Mackenroth-These

volkswirtschaftliche These zu den Sozialausgaben
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Als Mackenroth-These wird die folgende von Gerhard Mackenroth 1952 formulierte Behauptung bezeichnet:

"Nun gilt der einfache und klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein "Sparen" im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand."

Die Mackenroth-These ist keineswegs unumstritten. Sie spielte in den 1950er Jahren eine Rolle in der Diskussion über eine große Sozialreform der Bundesrepublik Deutschland, in deren Folge 1957 das Rentenversicherungssystem von der kapitalgedeckten "Sparrente" auf das Umlageverfahren umgestellt wurde. Größere Popularität erlangte das Mackenroth-Theorem wieder im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Agenda 2010 und weitere Reformvorschläge im sozialen Bereich seit Ende der 1990er Jahre.

Benennung

Winfried Schmähl (siehe Literatur) hat darauf hingewiesen, dass die These bereits 1939/1940 von Theodor Bühler, damals im Arbeitswissenschaftlichen Institut der DAF beschäftigt, aufgestellt wurde. Mackenroth habe der These aber zu größerer Bekanntheit verholfen, weswegen sie bereits früh als „Mackenrothsche These“ bezeichnet wurde.

Aus Sicht der Befürworter folgt aus der Mackenroth-These, dass die finanzielle Abwicklung eines Rentensystems (z.B. Umlage - oder kapitalgedecktes System) einfach nur möglichst preiswert sein sollte, um die maximale Rendite zu gewährleisten.

Die Finanzierung eines kapitalgedeckten Rentensystems sei i. a. teurer als ein staatliches Umlageverfahren. Typischerweise liegen die Verwaltungskosten z. B. in Deutschland sowohl beim staatlichen Rentensystem als auch bei einer privaten Lebensversicherung bei ca. 4% der Einzahlungen. Bei der Lebensversicherung kommen aber noch Vertriebskosten und Eigenrenditen der Versicherung hinzu, sodass die Gesamtkosten etwa bei 10 bis 12% liegen. Auf der Basis dieser Begründung wäre ein staatliches Umlageverfahren aus Kostengründen einem kapitalgedeckten privaten Rentensystem vorzuziehen.

Kritik

Die Mackenroth-These wird in Bezug auf den Güterkreislauf und unter der Annahme, dass kein Außenhandelsüberschuss vorliegt, grundsätzlich nicht bestritten. Soweit sei sie auch schon bei Adam Smith und John Stuart Mill zu finden. Finanzwirtschaftlich sei nach Meinung einiger Wirtschaftswissenschaftler ein Transfer von Leistungen in die Zukunft sehr wohl möglich, sofern die Zunahme der Nettoersparnis auch eine Zunahme der Nettoinvestitionen in Sachkapital nach sich ziehe (was von John Maynard Keynes bestritten wurde).

Korrekt sei, dass grundsätzlich kein System überleben kann, wenn die Ausgaben die Einnahmen über einen längeren Zeitraum überschreiten. Die Kapitaldeckung stabilisiere jedoch bei demographischen Umschwüngen die Gerechtigkeit zwischen den Generationen eher; vor allem sei sie weniger anfällig für politische Fehlentscheidungen, die das Umlageverfahren durch falsche Verhaltensanreize (z.B. Frühverrentung) in finanzielle Krisen stürzen können.

Einige Kritiker wenden auch ein, dass im Kapitaldeckungsverfahren mehr gespart würde, der Kapitalstock also größer sei und damit auch das Volkseinkommen. Dagegen wurden empirische Beobachtungen aufgestellt, nach denen die Sparquote in beiden Systemen sehr ähnlich sei.

Zudem sei, so Kritiker, die Betrachtungsweise des Theorems verkürzt; für eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung müsse berücksichtigt werden, dass die Versicherten schon aufgrund der Ansprüche, die sie auf Leistungen in der Zukunft haben, in der Gegenwart andere wirtschaftliche Entscheidungen treffen.

Viele sind der Ansicht, dass der Unterschied zwischen Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren oft übertrieben werde. Entscheidender als die geringen wirtschaftlichen Unterschiede sei für die Wahl des Systems, welchen Gerechtigkeitsbegriff man zugrunde legt. Wird als Gerechtigkeit verstanden, dass jeder ungefähr das erhalten soll, was er eingezahlt hat, sei das Kapitaldeckungsverfahren vorzuziehen; gelte dagegen als gerecht, dass jeder auch im Rentenalter den sozialen Status erhält, den er sich bis zum Renteneintritt erarbeitet habe, sei das Umlageverfahren besser geeignet.

Literatur

  • Gerhard Mackenroth: Die Reform der Sozialpolitik durch einen deutschen Sozialplan. in: Schriften des Vereins für Socialpolitik NF, Band 4, Berlin 1952
  • Bernhard Külp: Unterschiedliche Finanzierungssysteme der gesetzlichen Rentenversicherungen und ihr Einfluß auf die Verteilung zwischen den Generationen. in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 36. Jahrgang (1991), S. 35-54
  • Theodor Bühler: Deutsche Sozialwirtschaft. Stuttgart / Berlin 1940

u.a. dogmenhistorische Anmerkungen:

  • Winfried Schmähl: Über den Satz: „Aller Sozialaufwand muß immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden“. in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 26. Jahrgang (1981), S.147-171

Überblick zur Diskussion in den 50er Jahren:

  • Hans-Günther Hockerts: Sozialpolitische Reformbestrebungen in der frühen Bundesrepublik. Zur Sozialreform-Diskussion und Rentengesetzgebung 1953-1957. in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 25. Jahrgang (1977), S. 341-372