte sich, dass Männer vor allem von Rollenzuschreibungen betroffen sind, jedoch keiner der in der Studie befragten Männer gab an (im Gegensatz zu Frauen), sich ernsthaft davon betroffen zu fühlen, auf einen (geschlechtsspezifschen) Objektstatus reduziert zu werden. [2]

Institutionalisierte oder strukturelle Diskriminierung

Feministisch orientierte Soziologen wenden ein, dass bislang keine der Frauenfeindlichkeit entsprechende Strukturelle Diskriminierung von Männern empirisch belegt werden konnte. Vermeintlich institutionalisierte Benachteiligungen von Jungen seien beispielsweise in einer kanadischen[3] Schulforschungsstudie auf vielerlei Ursachen zurückgeführt worden(Soziale Benachteiligung, Orientierung an Männlichkeitsnormen). Es „erfahren Männer keine systematische Diskriminierung allein aufgrund der Tatsache, dass sie Männer sind“, so der kanadische Soziologe und Co-Forscher der Studie, Jean-Claude St-Amant, in einem umstrittenen[4] Dokumentarfilm des Fernsehsenders ARTE. Er kritisierte damit den seiner Meinung nach simplen Umkehrschluss einiger Männerrechtsgruppen, dass, wenn Frauen in der Gesellschaft systematisch benachteiligt würden, dies auch automatisch auf Männer zutreffen müsse.[5] In diesem Zusammenhang ist es nach seiner Auffassung wichtig, zwischen schulischer Leistung, Bildungserfolg und sozialem Erfolg zu unterscheiden, die schulischen Leistungen von Mädchen spiegelten sich nicht in sozialem Erfolg von Frauen wieder.[6] Nach Auffassung vieler feministisch orientierter Soziologen zielt der Diskurs um die Benachteiligung von Jungen und Männern in Wahrheit darauf ab, den Feminismus zu bekämpfen und für Frauen erreichte Fortschritte rückgängig zu machen (backlash).[7]

In der Soziologie werden derzeit hauptsächlich mit dem Konzept der „hegemonialen Männlichkeit“ (Raewyn Connell) die Situation von Männern und Konstruktionen verschiedener Männlichkeiten erforscht. Es wird davon ausgegangen, dass es nicht den Mann oder die Männlichkeit gibt, sondern verschiedene in Machtbeziehung zueinander stehende Männlichkeiten. Insofern wird auch nicht eine generelle Männerfeindlichkeit untersucht, sondern die Abwertung spezifischer Männlichkeiten. In der Diskriminierungsforschung wird unterschieden zwischen additiver und intersektioneller Diskriminierung. Für die Frage, ob Misandrie in spezifischen Fällen vorliegt ist also zu differenzieren, ob beispielsweise die Abwertung eines Migranten in Deutschland additiv vorliegt (erst Rassismus, dann Misandrie) oder ob eine intersektionelle Abwertung stattfindet (Abwertung nicht-deutscher Männer).

Rezeption

Der deutsche Kultur-Soziologe Rainer Paris konstatiert in seinem ideologiekritischen Essay Doing Gender eine alles durchdringende Kultur des Misstrauens, die das Verhältnis zwischen Männern und Frauen nachhaltig vergiftet habe. Nach dem Motto, Frauen seien grundsätzlich die besseren Menschen, sei aus dem berechtigten Anspruch nach gleichen Chancen schlicht Rassismus geworden. Behindert durch feministische Scheuklappen würden die unterschiedlichsten männlichen Verhaltensformen (Höflichkeit, Flirt etc.) zu männlichen Angriffen und Unterwerfungsstrategien uminterpretiert, was eine emotionale Verwüstung im Privat- und Intimleben erzeuge.

Die Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing sprach von „Männern als den neuen geheimen Opfern im Sexkrieg“ als sie im August 2001 in einem Interview mit der britischen Zeitung „The Guardian“ eine „denkfaule und heimtückische Kultur“, die sich im Feminismus breit gemacht hätte und die darauf hinauslaufe, auf Männer einzudreschen, kritisierte: „Ich bin zunehmend schockiert über die gedankenlose Abwertung von Männern, die so sehr Teil unserer Kultur geworden ist, dass sie kaum noch wahrgenommen wird. Es ist Zeit, dass wir uns fragen, wer eigentlich diese Frauen sind, die ständig die Männer abwerten. [...] Die Männer scheinen so eingeschüchtert zu sein, dass sie sich nicht wehren. Aber sie sollten es tun.“[8]

Literatur

  • R. Howard Bloch; Frances Ferguson (eds.): Misogyny, Misandry, and Misanthropy (University of California Press, 1989)
  • Jürgen Budde: Bildungs(miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten bei Jungen/männlichen Jugendlichen (BMBF) Berlin, Bonn 2008
  • Martin van Creveld: Das bevorzugte Geschlecht (Gerling Akademie Verlag, 2003)
  • Warren Farrell: Women Can’t Hear What Men Don’t Say. Destroying Myths, Creating Love (Jeremy P. Tarcher, 2000)
  • Judith Levine: My Enemy, My Love. Men-Hating and Ambivalence in Women’s Lives (Doubleday, 1992)
  • Paul Nathanson; Katherine K. Young: Spreading Misandry: Teaching Contempt for Men in Popular Culture (McGill-Queen’s University Press, 2001)
  • Paul Nathanson; Katherine K. Young: Legalizing Misandry: From Public Shame to Systemic Discrimination Against Men (McGill-Queen’s University Press, 2006)
  • Ann Phoenix / Stephen Frosh (2005): Hegemoniale Männlichkeiten. Männlichkeitsvorstellungen und -ideale in der Adoleszenz. In Vera King / Karin Flaake (Hrsg.): Männliche Adoleszenz. Frankfurt/Main.
  • Jean-Claude St-Amant:Les garçons et l’école, Les éditions Sisyphe 2007

Einzelnachweise

  1. J. R. Mcnamara (2006): Media and Male Identity. The Making and Remaking of Men
  2. Janet K. Swim / Lauri L. Hyers / Laurie L. Cohen / Melissa J. Ferguson: Everyday Sexism: Evidence for Its Incidence, Nature, and Psychological Impact From Three Daily Diary Studies - Statistical Data Included, in: Journal of Social Issues, 2001 (Frühjahrsheft) [1]
  3. Jean-Claude St-Amant:Les garçons et l’écoleLes éditions Sisyphe 2007[2]
  4. taz vom 22.03.2005 [3]
  5. Jean-Claude St-Amant, zitiert nach: « Masculinisme »  : petit historique, /Quand_20des_20p_C3_A8res_20se_20vengent/Le_20masculinisme/813720.html, zitiert nach: Marie-Noël Arsenault et Émilie Saint-Pierre: "Le masculinisme, ou comment faire reculer les femmes" in Á babord. Revue sociale et politique, [4]
  6. Pierrette Bouchard et Jean-Claude Saint-Amant: "La réussite scolaire des filles et l’abandon des garçons : un enjeu à portée politique pour les femmes", Recherches féministes, vol. 6, n° 2, 1993, p. 21-37 [5]
  7. z.B. Pierrette Bouchard et al, 2003 in School Success by Gender: A Catalyst for the Masculinist Discourse [6]
  8. [[7]](„[...] Doris Lessing claimed that men were the new silent victims in the sex war, "continually demeaned and insulted" by women without a whimper of protest. Lessing, who became a feminist icon with the books ´The Grass is Singing´ and The Golden Notebook´´, said a "lazy and insidious" culture had taken hold within feminism that revelled in flailing men [...].“ ([[8]])