Misandrie

Ansicht, dass Frauen mehr Wert seien als Männer
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Misandrie (griech. μισανδρεία misandreia (Männerhass), aus Vorlage:Polytonisch misein (hassen) und Vorlage:Polytonisch anēr (Mann), Genitiv: Vorlage:Polytonisch andrós; als Begriff dem älteren der Misogynie nachgebildet) ist eine feindselige Haltung gegenüber Männern aufgrund ihres Geschlechts. Sie wird als eine Form von Sexismus betrachtet. Misandrie ist nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern anzutreffen.

Problemaufriss

Im Gegensatz zur Misogynie gibt es zur Misandrie bisher kaum explorative Studien: Es gibt, seit 2001, lediglich die Untersuchung von Paul Nathanson und Katherine K. Young („Spreading Misandry: Teaching Contempt for Men in Popular Culture“). Den Autoren wird von feministisch orientierten Soziologen vorgeworfen, aufgrund ihrer betont anti-feministischen Grundhaltung wesentliche Erkenntnisse der Geschlechts- oder Genderforschung vernachlässigt zu haben. Andere Studien wie Judith Levines My Enemy, My Love. Men-Hating and Ambivalence in Women’s Lives befassen sich mit Männerhass bei Frauen. Levine wiederum wird kritisiert, weil sie Männerhass teilweise als verständliche Reaktion auf Misshandlungen durch Männer rechtfertige.

Die Existenz von Misandrie als gesellschaftliches Phänomen und als Äquivalent zur „Misogynie“ ist wissenschaftlich umstritten, da strukturelle Misogynie in der Gesellschaft auf Grundlage patriarchaler Strukturen betrachtet werde. Inwieweit diese auch zu einer strukturellen Misandrie führen, ist bisher nicht erforscht. Autor(inn)en, die Misandrie als kollektives Problem in der Gesellschaft bewerten, sehen vor allem den Feminismus als Ursache. Dieser wird als „kollektives kulturelles Phänomen“ (Levine) bezeichnet, das die Kulturen so wirksam durchdringt, dass viele ihn kaum wahrnehmen und/oder verdrängen oder/und nicht kritisch reflektieren (Nathanson/Young).

Erscheinungsformen

Misandrie erscheint in verschiedenen Formen. In der auffälligsten hassen Misandrist(inn)en Männer als solche kategorial und definitorisch allein aufgrund ihrer Männlichkeit und beschimpfen sie, werden manchmal auch tätlich.

Auch wenn Geglaubtes nicht mit wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmt, beeinträchtigt dies seine Wirksamkeit keineswegs (Thomas-Theorem): nicht die Tatsachen selbst, sondern vielmehr die "Meinung über die Thatsachen" (Alexander von Humboldt) entscheiden. Dies trifft auch auf das männerfeindliche Weltbild von Frauen und Männern zu: „Das Beharren darüber, wie Männer so sind, kippte irgendwann ins bornierte Vorurteil und offenbarte eine erstaunliche Intoleranz“ befinden Autorinnen und beklagen: „Frauen (…), die sich für Superfrauen halten und in ständiger Empörungsbereitschaft sind, wenn es um Fehler der Männer geht.“ Psychologen des Kölner Marktforschungsinstituts Rheingold zufolge verursacht diese Erwartungshaltung des weiblichen Geschlechts aktuell eine handfeste Krise für Männer. Während diese „politisch korrekt auf die Bedürfnisse der Frauen eingehen müssten“, kämen ihnen die Frauen dabei nicht etwa hilfreich entgegen, sondern meldeten zurück, dass, egal wie die Männer sich verhielten, es immer „falsch“ wäre.

Der Militärhistoriker Martin van Creveld, der die seiner Ansicht nach bevorzugte Position von Frauen in der Gesellschaft historisch untersucht hat, vermutet, dass die unterschiedlichen Situationen in Entwicklung bzw. Vorhandensein eines „Frauenüberschusses“ im Sinne der Übervölkerungsthese und im allgemeinen Wohlstand in einzelnen Ländern liegen.

Soziologische Aspekte

Innerhalb der Soziologie konnte bislang keine der Frauenfeindlichkeit entsprechende Strukturelle Diskriminierung von Männern belegt werden. Vermeintlich institutionalisierte Benachteiligungen von Jungen wurden in einer englischen[1] und einer kanadischen[2] Schulforschungsstudie auf andere Ursachen zurückgeführt (Soziale Benachteiligung, Orientierung an Männlichkeitsnormen). Auf der Vorurteilsebene gebe es somit zwar Zuschreibungen, denen Männer zu entsprechen hätten, jedoch „erfahren Männer keine systematische Diskriminierung allein aufgrund der Tatsache, dass sie Männer sind“, so der kanadische Soziologe Jean-Claud St Amant. Er kritisierte damit den seiner Meinung nach simplen Umkehrschluss einiger Männerrechtsgruppen, dass, wenn Frauen in der Gesellschaft systematisch benachteiligt würden, dies auch automatisch auf Männer zutreffen müsse.[3] In der Soziologie werden derzeit hauptsächlich mit dem Konzept der „hegemonialen Männlichkeit“ (Raewyn Connell) Männlichkeiten erforscht. Es wird davon ausgegangen, dass es nicht den Mann oder die Männlichkeit gibt, sondern verschiedene in Machtbeziehung zueinander stehende Männlichkeiten. Insofern wird auch nicht eine generelle Männerfeindlichkeit untersucht, sondern die Abwertung spezifischer Männlichkeiten.

Der deutsche Kultur-Soziologe Rainer Paris konstatiert in seinem ideologiekritischen Essay Doing Gender eine alles durchdringende Kultur des Misstrauens, die das Verhältnis zwischen Männern und Frauen nachhaltig vergiftet habe. Nach dem Motto, Frauen seien grundsätzlich die besseren Menschen, sei aus dem berechtigten Anspruch nach gleichen Chancen schlicht Rassismus geworden. Behindert durch feministische Scheuklappen würden die unterschiedlichsten männlichen Verhaltensformen (Höflichkeit, Flirt etc.) zu männlichen Angriffen und Unterwerfungsstrategien uminterpretiert, was eine emotionale Verwüstung im Privat- und Intimleben erzeuge.

Literatur

  • R. Howard Bloch; Frances Ferguson (eds.): Misogyny, Misandry, and Misanthropy (University of California Press, 1989)
  • Jürgen Budde: Bildungs(miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten bei Jungen/männlichen Jugendlichen (BMBF) Berlin, Bonn 2008
  • Martin van Creveld: Das bevorzugte Geschlecht (Gerling Akademie Verlag, 2003)
  • Warren Farrell: Women Can’t Hear What Men Don’t Say. Destroying Myths, Creating Love (Jeremy P. Tarcher, 2000)
  • Judith Levine: My Enemy, My Love. Men-Hating and Ambivalence in Women’s Lives (Doubleday, 1992)
  • Paul Nathanson; Katherine K. Young: Spreading Misandry: Teaching Contempt for Men in Popular Culture (McGill-Queen’s University Press, 2001)
  • Paul Nathanson; Katherine K. Young: Legalizing Misandry: From Public Shame to Systemic Discrimination Against Men (McGill-Queen’s University Press, 2006)
  • Ann Phoenix / Stephen Frosh (2005): Hegemoniale Männlichkeiten. Männlichkeitsvorstellungen und -ideale in der Adoleszenz. In Vera King / Karin Flaake (Hrsg.): Männliche Adoleszenz. Frankfurt/Main.
  • Jean-Claude St-Amant:Les garçons et l’école, Les éditions Sisyphe 2007

Einzelnachweise

  1. "Es existieren wichtige Hinweise aus Großbritannien, dass Jungen aufgrund von Männlichkeitsnormen dazu tendieren, schulischen Erfolg und schulische Leistung eher negativ zu werten und dementsprechend als unmännlich und weiblich anzusehen", Jürgen Budde: Bildungs(miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten bei Jungen/männlichen Jugendlichen (BMBF) Berlin, Bonn 2008, S.43 [1] verwiesen wird auf Ann Phoenix / Stephen Frosh (2005): Hegemoniale Männlichkeiten. Männlichkeitsvorstellungen und -ideale in der Adoleszenz. In King, Vera/Flaake; Karin (Hrsg.): Männliche Adoleszenz. Frankfurt/Main.
  2. Jean-Claude St-Amant:Les garçons et l’écoleLes éditions Sisyphe 2007[2]
  3. Jean-Claude St-Amant, zitiert nach: « Masculinisme »  : petit historique, /Quand_20des_20p_C3_A8res_20se_20vengent/Le_20masculinisme/813720.html, zitiert nach: Marie-Noël Arsenault et Émilie Saint-Pierre: "Le masculinisme, ou comment faire reculer les femmes" in Á babord. Revue sociale et politique, [3]