Belastung (Psychologie)

psychisches Belastungs- und Druckgefühl, das das Risiko von Schlaganfällen, Herzinfarkten, Geschwüren und psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Verschlimmerung einer bereits bestehenden Erkrankung erhöhen kann
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Psychische Belastung ist nach der Norm DIN EN ISO 10075[1] „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“ Gemäß dieser Norm kann auch von mentaler Belastung[2] geprochen und damit eine Assoziation psychischer Belastung mit psychischen Krankheiten vermieden werden. Anwendbar ist weiterhin die Norm DIN EN ISO 9241 für Arbeit am Bildschirm[3]. In Abhängigkeit von der Art der Belastung und den individuellen psychischen Voraussetzungen kann die Beanspruchung sowohl schädlich wie auch anregend wirken. Anregende Beanspruchungen können langfristig zur persönlichen Entwicklung und Gesunderhaltung beitragen. Schädliche Beanspruchung wird als Fehlbelastung bezeichnet und kann zur Ermüdung und zu psychosomatischen Erkrankungen führen. Wenn die Beeinträchtigung starken Einfluss auf die Psyche der Person ausübt und diese über einen längeren Zeitraum anhält, nennt man diese Belastung Stress.

Mit psychischer Belastung verbundene Arbeitssituation
(Illustration von Henry Holiday aus Lewis CarrollsThe Hunting of the Snark“ )

Belastungssituationen

Belastungssituationen können erfüllend sein oder als unerwünscht abgewehrt werden. Es können Situationen der Fremdbestimmung und Unterordnung sein. Psychische Belastung kann sowohl mit Erfolg wie mit Versagen verbunden sein. Am schwersten zu bewältigen sind psychische Belastungen, die Folge unumkehrbarer Verluste sind.[4]

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz

Bedeutung psychischer Belastungen

Psychische Belastungen entwickeln sich seit Jahren zu einem ernst zu nehmenden Thema in der Arbeitswelt. Allein bei den Männern stieg der Anteil psychischer Belastungen zwischen 1994 und 2003 um 82 Prozent an, so das Ergebnis einer im Mai 2005 vom Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) vorgelegten Studie[5]. Auch die jährlichen Berichte[6] an den Bundestag zum Berufskrankheitengeschehen zeigen, dass der Anteil der psychischen Belastungen unter allen gesundheitlichen Belastungen am Arbeitsplatz zunimmt.

Bereiche der psychischen Belastung

Nach DIN EN ISO 10075 sind beeinträchtigende Folgen psychischer Arbeitsbelastung in den folgenden Bereichen zu vermeiden: Aufgaben und Tätigkeiten, Arbeitsmittel, Arbeitsumgebung, Arbeitsorganisation und zeitliche Organisation der Arbeit. DIN EN ISO 9241 beschränkt sich nicht nur auf die technischen Apekte der Bildschirmarbeit und anderer Mensch-Maschine-Schnittstellen, sondern in der Norm wird auch der Erhalt sozialer Kontakte, die Vermeidung eines unangemessenen Zeitdrucks und die Förderung des Wohlbefindens thematisiert.[7]

Gefährdungsbeurteilung und Mitbestimmung

Psychische Belastungen müssen nach dem Arbeitsschutzgesetz in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Die Gefährdungsbeurteilungen beschreiben dabei nicht individuelle psychische Befindlichkeiten und insbesondere nicht psychopathologische Befindlichkeiten von Arbeitnehmern, sondern psychische Belastungen, die von Arbeitsprozessen und Arbeitsumgebungen ausgehen. Betriebsräten steht dabei ein volles Mitbestimmungsrecht zu (Bundesarbeitsgericht in Beschlüssen[8] vom 8. Juni 2004). Da es bei der Umsetzung des Arbeitsschutzes gerade im Bereich der psychischen Belastung sehr weite Ermessensspielräume gibt, sind die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Betriebsräte in diesem Bereich besonders weitgehend. Voraussetzung für die Anfertigung einer Gefährdungsbeurteilungen ist nicht erst das Vorliegen einer konkreten Gefährdung, denn eine Gefährdung, die nach dem Arbeitsschutzgesetz vermieden werden soll, tritt bereits dann ein, wenn die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an deren Ausmaß oder deren Eintrittswahrscheinlichkeit besteht.[7]

Hindernisse

Das Vorantreiben des Arbeitsschutzes im Bereich psychischer Belastungen ist eine besondere Aufgabe und Verpflichtung von Arbeitgebern, Betriebsräten[9] und den Behörden des Arbeitsschutzes. Welche Hindernisse sich Arbeitnehmervertretungen und Behörden dabei entgegenstellen, wird in einem „Positionspapier“[10] der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände deutlich. Die Hauptangriffspunkte sind im Fazit des Papiers zusammengefasst. Die „Komplexität“ und das „Faccettenreichtum“ erschwere Gefährdungsbeurteilungen, die auch nur notwendig seien, wo Gefährdungen vorlägen. Arbeitgeber seien nicht für die individuelle psychische Verfasstheit und psychische Belastungen außerhalb des Arbeitslebens verantwortlich. Eine Zunahme psychischer Belastungen gäbe es nicht, sondern die Fortschritte im Bereich anderer Gefährdungen führe zu mehr Aufmerksamkeit für psychische Belastungen. Weitere Angriffspunkte werden im Positionspapier an verschiedenen Stellen aufgeführt: Die Kompetenz für den Arbeitsschutz läge vorwiegend in der Hand der Arbeitgeber, die Kompetenz von Behörden, Krankenkassen und Gewerkschaften wird teilweise in Frage gestellt. Psychische Belastungen haben positive und in „Einzelfällen“ negative Auswirkungen. Die Praktikabilität von Verfahren zur Erfassung psychischer Belastungen und die ISO Norm 10075 werden in Frage gestellt. Bezweifelt wird insbesondere der hohe Grad an Mitbestimmung[7], den Betriebsräte beanspruchen.

Individuelle Sofortmaßnahmen

Eine schnell umzusetzende Sofortmaßnahme im Umgang mit schädlichen psychischen Belastungen ist für individuell betroffene Arbeitnehmer das rechtzeitige Gespräch mit einer Person ihres Vertrauens, insbesondere mit Familienangehörigen und dem Hausarzt. Im Betriebsrat, soweit vorhanden, finden betroffene Arbeitnehmer Ansprechpartner beispielsweise in den Ausschüssen, die sich mit dem Arbeitsschutz und mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf befassen.

Einzelnachweise

  1. DIN EN ISO 10075, Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastungen
  2. Im Englischen ist der Titel für die Norm DIN EN ISO 10075 „Ergonomic Principles Related To Mental Workload“
  3. BAG: Beschluss 1 ABR 4/03 vom 8. Juni 2004: „Nach § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung hat der Arbeitgeber bei dieser Beurteilung bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen.“
  4. Christian Bourion: Emotional Logic and Decision Making: The Interface Between Professional Upheaval and Personal Evolution, 2004, ISBN 978-1-4039-4508-2 (Original: La logique emotionnelle, 2. Ausgabe 2001, ISBN 978-2-7472-0236-7)
  5. Wissenschaftliches Institut der AOK: Psychische Erkrankungen führen immer häufiger zur Arbeitsunfähigkeit (PDF), 10. Mai 2005
  6. Bundestagsdrucksachen: Psychische Belastung im Berufskrankheitengeschehen
  7. a b c Jens Gäbert, Brigitte Maschmann-Schulz: Mitbestimmung im Gesundheitsschutz, 2. Auflage, 2008, ISBN 978-3-7663-3870-9
  8. BAG: Mitbestimmung beim Gesundheitsschutz, 1 ABR 13/03 und 1 ABR 4/03, 8. Juni 2004
  9. Martin Resch, Andreas Blume: Tausendmal diskutiert und doch ist nichts passiert (zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung), BIT Bochum, Computer Fachwissen Nr. 2/2004 und 3/2004 (Der Artikel berücksichtigte noch nicht das über die dort dargestellte Rechtsposition sogar hinausgehenden Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 8. Juni 2004, demzufolge Gefährdungsbeurteilungen auch ohne Vorliegen konkreter Gefährdungen psychischer Belastungen zu erstellen sind.)
  10. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber: Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit 2005, ISBN 978-3-938349-05-2

Literatur

  • Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Psychische Belastung und Beanspruchung im Berufsleben. Erkennen - Gestalten., 2002, ISBN 3-88261-431-5
  • Doyle, Christine: Work and Organizational Psychology. An Introduction with Attitude., Kapitel 4: A Study of Stress: Design of Environments and of Work 2003, ISBN 978-0415208727
  • Enzmann, D., & Kleiber, D.: Helfer-Leiden: Stress und Burnout in psychosozialen Berufen. Heidelberg: Roland Asanger Verlag 1989.
  • Europäische Norm EN ISO 10075-1.: Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung. Teil 1: Allgemeines und Begriffe: DIN Deutsches Institut für Normung e.V., 2000.
  • Hauß, F.: Arbeitsbelastung und ihre Thematisierung im Betrieb, Berlin 1983. ISBN 3-593-33161-6
  • Krause, A.: Lehrerbelastungsforschung - Erweiterung durch ein handlungspsychologisches Belastungskonzept, in: Zeitschrift für Pädagogik, 49(2), 2003, S. 254-273.
  • Erich Latniak / Anja Gerlmaier: Zwischen Innovation und täglichem Kleinkrieg (Belastungssituation von IT-Beschäftigten), IAT-Report 2006-04, ISSN 1619-1943
  • Andreas Hillert und Michael Marwitz: Die Burnout Epidemie. Oder brennt die Leistungsgesellschaft aus?, München: Beck 2006. ISBN 3406535895
  • Satzer, R., Geray, M.: Stress - Psyche - Gesundheit, das START-Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsbelastungen, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-7663-3683-5

Siehe auch