Mentalisierung

Einschätzungsfähigkeit der eigenen oder anderer Gedanken
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Mentalisierung bedeutet in der Psychoanalyse die „Fähigkeit, das eigene Verhalten oder das Verhalten anderer Menschen durch Zuschreibung mentaler Zustände zu interpretieren.“ [1] Hierbei wird also nicht nur auf das Verhalten des Gegenübers eingegangen, sondern auf die eigenen Vorstellungen über dessen Überzeugungen, Gefühle, Einstellungen, Wünsche etc. Mentalisierung bedeutet gewissermaßen „verstehen zu können, was in den Köpfen anderer vorgeht“

Mentalisierung

Das mentalisieren ist als „Alltagspsychologie“ zu verstehen. Mentalisierung bedeutet, eine Vorstellung davon zu besitzen, welche geistigen, mentalen also gedanklichen Gründe für das Verhalten eines Menschen vorliegen könnten. Es bedeutet in anderen Menschen, wie bei sich selbst Wünsche, Gedanken und Überzeugungen zu vermuten, also mentale, geistige Vorgänge, die dem Handeln zugrunde liegen. Handlungen werden nicht einfach als Handlungen interpretiert, sondern von den meisten Menschen wird dahinter eine Intention, eine Absicht vermutet. Ebenso ist es möglich, sich selbst zu mentalisieren, also reflexiv zu erfassen welche Umstände und Erfahrungen in der Vergangenheit und Gegenwart zu den jetzigen Wünsche, Gedanken und Überzeugungen geführt haben, die der Handlung zugrunde liegen. Um diese Fähigkeit zu entwickeln ist es notwendig, eine Vorstellung von dem mentalen zu entwickeln.

Es ist für viele Menschen selbstverständlich, eigene und fremde Handlungen auf Wünsche, Bedürfnisse, Absichten, Erwartungen und Meinungen von anderen aber auch von sich selbst zurückzuführen. Öffnet eine Person beispielsweise ein Fenster, so tut sie dass, weil sie den Wunsch nach frischer Luft hat; sie lächelt, da sie sich freut; oder sie zeigt auf ein Objekt, da sie die Aufmerksamkeit auf dieses lenken möchte. Es gehört zum Alltag, diese mentalen Zustände bei anderen als Ursache von Handlungen zu betrachten.

Man kann die Fähigkeit zu Mentalisieren als beim Menschen einzigartig ansehen. Sie scheint das Fundament der „sozialen Spezies“ Mensch zu sein, und möglicherweise die Grundlage dafür, kulturelles Wissen zu akkumulieren und zu erhalten. Der Mensch ist aufgrund seines „sozialen Gewissens“ eine Spezies, die Altruismus auch gegenüber nicht verwandten Artgenossen zeigt, und dazu in der Lage, bei Konflikten Hilfestellung zu leisten. Diese Fähigkeit wird ebenfalls auf die Fähigkeit zur Mentalisierung zurückgeführt.

Hierbei ist grundsätzlich nicht entscheidend, ob die vermuteten Wünsche, Gedanken und Überzeugungen auch tatsächlich so vorhanden sind. Am entscheidendsten für soziale Einstellung des Individuums scheint das Wissen zu sein, dass es sich bei den mentalisierten Gedanken lediglich um Repräsentationen der Wirklichkeit handelt. So ist es beispielsweise nicht entscheidend, ob von einem Gegenstand tatsächlich eine Gefahr ausgeht, sondern ob ein Gegenüber glaubt, dass so ist, um vorhersehen zu können wie er handeln wird. Allerdings bietet die Fähigkeit, korrekt zu mentalisieren, einen deutlichen Selektionsvorteil im Sinne von Charles Darwins Evolutionstheorie. Je nachdem wie oft es einer Person gelingt, seinen Gegenüber zu verstehen, um so eher wird er sich auf die jeweilige soziale Umwelt einstellen können. Ist eine Person dazu in der Lage, die Wünsche, Gedanken und Überzeugungen anderer Personen häufig richtig zu deuten, wird sie dadurch anpassungsfähiger. Effektives Mentalisieren dient

  • der Orientierung und Kontrolle bei jeder Art interpersoneller Kommunikation und Beziehungsgestaltung
  • der eigenen Emotions- und Selbstregulation
  • Größere emotionale und soziale Kompetenz.“ (sic) [2]

Ausgangspunkt der Forschung zu der Mentalisierung war die Theory of Mind-Theorie (ToM), ein kognitives Konzept, welches das Auftreten des Phänomenes beforscht, ab welchen Zeitpunkt Kinder entdecken, dass sie selbst und andere Personen Wesen mit mentalen (geistigen) Zuständen sind. Die ToM geht davon aus, dass diese Fähigkeit, die sich in allen Kulturen etwa zur gleichen Zeit entwickelt genetisch angelegt ist.

Das Mentalisierungskonzept von Peter Fonagy und Marry Target sowie ihren Mitarbeitern unterscheidet sich von der Theory-of-Mind-Forschung durch die Verbindungen mit der Bindungstheorie und der Entwicklungspsychologie sowie der Psychoanalyse. Fonagy und Target kritisieren die ToM, da es Hinweise auf eine sozialisationsabhängige Entwicklung gibt. So können Z. B. Kinder, die mit älteren Geschwistern aufwachsen eher verstehen, dass andere Personen falsche Überzeugungen haben können als Kinder ohne. Das Wissen um falsche Vorstellungen wird von der ToM-Forschung als entscheidender Meilenstein dieser Entwicklung angesehen. Fonagy und Mitarbeiter gehen davon aus, dass sich die Fähigkeit zur Mentalisierung nicht einfach als Reifungseigenschaft von selbst einstellt, sondern sie gehen davon aus, dass sich die Fähigkeit zu mentaliesieren im Austausch mit den Hauptbezugspersonen ab den ersten Lebensmonaten erst entwickeln muss.

Die Wissenschaftler haben zu diesem Zweck ein Forschungsprogramm ins Leben gerufen, was sowohl die Entwicklung der basalen, angenommenen Entwicklungsschritte hin zu der Fähigkeit zur Mentalisierung untersucht, als auch die Auswirkungen der Mentalisierung für einen erwachsenen Menschen. Dabei sind sie der Fragestellung nachgegangen, in wie weit Störungen in der Entwicklung dieser Fähigkeit wiederum zu psychischen Störungen führen können.

Theoretische Grundlagen

Vorangehende Forschung

In den vergangenen Jahrzehnten haben Philosophen wie Daniel Dennett oder Jerry Fodor sowie einige kognitive Entwicklungspsychologen nach dem Ursprung der Möglichkeit von Menschen gefragt, ihre eigenen mentalen Zustände in Verbindung mit den mentalen Zuständen anderer Menschen zu sehen. Die Bezeichnung für diese einzigartige Fähigkeit des Menschen, in anderen Personen einen ähnliches "Seelenleben" wie in der eignen Person zu vermuten nennt man in den Kognitionswissenschaften Theory of Mind. Der Begriff Theory of Mind (ToM) bezeichnet in der Psychologie und den anderen Kognitionswissenschaften die Fähigkeit, eine Annahme über Bewusstseinsvorgänge in anderen Personen vorzunehmen, also in anderen Personen Gefühle, Bedürfnisse, Absichten, Erwartungen und Meinungen zu vermuten.

Der Philosoph Daniel Dennett sah in dieser Fähigkeit eine enorme Evolutionäre Anpassungsleistung. Die Fähigkeit die Handlungen anderer als absichtsvoll und von einem Geist gesteuert zu verstehen macht es möglich, die Handlungen anderer vorauszusehen. Indem der Handlung eines anderen Menschen eine Intention, also eine Absicht unterstellt wird, wird das Verhalten vorhersehbar. Ein einfaches Beispiel hierfür wäre, dass eine Person sich wütend oder traurig über den Verlust eines Gegenstandes zeigt. Die Person würde diesen Gegenstand dann eher suchen gehen, als wenn sie sich über den Verlust völlig emotionslos oder gleichgültig zeigt.

Entwicklungspsychologie der Mentalisierung

Peter Fonagy und Mary Target sowie ihre Forschergruppe am University College London haben diese Grundlagen mit der psychoanalytischen Säuglingsforschung und akademische Entwicklungspsychologie sowie der Bindungstheorie in Verbindung gebracht. Sie entwickelten eine Theorie, welche die Entwicklung dieses Verständnisses des Menschen in anderen ähnliche mentale Zustände wie in der eigenen Person zu vermuten, und auch der pathologischen Fehlentwicklungen dieser Fähigkeit in einen Zusammenhang mit der frühen Entwicklung des Menschen bringt.

Fonagy und Target gehen von der Annahme aus, dass sich eine Theory of Mind nicht einfach ab einem gewissen Alter einstellt, sondern diese Fähigkeit in einem sensiblen Entwicklungsprozess, der in der frühesten Kindheit beginnt, erst erworben werden muss.

Als notwendige Bedingung für diese Entwicklung sehen sie eine sichere Bindung des Kindes an seine Bezugsperson an. „Wir müssen von einem dialektischen Modell der Entwicklung des Selbst ausgehen (...), demzufolge die Fähigkeit des Kindes, eine kohärente Vorstellung von der Psyche zu entwickeln, entscheidend davon abhängt, dass es sich selbst von seiner Bindungsfigur als Psyche wahrgenommen fühlt.“ [3] Die Bindungstheorie nach John Bowlby geht davon aus, dass es einen evolutionären Vorteil darstellt, wenn das Kind dazu in der Lage ist, seine Eltern an sich zu binden, die ihm Schutz geben können. Die Qualität der Bindung an die wichtigen Bezugspersonen führt zu einem bestimmten Bindungsstil, der sich auf das Verhalten wie auf die Seele des Menschen auswirkt. Die psychischen Auswirkungen bezeichnete Bowlby als inner working models also innere Arbeitsmodelle, welche die frühen Erfahrungen mit der Bezugsperson darstellen aber auch als Grundlage der Interpretation von Verhalten betrachtet werden. Die Auswirkung früher Bindungserfahrungen können auch bei erwachsenen Menschen nachgewiesen werden. Fonagy und Target gehen davon aus, dass diese Bindung nicht nur Auswirkungen auf das Sozialverhalten und die „inner working models“ besitzt, sondern sie sehen auch bestimmte psychische Funktionen von der Bindung zu einer frühen Bezugsperson beeinflusst.

Diese komplexen Funktionen entwickeln sich nicht, wie in der Bindungstheorie beschrieben, durch sondern in der Nähe zur Bezugsperson. Hier ist also sowohl die bestehende Bindung aber auch Prozesse des Austausches zur Bindungsperson relevant. Fonagy und Target stellen insbesondere die Fähigkeit, psychische Zustände zu interpretieren als Ergebnis dieses sozialen Austausches in der Bindung dar. Sie bezeichnen diese, sich entwickelnden Funktionen als interpersonale Interpretationsfunkton (IIF). Sie betrachten die IIF als Instrument zur Verarbeitung neuer Erfahrungen. Um diese Funktion zu nutzen, müssen weitere komplexe psychische Funktionen wie

  • Regulierung der Emotionen,
  • Aufmerksamkeitskontrolle und
  • metalisierende Fähigkeiten

zusammenwirken. Als höchste Ausprägung in der Entwicklung der IIF sehen die Forscher die Fähigkeit an, eigene und anderer Menschen Verhalten auf der Grundlage intentionaler mentaler Zustände zu verstehen. Eine fehlangepasste Bindung verhindert die Entwicklung einer solchen IIF. Insbesondere Personen, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden, besitzen diese Funktion nicht.

In einer normalen Entwicklung zeigen sich nach Peter Fonagy und György Gergely unterschiedliche, frühe Phasen der Entwicklung des Selbst und dessen Verständnis von seinen Möglichkeiten Urheber von Veränderungen in seiner physischen und sozialen Umgebung zu sein. So muss das Kind zuerst verstehen, welche Dinge es in seiner Umwelt auslösen kann, bevor es versteht, dass es auch auf das Wissen einer anderen Person Einfluss nehmen kann. Die Entwicklung wird mit zunehmendem Alter komplexer. Es können fünf Phasen der Urheberschaft, welche die Grundbedingung für die Mentalisierungsfähigkeit sind unterschieden werden:

  • die körperliche Ebene - Hier erkennt das Kind, welche Auswirkungen es auf die im Raum befindlichen Körper ausüben kann. Es kann Dinge als Urheber bewegen.
  • die soziale Ebene - Der von Geburt an beginnende Interaktionsprozess zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen, äußert sich in diesem Zusammenhang in einem Verständnis, dass das Kind Urheber sozialer Austauschprozesse sein kann.
  • die teleologische Ebene - Hier beginnt ein Verständnis des Kindes davon, wie es durch verschiedene Möglichkeiten Ziele erreichen kann. Es kann (ab etwa 8 - 9 Monaten) über verschiedene Möglichkeiten ein Ziel zu erreichen (zu einem Ort zu gelangen oder einen Gegenstand in die richtige Position zu bewegen) nachdenken. In dieser frühen Form handelt es sich um ein auf den physikalischen Raum beschränktes Selbstverständnis von Urheberschaft.
  • die Intentionale Ebene - Hier beginnt ein Verständnis von Handlungen welches bereits Intentionen als Urheber versteht. Hierbei werden sowohl eigene als auch fremde Intentionen erkannt. Dieser Entwicklungsschritt vollzieht sich im laufe des zweiten Lebensjahres.
  • die repräsentationale Ebene - Etwa im vierten Lebensjahr vollzieht sich eine weiterer Verstehensschritt der Urheberschaft. Kinder können ab diesem Lebensalter in ihre Überlegungen miteinbeziehen, dass es ein Wissen über etwas gibt (z. B. Überzeugungen). Man kann also sagen, dass sie sich selbst nun als Urheber repräsentationaler also mentaler Zustände verstehen können. Eine typische Untersuchung zu dieser Entwicklungserrungenschaft ist, ab welchem Alter Kinder dazu in der Lage sind zu verstehen, dass andere Menschen ein falsches Wissen über etwas haben können.

Darüber hinaus ist ein weiterer Entwicklungsschritt bedeutungsvoll. Ab etwa dem sechsten Lebensjahr ist das Kind dazu in der Lage, seine Erinnerungen an eigene intentionale Aktivitäten und Erfahrungen kohärent, kausal und temporal zu organisieren. Damit ist gemeint, dass es ein einheitliches Verständnis für seine vergangenen Erfahrungen hat. So ist es beispielsweise in der Lage, Handlungen zu verstehen, die sich auf seine eigene Vergangenheit beziehen. Fonagy spricht in diesem Zusammenhang von einem autobiographischen Selbst.

Die Fähigkeit des Kindes sich selbst als Urheber zu begreifen zeigt eine deutliche Tendenz mentale Zustände differenziert wahr zu nehmen. Es ist eine Grundvoraussetzung dafür, soziale Interaktionen zu erklären, also sich selbst und andere unter den Gesichtspunkten von Emotionen, Wünschen und Überzeugungen beider Beteiligter zu erklären. Dieser Prozess des Verständnisses beginnt damit, dass das Kind Konzepte über die inneren Zustände entwickelt. So kann es beispielsweise nur über die Angst einer anderen Person nachdenken, wenn es eine Repräsentation der Angst als physiologische, kognitive und behaviorale Erfahrung besitzt. Dieses komplexe Konzept wird in der Psychoanalyse als sekundäre Repräsentanz bezeichnet.

Um die Entstehung dieser komplexen psychischen Funktionen zu erklären, greifen Fonagy und Target auf die empirische Säuglingsforschung zurück. Dabei gehen sie davon aus, dass die grundlegenden Emotionen und Affekte in den ersten Lebensmonaten noch undifferenziert sind.

Exkurs: Affektregulierung

Einige Entwicklungspsychologen gehen davon aus, dass Säuglinge im ersten Lebensjahr die eigenen Affekte oder Emotionen als positive oder negative Zustände erleben, ohne sie wirklich zuordnen zu können. Dabei erleben sie die mit einer Emotion einhergehenden typischen körperlichen Veränderungen passiv und undifferenziert. Sie können körperlichen Verfassungen nicht bewusst wahrnehmen und zuordnen, welche die verschiedenen Emotionen typischerweise begleiten. Eine bestimmte grundlegende Emotion (Freude, Ärger, Angst, Trauer, Ekel und Überraschung) wird also erlebt, ohne dass ihr ein reflektierender Sinn beigemessen werden kann. Säuglinge können also ein Unwohlsein empfinden, welches durch ein ängstigendes Ereignis ausgelöst wird. Sie können aber nicht feststellen, dass sie selbst „ängstlich“ sind. Genau so wenig haben sie schon die Fähigkeiten, ihr Gefühl mit dem ängstigenden Ereignis in Verbindung zu bringen oder gar die Angst mit einer Person oder einem Ereignis zu verknüpfen, welche den ängstlichen Zustand herbeigeführt hat.

Das Kind muss diese Fähigkeit, verschiedene emotionale Zustände zu unterscheiden, erst entwickeln. Der Fähigkeit emotionale Zustände unterscheiden zu können, misst die Forschergruppe um Fonagy eine große Bedeutung bei. Sie glauben, dass diese Fähigkeit die Grundvoraussetzung dafür ist, seine eigenen mentalen Zustände als solche zu erkennen. Dies ist die Grundlage, anderen Menschen ebenfalls zuschreiben zu können, dass sie derartige Zustände besitzen.

Um zu erklären, wie Kinder diese Fähigkeit entwickeln, greifen Fonagy und Target auf das entwicklungspsychologische Modell der Affektspiegelung des Ungarn György Gergely und des Kanadiers John Watson zurück. Gergely und Watson beschreiben sowohl die Affektregulierung von Säuglingen, die im Zusammenspiel mit ihren Bezugspersonen entsteht, wie auch die Entwicklung der Fähigkeit zur Selbstregulation durch dieses Zusammenspiel.

Gergely und Watson gehen davon aus, dass Säuglinge ihre Emotionen begleitenden, körperlichen Gefühle noch undifferenziert und unreflektiert - vage - wahrnehmen (primary awarness). Sie werden sich ihrer eigenen Gefühls- und emotionalen Zustände erst durch die Reaktion der Pflegeperson auf ihre Emotionsausdrücke bewusster, d. h. durch eine entsprechende Antwort der Pflegeperson, welche dem Emotionsausdruck des Säuglinges entspricht. Die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von Affektspiegelung.

Diese Affektspiegelung ist als non-verbale Antwort in Mimik und Lautierung zu verstehen, die den emotionalen Zustand des Säuglings entspricht. Dabei zeigen Eltern eine meist übertriebene, stark akzentuierte Antwort. Man spricht bei diesen stark akzentuierten affektiven Antworten der Eltern von Markierung. Dieses Verhalten scheint dem Menschen angeboren und eine evolutionäre Besonderheit zu sein. Dieses Verhalten zeigt sich auch in der kulturübergreifenden Babysprache, die Menschen in vielen Kulturen automatisch verwenden, wenn sie sich an Säuglinge und Kleinkinder wenden. [4] [5] Eltern übertreiben hierdurch die Affektausdrücke der Kinder deutlich.

Nach Gergely und Watson ist die Übertreibung oder Markierung der Affektausdrücke der Säuglinge von entscheidender Bedeutung. Zwar empfinden Pflegepersonen beim Anblick des emotionalen Ausdrucks ihrer Kinder ebenfalls ähnliche Gefühle, sie reagieren in Mimik und Lautierung aber nicht gleich oder mit dem Ausdruck „echter“ Gefühle, wie sie es bei der Kommunikation mit Erwachsenen oder älteren Kindern tun würden. Sie zeigen einen ähnlichen aber übertriebenen (markierten) affektiven Gesichtsausdruck und lautieren dementsprechend.

Kinder bevorzugen ab etwa dem dritten Lebensmonat nicht mehr kontingente, also genau gleiche Bewegungen, die sie beispielsweise im Spiegel sehen, sondern bevorzugen starke Ähnlichkeiten bzw. Überschneidungen wie die Bewegungen anderer Babys. Sie zeigen also ab diesem Zeitpunkt mehr Interesse für Ähnlichkeiten und nicht mehr exakte Entsprechungen. Daraus schließen Gergely und Watson, dass auch sie eine Bereitschaft entwickeln, diese Ähnlichkeiten bei ihren Eltern wahr zu nehmen oder diese gar erwarten.

Eine Bedeutsamkeit für die Entwicklung der Wahrnehmung eigener emotionaler Zustände entsteht dadurch, dass die Affekte der Säuglinge durch diese face-to-face-Interaktion, also das mimische Wechselspiel, mit ihren Eltern moduliert werden können. Durch dieses komplizierte mimische Zusammenspiel ist es also möglich die affektiven Zustände des Säuglings zu verändern. Dazu ist der Säugling allein nur sehr bedingt in der Lage. Im günstigen Fall reguliert die Pflegeperson die affektiven Zustände des Kindes also intuitiv und ungewollt durch ihre Anpassung an die Affektausdrücke des Säuglings und geringe Variationen dieser durch ihren eigenen mimischen Ausdruck. Die Bezugsperson passt sich den Affektausdrücken der Säuglinge an und schwächt diese sequenziell in einer face-to-face-Interaktion ab oder verstärkt ihn. Diese einzelne Sequenzen spielen sich in einem Zeitrahmen unter einer Sekunde ab. Dadurch scheint sich auch der Affektzustand des Kindes entsprechend abzuschwächen oder zu verstärken.

Auf diese Weise versteht der Säugling mit der Zeit auch, dass seine Pflegepersonen auf seinen eigenen Zustand reagieren. Er versteht, dass die Bezugspersonen seinen eigenen Zustand wiederspiegeln. Der dabei von den Pflegepersonen gezeigte Affekt ist markiert, also eine Übertreibung des Ausdruckes des Kindes. Würden die Eltern dabei auf den Ausdruck des Kindes so wie auf den Ausdruck eines anderen Erwachsenen reagieren, wäre der Säugling mit einem echten emotionalen Zustand eines Erwachsenen konfrontiert. Gerade durch diese Übertreibung hat der Säugling die Möglichkeit zu erkennen, dass seine Eltern etwas „darstellen“ was nicht genau seinem eigenen Empfinden entspricht, aber soviel Ähnlichkeit besitzt, dass er eine Verbindung zwischen dem eigenen Affektausdruck und dem seiner Eltern herstellen kann. Der Säugling hat so die Möglichkeit zu versehen, dass die Pflegepersonen seinen eigenen affektiven Zustand nachahmen.

Diesen Vorgang bezeichnen die Forscher als referenzielle Entkoppelung. Der Säugling versteht, dass der Zustand, den er von der Pflegeperson gespiegelt bekommt, nicht echt ist, also nicht dem wirklichen Zustand der Pflegeperson entspricht. Er versteht den Ausdruck als ein Spiel, als eine Als-ob-Qualität. Als nächsten Schritt erkennt der Säugling, dass sich der vom Träger (dem Gesicht) entkoppelte Ausdruck auf ihn bezieht und dass es sich dabei um eine Widerspiegelung seines eigenen Affektausdruckes handelt. Dieser Vorgang wird von Gergely und Watson als referenzielle Verankerung bezeichnet.

Als Beispiel kann dass sog. Biofeedback verwendet werden. Bei diesem Verfahren werden körperliche Zustände oder Vorgänge (bspw. Puls, Blutdruck oder Schluckvorgänge) in zumeist bildgebenden Verfahren dargestellt. Der Patient weiß, dass es sich hierbei um eine bildliche Darstellung seiner eigenen Körpervorgänge handelt, und nicht ein Vorgang des Bildschirms oder des Apparates ist, auf dem diese Vorgänge dargestellt werden. Er kann so beispielsweise auf einem Bildschirm sehen, wie sich sein Blutdruck verändert. Somit ist es ihm möglich zu lernen, dass durch Muskelkontraktion sein Blutdruck beeinflusst wird. Kann er diesen Zusammenhang wahr nehmen ist es ihm möglich, seinen Blutdruck bewusst zu regulieren, da er einem körperlichen Ablauf, der sonst nicht bewusst, sondern willkürlich abläuft, gewahr wird. [6] [7]

So kann die primäre Bindungsbeziehung den Schritt von einem primären Gewahrsein innerer Zustände zu einem funktionellen Gewahrsein herbeiführen. Sobald sich dieses entwickelt hat, kann ein Konzept, das dem Wutgefühl entspricht (nicht das Erleben von Wut, sondern die Vorstellung von Wut) benutzt werden, um den entsprechenden mentalen Zustand des Anderen zu simulieren und auf diese Weise zu erschließen. [8]

Auf diese Weise lernt der Säugling die markierten Affektausdrücke seiner Pflegepersonen als Darstellung seines eigenen affektiven Ausdruckes zu verstehen. So erhält er eine erste bewusste Vorstellung - ein Bild - seines eigenen Zustandes, den er zuvor nur undifferenziert erlebt hat.

Man spricht dann davon, dass der Affekt nun geistig-mental oder psychisch repräsentiert wird. Der Affekt wird nun nicht mehr nur vage wahrgenommen, nun ist dem körperlichen Gefühl ein bestimmtes Bild zugeordnet. Es hat sich eine geistige Entsprechung des Affektes gebildet, eine Repräsentanz. Der Affekt wird also nicht sofort mit den typischen körperlichen Erscheinungen, welche die grundlegenden Emotionen begleiten, passiv erfahren, der Affekt erhält eine Entsprechung in der Psyche. Man spricht aus diesem Grund auch von sekundärer Repräsentanz. Der Affekt oder die Emotion kann nun zum Gegenstand des Nachdenkens werden, was dem älteren Kind oder dem Erwachsenen erlaubt, über diese Emotion, seine Entstehung und Bedeutung, zu reflektieren und vor allem diese zu regulieren. "Emotionale Selbstkontrolle wird erst möglich, wenn sich sekundäre Regulations- oder Kontrollstrukturen über Repräsentationen entwickelt haben" [9] Dieses so entstandene Bild erlaubt also eine erste bewusste Wahrnehmung des eigenen Zustandes. Es gehört somit zu den rudimentären Inhalten des Verständnisses der eigenen Person, die in der Psychologie das Selbst genannt wird. Im weiteren Verlauf der Entwicklung ist es möglich, dass die Inhalte der Psyche, die Repräsentationen, die Psyche oder der Geist selbst zum Gegenstand des Nachdenkens werden. In der kognitiven Psychologie spricht man dann von Metakognitionen. Hierbei gehen Fonagy und Bateman davon aus, das Repräsentationen schon vor dem erlernen einer verbalen Zuschreibung vorhanden sind, also bevor ein bestimmter Inhalt genau bezeichnet werden kann (Freude als Freude benennen).

Intentionalität

Fonagy und Target sehen es als einen bedeutsamen Zwischenschritt für die Entwicklung der Fähigkeit der Mentalisierung an, dass Kinder, frühestens mit neun bis fünfzehn Monaten, in den Handlungen anderer eine Intention erkennen können. Diese beschränkt sich allerdings zunächst auf sehr rudimentäre Dinge wie Aufmerksamkeit oder Emotionen. Sie verstehen ab diesem Zeitpunkt, dass Menschen mit einer Handlung eine Intention verfolgen. So verstehen sie beispielsweise, dass auf ein Objekt zeigen die Aufmerksamkeit auf dieses lenken soll. Diese Fähigkeit entwickelt sich im Laufe der Zeit hin zu sehr komplexen Vorstellungen von anderen, etwa dass eine Person eine falsche Vorstellung von etwas besitzen kann. [9]

Die "Playing with Realtiy" Theorie

Fonagy und Target ergänzen die Affektspiegelungstheorie durch ihre sog. "Playing with Realtiy" Theorie. Diese spielt sich in einer späteren Entwicklungsphase, etwa ab 18 Monaten bis zu 4 Jahren ab. Sie nimmt nach den Autoren denselben Stellenwert wie die Affektspiegelung ein. Hier gehen sie der Frage nach, wie die psychische Realität beschaffen ist, bevor sie als psychische wahr genommen wird, also bevor das Kind eine Vorstellung davon besitzt wie die Natur der Psyche beschaffen ist.

Die Forscher setzen hier zwei unterschiedliche Modalitäten voraus, in denen Gefühle und Gedanken erfahren werden, und die nebeneinander existieren:

  • Den Als-ob-Modus (pretend mode) und
  • den Modus psychischer Äquivalenz (psychic equivalenz mode).

Unter dem Als-ob-Modus versteht man einen Zustand, in dem die Realität suspendiert wird. In diesem Modus kann das Kind also Spielen, ohne zu befürchten, dass das Spiel real ist. Das Kind kann also auf diese Weise seine inneren Zustände extern (im spielerischen als-ob-modus) darstellen. Die Rolle der Eltern während dieses Zustandes ist durch ihre Auffassung der Spielhandlung zu erklären. Durch ihre Kommentare zu den Spielhandlungen spiegeln sie die inneren Zustände des Kindes. Sie benennen also damit den Selbstzustand des Kindes.

Unter dem Modus psychischer Äquivalenz versteht man einen Zustand, des Kindes, in dem es seine Gedanken als tatsächliche Realität erlebt. So wirkt der Gedanke, ein Krokodil sei unter dem Bett, genau so beängstigend auf das Kind, als wäre es tatsächlich dort. Das Kind sieht also seine Gedanken nicht von der Realität getrennt. Auch hier nehmen die Eltern eine erhebliche Rolle für die kindliche Auffassung ein. Hier vertreten sie sowohl die Realität, können aber gleichzeitig auch die kindliche Wahrnehmung ernst nehmen oder nicht ernst nehmen.

Am Ende dieser Entwicklung steht die Integration von Als-ob-Modus und Äquivalenzmodus. Fonagy und Target nennen den daraus resultierenden psychischen Modus reflektierenden Modus. Während der Entwicklung im Als-ob-Modus und Äquivalenzmodus hat das Kind zumeist eine repräsentationale Theorie des Geistes Entwickelt. Nun kann es erkennen, dass seine Gedanken und Gefühle Einstellungen zur Realität bedeuten. Es begreift, dass die Realität durch seine Gedanken beeinflusst wird, aber ihr nicht exakt entspricht, wie im Äquivalenzmodus. Nun ist es dazu in der Lage, mit seinen Gedanken zu spielen, da es nicht befürchten muss, sie würden sich in die Realität verwandeln. Wenn die Mutter jetzt böse auf das Kind ist, so kann sich das Kind dagegen wehren: Meine Mutter glaubt oder denkt, ich sei böse, aber ich glaube und denke etwas anderes [10]


Bindungstheorie und Mentalisierung

Die Bindungstheorie stellt einen Zusammenhang zwischen dem Bindungsverhalten des Kindes einerseits und dem Verhalten seiner Bezugspersonen andererseits her, und bezieht dieses Verständnis auf die spätere Entwicklung, sowie auf die Entwicklung einer evtl. Psychopathologie. Das beobachtbare Bindungsverhalten beschreibt lediglich wie das Kind versucht, zu der Bezugsperson Nähe herzustellen, und bei entsprechender Befriedigung des Nähebedürfnisses beginnt zu erkunden (Exploration). Doch schon John Bowlby, der Begründer der Bindungstheorie stellte die Vermutung auf, dass die frühe Bindung einen prägenden Einfluss auf die späteren Beziehungen und auch die psychologische Gesundheit ausüben kann. Dies erklärte er durch sog. inner working models, also die psychische Repräsentation der Bindungserfahrung. Es stellte sich heraus, dass die Qualität der Bindung einen Einfluss auf die spätere Einstellung von Beziehungen hat, und sich dies sogar auf die psychologische Gesundheit der nächsten Generation auswirken kann. [11]

Wie oben beschrieben, sehen Fonagy und Target die Entwicklung der Mentalisierungsfähigkeit eng mit der Bindung des Kindes an seine Bezugsperson verknüpft. Sie verwenden Elemente aus der Bindungstheorie für ihr theoretisches Konzept des Einflusses der frühen Beziehung zu Bezugspersonen auf die Entwicklung der Affektregulation und der Entwicklung der Mentalisierung. Sie verwenden aber auch Untersuchungsmethoden der Bindungstheorie um ihre Annahmen empirisch zu prüfen. So hat Fonagy beispielsweise eine Methode entwickelt, die von ihm beschriebene Reflexionsfunktion zu bewerten, indem ein Erwachsenen-Bindungsinterview mit dem von ihm entwickelten „Reflective Function Manual“ ausgewertet wird. [12] Hier konnte ebenfalls ein Zusammenhang zwischen hoher Reflexionsfunktion und sicherer Bindung hergestellt werden (wie im Erwachsenen-Bindungsinterview) Die Auswirkungen auf das Kind werden in der fremden Situation getestet. [13] Damit konnte Fonagy einen Zusammenhang zwischen Reflextionsfunktion der Bezugsperson und Bindungsstil der Kinder nachweisen. Es zeigt sich: „das Gewahrsein der Bezugsperson für die mentalen Zustände des Kindes ist offensichtlich ein signifikanter Prädikator der Wahrscheinlichkeit einer sicheren Bindung.“ [14]

Fonagy sieht einen Zusammenhang zwischen der Mentalisierungsfähigkeit der Bezungspersonen und dem Bindungsstil des Kindes. Fonagy sieht als wichtigen Grund für die Entwicklung eines sicheren Bindungsstils an, dass die Mutter eine intentionale Haltung gegenüber einem noch nicht intentionalen Säugling einnehmen kann, sie ihm also eine absichtsvolles Handeln unterstellt obwohl dies noch nicht entwickelt ist. So zeigte sich beispielsweise, dass der Bindungsstil des Kindes mit einem Jahr anhand der mentalisierenden Aussagen der Mutter gegenüber ihres sechs Monate alten Säuglings vorhergesagt werden konnten. [15] Die Komplexe Auswertung der Aussagen der Mutter beinhaltete Aussagen, die auf Wissen, Wünsche, Gedanken, Interessen aber auch emotionales Engagement sowie mentale Vorgänge („Denkst Du nach?“) des Kindes anspielten. Auch Bemerkungen darüber, ob die Säuglinge Gedanken über die Mutter hätten, oder sie zu beeinflussen versuchen („Willst Du mich etwa ärgern?“) wurden als Indikator für eine mentalisierende Einstellung gewertet. Waren diese Kommentare häufig und trafen sie übereinstimmend auch die anzunehmenden Zustand des Säuglings, waren die Kinder mit einem Jahr sehr wahrscheinlich sicher gebunden, was als die bestmögliche Bindungseinstellung des Kindes zu verstehen ist. Dabei wurde auch gemessen, ob die Aussage der Mutter wahrscheinlich den Zustand des Kindes korrekt wiederspiegelt, was ebenfalls als hohe Menalisierungsfähigkeit gewertet wurde. Die Mentalisierungsfähigkeit der Mutter hat also einen hohen Einfluss auf die Bindung des Kindes.

Fonagy und seine Mitarbeiter gehen davon aus, dass eine sichere Bindung das Kind ebenfalls dazu befähigt seinen Erregungszustand (Arousal) des Zentralen Nervensystems auf einem optimalen Niveau zu halten. Aus der neurophysiologischen Forschung geht hervor, dass dies eine positive Begleiterscheinung der sicheren Bindung ist, und so zusätzlich die Rahmenbedingungen bietet, dass sich die Mentalisierung entwickeln kann. Die Mentalisierungsfähigkeit benötigt also die Fähigkeit, die gerade vorherrschende physische Realität beiseite zu lassen und sich auf die weniger zwingende Realität des inneren Zustands zu konzentrieren, in dem der Andere sich befindet. Dies wird durch eine sichere Bindung gewährleistet. [11]

Neurologie und Mentalisierung

Neben der Regulierung des Erregungszustandes des Zentralen Nervensystems werden auch andere Auswirkungen der Bindung auf neurologischer Ebene diskutiert. So ist die rechte Hirnhemisphäre in den ersten drei Lebensjahren dominant. Die Bindungsbeziehung übt einen unmittelbar prägenden Einfluss auf diese, für Gefühle und soziale Kognitionen zuständige Hirnhemisphäre, aus. Eine sichere Bindung könnte so zu sozial-emotionalem Verhalten und der Selbstregulation beitragen. [16]

Fonagy und seine Mitarbeiter zeigen auf, dass mehrere Hirnregionen an sozialen Interaktionsprozessen, der sozialen Kognition und der Mentalisierung beteiligt sind. [17] Die Responsivität auf kommunikative Gesichtsausdrücke findet offenbar in den Schläfenlappen statt. Dort werden diese komplexen, visuellen Infomationen identifiziert und in der Amygdala verarbeitet. Also auf emotionale Signifikanz geprüft. Die Kontrolle, die in sozialen Interaktionen benötigt wird, erfordert eine ununterbrochene Aktualisierung der Interpretation emotionaler Signale sowie eine Regulierung der eigenen emotionalen Zustände und Äußerungen. Hierbei spielt der orbito-frontale Kortex eine wichtige Rolle. Dort könnten Funktionen, die für den sozialen Austausch besonders wichtig sind, lokalisiert sein.

Die Funktion des präfrontalen Kortex wiederum wird durch den Erregungszustand (Arousal) stark beeinflusst. Steigt die Erregung des präfrontalen Kortex und der mit ihm assozierten Hirnsysteme zu stark an, werden andere Hirnregionen aktiviert, und die flexiblen und reflexiven Reaktionen des präfrontalen Kortex werden offenbar durch sog. Kampf-oder-Flucht Reaktionen überlagert. Hierbei reagieren Menschen mit unsicherer oder desorganisierter Bindung auf soziale Begegnungen mit einem hohen Arousal. Schon unkomplizierte soziale Situationen können die Fähigkeit, reflexiv und flexibel zu reagieren einschränken.

Sowohl die Hirnregionen, die an der Lösung von typischen Experimenten, welche in der Theory-of-Mind-Forschung angewandt werden, als auch Regionen die wahrscheinlich ein repräsentationales Selbst ermöglichen könnten, konnten lokalisiert werden. Auch die Erforschung des Einflusses sog. Spiegelneuronen lässt einen Einfluss auf die Interpretation des intentionalen Handelns vermuten.

Auch die Störung von Gedächtnisfunktionen, wie sie etwa bei Psychotraumata auftreten, kann sich negativ auf die Fähigkeit zur Mentalisierung auswirken. [11]

Psychopathologie, die Konsequenzen einer unsicheren Basis

Die Forscher gehen davon aus, dass Störungen in den beschriebenen Entwicklungsprozessen zu teilweise erheblichen psychischen Störungen führen können.

Literatur

  • P. Fonagy, G. Gergely, E. Jurist, M. Target (2002): Affektregulierung, Mentalisierung und die Entwicklung des Selbst. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN 3-608-94384-6
  • A. W. Bateman, P. Fonagy (2008): Psychotherapie der Borderline Persönlichkeitsströung. Ein mentalisierungsgestütztes Behandlungskonzept. Gießen, Psychosozialverlag. ISBN 978-3-89806-473-6

Quellen

  1. Fonagy, P., Gergely, G., Jurist, E., Target, M. (2002): Affektregulierung, Mentalisierung und die Entwicklung des Selbst. Stuttgart: Klett-Cotta
  2. Markus R. Pawelzik, Workshopreihe „Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung“: Mentalisierungsbasierte Psychotherapie. EOS-Klinik für Psychotherapie Münster
  3. A. W. Bateman, P. Fonagy (2008):Psychotherapie der Borderline Persönlichkeitsströung. Ein mentalisierungsgestütztes Behandlungskonzept. Gießen, Psychosozialverlag. S.115
  4. H. Papoušek & M. Papoušek (1987): Intuitive parenting: a dialectic couterpart to the infant's integrative competence. In Osofsky JD (Hg.) Handbook of Infant Development, S 189-197.
  5. Papoušek, M. (Hrsg.) (2004). Regulationsstörungen der frühen Kindheit. Bern: Huber Verlag.
  6. Gergely, G & Watson J (1996): The social biofeedback model of parental affect-mirroring. Internationan Journal of Psycho-Analysis, 77, 1181-1212./ Die Theorie des sozialen Biofeedbacks durch mütterliche Affektspiegelung. Übers. von Vorspohl E. Slbstpsychologie, 17/18, 143-194.
  7. Gergely, G. & Watson, J. (1999): Early social-emotional development: Contingecy perception and the social biofeedback model. In Rachat, P. (Hg.) Early Social Cognition: Understanding Others in the First Months of Life, S 101-137. Erlbaum, Hillsdale, NJ.
  8. A. W. Bateman, P. Fonagy (2008):Psychotherapie der Borderline Persönlichkeitsströung. Ein mentalisierungsgestütztes Behandlungskonzept, S. 119. Gießen, Psychosozialverlag
  9. a b PeterFonagy und Mary Target (2002): Neubewertung der Entwicklung der Affektregulation vor dem Hintergrund von Winnicotts Konzept des »falschen Selbst« Psyche-Z Psychoanal 56, 839-862
  10. Martin Dornes (2006): Die Seele des Kindes. Entstehung und Entwicklung. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M.
  11. a b c A. W. Bateman, P. Fonagy (2008):Psychotherapie der Borderline Persönlichkeitsströung. Ein mentalisierungsgestütztes Behandlungskonzept. Gießen, Psychosozialverlag.
  12. Fonagy, P., Target, M., Steele, H. (1998): Reflectie-Functioning Manual, version 5.0, for Application to Adult Attachment Interviews. University Collage Londen, London
  13. Ainsworth, M., Blehar, M. C., Waters, E., Wall, S. (1978): Patterns of Attachment: A Psychological Study of the Strange Situation. Erlbaum, Hillsdale (NY)
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