Alfred North Whitehead

britischer Philosoph und Mathematiker
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Alfred North Whitehead (* 15. Februar 1861 in Ramsgate; † 30. Dezember 1947 in Cambridge (Massachusetts)) war ein britischer Philosoph und Mathematiker.

Alfred North Whitehead

Leben

Whitehead war der jüngste von vier Kindern eines anglikanischen Pfarrers, der ihn auch bis zum Alter von 14 Jahren unterrichtete. 1879 gewann er ein Stipendium für das Trinity College in Cambridge, wo er 1880 mit dem Studium der Mathematik begann. Er hörte u.a. bei Arthur Cayley und George Gabriel Stokes. Bei den „Tripos“ (den nicht nur für eine mathematische Karriere entscheidenden schriftlichen, sehr kompetitiven Mathematik-Prüfungen in Cambridge) 1883, für die er sich bei dem bekannten Tutor Edward Routh vorbereitete, wurde er Vierter (Fourth Wrangler). 1884 wurde er Fellow und Assistant Lecturer und 1888 Lecturer, obwohl er kaum publizierte. Ab 1891 arbeitete er an einem Buch über „Universal Algebra“ (worunter er so unterschiedliche Systeme wie die von George Boole, William Rowan Hamilton´s Quaternionen und Hermann Grassmanns Kalkül verstand), das 1898 erschien. 1894 wurde er Prüfer bei den Tripos und 1903 Senior Lecturer. Ab 1890 war er auch der Lehrer von Bertrand Russell, als dieser in Cambridge zu studieren begann, und ihre Zusammenarbeit an den „Principia Mathematica“ begann wahrscheinlich Ende 1900. Anlass war ihr Besuch des Internationalen Mathematikerkongresses in Paris 1900, wo sie mit der Arbeit von Giuseppe Peano über die Grundlagen der Mathematik bekannt wurden. Whitehead gab für die Zusammenarbeit zwar seine Arbeit am geplanten zweiten Band seiner Universellen Algebra auf, publizierte dafür aber 1906 bzw. 1907 Bücher über Axiome der projektiven bzw. darstellenden Geometrie und eine Einführung in die Mathematik 1911 (An introduction to mathematics), die ziemlich populär wurde. Die drei Bände der Principia Mathematica erschienen 1910, 1912 und 1913.

1910 gab Whitehead seine Position in Cambridge auf und ging nach London. Äußerlicher Anlass war der Verlust der Fellowship seines Freundes Andrew Russell Forsyth, weil dieser eine Affaire mit der Frau des Physikers C. V. Boys angefangen hatte. Whitehead hatte vergeblich für einen Verbleib am Trinity College gekämpft. In London erhielt er erst 1914 eine Professur (für Angewandte Mathematik) am Imperial College. 1924 nahm er eine Professur für Philosophie in Harvard an, wo er bis zu seiner Emeritierung 1937 blieb.

In den 1910er Jahren begann er sich auch für Physik zu interessieren, die damals durch die Relativitätstheorie revolutioniert wurde. 1922 erschien sein „The Principle of Relativitiy“. Seine Spätphilosophie begann mit der Veröffentlichung von Vorlesungen in den USA „Science and the Modern World“ (1925). 1929 erschien sein Hauptwerk „Process and Reality“.

Er war seit 1890 verheiratet und hatte drei Kinder, von denen ein Sohn 1918 als Flieger auf einer Patrouille starb. In den 1890er Jahren überlegte er einen Übertritt zum katholischen Glauben, nahm dann aber Abstand davon und wurde Agnostiker, nach eigenen Worten beeinflusst durch den raschen Fortschritt in der Physik und ihre Abkehr vom Newtonschen Weltbild.

Sein Bruder Henry Whitehead war anglikanischer Bischof in Madras und Vater des Mathematikers J. H. C. Whitehead.

Ehrungen

1903 wurde Whitehead als Mitglied („Fellow“) in die Royal Society aufgenommen, die ihm 1925 die Sylvester-Medaille verlieh. 1922 erhielt er den James-Scott-Preis der Royal Society of Edinburgh. 1931 wurde er in die British Academy gewählt. 1945 erhielt er die Order of Merit. Er erhielt zahlreiche Ehrendoktorwürden, unter anderem von Harvard, Yale und Montreal.

Werk

Whitehead beschäftigte sich mit Logik, Mathematik, Wissenschaftstheorie und Metaphysik. Sein bekanntestes Werk sind die Principia Mathematica (Grundlagen der Mathematik), die er zusammen mit Bertrand Russell geschrieben hat. Darin wird der – vor Gödels Unvollständigkeitssatz noch für möglich gehaltene – Versuch unternommen, die gesamte Mathematik entsprechend dem Hilbertprogramm auf möglichst wiederspruchsfreie Axiome zu reduzieren.

In der Philosophie ist Whitehead durch seine Entwicklung der „Process Philosophy“ bekannt geworden, die er insbesondere in seinem 1929 erschienenem Werk Prozess und Realität beschrieb. Liberale Theologen und Philosophen wie Charles Hartshorne entwickelten aus ihr die „Process Theology“, welche von einigen liberalen christlichen und jüdischen Schülern und Laien als gültiger Weg zum besseren Verständnis von Gott akzeptiert wurde.

Whitehead ist einer der wichtigsten Vertreter des Panpsychismus im 20. Jahrhundert.

2006 fand in Salzburg die 6. Internationale Whitehead Conference statt.

Werke

  • Alfred North Whitehead, The concept of nature, Cambridge Univ. Press, 1920
  • Alfred North Whitehead, Adventures of Ideas (33 Edition), Free Press, 1985, trade paperback, ISBN 0029351707, dt. Abenteuer der Ideen, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2000 ISBN 3518290983
  • Alfred North Whitehead, Introduction To Mathematics (48 Edition), Oxford University Press, 1990, trade paperback, 191 pages, ISBN 0195002113
  • Alfred North Whitehead, Lucien Price, Caldwell Titcomb, Sir Ross David, Dialogues of Alfred North Whitehead (A Nonpareil Book), 2001, trade paperback, 400 pages, ISBN 1567921299
  • Alfred North Whitehead, Function of Reason (58 Edition), Beacon Press, 1971, trade paperback, ISBN 0807015733, dt. Die Funktion der Vernunft, Stuttgart: Reclam, 1974
  • Alfred North Whitehead, Modes of Thought, Simon & Schuster, 1985, trade paperback, 179 pages, ISBN 002935210X
  • Alfred North Whitehead and Bertrand Russell, Principia Mathematica to 56, Cambridge University Press, 2002, trade paperback, ISBN 0521626064
  • Alfred North Whitehead, Alfred North Griffin, David Ray and Donald W. Sherburne, Process and Reality: An Essay in Cosmology, Free Press, 1979, trade paperback, ISBN 0029345707, dt. Prozeß und Realität: Entwurf einer Kosmologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 4. Auflage 1987, ISBN 3518282905
  • Alfred North Whitehead and Judith A. Jones, Religion in the Making, Fordham University Press, 1996, hardcover, ISBN 0823216454; trade paperback, ISBN 0823216462, Wie entsteht Religion?, ISBN 3518284479
  • Alfred North Whitehead and Talcott Parsons, Science and the Modern World, Simon & Schuster, 1997, trade paperback, 212 pages, ISBN 0684836394, dt. Wissenschaft und moderne Welt, Frankfurt am Main, 1988 ISBN 3518283537
  • Alfred North Whitehead, Symbolism, Its Meaning and Effect: Barbour-Page Lectures, University of Virginia, 1927, Fordham University Press, 1985, trade paperback, 88 pages, ISBN 082321138X, dt. Kulturelle Symbolisierung, Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2000, ISBN ISBN 3-518-29097-5
  • Alfred North Whitehead, The Aims of Education and Other Essays, Free Press, 1985, trade paperback, ISBN 0029351804

Literatur

  • Ernest Wolf-Gazo: Whitehead. Einführung in seine Kosmologie. Reihe: Kolleg Philosophie. Alber, Freiburg / München 1980. ISBN 3-495-47428-5
  • Friedrich Rapp und Reiner Wiehl: Whiteheads Metaphysik der Kreativität. Internationales Whitehead-Symposium Bad Homburg 1983. Alber, Freiburg / München 1986. ISBN 3-495-47612-1
  • Michael Hauskeller: Alfred North Whitehead zur Einführung, Hamburg: Junius, 1994, ISBN 3885068958
  • Michael Hampe: Alfred North Whitehead, C.H.Beck (Oktober 1998)