Als Self-Organizing Maps, Self-Organizing Feature Maps, selbstorganisierenden Karten oder Kohonennetze (nach Teuvo Kohonen) bezeichnet man eine Art von künstlichen neuronalen Netzen. Die SOMs (vgl. Bachelier (1998: 11ff), Kohonen (1995), Ritter et al. (1991: 67ff)) sind als unüberwachtes Lernverfahren ein leistungsfähiges Werkzeug des Data Mining, ihr Funktionsprinzip beruht auf der biologischen Erkenntnis, dass viele Strukturen im Gehirn eine lineare oder planare Topologie aufweisen. Die Signale des Eingangsraums, z.B. visuelle Reize, sind jedoch multidimensional.
Es stellt sich also die Frage, wie diese multidimensionalen Eindrücke durch planare Strukturen verarbeitet werden. Biologische Untersuchungen zeigten, dass die Eingangssignale so abgebildet werden, dass ähnliche Reize nahe beieinander liegen. Der Phasenraum der angelegten Reize wird also kartiert.
Wird nun ein Signal an diese Karte herangeführt, so werden nur diejenigen Gebiete der Karte erregt, die dem Signal ähnlich sind. Die Neuronenschicht wirkt als topologische Merkmalskarte, wenn die Lage der am stärksten erregten Neuronen in gesetzmäßiger und stetiger Weise mit wichtigen Signalmerkmalen korrelliert ist.
Laterale Hemmung
Ein allgemeines Arbeitsprinzip des Nervensystems ist, dass aktive lokale Gruppen von Nervenzellen andere Gruppen ihrer Umgebung hemmen, und somit deren Aktivität unterdrücken. Die Aktivität eines Neurons wird daher aus der Überlagerung des erregenden Eingangssignals und den hemmenden Beiträgen aller Schichtneuronen bestimmt. Da diese laterale Hemmung überall gilt, kommt es zu einem ständigen Wettbewerb um die Vorherrschaft. Der Verlauf der lateralen Hemmung ist für kurze Distanzen erregend/verstärkend und für lange Distanzen hemmend/schwächend. Es lässt sich zeigen, dass dieser Effekt ausreichend ist, eine Lokalisierung der Erregungsantwort in der Nähe der maximalen äußeren Erregung zu bewirken.
Struktur und Lernen

Die Struktur einer Self-Organizing Map: Ein Inputlayer mit n Neuronen ist vollständig mit allen Neuronen innerhalb der Kohonenkarte, im folgenden mit Competitive Layer bezeichnet, verbunden. Jeder zu kartierende Eingangsreiz v wird über die Verbindungen an jedes Neuron dieses Competitive Layers weitergegeben.
Die Verbindungsgewichte w zwischen den Neuronen des Inputlayers und den Neuronen im Competitive Layer definieren einen Punkt im Eingangsraum der angelegten Reize v. Alle Neuronen innerhalb des Competitive Layers sind untereinander inhibitorisch (hemmend) vernetzt.
- Die Abbildung zeigt einen Adaptionschritt im Modell von Kohonen. Ein Reiz v wird an das Netz angelegt.
- Das Netz sucht das Erregungszentrum s im Competitive Layer, dessen Gewichtsvektor w am nächsten zu v liegt (kleinster Abstand).
- Der Unterschied wird in einem Adaptionsschritt veringert.
- Die Neuronen nahe am Erregungszentrum s werden auch adaptiert, aber um so weniger, je weiter sie vom Erregungszentrum entfernt sind.
Es ist gebräuchlich, aber nicht zwingend, sowohl für die Lernvektoren als auch für das Competitive Layer den euklidischen Abstand als Abstandsmaß zu verwenden.
Steht ein Satz verschiedener Trainingsdaten zur Verfügung, so ist eine Epoche im Training vollständig, wenn alle Reize genau einmal in zufälliger Reihenfolge an das Inputlayer angelegt worden sind. Das Training endet, wenn das Netz seinen stabilen Endzustand erreicht hat.
Das Lernen in einer Self-Organizing Map kann formal als iterativer Prozess beschrieben werden. Im Anfangszustand sind die Gewichtsvektoren der Neuronen zufällig im Netz verteilt. In jedem Lernschritt wird an das Netz ein Reiz angelegt. Die neuronale Self-Organizing Map verändert die Gewichtsvektoren der Neuronen entsprechend der Lernregel, so dass sich im Laufe der Zeit eine topografische Abbildung ergibt.
Training eines SOM im Beispiel
Die folgende Tabelle zeigt ein Netz, dessen Neuronen in einem Gitter angeordnet sind und zu Beginn zufällig im Raum verteilt sind. Es wird mit Eingabereizen aus dem Quadrat trainiert, die gleichverteilt sind.
Formale Beschreibung des Trainings
Gegeben ist eine endliche Menge M von Trainingsstimuli mi, die durch einen n-dimensionalen Vektor xi spezifiziert sind:
Weiterhin sei eine Menge von μN Neuronen gegeben, denen jeweils ein Gewichtsvektor wi in X und eine Position ki auf einer Kohonen-Karte zugeordnet wird, die im weiteren als zwei-dimensional angenommen wird. Die Kartendimension kann beliebig-dimensional gewählt werden, wobei Kartendimensionen kleiner-gleich drei zur Visualisierung von hochdimensionalen Zusammenhängen verwendet werden. Die Positionen auf der Karte sollen diskreten, quadratischen Gitterpunkten entsprechen (alternative Nachbarschaftstopologien wie z.B. hexagonale Topologien sind ebenfalls möglich), und jeder Gitterpunkt soll durch genau ein Neuron besetzt sein:
In der Lernphase wird aus der Menge der Stimuli zum Präsentationszeitpunkt t ein Element mjt gleichverteilt zufällig ausgewählt. Dieser Stimulus legt auf der Karte ein Gewinnerneuron nst fest, das als Erregungszentrum bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um genau das Neuron, dessen Gewichtsvektor wst den geringsten Abstand im Raum X zu dem Stimulusvektor xjt besitzt, wobei eine Metrik dX(.,.) des Inputraumes gegeben sei:
Nachdem nst ermittelt wurde, werden alle Neuronen nit bestimmt, die neben dem Erregungszentrum ihre Gewichtsvektoren anpassen dürfen. Es handelt sich dabei um die Neurone, deren Entfernung dA(ks, ki) auf der Karte nicht größer ist als ein zeitabhängiger Schwellenwert, der als Entfernungsreichweite δt bezeichnet wird, wobei eine Metrik dA(.,.) der Karte gegeben sei. Diese Neurone werden in einer Teilmenge N+t ⊂ Nt zusammengefasst:
Im folgenden Adaptionsschritt wird auf alle Neurone aus N+t ein Lernschritt angewendet, der die Gewichtsvektoren verändert. Der Lernschritt ist interpretierbar als eine Verschiebung der Gewichtsvektoren in Richtung des Stimulusvektors xjt, wobei in der nachstehenden Abbildung die Verschiebung des Gewichtsvektors des Gewinnerneurons dargestellt ist.
Es wird entsprechend dem Modell von Ritter et al. (1991) dabei die folgende Adaptionsregel verwendet:
mit den zeitabhängigen Parametergleichungen εt und hsit, die festgelegt werden als: 1) Die zeitabhängige Lernrate εt:
mit der Startlernrate εstart und εend als der Lernrate zum Ende des Verfahrens, d.h. nach tmax Stimuluspräsentationen.
2) Die zeitabhängige Entfernungsgewichtungsfunktion hsit:
mit δt als dem Nachbarschafts- oder Adaptionsradius um das Gewinner-Neuron auf der Karte:
mit dem Adaptionsradius δstart zum Anfang des Verfahrens, und δend als dem Adaptionsradius zum Ende des Verfahrens.
Damit eine topologie-erhaltende Abbildung entsteht, d.h. dass benachtbarte Punkte im Inputraum X auf benachtbarte Punkte auf der Karte abgebildet werden, müssen zwei Faktoren berücksichtigt werden:
- Die topologische Nachbarschaft hsit um das Erregungszentrum muss anfangs groß gewählt werden und im Laufe des Verfahrens verkleinert werden.
- Die Adaptionsstärke εt muss ausgehend von einem großen Wert im Laufe des Verfahrens auf einen kleinen Restwert sinken.
In dem dargestellten Lernprozess werden tmax Präsentationen durchgeführt, wonach die SOM in die Anwendungsphase überführt werden kann, in der Stimuli präsentiert werden, die in der Lernmenge nicht vorkamen. Ein solcher Stimulus wird dem Gewinnerneuron zugeordnet, dessen Gewichtsvektor die geringste Distanz von dem Stimulusvektor besitzt, sodass dem Stimulus über den Umweg des Gewichtsvektors ein Neuron und eine Position auf der Neuronenkarte zugeordnet werden kann. Auf diese Weise wird der neue Stimulus automatisch Klassifiziert und Visualisiert.
Varianten der SOM
Es wurden eine Vielzahl von Varianten und Erweiterungen zu dem ursprünglichen Modell von Kohonen entwickelt, u.a.:
- Kontext-SOM (K-SOM)
- Temporäre-SOM (T-SOM)
- Motorische-SOM (M-SOM)
- Neuronen-Gas (NG-SOM)
- Wachsende Zellstrukturen (GCS-SOM)
- Wachsende Gitterstruktur (GG-SOM)
- Wachsendes Neuronen-Gas (GNG-SOM)
- Parametrische-SOM (P-SOM)
- Interpolierende SOM (I-SOM)
- Local-Weighted-Regression-SOM (LWR-SOM)
- Selektive-Aufmerksamkeits SOM (SA-SOM)
- Gelernte Erwartungen in GNG-SOMs (LE-GNG-SOM)
- Fuzzy-SOM (F-SOM)
- Adaptive-Subraum-SOM (AS-SOM)
- Generative Topographische Karte (GTM)
Weblinks
- SOM-Research an der Helsinki University of Technology (Teuvo Kohonen)
- Anwendungen dort u.a. websom
- Prof. Fritzke, Dresden: Growing SOM
- DemoGNG Anwendung zur Demonstration verschiedener Lernalgorithmen
- Über SOM in der comp.ai.neural-nets FAQ
- SOM-Kapitel (mit weiteren Links und Applets) einer KI-Vorlesung von David Grimshaw, Toronto
Literatur
- Bachelier, Günter: Einführung in Selbstorganisierende Karten. Marburg, ISBN 3-8288-5017, 1998.
- Kohonen, Teuvo: Self-Organizing Maps. Berlin, 1995, ISBN 3540586008.
- Ritter, Helge; Martinetz, Thomas; Schulten, Klaus: Neuronale Netze - Einführung in die Neuroinformatik selbstorganisierender Netzwerke. Bonn, 1991, ISBN 3893191313.