Ludolf Kuchenbuch

deutscher Historiker und Musiker
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Ludolf Kuchenbuch (* 6. Juni 1939 in Schneidemühl, heute Piła) ist ein deutscher Historiker und Jazzmusiker.

Leben

Sein Vater ist der wissenschaftliche Angestellte Freidank Kuchenbuch, seine Mutter Hilde Kuchenbuch, geb. Kruckenberg. Nach dem Besuch der Volksschulen in Stendal, Lübeck-Eicholz und Wohltorf wechselte er zur Sachsenwald-Oberschule in Reinbek in Stormarn. Nach dem Abitur absolvierte er seinen Wehrdienst in Neumünster.

Mit dem Sommersemester 1960 nahm er in München das Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik auf, wechselte zum Wintersemester 1961/62 an die Freie Universität Berlin, nun mit den Fächern Geschichte, Germanistik und Philosophie (als Nebenfach). Während des Hauptstudiums arbeitete er als Tutor im Friedrich-Meinecke-Institut. Im Februar 1968 schloss er die Erste Staatsprüfung ab. Statt jedoch danach sein Referendariat zu beginnen, zog er es vor bei Prof. Hans Quirin als studentische Hilfskraft in der Abteilung Historische Landeskunde am Friedrich-Meinecke Institut zu arbeiten. In dieser Zeit heiratete Kuchenbuch, die Ehe daurte bis 1974.

1970/71 arbeitete er bei Prof. Fritze als Promotionsstipendiat der Freien Universität an seinem Promotionsthema. 1971-76 war er wissenschaftlicher Assistent für mittelalterliche Sozial- und Wirtschaftsgeschchte am Institut für Geschichtswissenschaft der Technischen Universität unter Anleitung von Prof. Pitz. Er arbeitete auf der Grundlage des Prümer Urbars über die Bauern im Herrschaftsumfeld der Abtei Prüm im 9. Jahrhundert, und wagte dabei als einer der ersten einen umfassenden sozialgeschichtlichen Ansatz. Am 26. April 1976 wurde er an der Freien Universität mit summa cum laude promoviert. Am 7. November 1979 heiratete er die Schwedin Ylva Eriksson, am 3. März des folgenden Jahres wurde ihr erster Sohn geboren, eine Woche nach seiner Habilitation der zweite.

Bis zu seiner Habilitation über bäuerliche Nachbarschaftsverhältnisse im 14. Jahrhundert im Jahre 1983 (Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn im 14. Jahrhundert) war er Assistent an der TU Berlin, zunächst im Rahmen einer Assistenzprofessur, dann einer Hochschulassistenz. Sein Aufgabengebiet war die „mittelalterliche Wirtschafts- und Sozialgeschichte, mit besonderer Berücksichtigung geschichtstheoretischr und -didaktischer Probleme“. Am 20. Juni 1983 wurde das Habilitationsverfahren abgeschlossen, seine Lehrbefugnis bezog sich auf das Fach Mittelalterliche Geschichte. Danach wurde er Lehrbeauftragter, schließlich Privatdozent.

Am 14. Mai 1984 ging er als Konservator ans Bayerische Nationalmuseum in München, vertrat parallel Prof. K. Schulz am Meinecke-Institut. 1985 nahm er einen Ruf als Professor für „Ältere Geschichte“ an die Fernuniversität Hagen an, wo er bis zu seiner Emeritierung 2004 tätig war.

Schwerpunkte seiner historischen Forschungsarbeit sind die Geschichte des bäuerlichen Wirtschaftens im Mittelalter, die Geschichte der Arbeit, Feudalismustheorien und die Geschichte der Schriftlichkeit (z.B. über Kerbhölzer, des Ordnungsverhaltens, aber auch „Notizen zur ›Notation‹ im Amateurjazz der sechziger und siebziger Jahre“) sowie die Abfallgeschichte. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Historische Anthropologie“ und der Reihe „Historische Studien“.

Daneben ist Kuchenbuch als Saxophonist in der Jazzszene aktiv. Seit Mitte der 1970er Jahre gehörte er zur Westberliner Jazzrock-Band Os Mundi, später auch zum Berlin Jazz Workshop Orchestra. Mit Klaus Henrichs und Raimund Rilling bildete er 1977 das Trio Ohpsst, das auch mit John Tchicai und Ekkehard Jost spielte, von der Free Music Production aufgenommen und 2006 mit Rilling und George Maclean wiederbelebt wurde.

Werke (Auswahl)

  • Feudalismus - Materialien zur Theorie und Geschichte, hgg. zus. mit B. Michael, Frankfurt/Berlin/Wien 1977, 779 S.
  • Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert. Studien zur Sozialstruktur der Familia der Abtei Prüm (Beiheft der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschchte 66), Wiesbaden 1978, 443 S.
  • /B. Michael, Zur Periodisierung des europäischen Feudalismus. Überlegungen und Fragen, in: Gesellschaftsformationen in der Geschichte, Berlin 1978, 130-149
  • /K. Herbers, Konjunktur und Mentalität - Beobachtungen zur französischen Mediävistik, in: lendemains 4/16 (1979) 25-42
  • ‚Finden ist nicht veerboten‘ - Probleme einer marxistischen Geschichtstheorie am Beispiel der ‚vorkapitalistischen Produktionsweisen‘, in: J. Rüsen/E. Süssmuth (Hg.), Theorien in der Geschchtswissenschaft, Düsseldorf 1980, 95-117
  • Bäuerliche Ökonomie und feudale Produktionsweise. Ein Beitrag zur ‚Welt-System‘-Debatte aus mediävistischer Sicht, in: Perspektiven des Weltsystems. Materialien zu E. Wallerstein ‚Das Moderne Weltsystem‘, Hg. Berliner Institut für vergleichende Sozialforschung, Frankfurt 1982, 112-141
  • Probleme der Rentenentwicklung in den klösterlichen Grundherrschaften des frühen Mittelalters, in: Benedictine Culture, Löwen 1983, 132-172
  • Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn im 14. Jahrhundert, Habil. TU Berlin 1983, 350 S.
  • ‚Bäuerliches Genus im frühen Mittelalter‘ In: Stephan H. Pfürtner (Hg.): Wider den Turmbau zu Babel. Disput mit Ivan Illich. Reinbek 1985, 131-146
  • Trennung und Verbindung im bäuerlichen Werken des 9. Jahrhunderts. Eine Auseinandersetzung mit Ivan Illichs Genus-Konzept, in: Frauen in der Geschichte VII, Hg. W. Affeldt/A. Kuhn, Düsseldorf 1986, 227-243
  • Abfallpräsentation im Freilichtmuseum? Historisierende Vorbemerkungen, in: Freilichtmuseum und Sozialgeschichte, Hg. K. Bedal/H. Heidrich, Bad Windsheim 1986, 122-137
  • ‚Säuisches Wirtschaften‘ auf dem Land als Problem der Volksaufklärung, in: Jahrbuch für Volksunde 1987, 27-42
  • Zur Entwicklung des Feudalismus-Konzepts im Werk von Karl Marx, in: Probleme des Feudalismus in Europa, Hg. F. Irsigler/A. Guerreau (Trierer Historische Forschungen), 80 S.
  • Die Klostergrundherrschaft im Frühmittelalter. Eine Zwischenbilanz, in: Prinz, Herrschaft und Kirche, Stuttgart 1988, 297-343
  • Abfall. Eine stichwortgeschichtlche Erkundung, in: Mensch und Umwelt in der Geschichte, Hg. J. Rüsen/J. Callies/M. Striegnitz, Pfaffenweiler 1989, 257-276
  • ‚Adel‘, in: Das Fischer Lexikon. Geschichte, Hg. Richard van Dülmen, Frankfurt 1989, 105-120
  • ‚Seigneurialisation‘ - Marc Blochs Lehre im Lichte heutiger Forschung und Diskussion, in: Marc Bloch aujourd'hui. Histoire comparée et Sciences sociales, Hg. H. Atsma/A. Burguière, Paris 1990, 349-361
  • Notizen zur ‚Notation‘ im Amateurjazz dr Sechziger und Siebziger Jahre, in: E. Jost (Hg.), Darmstädter Jazzforum 89, Beiträge zur Jazzforschung, Hofheim 1990, 161-189
  • /Thomas Sokoll, Vom Brauch-Werk zum Tauschwert. Überlegungen zur Arbeit im vorindustriellen Europa, in: Sozialphilosophie der industriellen Arbeit, Hg. H. König u. a., 1990, 26-50
  • Mühsal, Werk, Kunst, Lohn - Zur ‚Arbeit‘ im mittelalterlichen Ruhrgebiet, in: Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet, Hg. F. Seibt u.a., Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen, Bd. 2, Esen 1990, 103-110
  • Schriftlichkeitsgeschichte als methodischer Zugang: das Prümer Urbar 893 - 1983, in: Einführung in die Ältere Geschichte, Hagen 1990
  • Verrechtlichung von Erinnerung im Medium der Schrift (9. Jahrhundert), in: Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung, Hg. A. Assmann/D. Hardt, Frankfurt 1991, 36-47
  • Opus feminile - das Geschlechterverhältnis im Spiegel von Frauenarbeiten im früheren Mittelalter, in: Weibliche Lebensgestaltung im früheren Mittelalter, Hg. H. - W. Goetz, Köln u.a. 1991, 139-175
  • ‚Arbeit‘ und ‚Gesellschaft‘ vom späten 10. zum frühen 12. Jahrhundert. Bemerkungen anhand vorwiegend urbarialer Überlieferung nördlich der Alpen, in: Das 11. Jahrhundert - eine Wende? hg. Cinzio Violante/Johannes Fried
  • Grundherrschaft im früheren Mittelalter (Historisches Seminar, N. F. Bd. 1), Idstein 1991, 280 S.
  • Bene laborare - Zur Sinnordnung der Arbeit, ausgehend vom capitulare de villis, in. Von aufbruch und Utopie. Perspektiven einer neuen Gesellschftsgeschihte des Mittelalteres (FS Ferdinand Seibt zum 65. Geburtstag), Hg. B. Lundt/H. Reimöller, Köln u. a. 1992, 337-352
  • Karl der Große und die ‚Wörter‘
  • zahlreiche Beiträge zu den Studienmaterialien der FernUniversität Hagen, wie dem Einführungskurs Ältere Geschichte, Grundkurs Ältere Geschichte, Grundherrschaft im früheren Mittelalter, Alteuropäische Schriftkultur
  • ‚Elevatis ad celum manibus et oculis‘ – Gebärden und Gebaren in den Miracula Sancti Annonis von 1184, in: Frömmigkeit. Formen, Geschichte, Verhalten, Zeugnisse. Lenz Kriss-Rettenbeck zum 70. Geburtstag, hg. von Ingolf Bauer, Deutscher Kunstverlag o.O. 1993, 27-44
  • Kerbhölzer in Alteuropa - zwischen Dorfschmiede und Schatzamt, in: The Man of Many Devices, Who Wandered Full Many Ways. Festschrift in Honor of János M. Bak. hg. v. Balázs Nagy und Marcell Sebök, Budapest 1999, 303-325
  • /Uta Kleine (Hg.), Textus im Mittelalter. Komponenten und Situationen des Wortgebrauchs im schriftsemantischen Feld, Göttingen 2005