Wissenschaft
Wissenschaft bezeichnet
- den Bestand des Wissens einer Zeit
- den Erwerb neuen Wissens mit wissenschaftlichen Methoden.
Wissenschaftler erwerben neues Wissen durch Forschung, dokumentieren es in Veröffentlichungen und vermitteln es in der Lehre weiter.
Wissenschaftliche Methode
Wissenschaft ist eine Methode zum Wissenserwerb. Ziel der wissenschaftlichen Methode ist es, ausgehend von einer oder mehreren Hypothesen eine tragfähige Theorie zu entwickeln.
Kriterien für wissenschaftliches Arbeiten
Wissenschaftliche Arbeit muss besondere Kriterien erfüllen:
Wissenschaftliche Ergebnisse werden ausführlich dokumentiert. Dafür gibt es Standards, die die Nachvollziehbarkeit aller Teilschritte der Schlussfolgerungen sicher stellen sollen. Wichtig ist dabei auch eine ausführliche Dokumentation verwendeter Quellen und die Berücksichtigung des aktuellen Standes der Forschung auf einem Gebiet. Dadurch werden Forschungsergebnisse vergleichbar und ein inhaltlicher Fortschritt in einem Fachgebiet erst möglich. Forschungsarbeiten beziehen sich aufeinander. Sie stützen, widerlegen oder verfeinern vorhandene Theorien.
Ein wichtiges Prinzip jeder ernsthaften Wissenschaft ist die Skepsis im Sinne einer kritischen Haltung gegenüber eigenen wie fremden Ergebnissen und Thesen. Wissenschaftliches Wissen unterscheidet sich von doktrinärem Wissen dadurch, dass beim doktrinärem Wissen offene oder subtile Machtmittel zur Durchsetzung von Behauptungen benutzt werden und Hinterfragung durch einzelne unerwünscht ist, während wissenschaftliches Wissen zumindest prinzipiell von jedem durch den Gebrauch des eigenen Verstandes und eigener Erfahrung eigenständig überprüft werden kann. Auf die gleiche Weise kann wissenschaftliches Wissen auch von Offenbarungswissen abgegrenzt werden. Offenbarungswissen, welches etwa durch innere Erkenntnis einzelner zustandekommt, kann durch andere nicht eigenständig überprüft werden und ist somit nicht wissenschaftlich.
Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnis
Wissenschaftliche Erkenntnis wird in folgenden Schritten gewonnen (in manchen Wissenschaften ist nur ein Teil der aufgezählten Schritte durchführbar):
- Beobachtung von Phänomenen
- Sammeln und Ordnen von Material
- Aufstellen von Hypothesen und Modell-Erstellung
- Prüfung der Hypothesen des Modells durch Experimente, Tests, Versuche
- Bestätigung oder Widerlegung der Hypothesen
- Veröffentlichung der Ergebnisse, um sie von anderen überprüfen zu lassen
- Veränderung, Erweiterung oder Verwerfen des Modells, je nach Ergebnis der Tests und der Kritik
- Im Falle der Bestätigung Entwicklung einer fundierten Theorie, die gewisse Kriterien erfüllen muss
- Solange die Theorie nicht falsifiziert wird, kann sie als wissenschaftliche Erkenntnis gelten
Kriterien eines wissenschaftlichen Experiments
- Objektivität (Intersubjektive Überprüfbarkeit): Ein Experiment ist objektiv, wenn verschiedene Forscher unter den selben Bedingungen die selben (End-)Ergebnisse erzielen.
- Reliabilität (Zuverlässigkeit): Ein Experiments ist reliabel, wenn es bei wiederholter Anwendung unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse liefert, die Ergebnisse also reproduzierbar sind.
- Validität (Gültigkeit): Ein Experiment ist gültig, wenn sichergestellt ist, dass andere, nicht beobachtete Eigenschaften keinen Einfluss auf das Ergebnis haben.
- Standardisierung und Vergleichbarkeit: Ergebnisse eines Experiments sind nur dann vergleichbar, wenn sie bestimmten, vorher festgelegten Standards genügen.
Anforderungen an eine wissenschaftliche Theorie
- Zirkelschlussfreiheit
- innere Konsistenz (Widerspruchsfreiheit)
- äußere Konsistenz - Widerspruchsfreiheit in Bezug auf andere anerkannte Theorien
- Erklärungswert - bislang ungeklärte Sachverhalte können durch die Theorie erklärt werden
- Empirische Überprüfbarkeit
- sparsame Erklärung
- Falsifizierbarkeit: Eine Theorie muss so formuliert werden, dass sie Voraussagen trifft, die prinzipiell durch ein Experiment widerlegt werden könnten. Nicht falsifizierbare, also experimentell nicht widerlegbare Theorien gelten nach diesem Kriterium als unwissenschaftlich.
Wissenschaftstheorie
Als Begründer der modernen wissenschaftlichen Methode gilt Francis Bacon. Im 20. Jahrhundert hat sich unter Anderen Karl Popper als Begründer des kritischen Rationalismus in der Wissenschaftstheorie einen Namen gemacht; das Kriterium der Falsifizierbarkeit, ursprünglich von Popper formuliert, hat sich als Qualitätsmerkmal seriöser Wissenschaft weitgehend durchgesetzt, es dient der Unterscheidung von Wissenschaft und Pseudowissenschaft bzw. Glaubenslehren.
Insbesondere die Kritik T.S. Kuhns an der von Popper dargelegten Wissenschaftsentwicklung führte allerdings zu diversen Weiterentwicklungen des Falsifikationsbegriffes in der neueren wissenschaftheoretischen Entwicklung. Zu nennen wären hier etwa die von Imre Lakatos entwickelte Sichtweise der Wissenschaft als das Verfolgen komplexer Forschungsprogramme oder der - neben anderen - von Joseph D. Sneed entwickelte wissenschaftstheoretische Strukturalismus.
Philosophisch steht dahinter ursprünglich der kritische Rationalismus, der eine Theorie nur dann als wissenschaftlich anerkennt, wenn sie falsifizierbar (das heißt prinzipiell widerlegbar, siehe oben) ist. Abgesehen davon, dass komplexe Theorien im allgemeinen nicht verifizierbar sind, würde Verifizierbarkeit allein - ohne gleichzeitge Falsifizierbarkeit - nicht ausreichen, um eine Theorie als wissenschaftlich einzustufen. Erst die Falsifizierbarkeit garantiert, dass eine Theorie Einschränkungen über mögliche experimentelle Resultate macht, und damit überhaupt eigentliche Information über die uns empirisch zugängliche Welt enthält. Der kritische Rationalismus wurde und wird von seinen Gegnern zuweilen auch als "Falsifikationismus" bezeichnet und wird insbesondere unter dieser Bezeichnung im Gegensatz zu anderen philosophischen Denkrichtungen gesehen (siehe unten).
Der Konstruktivismus geht in seiner Ablehnung noch weiter und lehnt die These des Falsifikationismus ab, dass laufende Veränderung von falsifizierten Thesen eine asymptotische Annäherung an die Wirklichkeit brächten.
Der Relativismus sieht wissenschaftliche Paradigmen sogar als Sache des Glaubens an, die jeweils nur innerhalb einer bestimmten Wissenschafts-Kultur als wahr oder falsch gelten könnten.
Wissenschaftliche Einrichtungen
Ein großer Teil wissenschaftlicher Arbeit findet traditionell an Universitäten statt. Doch auch Akademien, privat finanzierte Forschungsinstitute und die Industrie finanzieren die Tätigkeit vieler Wissenschafter. Mit staatlicher Förderung stellen auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) oder anderer Träger den Max-Planck-Instituten, der ESA, dem CERN und anderen Groß-Forschungsprojekten die notwendigen Ressourcen zur Verfügung. In Österreich entsprechen der DFG die Forschungsfonds FWF und FFF in der Schweiz und Frankreich die Nationalen Forschungsfonds. Andere Fonds werden z.B. von Großindustrien oder dem Europäischen Patentamt dotiert.
Der für Wissenschafter so zentrale Austausch mit anderen Forschern erfolgt durch Wissenschaftliche Veröffentlichungen und bei Fachkonferenzen, bei Kongressen der internationalen Dachverbände und scientific Unions (z.B. IUGG, COSPAR, IUPsyS, ISWA, SSRN) oder der UNO-Organisation. Auch Einladungen zu Seminaren, Institutsbesuchen, Arbeitsgruppen oder Gastprofessuren spielen eine Rolle. Von grosser Bedeutung sind auch Auslandaufenthalte und internationale Forschungsprojekte.
Wissenschaftliches Arbeiten in der Gesellschaft
Wissenschaftliches Arbeiten dient der Vermittlung von Kulturgut, das sich über Jahrtausende entwickelt hat, der Grundlagenforschung, der Weiterentwicklung bestehender Ergebnisse, der Gewinnung neuer Erkenntnisse und auch der Suche nach neuen Technologien.
Als menschliches und gesellschaftliches Handeln werden Inhalte, Methoden und Ziele der Wissenschaft stets auch von außerwissenschaftlichen Faktoren beeinflusst, damit angefangen, dass berufsmäßige Wissenschaftler zum Erwerb ihres Lebensunterhalts auf Zuwendungen der Gesellschaft, der Wirtschaft oder spezieller Gruppierungen angewiesen sind.
Die Kommunikation der Wissenschaftler untereinander und mit der Gesellschaft gewährt Inspiration und Kritik, ist insofern eine essentielle Voraussetzung für produktive Forschung, kann aber auch in gemeinsamem Irrtum bestärken; nicht zuletzt deshalb werden wichtige Ergebnisse zuweilen von wissenschaftlichen Außenseitern erzielt. Gemeinsame Begeisterung für aktuelle Themen kann die Form einer wissenschaftlichen Mode annehmen.
Für interdisziplinäre Forschung wurden in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von (Forschungs-)Instituten geschaffen, in denen industrielle und universitäre Forschung zusammenwirken. Zum Teil verfügen Unternehmen aber auch über eigene Forschungseinrichtungen, in denen Grundlagenforschung betrieben wird.
Die Weitergabe wissenschaftlicher Erkenntnisse kann propädeutisch erfolgen.
Kritik an der Wissenschaft
Die "Disziplin" der Marginalistik parodiert die Methoden und die Infrastruktur der Wissenschaft. Berühmt für ihre Wissenschaftsparodien sind The Journal of irreproducible results (www.jir.com) und The Annals of improbable research (www.improb.com).
Wissenschaft und Religion
Heftige Kritik an der Gültigkeit wissenschaftlicher Theorien entzündet sich in manchen Zeitepochen an Widersprüchen zu religiösen Überlieferungen und Dogmen.
In den Naturwissenschaften ist das wohl facettenreichste Beispiel die Kreationismus-Debatte um eine Vereinbarkeit von biblischer Schöpfungsgeschichte mit Theorien der Kosmologie oder der Evolutionsbiologie. Die Thematik ist heute durch die Biblische Hermeneutik weitgehend gelöst. Ein älteres Beispiel ist der Umgang der katholischen Kirche mit Galileo Galileis öffentlichem Abrücken vom geozentrischen Weltbild.
In den Geisteswissenschaften stoßen manche historisch-kritischen Analysen von Bibel- und anderen heiligen Büchern auf Kritik. Insbesondere, wenn die aufgrund neuerer Quellenlage oder früherer Übertragungsfehler überarbeiteten Glaubenstexte im Widerspruch zur dogmatisch akzeptierten Version des Glaubenstextes stehen.
Da für den Gläubigen das Dogma per definitionem wahr ist, wird mancher einseitige Kritiker die wissenschaftliche Theorie abtun und den dogmatischen Lehrsatz unreflektiert aufrechterhalten. Im Fundamentalismus (z.B. des Islam) haben wörtliche Auslegungen heiliger Texte eine hohe Priorität.
Eine differenziertere Form der Kritik akzeptiert die wissenschaftliche Methode weitgehend und übernimmt ihre Fachbegriffe. Bisweilen werden im philosophisch-religiösen Bereich Ausnahmen von wissenschaftlichen Kernprinzipien (wie Reproduzierbarkeit, Falsifizierbarkeit) eingefordert oder Kernbegriffe anders definiert.
Meistens lösen sich aber Widersprüche zwischen naturwissenschaftlich und religiös begründeten Aussagen dadurch, dass sie verschiedene Ebenen betreffen. So thematisiert die Schöpfungsgeschichte der Bibel das Verhältnis zwischen Gott, Welt und Mensch, aber nicht die Wissenschaft von der sichtbaren Natur (siehe auch biblische Exegese und Hermeneutik).
Wissenschaftsgläubigkeit
Die Kritik richtet sich gegen die Verwendung von Wissenschaft als "Ersatzreligion" (Szientismus), ein Kennzeichen ist der Glaube an Naturgesetze. Wissenschaftliche Theorien, die nach dem modernen Wissenschaftsbegriff falsizierbar (widerlegbar) sind, werden als unanfechtbare Gewissheiten angesehen. Es wird kritisiert, dass manche Wissenschaftler die Welt ausschliesslich durch die Brille ihrer bevorzugten wissenschaftlichen Theorien sehen. Beobachtungen, die mit ihnen nicht vereinbar scheinen, werden ausgeblendet; im Extremfall führt das zur Fälschung von Experimenten, um eigene Theorien zu schützen. In der gemäßigten Form erklärt diese Neigung, am eigenen Weltbild festzuhalten, manche Verzögerung, mit der sich neue Paradigmen in der Wissenschaft durchsetzen können. Auch wird kritisiert, wenn Wissenschaftsgläubige den Aufwand eigener sorgfältiger wissenschaftlicher Arbeit scheuen und sich an Autoritäten orientieren.
Elfenbeinturm
Die Kritik richtet sich gegen den Rückzug der Wissenschaft in ihren sprichwörtlichen Elfenbeinturm. Die Kritiker nehmen die Wissenschaft als schwer nachzuvollziehendes Gedankengebäude wahr, das nur noch Eingeweihten verständlich ist. Bei den Naturwissenschaften verstellt Mathematik den Zugang, bei den Geisteswissenschaften eine unverständliche Fachsprache. Obwohl sich viele Menschen für wissenschaftliche Fragestellungen und populärwissenschaftlich aufgearbeitete Ergebnisse interessieren, wird die eigentliche wissenschaftliche Arbeit als unverständlich wahrgenommen. Die Kritiker erleben Wissenschaftler entweder als Rationalisten, die ohne Bezug zur sinnlichen Erfahrung (Empirie) komplizierte Modelle entwickeln, als übertrieben skeptische Wissenschaftsgläubige, als Bürokraten eines unüberschaubaren akademischen Apparats oder als Diener der Wirtschaft oder des Staates.
Ethik wissenschaftlichen Handelns
siehe Hauptartikel Wissenschaftsethik
Einteilung der Wissenschaften
Eine allgemeingültige Einteilung der Wissenschaften kann es nicht geben, jegliche Einteilung der Wissenschaften ist letztendlich willkürlich und nicht 'beweisbar'. Es existieren deshalb verschiedene Systematiken (siehe zum Beispiel die Dewey Decimal Classification). Frühere Autoren sprachen von einem Baum der Wissenschaft.
Viele Disziplinen stellen eine Mischung verschiedener Fachgebiete dar und entziehen sich deshalb einer eindeutigen Zuordnung. Als Beispiel sei hier die Wirtschaftsinformatik genannt, die neben einem Kern eigener Inhalte unter anderem auch Teile aus Informatik, Mathematik, Wirtschaftswissenschaften und Kommunikationswissenschaften enthält.
- Automatisierungstechnik
- Bauingenieurwesen und Architektur
- Elektrotechnik
- Feinwerktechnik
- Maschinenbau
- Vermessungswesen
- Anthropologie
- Demografie
- Ethnologie
- Politologie
- Psychologie
- Sozialpsychologie
- Rechtswissenschaft
- Soziologie
- Sportwissenschaft
- Musikwissenschaften
- Kunstgeschichte, Kunstwissenschaften
- Sprach- und Literaturwissenschaften
- Pädagogik
- Geschichte
Literatur
- Ludwig Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 2002. ISBN 3518279122 (Original auf deutsch 1935)
- Karl R. Popper: Logik der Forschung, Tübingen (Mohr-Siebeck) 2002. ISBN 3161478371
Siehe auch
- Wissenschaftliches Arbeiten: Fachsprache, Wissenschaftliche Methode, Wissenschaftlichkeit, Ockhams Rasiermesser, Korrespondenzprinzip
- Klassifizierung der Wissenschaftsgebiete: Liste der Fachgebiete, Universelle Dezimalklassifikation
- Teilgebiete: Angewandte Wissenschaft, Humanwissenschaft, Agrarwissenschaft
- Abgrenzung: Betrug und Fälschung in der Wissenschaft, Pseudowissenschaft, Parawissenschaft
- Gesellschaftlicher Rahmen: Forschungsfreiheit, Forschungsprojekt
- Wissenschaftsgeschichte: Europäische Wissenschaftsgeschichte, Wissenschaft in der DDR, Wissenschaft in der Sowjetunion, Wissenschaft in den USA
Weblinks
- wissenschaftliche Methode
- Bekannte wissenschaftliche Zeitschriften:
- Spektrum der Wissenschaft
- Bild der Wissenschaft
- Science (englischsprachig)
- Wissenschaftstheorie
- Wissenschaft im Internet
- Wissenschaft, Technik und Ethik: Interdisziplinäre Vortragsreihe an der TU Clausthal
- Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Januar 1998
- http://www.wissenschaft-im-dialog.de/fit.php4