Speziezismus
Als Speziezismus bezeichnen radikale Tierschützer die Unterscheidung zwischen verschiedenen Tierarten nach ihrer Ansicht nach willkürlichen Kriterien. Dazu gehört auch die Abgrenzung des Menschen vom Tierreich (bzw. demnach vom restlichen Tierreich). Speziezisten fordern deswegen eine Gleichbehandlung von Tieren (einschließlich des Menschen) unabhängig von ästhetischen, kulturellen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Der Begriff Speziezismus wird stets abwertend gebraucht. Radikale Tierschützer sehen in ihm einen Vorläufer des Rassismus.
Als Konsequenz der Vermeidung des Speziezismus wird meist die ethische Auflage des Veganismus betrachtet, einschließlich des Verzichts auf Haus- und Reittiere. Denn wenn es unethisch ist, Menschen zu töten oder aus wirtschaftlichen Gründen bzw. zur eigenen Unterhaltung einzusperren, und es keinen wesentlichen Unterschied zwischen Menschen und anderen Tieren gibt, so muss auch die Tiernutzung und -haltung unethisch sein.
Der Begriff wird auch gebraucht, um anderen im Tierschutz aktiven Menschen Doppelmoral vorzuwerfen. So stoßen beispielsweise folgende Praktiken im westlichen Kulturraum auf Ablehnung:
- die Tötung und der Verzehr von Hunden und Katzen
- das Töten junger Robben zur Pelzgewinnung
- der Walfang
- die Herstellung von Gänsestopfleber
Gleichzeitig sind folgende Praktiken aber weitgehend akzeptiert:
- die Tötung und der Verzehr von Schweinen und Rindern
- das Töten und der Verzehr von Kälbern und Lämmern
- das Töten von Rindern zur Ledergewinnung
- die Jagd auf Wild und der Fischfang
Kritik
Mit dem Fokus auf das Tierreich kann die Haltung der Tierschützer als selbstwidersprüchlich interpretiert werden, da die Grenze zwischen Tierreich und anderen Lebewesen selbst verschwommen ist. Als Beispiel sei eine gängige biologische Definition des Begriffs "Tier" erwähnt (diese Definition schließt den Menschen ins Tierreich mit ein):
Ein Tier ist demnach ein Lebewesen, welches:
- mehrzellig ist
- einen eukaryotischen Zellaufbau besitzt
- heterotroph lebt
- und Bewegungsfähigkeit besitzt
Die klare Abgrenzung gestaltet sich, wie die obige Aufstellung zeigt, als ausgesprochen schwierig. So erfüllen Pilze die ersten drei Kriterien, aber nicht das letzte. Amöben erfüllen wiederum die letzten drei Kriterien, aber nicht das erste. Dennoch ist bereits diese Definition problematisch, da es Lebewesen gibt, die zum Reich Animalia zählen, aber nicht bewegungsfähig sind (beispielsweise Schwämme). Diese Einordnung lässt sich nur noch evolutionstheoretisch erklären, genauer, aus Darwin's Theorie der gemeinsamen Abstammung, wonach der letzte gemeinsame Vorfahre von modernen Schwämmen und den Tierarten nach obiger Definition etwa 600 Millionen Jahre später lebte als der letzte gemeinsame Vorfahre von Tieren und Pflanzen.
Doch selbst ohne diese Maßnahme können die obigen Kriterien unter ethischen Gesichtspunkten als willkürlich betrachtet werden. So lässt sich beispielsweise in nächster Konsequenz auch keine ethisch relevante Grenze zwischen dem Tierreich und dem Pflanzenreich konstatieren. Fruktarier versuchen dieses Problem zu lösen, indem sie sich nur von Pflanzenteilen ernähren, die gewonnen werden können, ohne der Pflanze Leid zuzufügen. Dies beinhaltet Früchte, Fruchtgemüse, Samen (wie auch Hülsenfrüchte) und Nüsse, nicht jedoch Wurzel- und Blattgemüse, sowie Kräuter. Auch ein Verzicht auf Holz und Papier ist die logische Konsequenz.
Viele Veganer definieren ihre Ethik hingegen nicht auf der Zugehörigkeit zum Tierreich, sondern auf der Fähigkeit des betreffenden Organismus, Schmerz und Leid zu empfinden. Dabei wird meist vorausgesetzt, dass hierfür ein zentrales Nervensystem erforderlich ist. Obwohl dieses Kriterium nicht alle Tiere beinhaltet, schließt es alle in Hinblick auf menschliche Nutzung relevanten Tiere ein, und nur Tiere. Für praktische Zwecke ist es daher gleichbedeutend mit dem Verzicht auf Tiernutzung, auch wenn die ethische Herleitung eine völlig andere ist.