Alfred Kantor

tschechisch-jüdischer Künstler und Holocaust-Überlebender (1923-2003)
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. April 2005 um 20:13 Uhr durch 80.130.133.104 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)


Alfred Kantor, * 7. 11.1923 in Prag , † 16. 01. 2003 Yarmouth (US-Staat Maine)

Der junge Zeichner Alfred Kantor musste seine gerade begonnene Ausbildung zum Werbegraphiker in der Rotter-Schule Prags abbrechen, als die Deutschen 1940 den Ausschluss aller Juden aus öffentlichen und privaten Schulen anordneten. Am 1.12. 1941 erhielt er den Deportationsbefehl ins NS-„Vorzeigelager“ Theresienstadt und blieb dort bis 1943; danach erfolgte die Deportation ins Konzentrationslager Auschwitz und ab 1944 ins KZ Schwarzheide. Dort wurde er am 18. 04. 1945 freigelassen, noch kurz vor der Kapitulation. In beiden Lagern hielt „Fredy“ heimlich die Erfahrungen und Eindrücke der Unmenschlichkeit in Skizzen und Bildern fest, die er aber aus Sicherheitsgründen fast alle ( s. u.) vernichten musste. Veröffentlicht und bekannt geworden ist „Das Buch des Alfred Kantor“ – Erstausgabe 1971 New York - mit 127 wasserfarbig kolorierten Zeichnungen, die der 22 Jährige nach der Befreiung aus den KZs in einem Lager für „ Displaced Persons“ bei Deggendorf 1945 in nur zwei Monaten anfertigte. Frei von Sentimentalität und Hass geben die vorwiegende aus der Erinnerung gestalteten dokumentarischen Bilder mit knappen zweisprachigen Textangaben den Horror des Holocaust und das schwer zu fassende Martyrium der dreieinhalb Jahre dauernden Haft wieder. „Wandelnde Leichen! Ein Neuer fragt: Wo kommt der grässliche Rauch her? Life of corpses! A ‚greenhorn’ asks ‚ What, the hell, is he meaning of this awful smoke!”

Über seine Erlebnisse und die Möglichkeit, sich mit dem Zeichnen in den Lagern seinen Lebenswillen zu bewahren, hat der am 14.3.1947 in die USA ausgewanderte Alfred Kantor zusammen mit seiner späteren Frau Inge, die er auf dem Schiff nach Ney York kennen lernte, immer wieder in den Schulen Maines berichtet. Die junge Inge Nattmann, von 1940-43 zur Zwangsarbeit in einem Kabelwerk eines deutschen Industrieunternehmens verpflichtet, am 27. 2. 43 in Berlin verhaftet und auf LKWs deportiert – Goebbels hatte Hitler „ein judenfreies Berlin“ versprochen - hat in ihrer Freude über die Befreiung aus Theresienstadt mit einem Sprung auf einen sowjetischen Panzer reagiert. „Wir wurden medizinisch betreut und in allem sehr gut behandelt!“ Alfred Kantor, der 28 Jahre lang als Graphiker der Firma Mac Adams im Bereich medizinischer Reklamegestaltung gearbeitet und seit 1980 im Staat Maine gelebt hat, macht in seinem Buch deutlich: „Mein Drang zum Zeichnen kam aus einem tiefen Instinkt der Selbsterhaltung und verhalf mir zweifelsohne, den unbeschreiblichen Horror des Lebens zu jener Zeit zu verleugnen. Durch die Rolle des Beobachters konnte ich mich wenigstens für ein paar Augenblicke loslösen von dem, was in Auschwitz vor sich ging, und somit war es mir möglich, die Fäden des Verstandes beieinander zu behalten.“ „Fredy“ ist am 16.Januar 2003 an den Folgen einer langjährigen Parkinsonerkrankung verstorben. Unveröffentlichte Bilder aus Schwarzheide, einem Mithäftling zur Aufbewahrung überlassen, liegen heute im Archiv des Jüdischen Museums Washington D.C. Die Rückgabe wird der verwitweten Inge Kantor - trotz rechtlicher Bemühungen - bis heute vorenthalten.