Pathologisches Spielen

Krankheit
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Klassifikation nach ICD-10
F63 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Pathologisches Spielen oder zwanghaftes Spielen, umgangssprachlich auch als Spielabhängigkeit oder Spielsucht bezeichnet, wird durch die Unfähigkeit eines Betroffenen gekennzeichnet, dem Impuls zum Glücksspiel oder Wetten zu widerstehen, auch wenn dies gravierende Folgen im persönlichen, familiären oder beruflichen Umfeld nach sich zu ziehen droht oder diese schon nach sich gezogen hat. Männer sind davon häufiger betroffen als Frauen. In Deutschland gibt es ca. 200.000 Betroffene.

Pathologisches Spielen wird in der ICD-10-Klassifikation (zusammen mit Trichotillomanie, Kleptomanie und Pyromanie) unter die Abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle eingeordnet. Nicht dazu gezählt wird das exzessive Spielen während manischer Episoden sowie bei der dissozialen Persönlichkeitsstörung, wo es als Symptom des Grundproblems betrachtet wird. Im englischen Sprachbereich bzw. DSM-IV wird von „pathological“ oder „compulsive gambling“ bzw. oft auch „problem gambling“ gesprochen.

Symptome

Häufiges oder auch episodenhaft wiederholtes Spielen ist mit einer ausgesprochenen gedanklichen Beschäftigung bezüglich „erfolgsversprechender“ Spieltechniken oder Möglichkeiten zur Geldbeschaffung - das erforderliche „Anfangskapital“ - verbunden. Versuche, dem Spieldrang zu widerstehen scheitern wiederholt, das Spielen selbst wird vor anderen (Familienangehörigen wie Therapeuten) verheimlicht, die oft schwerwiegenden finanziellen Konsequenzen führen letztlich jedoch oft zum Zerbrechen von Beziehungen, auch, weil sich der Betroffene immer wieder darauf verlässt, "andere" (Familienangehörige, Freunde, alte Bekannte) würden ihm die notwendigen Mittel "ein letztes Mal" beschaffen oder die entstandenen Schulden begleichen.

Das Spielen selbst dient dazu, Problemen oder negativen Stimmungen (Ängsten, Depressionen, Schuldgefühlen) zu entkommen; immer höhere Beträge werden eingesetzt, um Spannung und Erregung aufrecht zu erhalten.

Stufen einer Spielerkarriere

Eine Spielerkarriere gliedert sich häufig in drei Abschnitte, die als Gewinn-, Verlust- und Verzweiflungsphase bezeichnet werden.

Gewinnphase

  • Gelegentliches Spiel
  • Ein größerer oder mehrere kleinere Gewinne
  • Positive Erregung vor und während des Spiels
  • Unrealistischer Optimismus
  • Entwicklung von Wunschgedanken
  • Häufigeres Spiel
  • Setzen immer größerer Beträge

Verlustphase

  • Bagatellisierung der Verluste
  • Prahlerei mit Gewinnen
  • Verluste scheinen durch Gewinne abgedeckt zu sein
  • Häufigeres Spiel alleine
  • Häufigeres Denken an das Spiel
  • Erste größere Verluste
  • Verheimlichung von und Lügen über Verluste
  • Vernachlässigung von Familie und Freunden
  • Beschäftigung mit dem Spiel während der Arbeitszeit
  • Aufnahme von Schulden und Krediten
  • Unfähigkeit dem Spiel zu widerstehen

Verzweiflungsphase

  • Gesetzliche und ungesetzliche Geldbeschaffungsaktionen
  • Unpünktlichkeit bei der Schuldenrückzahlung
  • Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur: Reizbarkeit, Irritationen, Ruhelosigkeit, Schlafstörungen
  • Völliger gesellschaftlicher Rückzug
  • Vollständige Entfremdung von Familie und Freunden
  • Verlust der gesellschaftlichen Stellung und des Ansehens
  • Ausschließliche Verwendung von Zeit und Geld für das Spiel
  • Wiederholtes tagelanges Spielen
  • Gewissensbisse und Panikreaktionen
  • Illegale Geldbeschaffung
  • Hass gegenüber anderen Spielern
  • Hoffnungslosigkeit, Selbstmordgedanken bzw. -versuch

Behandlung

Die Therapie erfordert sowohl psychotherapeutische (multimodale Psychotherapie) Maßnahmen wie auch Hilfestellungen zur Schuldenregulierung. Empfehlenswert ist die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe z. B. der „Anonymen Spieler“.

In einer aktuellen Studie [1] konnten mit dem Medikament Naltrexon 40 Prozent der Teilnehmer wenigstens einen Monat auf das Spielen verzichten, in der Placebogruppe waren es hingegen nur knappe 11 Prozent.

Gesetze zum Schutz der Spieler

2006 wurden einige Gesetze, die pathologischen Spielern etwas Schutz bieten sollen, zu Ungunsten der Spieler verändert. So wurde die Zeit, die ein Spiel an einem Automaten dauern darf, von 12 auf 5 Sekunden verkürzt, was eine höhere Frequenz der Spiele zur Folge hat und somit den Spieleinsatz in der gleichen Zeit mehr als verdoppelt. Auf der anderen Seite ist der maximal Verlust in der Stunde auf 80 Euro begrenzt (vorher ergab sich der maximale Verlust pro Stunde aus 0,20 Euro alle 12 Sekunden, also 60 Euro pro Stunde) somit bleibt eine Erhöhung des maximalen Verlustes von lediglich 33 %. Gerhard Stratthaus aus der CDU, Finanzminister von Baden-Württemberg und zuständig für den Spielerschutz, kommentiert die neue Regelung folgendermaßen: „Man wollte die Möglichkeit geben, dass die Automatenindustrie eben hier tatsächlich bessere Geschäfte macht. In der Tat.“[2]

Der Spieleinsatz pro Spiel darf 0,20 Euro nicht übersteigen und der Gewinn höchstens 2 Euro betragen. Die Auszahlungsquote beträgt bei Geräten neuerer Bauart ungefähr 80% (bisher: 60 %) der um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Einsätze. Durch Serien oder Sonderspiele sind aber deutlich höhere Gewinne möglich.

Begrenzt wird auch die Anzahl der Automaten pro Quadratmeter, hier wurde die zulässige Anzahl der Automaten je Quadratmeter erhöht; dies bringt höhere Einnahmen durch die Vergnügungssteuer. Ilona Füchtenschnieder vom Verband Glücksspielsucht sagt dazu: „Die Vergnügungssteuer wird ja pro Gerät auch erhoben und die Kommunen sind die Nutznießer. Und je mehr Geräte und je mehr Spielhallen es in der Kommune gibt, desto höher sind natürlich auch die Einnahmen aus dieser Quelle.“ [3]

Folgen und Komplikationen

Der Spielsüchtige beschäftigt sich oft mit Glücksspiel und mit "verbesserten" Spieltechniken. Es wird versucht, Geld für das Spielen zu beschaffen, wobei es zu Diebstählen, Überschuldung und Betrug kommen kann. In extremen Fällen werden Beruf und Familie vernachlässigt, weil das Glücksspiel den Alltag bestimmt.

Rechtliche Folgen

Im Strafverfahren kann das Vorliegen einer solchen Spielabhängigkeit - im Hinblick auf die Schuldfähigkeit - dann beachtlich sein, wenn die begangenen Straftaten der Fortsetzung des Spielens dienen (vgl. Bundesgerichtshof, NStZ 1994, 501, Bundesgerichtshof, JR 1989, 379 m. Anm. Kröber, Oberlandesgericht Hamm, NStZ-RR 1998, 241). In jüngster Zeit hat der Bundesgerichtshof die Voraussetzungen restriktiv formuliert, gleichzeitig aber auch die Möglichkeiten der Eingliederung der Erkrankung in die Systematik des §20 des deutschen StGB (Schuldunfähigkeit) klargestellt:

"Eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit ist beim pathologischen Spielen nur ausnahmsweise dann gegeben, wenn die Sucht zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt oder der Täter bei Beschaffungstaten unter Entzugserscheinungen gelitten hat". Bei der Beurteilung dieser Frage komme es darauf an, "inwieweit das gesamte Erscheinungsbild des Täters psychische Veränderungen der Persönlichkeit aufweist, die pathologisch bedingt oder - als andere seelische Abartigkeit - in ihrem Schweregrad den krankhaften seelischen Störungen gleichwertig sind." (red. Leitsatz zu NStZ 2005, 281).

Zur Klärung dieser Frage muss das erkennende Gericht in diesen Fällen einen Sachverständigen hinzuziehen.

Für die USA zeigte eine Literaturübersicht von Williams aus dem Jahr 2005, dass ein Drittel der Inhaftierten die Kriterien für pathologisches Spielen erfüllt und von diesen die Hälfte ihre Straftaten beging, um dieses aufrechterhalten zu können.[4]

Situation in Österreich

Für Wien werden zwischen 9000 bis 17000 pathologische Glücksspieler angenommen. Der durchschnittliche Schuldenstand eines Süchtigen wird auf 50.000 Euro geschätzt. Es gibt geschätzt 6000 Automaten in Österreich, und geschätzt fünf Millionen Computer, die als Online-Glücksspielautomaten dienen können. [5]

Literatur

  • Sabine Grüsser-Sinopoli und Carolin N. Thalemann: Verhaltenssucht: Diagnostik, Therapie, Forschung, Bern 2006, ISBN 3-456-84250-3
  • Ihno Gebhardt und Sabine Grüsser-Sinopoli (Hrsg.): Glücksspiel in Deutschland - Ökonomie, Recht, Sucht, Berlin 2008, ISBN 978-3-89949-317-7

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Grant, J. et al.: J. Clin. Psych. 69, 783-789 (2008)
  2. http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2006/t_cid-2945664_.html Panorama Sendung im NDR vom 10.08.2006
  3. http://www.ndrtv.de/panorama/data/panorama_gluecksspiel.pdf Panorama Sendung im NDR vom 10.08.2006
  4. http://cjb.sagepub.com/cgi/content/abstract/32/6/665 Robert J. Williams, Jennifer Royston, Brad F. Hagen: Gambling and Problem Gambling Within Forensic Populations A Review of the Literature
  5. Die Presse Michael Prüller: Fachtagungsbericht zur Spielindustrie, Wiener Hayek-Institut, 06-2007.