Zum Inhalt springen

Kernkraftwerk

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. April 2005 um 17:00 Uhr durch Dirk33 (Diskussion | Beiträge) (leerzeilen entfernt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Datei:KKW Grafenrheinfeld.jpg
KKW Grafenrheinfeld, Bayern

Ein Kernkraftwerk (Abkürzung KKW) oder Atomkraftwerk (Abkürzung AKW) ist eine Anlage zur Gewinnung von elektrischer Energie durch Kernspaltung in Kernreaktoren. Die Erzeugung elektrischer Energie geschieht indirekt: Die Wärme, die bei der Kernspaltung entsteht, wird auf ein Kühlmedium übertragen, wodurch dieses erwärmt wird und Dampf erzeugen oder direkt Turbinen antreiben kann.

Der Begriff Atomkraftwerk wurde zuerst von den Betreibern benutzt. In den 60er Jahren wurde der Begriff Kernkraft (oder Kernenergie) von den Kernkraftwerksbetreibern eingeführt, die argumentierten, dass die Spaltung des Kerns den wesentlichen energieliefernden Prozess darstellt. Da der Begriff Atomkraftwerk aber Assoziationen mit Atombombe birgt und in der Öffentlichkeit auf die Gefahren der Atomkraft erst Ende der 60er hingewiesen wurde, wird vermutet, dass die Kernkraftwerksbetreiber den Begriff Kernenergie als eine werbewirksame Bezeichnung benutzten, und auch heute verwenden. Der Begriff Atomkraft wird von den Betreibern gemieden.

In physikalischen Zusammenhängen wird meistens von Kernenergie bzw. Kernkraftwerk gesprochen.

Reaktortypen und Funktionsweise

  • Leichtwasserreaktor (LWR): Als Reaktorkühlmittel wird hier leichtes Wasser verwendet, welches das in der Natur am häufigsten vorkommende Wasser ist, gebildet mit dem leichten Wasserstoff-Isotop 1H. Das leichte Wasser dient gleichzeitig als Moderator. Als Brennstoff geeignet ist angereichertes Uran mit einem U-235-Massenanteil zwischen etwa 1,5 und 6 Prozent. Der LWR wird ausgeführt als
    • Druckwasserreaktor (DWR): Das Reaktorkühlmittel transportiert die Kernspaltungswärme in einem geschlossenen Kreislauf, dem Primärkreislauf, zu einem Dampferzeuger, mit dem der Dampf zum Antrieb der Turbinen in einem sekundären Kreislauf erzeugt wird. Dieser Sekundärkreislauf ist nicht mehr Teil des Kontrollbereichs.
    • Siedewasserreaktor (SWR): Das Reaktorkühlmittel wird im Reaktordruckbehälter verdampft und direkt den Turbinen zugeführt. Der gesamte Wasser-Dampfkreislauf ist damit Teil des Kontrollbereichs.

Im störungsfreien Betrieb verlässt das Reaktorkühlmittel das Containment, eine druckdichte Stahlkugel, des DWR nicht, im SWR dagegen gelangt es bis in die Turbinen und Kondensatoren des Wasser-Dampfkreislaufs.

  • Schwerwasserreaktor (HWR): Schweres Wasser (D2O) als Reaktorkühlmittel wird mit schwerem Wasserstoff, dem Deuterium, gebildet, das Neutronen schlechter absorbiert. Deshalb kann als Brennstoff Natur-Uran mit einem Massenanteil an U-235 von etwa 0,7 Prozent verwendet werden.
  • Flüssigmetall gekühlter Brutreaktor (Schneller Brüter): Der Brutreaktor erzeugt während des Betriebs spaltbares Plutonium aus dem Uran und ermöglicht dadurch eine um 60 Prozent höhere Brennstoffausnutzung. Flüssiges Metall (z.B. Natrium), das Neutronen nicht abbremst ("moderiert"), wird als Reaktorkühlmittel eingesetzt und erzeugt über einen Wärmetauscher den Dampf für die Turbinen.
  • Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR): Thorium-232, aus dem durch Neutroneneinfang der Kernbrennstoff Uran-233 entsteht, ist in tennisballgroßen Graphitkugeln eingebettet (daher auch Kugelhaufenreaktor), die von Helium als Reaktorkühlmittel gekühlt werden (anfangs muss dennoch etwas Uran-233 oder ein anderer Kernbrennstoff vorhanden sein, damit die Reaktion beginnen kann). Das Helium wird dabei auf ca. 1000 °C erhitzt und erzeugt über einen Wärmetauscher den Dampf für die Turbine, oder wird direkt auf eine Gasturbine geleitet.

Im experimentellen Stadium befinden sich derzeit Kernkraftwerke, die Kernfusion als Wärmequelle verwenden. Diese Kraftwerke werden meist als Fusionskraftwerke bezeichnet.

Der wichtigste Bestandteil eines Kernkraftwerks ist der Kernreaktor. In ihm finden die Spaltungsprozesse statt. Viele Kernkraftwerke werden mit mehreren Kernreaktoren gebaut. In einem solchen Fall spricht man von mehreren Reaktorblöcken.

In den Kraftwerken wird bei der Spaltung schwerer Atomkerne die Bindungsenergie der Atomkerne in thermische Energie umgewandelt (der so genannte Massendefekt). In Siedewasserreaktoren bringt diese thermische Energie direkt Wasser zum Sieden und erzeugt somit Wasserdampf. In Druckwasserreaktoren erhitzt die Spaltung dagegen unter starkem Druck stehendes Wasser. Dieses Wasser wird im Primärkreislauf durch einen Wärmetauscher geleitet und bringt dort Wasser im Sekundärkreislauf zum Sieden. Durch dieses Vorgehen wird erreicht, dass die für die Stromerzeugung nötigen Anlagen (z.B. die Turbinen) nicht radioaktiv kontaminiert werden. Mit dem Dampf werden schließlich Wärmekraftmaschinen gespeist, die Generatoren zur Erzeugung des elektrischen Stroms antreiben.

Ein Reaktor kann über seinen Neutronenfluss geregelt, angefahren und abgeschaltet werden, indem man Neutronen absorbierende Stoffe wie etwa Cadmium, Gadolinium oder Bor in den Reaktorkern bzw. neutronenverlangsamende (sogenannte Moderatoren) Stoffe wie Graphit, Wasser, oder Schwerwasser zugibt oder entfernt. Diese geschieht z. B. kurzfristig mit Hilfe der Steuerstäbe oder längerfristig durch Zugabe bzw. Entzug von Borsäure im Reaktorkühlkreislauf.

Als Kernbrennstoff wird in den meisten heute betriebenen Kernkraftwerken Uran eingesetzt. Es gibt weltweit viele Kraftwerke mit einer Nutzungslizenz für MOX-Brennelemente, so auch in Deutschland. Mischoxid (MOX) ist ein Gemisch aus Uranoxid und Plutoniumoxid. Plutonium hat als Brennstoff eine höhere Energieausbeute, ist also effizienter als Uran. Die Verwendung von höher angereichertem Plutonium ist allerdings sowohl aufgrund der Waffenfähigkeit des Brennstoffes als auch wegen der höheren Komplexität der Sicherheitssysteme eines Brutreaktors, der mit Plutonium betrieben wird, umstritten.

Risiken

Die Energie, die aus der Kernspaltung gewonnen werden kann, ist gewaltig, jedoch sind damit auch große Risiken für Umwelt und Menschen verbunden. Die Spaltprodukte, die in den abgebrannten Brennstäben enthalten sind, sind stark radioaktiv und enthalten Nuklide verschiedener Halbwertszeiten. Je nach Halbwertszeit sind die Spaltprodukte in einigen Jahren bis zu einigen Jahrmillionen zu stabilen Elementen zerfallen. Durch langfristige Lagerung lässt sich die Strahlenbelastung für die Umwelt reduzieren. Die abgebrannten Brennelemente werden daher zunächst für einige Monate bis Jahre in Abklingbecken der Kernkraftwerke gelagert. Da in Deutschland die Wiederaufarbeitung ab Mitte 2005 verboten ist und kein genehmigtes Endlager existiert, werden die Brennelemente nach etwa fünf Jahren in Transport- und Lagerbehälter (z.B. Castor- oder TN-Behälter) verpackt und in Zwischenlager gebracht. Einige solcher Zwischenlager sind derzeit direkt neben den jeweiligen Kraftwerken in Planung bzw. Bau (u.a. Grafenrheinfeld). Dort sollen die Behälter nach derzeitigen Planungen teilweise für 30 Jahre und länger gelagert werden.

Neben der unvermeidbaren, jedoch vergleichsweise geringen Strahlenbelastung und der Abfallproblematik gibt es noch das Risiko eines großen Unfalls bei dem Radioaktivität austreten könnte. Bei einem solchen sehr unwahrscheinlichen, "Super-GaU" gerät der Kernreaktor außer Kontrolle, und Spaltprodukte dringen aus dem Kraftwerk in die Umwelt. In jüngster Zeit wird ebenfalls über das Risiko von Terroranschlägen auf Kernkraftwerke debattiert. Zumindest in der Schweiz verteilen die Behörden (Bundesamt für Gesundheit) seit 1993 präventiv Kaliumiodidtabletten an die Bevölkerung im Umkreis von 20 km um Kernkraftwerke, um bei einem Zwischenfall rasch der Einlagerung von radioaktiven Iod- und Cäsiumisotopen in die Schilddrüse vorzubeugen und so das Risiko für Schilddrüsenkrebs zu reduzieren. Die Kaliumiodideinnahme wird bei einem Störfall durch Sirenenalarm und Radiomitteilungen von den Behörden angeordnet.

Zu den bisher größten Unfällen gehören die Katastrophe von Three Mile Island (USA) und Tschernobyl (Ukraine in der ehem. Sowjetunion). Die Schäden, die während dieser Unfälle kurz-, mittel- und langfristig entstanden sind, haben auch die öffentliche Meinung bezüglich einer sicheren Nutzung der Kernkraft beeinflusst.

Geschichte

Das erste Kernkraftwerk der Welt wurde 1954 in Obninsk bei Moskau erfolgreich in Betrieb genommen (elektrische Leistung 5 MW). Fast zeitgleich wurde im Jahr 1955 in Calder Hall (England) ein weiteres Kernkraftwerk errichtet. In den meisten frühen Kernkraftwerken kamen Siedewasserreaktoren zum Einsatz, da diese einfacher zu konstruieren und zu regeln sind. Inzwischen sind dagegen Druckwasserreaktoren üblicher, die höhere Leistungsdichten besitzen und bei denen der Kontrollbereich kleiner ist. Das erste Kernkraftwerk Deutschlands stand bei Rheinsberg in Brandenburg (damals DDR). Es wurde am 9. Mai 1966 das erste Mal ans Netz geschaltet und war bis 1990 in Betrieb. Das zweite mit einen Druckwasserreaktor wurde 1968 in Obrigheim in Baden-Württemberg fertiggestellt. Alle sich noch im Betrieb befindlichen deutschen Kernkraftwerke wurden von der Siemens AG oder deren ehemaliger Tochter, der Kraftwerk Union (KWU) gebaut. Eine Ausnahme bildet der Siedewasserreaktor Brunsbüttel. Er entstand als Kooperation zwischen KWU und AEG. Später wurde die Kernkraftsparte der AEG allerdings von der KWU übernommen.

Der neueste Auftrag (2004) für einen EPR Druckwasserreaktor von 1,6 GW Leistung wurde vom finnischen Energieversorgungsunternehmen Teollisuuden Voima Oy (TVO) für den Standort Olkiluoto die Framatom ANP erteilt. Der privat finanzierte Reaktor (3 Milliarden Euro) soll im Jahre 2009 an das Netz gehen.

2003 waren in Deutschland 19 Kernkraftwerke in Betrieb, und produzierten 165 Terawattstunden Strom. Das entspricht 27,7 Prozent der gesamten Bruttoerzeugung (Quelle: Statistisches Bundesamt). Das Kernkraftwerk Stade bei Hamburg wurde im Dezember 2003 abgeschaltet und befindet sich derzeit in der Stillegungsphase.

Siehe auch: Kernenergie, Liste der Kernkraftanlagen, Liste der Kernkraftwerke in Deutschland, Liste der Kernreaktoren in Österreich, Strahlenschutz, Atomkraftgegner, GAU, Liste der nuklearen Unfälle, Kernschmelze, Liste von Reaktortypen, Konvoi-Typ

Aufbau: http://www.stadtwerke.clausthal.harz.de/bilder/atom.gif

Nichtnukleare Besonderheiten

Das Kernkraftwerk Neckarwestheim (Block 1) liefert als einziges Kernkraftwerk der Welt auch einphasigen Bahnstrom. Beim Kernkraftwerk Stade wurde früher beim einzigen deutschen Kernkraftwerk auch die Abwärme genutzt.


Frühgeschichte

In der Uranlagerstätte Oklo/Gabun wurde im Jahre 1972 ein prähistorischer, natürlicher „Kernreaktor“ entdeckt, der vor etwa 2 Mrd. Jahren in Betrieb war. In den vergangenen Jahren wurden in dieser Lagerstätte sechs weitere Orte entdeckt, an denen aufgrund des verminderten U-235-Gehalts im Natururan eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion stattgefunden haben muss. Für die Stelle Oklo II errechnet sich aus der Abreicherung des Uran-235 infolge der Spaltung, dass mindestens 4 t U-235 gespalten und 1 t Pu-239 gebildet wurden und eine Wärmemenge von rund 100 Mrd. kWh entstand. Zum Vergleich: Im Reaktor eines Kernkraftwerks der 1 300 MWe-Klasse werden pro Jahr etwa 30 Mrd. kWh Wärme durch Spaltung erzeugt.

Siehe: