Joakim Bonnier

schwedischer Sportwagen- und Formel-1-Rennfahrer
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Joakim 'Jocke' Bonnier (* 31. Januar 1930 in Stockholm, Schweden; † 11. Juni 1972, Le Mans, Frankreich) war ein schwedischer Sportwagen- und Formel-1-Rennfahrer, der als Mitbegründer der Fahrergewerkschaft (GPDA) entscheidenden Einfluss auf die Fahrsicherheit des Grand-Prix-Sports hatte.

Biographie

Jugend und Ausbildung

Als Erbe des schwedischen Publikationsimperium AB Bonniers geboren, hatten seine Eltern für ihn eine Ausbildung zum Mediziner vorgesehen. Doch seit dem Alter von fünf Jahren wollte er professioneller Rennfahrer werden. Das Wiederaufbauen von alten Harley Davidson-Motorrädern war mit dementsprechend mehr Spaß verbunden, als das Erledigen der Hausaufgaben oder das "Büffeln" des Prüfungsstoffes. Prompt war sein Abschlusszeugnis so schlecht, dass an ein Medizinstudium nicht mehr zu denken war. Nun sollte er nach dem Willen der Eltern Geschäftsmann werden. Bei seiner Banklehre zeigte er jedoch weder Talent noch jegliches Interesse, so dass sie ihn nun nach Paris zum Studium des Publikationswesens und Journalismus schickten.

War die Wahl des Studienorts schon prädestiniert für zahlreiche Ablenkungen, so förderte Vater Bonnier mit dem Kauf eines MG-Sportwagens ungewollt dessen ersten Schritt in den Motorsport. Eigentlich nur als Transfermobil in die schwedische Heimat gedacht, mißbrauchte "Jocke" den fahrbaren Untersatz alsbald, indem er sich zu einem 12-Stunden-Rennen anmeldete. Sein Debüt war eher beschämend, da er mitten auf einem Pariser Boulevard mit einem Jeep kollidierte, wobei der Wagen vollkommen zerstört wurde. Er selbst war noch glimplich mit einem Riss seiner Oberlippe davon gekommen. Um dies seinen Eltern gegenüber zu vertuschen, ließ er sich einen Oberlippenbart stehen.

Kaum in Stockholm angekommen, beschwerte sich die Familie, dass er nun wie ein französischer Gangster aussehe. Nachdem es allerdings nach der folgenden Rasur einen ganzen Tag dauerte, bis seine Familie dies registrierte, beschloss er sich nun einfach einen Bart wachsen zu lassen. Dieser stets sorgfältig gestutzte Bart sollte später zu seinem Markenzeichen werden und erklärt gleichermaßen den Spitznamen, den ihm die italienischen Rennfans gaben: "Barbita", der Bärtige.

Durch den obligatorischen Militärdienst 1950/51 an Bord des Küstenwachschiffs Prinzessin Victoria war an eine Fortsetzung seiner Motorsportkarriere erst einmal nicht zu denken. Danach eröffnete ihm die guten Beziehungen seiner Eltern die Möglichkeit, eine Autovertretung für Alfa Romeo zu eröffnen.

Beginn der Karriere

Sein offizielles Renndebüt feierte er 1953 bei einem Eisrennen auf dem Flattensee in der Nähe von Stockholm, wo er auf einem HRG weit abgeschlagen auf dem letzten Platz landete. Währenddessen florierte der Autohandel, sodass Bonnier bereits 1954 als Generalvertreter für Alfa in Schweden betrachtet wurde.

Im gleichen Jahr versuchte er beim Schwedischen Grand Prix, der zu diesem Zeitpunkt als ein Sportwagenrennen mit klassischem Le Mans-Start ausgetragen wurde, erneut sein Glück. Sein Start war gleichermaßen spektakulär wie katastrophal. In der Hektik legte er den Rückwärtsgang ein und zerstörte seinen Wagen bereits an der Boxenmauer.

Unverdrossen von diesen Misserfolgen versuchte Bonnier weiterhin sein Glück bei Eisrennen und Rallyes. Als ein Alfa-Vertragshändler war er jederzeit in der Lage, sich einen der Alfa Romeo Disco Volante-3,5-Liter-Sportwagen aus Werbegründen "auszuleihen". Auch wenn er nicht viel von einem klassischen Sportwagen hatte, war dieser Wagen ein reinrassiger Rennwagen, mit dem er endlich bessere Erfahrungen machen konnte.


Erste Schritte bei den Sportwagenrennen

Nach einem mehr durchwachsenen ersten Grand Prix von Finnland, konnte Joakim fortan bessere Ergebnisse in Skandinavien erzielen. Beim schwedischen Grand Preis von Kristianstad 1955 hatte er endlich seinen Durchbruch, als es ihm in der 2-Liter-Klasse gelang, sowohl Juan Manuel Fangio, Stirling Moss als auch Jean Behra hinter sich zu lassen und zu gewinnen. Nach diesem Erfolgserlebnis entschied sich der Schwede endgültig für eine Motorsportkarriere über den lokalen Rahmen hinaus.

Mit seinem Teamkollegen und Freund, dem US-Amerikaner Herbert MacKay-Fraser "tingelte" Joakim 1955/56 als "Zigeuner" - wie er es selbst nannte - die europäischen Sportwagenrennen entlang. Auf dem schwarz-gelb gestrichenen alten Bus, in dem sie ihren Wagen transportierten, stand mutig "Scuderia Bonnier". Dennoch hatten sie diverse Erfolge: In Aintree, auf der AVUS, in Castelfusano und auf dem Nürburgring erzielte man beachtliche Klassensiege. 1956 debütierte Bonnier auch als Werksfahrer für Maserati an der Seite Francisco Godia-Sales bei seinem Heim-Grand-Prix.

Per Zufall in die Formel 1

Ein Zufall brachte den nunmehr anerkannten Sportwagen-Rennfahrer in die Formel 1. Bonnier war nur als Starter für das GT-Rennen in Italien gemeldet, als er sich unerwarteter Weise plötzlich zum ersten Mal in seinem Leben im Cockpit eines Monopostos befand: Luigi Villoresi war eine Stunde vor dem Start erkrankt, stand zwar noch den Start und weitere drei Runden durch, musste alsbald aber das Steuer an Joakim abgeben. Dieser hatte noch nie zuvor in dem Wagen gesessen und verbrachte die nächsten vier Runden bis zu seinem Ausfall aufgrund eines Motorschadens mehr damit, in die kleinen Rückspiegel zu schauen, als das Fahrzeug beherrschen zu lernen.

In den folgenden beiden Jahren startete Bonnier bei Formel-1-Rennen auf Maserati 250 F für die Scuderia Centro Sud oder als Privatmann. Bei dem renomierten Sportwagenrennen in Reims erzielte er ebenfalls für die Marke mit dem Dreizack 1957 einen beeindruckenden Sieg, an dem er sich selbst jedoch nicht erfreuen konnte. Sein Freund MacKay-Fraser starb beim gleichen Rennen an den Folgen eines Todessturzes.

Ein großartiges Rennduell zwischen Bonnier und den Fahrern des BRM-Rennstalls im gleichen Jahr bei der International Trophy in Silverstone brachte eine erneute Wende seiner Karriere. Der verantwortliche Rennleiter bei BRM, Raymond Mays, interessierte sich sehr für eine Verpflichtung des Schweden, sodass dieser für die letzten Rennen der Formel-1-Saison 1958 unterschrieb.

Ausgerechnet beim Grand Prix von Marokko, bei dem Stuart Lewis-Evans auf tragische Weise seine tödlichen Brandverletzungen davontrug, erzielte Bonnier als Viertplatzierter die ersten Weltmeistermeisterschaftspunkte, die ein schwedischer Grand-Prix-Pilot jemals erzielen sollte.

Der einzige GP-Sieg

Im nächsten Jahr fand seine Karriere seinen Höhepunkt beim Großen Preis von Holland in Zandvoort, als der kapriziöse BRM auf den Punkt genau abgestimmt war. Im Gegensatz zum üblichen Wochenendgeschehen beim britischen Rennstall gab es kein einziges gravierendes technisches Problem. Joakim schien den Beobachtern in der Form seines Lebens zu sein, erzielte überlegen die Pole und schließlich nach harten Kampf gegen die von Stirling Moss, Jack Brabham und Masten Gregory gesteuerten Coopers auch seinen ersten Formel-1-Sieg für sich und auch sein Team. Selbst die Sorgen seiner Techniker, dass die Reifen ihn nicht über die Distanz getragen hätten, wurden "beruhigt", da die vom Öl einiger geplatzter Motoren rutschige Strecke den Piloten nicht ganz das erwartete hohe Tempo abnötigte. Doch im Verlauf der Saison konnten weder BRM noch "Jocke" an diesen Erfolg anknüpfen, da das ständige "Problemkind" der Rennserie wieder in seine Defektanfälligkeit zurück fiel. Ein fünfter Platz war das einzig beachtenswerte weitere Resulat der Formel-1-Saison 1959.

 
Formel-1-Porsche von 1962

Aus Treue blieb noch in der Formel-1-Saison 1960 bei dem britischen Team, um zu Porsche für den Zeitraum 61/62 zu wechseln. Hatte das deutsche Team glanzvolle Momente bei Renntagen, die nicht zum offiziellem WM-Kalender gehörten, so blieb ihnen und Bonnier in diesen Jahren in der WM der ganz große Erfolg versagt. Zwei Siege bei Formel 2-Klasserennen auf dem Nürburgring und in Modena war für ihn noch das versöhnlichste Ergebnis, sein Teamkollege Dan Gurney erzielt zumindest den einzigen GP-Sieg jener Porsche-Ära. Nach dem Rückzug der Zuffenhausener aus dem Formel-1-Zirkus absolvierte Joakim drei Jahre beim Team des Schotten Rob Walker, wo er Cooper und Brabham-Modelle pilotierte.

Seine Karriere erstreckte sich sogar bis in die 1970er-Jahre, wobei er sein altes Team BRM fast "überlebte", und konnte somit auf 102 Rennen in 16 Jahren Formel 1 zurückblicken. Ebenso viele Jahre wie Jack Brabham und nur von Ricardo Patrese (17) und Graham Hill (18) übertroffen. Doch während die anderen das Glück hatten, ihre Karriere weitestgehend in den vorderen Regionen des Klassements abzuschließen, verschwand Bonnier im Verlauf seiner Motorsportkarriere im Mittelfeld des Klassements als zeitweiliger Gast des Rennkalenders auf privat eingesetzten älteren Wagen.

Ende einer langen Formel-1-Laufbahn

Was ihn lange in der Formel-1-Serie verbleiben ließ, war sein unermüdlicher Einsatz als Mitbegründer der Fahrergewerkschaft und der daraus resultierenden Verbesserung der allgemeinen Sicherheitsbedingungen im Rennsport. Seinen letzten Einsatz verzeichnete er mit einem McLaren-Cosworth M7C 1971 und entschloss sich mit 41 Jahren auf die oben erwähnte ehrenamtliche Arbeit im GP-Rennsport zu beschränken. Von den Sportwagen, in denen er im Lauf der Jahre bedeutende Erfolge feiern durfte, konnte er jedoch nicht lassen.

Triumph und Unfalltod im Sportwagen

So hatte er 1960 mit Hans Herrmann und Graham Hill auf einem Porsche die Targa Florio gewonnen. 1962 entschied er das Rennen auf dem holprigen Flughafenkurs von Sebring, also das 12-Stunden-Rennen von Sebring für sich und 1963 konnte er seinen Sieg bei der Targa wiederholen. 1964 siegt er beim 12-Stunden-Rennen von Reims. Ein Sieg in Le Mans fehlte ihm jedoch in seiner Sammlung, obwohl er in dem letztgenannten Jahr immerhin einen zweiten Platz bei der Krone der Sportwagenrennen erringen konnte.

Mit 42 Jahren startete er am 1972 auf einem Lola-Cosworth T280 mit seinen Teamkollegen Gérard Larrousse and Gijs van Lennep zu einem erneuten Anlauf auf das 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Zum Beginn des Rennens konnte er sich bravorös nach vorne kämpfen und die Führung behaupten. Nach den üblichen Strapazen der durchfahrenen Nacht ereignete sich der Unfall gegen 8:00 Uhr am folgenden Sonntagmorgen, als er den Ferrari Daytona des schweizer Privatfahrers Florian Fetch überholen wollte, beim Anbremsen auf die Indianopolis Kurve. Um ihn vorbeizulassen bremste Fetch hart, was Bonnier missinterpretierte und ihn nach zweimaligen Spurwechseln mit dem Ferrari bei ca. 250 km/h kollidieren lies. Sein Lola wurde acht Meter in die Höhe katapultiert, schleuderte seinen Piloten aus dem Cockpit in die Pinien-Bäume und explodierte beim Bodenkontakt. Bonnier starb noch am Unfallort. Der hinter ihm fahrende Vic Elford nahm an, dass Bonnier aus Übermüdung die Fehlentscheidung getroffen habe.

Bonnier hinterließ sein Frau Marianne, eine Nichte Alfred Nobels, die er 1960 geheiratet hatte, und die Söhne Kim und Jonas.

Mit dem polyglotten Schweden verlor der Rennsport eine von vielen Kollegen geschätzten Fahrerpersönlichkeit, der man in vielen Punkten die Verbesserung der Fahrsicherheit verdanken konnte. Nach außen hin eher unnahbar, galt er in Fahrerkreisen als angenehmer und charmanter Gesellschafter. Der vielleicht letzte echte "Herrenfahrer" hatte zudem eine Tradition begründet, die bei Sportlern aller Länder sich heute einer großen Beliebtheit erfreut: Längst bevor es Mode wurde, verlegte er Mitte der 1960er-Jahre seinen Wohnsitz aus Steuergründen nach Lausanne in die Schweiz. Dort hatte er amerikanische Automobilvertretungen und eine Kunstgalerie eröffnet. Außerdem arbeitete er als Importeur der englischen Rennwagen aus dem Hause Lola.