Brühl (Leipzig)

Straße in Leipzig
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Der Brühl ist eine der ältesten Straßen in Leipzig. Sie hatte noch bis zum 2. Weltkrieg den Ruf als „Weltstraße der Pelze“. Es war die bedeutendste Straße der Stadt und sie trug wesentlich zu Leipzigs Weltruf als Handelsmetropole bei. Einige Zeit erwirtschafteten die im Umkreis ansässigen Unternehmen der Rauchwarenbranche den größten Anteil der Steuereinnahmen Leipzigs.

Brühl um 1904

Geographie

Der Brühl (amtlicher Straßenschlüssel 01009) ist eine Anliegerstraße in der nördlichen Leipziger Altstadt. Am Südost-Ende des Richard-Wagner-Platzes beginnend, führt der Brühl auf einer Länge von etwa 580 m nach Westen zur Goethestraße. Südliche Querstraßen sind die Große Fleischergasse, die Hainstraße, die Katharinenstraße, sowie die kreuzende Reichsstraße, welche nördlich als Straße Am Hallischen Tor weiterführt, und die kreuzende Nikolaistraße, und schließlich die Ritterstraße, welche im Norden als Ritterpassage weiterführt.

Geschichte

Frühgeschichte und Mittelalter

Der Brühl, anfangs Bruel[1], war Teil der Via Regia und entstand an der Kreuzung zur Via Imperii, einer alten Reichsstraße. Am Westende des Brühls, an der heutigen Stelle des Richard-Wagner-Platz, bildete sich vermutlich im 7. Jahrhundert der erste slawische Markt (später Eselsmarkt genannt), sowie die slawische Siedlung Lipsk, aus welcher sich später die Stadt Leipzig entwickelte. Aus dem 10./11. Jahrhundert ist eine erste Kaufmanns- und Handwerkersiedlung im Bereich Brühl / Reichstraße nachgewiesen. An der Ecke zur Katharinenstraße wurde 1233 die Katharinenkapelle geweiht, die bis 1546 dort stand.[2]

 
Der Brühl in Leipzig, hier links entlang (innerhalb) der Stadtmauer auf einem Stich von Matthäus Merian um 1650

Mit dem Bau der Stadtmauer, also vermutlich zwischen 1265 und 1270, verlor die frühere Via Regia, welche durch Leipzig führte ihren Charakter als Durchgangsstraße und erhielt den Namen Brühl, was soviel wie Moor oder Sumpfland bedeutet. Allerdings haben Grabungen gezeigt, dass nur nördlich der Straße sumpfiges Land zu finden war und damit die Bezeichnung Am Brühl wohl zutreffender wäre. Schriftlich erwähnt wurde die Straße als „Brühl“ jedoch erstmals um 1420.[3] Die Straße verlief im Norden der Stadt in Ost-West-Richtung und wurde durch den Bau der Stadtmauer zur Sackgasse am Ost-Ende. Im Westen des Brühls lag damals das Ranstädter Tor von welchem die Hainstraße nach Süden führte, im Norden lag die Hallische Gasse, die zum Hallischem Tor und der Gerbervorstadt zur Reichsstraße führte. Im Osten des Brühls wurde eine Unterburg der Burg Urbs Libz zum Schutze des Handelsweges errichtet. Schon im 12. und 13. Jahrhundert gab es eine dichte Bebauung am Brühl. In Richtung der nördlich parallel zum Brühl verlaufenden Stadtmauer befanden sich Höfe und Stallungen für Pferde. Stadtbrände zerstörten 1498 und 1518 auch die Häuser am Brühl, welche aber immer wieder aufgebaut wurden. Der Brühl war, bedingt durch seine Lage, Stauraum für Wahren und Reisende von und nach Norden. Die Häuser waren entsprechend den Anforderungen als Gast oder Lagerhäuser angelegt.

Der Handel mit Pelzen und Leder fand vorwiegend in der Nähe der Kreuzung Brühl/Reichsstraße statt, während Wolle, Tuch und Leinen mehr im westlichen Brühlteil (um den Eselsmarkt) gehandelt wurden. Zwar ist im Jahre 1335 der Kürschnermeister Andreas „pellifex“ als Ratsherr erwähnt, eine eigene Innung der Kürschner wurde jedoch erst 1423 auf Drängen der Stadt gegründet.

Kurfürst Friedrich I. erließ 1425 einen Schutzbrief für alle Leipziger Juden. Damit wuchs der Handel am auch am Brühl.[4]

Frühe Neuzeit

 
Pelzniederlage von Heinrich Lomer am Brühl um 1862

Der Leipziger Rat gab 1501 die erste Wasserleitung (aus Kiefernstämmen) in Auftrag, welche unter anderem einen öffentlichen Brunnen auf dem Brühl versorgte.

1543 führte der als Baumeister zu Ruhm gekommene, aus Nürnberg stammende Leipziger Bürgermeister Hieronymus Lotter auf dem Brühl seinen ersten Auftrag für die Stadt Leipzig aus, er errichtete das Kornhaus, an der Stelle, wo bis 1543 das Bernhardinerkollegium gestanden hatte. 1742 wurde das Bauhaus dann abgetragen, um Platz für das „Zucht- und Waisenhaus“ Georgenhaus zu schaffen. Offenbar war der Rat mit der Arbeit Lotters zufrieden, auf dem Blumenberg, Brühl/Ecke Fleischergasse, wo sich heute das Café Am Brühl befindet, beauftragte man ihn, eine Badestube zu bauen.[5]

1554 hielt die Hanse auf ihrer Lübecker Hansetagung den Rauchwarenhandel in Leipzig für gewichtiger als in Nowgorod. Im 16. Jahrhundert erwähnten Quellen erstmals Häusernamen, darunter die Gasthäuser Zum Weißen Schwan (Brühl 7, vermutlich von Zwickauer Fuhrleuten bevorzugt), Zum Roten Ochsen oder die Goldene Eule (Brühl 25, Gastwirt war 1532 Hans Fruben aus Schönau in Schlesien).

Auf dem Brühl Nr. 326 (heute Nr. 19) hatte Johann Gottlob Schönkopf, Vater von Anna Katharina Schönkopf, der berühmten jungen Liebe Goethes (sie währte von 1766 bis Frühjahr 68), sein Weinlokal, in dem Goethe während seiner Leipziger Studienzeit auch seinen Mittagstisch einnahm: „Ich blieb wirklich nach Schlossers Abreise bei ihnen, gab den Ludwigischen Tisch auf und befand mich in dieser geschlossenen Gesellschaft um so wohler, als mir die Tochter vom Hause, ein gar hübsches, nettes Mädchen, sehr wohl gefiel und mir Gelegenheit ward, freundliche Blicke zu wechseln, ein Behagen, das ich seit dem Unfall mit Gretchen weder gesucht noch zufällig gefunden hatte.“[6]

Im Kellerlokal „Zur Guten Quelle“ am Brühl stand Mitte des 19. Jahrhunderts der sogenannte „Verbrechertisch“. Hier trafen sich Politiker und Gelehrte, die mit dem damaligen System in Konflikt geraten waren. Bedingung war eine ein- oder mehrjährige Zuchthausstrafe, es galt als Ehre, dort eingeladen zu werden. Bedeutende Namen sind in die Tischplatte eingeritzt, die heute im Stadtgeschichtlichen Museum steht. Es saßen dort u. a. der Naturforscher Alfred Brehm und die Politiker August Bebel und Wilhelm Liebknecht.

Obwohl sich dreimal jährlich die deutschen und ausländischen Rauchwarenhändler zur Messezeit in Leipzig trafen, bestanden kaum Leipziger Rauchwarenfirmen. 1784 gab es in der Stadt nur neun Handlungen mit Rauchwaren und Leder, davon sollen am Ende der Napoleonischen Kriege nur zwei übrig geblieben sein. Um das nach den Kriegen darniederliegende Messgeschäft wiederzubeleben, wurden 1813 gegen den Widerstand der einheimischen Kaufmannsschaft erstmals sechs „fremde Juden“ als Messmäkler zugelassen. Dieses Amt gewährte den Inhabern das dauernde Wohnrecht in Leipzig und war deshalb sehr geschätzt. [1]

Mit der Zeit spezifizierte sich der Brühl jedoch weiter auf den Rauchwarenhandel. Die oftmals jüdischen Händler fanden zunächst in der Judengasse in der Ranstädter Vorstadt eine Unterkunft. Als diese Ende des 17. Jahrhunderts abgerissen werden musste, gab es dann am Brühl besondere Judenherbergen. Seit 1687 übernachteten die jüdischen Messbesucher hauptsächlich in der „Bruel“, später Brühl genannten Straße und man weiß, dass dort fast ausschließlich jüdische Kaufleute ihr Messlager hatten.[1] Zu den Messen hat Leipzig offenbar den Eindruck einer Judenstadt erweckt, jedenfalls nennt Leonhardi sie 1799 in seiner Beschreibung Leipzigs so. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts hieß das Peißkerische Haus am Brühl „die alte Judenherberge“.[7] 1753 entstand im Blauen Harnisch, heute Brühl 71, die „Brodyer Schul“ (Kaufleute aus Brody, Galizien waren mit die wichtigsten Messebesucher)[1] bzw. Tiktiner Synagoge für die in Leipzig Handel treibenden Juden. Auf dem Gelände der mittelalterlichen Badestube St. Katharien-Badestube wurde der Plauensche Hof gebaut, benannt nach den zahlreichen Messegästen aus der Gegend um Plauen.

Der Brühl, der über lange Zeit die jüdischen Messegäste beherbergt hatte, wurde jetzt zum Mittelpunkt eines ganzjährigen Rauchwarenhandels. Dem Griechen Constantin Pappa (1819) folgten nun schnell auch Kaufleute deutscher und anderer Nationalität. Trotzdem ist auch weiterhin ein Großteil der damaligen Bedeutung des Brühls auf die internationalen Verbindungen der jüdischen Branchenmitglieder zurückzuführen.[1] Während die Leipziger Messe sich immer mehr zur Mustermesse veränderte, war das für den Pelzhandel mit seinen individuellen Produkten kaum möglich, der Käufer wollte die Ware sehen und in die Hand nehmen, allenfalls der Konfektionär konnte eine annähernd gleichbleibende Ware anbieten. Damit war der Weg für den raschen Aufschwung des Brühl mit seinen großen Felllagern frei.[8] Waren es anfangs nur die Fellhändler, kamen nun auch die Kürschner und die Büros der Pelzveredler, die ihre Gerbereien und Färbereien meist außerhalb hatten, hinzu.

1820 wurde mit den Psalmen Meyerbeers „Beth Jacobs“ eingeweiht. Bis dahin hatten die Brodyer Juden eine Betstätte im Quartier des Messmaklers Marcus Harmlin im Blauen Harnisch, Brühl 71.[5]

1693 wird am Brühl das erste Opernhaus eröffnet, wenige Jahre später wird das Romanushaus fertig gestellt.[2][9][10]

Industrialisierung

 
Der Brühl um 1823
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Dekorationen der Firmen Robert Schütz und Fr. Carl Wöbke, Leipzig, Brühl 55, beim Einzug Sr. Majestät König Friedrich August III. in Leipzig. um 1904
 
Pelzzentrum Leipziger Brühl zur Messe

Mit dem Bau der ersten wirtschaftlich bedeutsamen Eisenbahnstrecke 1837 zwischen Dresden und Leipzig wuchs Leipzigs Bedeutung als überregionaler Handelsplatz. Mit der zunehmenden Spezialisierung, der Erfindung der Pelznähmaschine sowie dem Ausbau des Eisenbahnnetzes veränderte sich auch der Brühl. Besonders Kürschner die sich auf den Fernhandel spezialisiert hatten sowie Tuch- und Modehändler konnten am Brühl in ihren Geschäftshäusern auch außerhalb der Messezeit gute Geschäfte machen und zu Wohlstand oder sogar Reichtum kommen. Zunehmend veränderte der Brühl sein Gesicht, alte Gasthöfe wichen Lagern der Pelzhändler und Werkstätten und Verkaufsräumen der Kürschner.

August Lieberoth gründete 1861 ein Bank- und Speditionsgeschäft (Bankhaus August Lieberoth) am Brühl 7 - 9. Beide Geschäfte blieben in Familienbesitz, bis 1947 das Bankhaus abgewickelt und 1953 der Speditionsbetrieb enteignet wurde.[11]

1872 wurde das Ost-Ende vom Brühl geöffnet und an die Goethestraße angebunden. Durch die Leipziger Pferde-Eisenbahn wurde 1882 die Linie Lindenauer Straßenbahntrasse über den gesamten Brühl verlegt. Ab 1897 wurde die Strecke dann durch das Nachfolge-Unternehmen, die Große Leipziger Straßenbahn, elektrifiziert. Die Strecke existierte bis 1964. Um 1913 wurde rund ein Drittel der „Welternte“ an Rauchwaren über Leipzig gehandelt. Typisch war der Geruch am Brühl, welcher durch Konservierungsmittel wie Campher und Naphtalin sowie dem tierisch-süßlichen Duft der rohen Felle bestimmt wurde.

Charakteristisch für den Flair auf dem Brühlteil, auf dem der Fellhandel florierte, war auch das rege Treiben auf der Straße und in den Höfen. Händler in ihren typischen langen weißen Kitteln versuchten dort ihre potentiellen Kunden abzufangen, bevor sie womöglich in den Lagern der Konkurrenz verschwanden. Vor allem traf man sich hier zu einem Gespräch, allgemein herrschte ein freundschaftlicher Ton, schließlich machte man auch untereinander Geschäfte. Nicht nur bei schlechtem Wetter saß man in den umliegenden Cafés und Gaststätten, wie dem Reichskanzler (Brühl/Ecke Goethestraße) und später in der Goldenen Kugel und im Café Küster (beide Richard-Wagner-Straße) sowie in dem koscheren Restaurant Zellner (Nikolaistraße). Insbesondere nachdem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Kürschnergeschäfte auf dem Brühl eröffnet hatten, herrschte hier ein Basarcharakter, auf der Straße wiesen fast vor jedem Haus aufgehängte Fellbündel auf die Profession der Bewohner hin.

Nachdem das Berliner Messeamt 1926 eine deutsche Pelz-Fachausstellung in der Funkhalle am Berliner Funkturm organisiert hatte, begannen Vertreter der Stadt Leipzig, vom Brühl und vom Leipziger Messeamt mit der Planung und Organisation einer in der weltweiten Pelzbranche nie vorher dagewesenen Pelzschau. Man fürchtete um den Verlust der Bedeutung Leipzigs in der Branche. Im Brühl Nr. 70 bezog 1928 der Verein für die Durchführung der Ausstellung Quartier. Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde die Internationale Pelz-Fachausstellung (IPA) erst am 31. Mai 1930 eröffnet. Der Großteil der IPA lag zwar auf angemietetem Messegelände, aber auch der Brühl bot zahlreiche Attraktionen. In Schauwerkstätten, historisch eingerichteten Hinterhöfen, auf Sonderausstellungen, wie die von Valerian Tornius und Rudolf Saudek gestaltete Ausstellung Pelzmode im Wandel der Jahrhunderte, begeisterten nicht nur das Fachpublikum. Bis zum 30. September 1930 war der Brühl eine naturgetreue Nachbildung längst vergangener Zeiten: Der Rote Ochse, die Drei Schwäne, ein Speditions- und Packhof, die alten Steinpflasterungen bis hin zum Markenzeichen der alten Pelzhändler – ein Fellbündel vor den Eingängen der Pelzhandelshäuser.

Durch die weiter anhaltende Weltwirtschaftskrise wurde das Jahr 1931 zu einem Pleitejahr für viele Pelzhändler. Mit Warenverlusten von 40 bis 50 Millionen Reichsmark mussten etwa 30 Prozent der Händler ihr Geschäft aufgeben.

Mit der Machtergreifung der NSDAP 1933 kamen weitere Probleme auf die Händler zu. Die faschistische Führung schaffte aus politischen Gründen ein Einfuhrkontingent für den Handel mit der UdSSR, dieses war jedoch so niedrig, das es sich für beide Seiten nicht mehr lohnte. Gerade der Handel mit dem Osten hatte Leipzig groß gemacht, nun wurde es schwieriger, Felle zu besorgen. Eine Massenarbeitslosigkeit in der Rauchwarenindustrie war die Folge. Einige Fachleute glaubten an eine berufliche Zukunft in Moskau und bewarben sich dort. Jedoch war die Sowjetunion weder in der Lage sie zu beschäftigen, noch sie entsprechend den deutschen Lohnvorstellungen zu bezahlen.

Der erste jüdische Bankier Leipzigs war de facto Joel Meyer auf dem Brühl 25. Dort hatte er schon Jahrzehnte ein „Büro“, als sein Bankhaus 1814 durch den russischen Stadtkommandanten Oberst Prendel konzessioniert wurde. Diesem Stadtkommandanten verdankte auch Isaak Simon auf Brühl 39 seine Zulassung. Offiziell gab es vor den Befreiungskriegen nur die jüdische Bank von Adolph Schlesinger & Jakob Kaskel, Brühl 34. Nach sieben Jahren trennten sich deren Teilhaber; aus der Dresdner Niederlassung entstand die Dresdner Bank.[5]

Einige der bekanntesten jüdischen Rauchwarenhändler waren[1]

  • Julius (Judel) Ariowitsch (1855–1908) aus Slomin in Weißrussland, zog 1877 nach Leipzig und heiratete die Leipziger Rauchwarenhändlerstochter Louise Hepner und begründete eine Rauchwarenfirma am Brühl, welche jedoch erst am 17.06.1892 in das Handelsregister eingetragen wurde. Ariowitsch war der Namensgeber der Ariowitsch-Stiftung, welche seine Witwe und seine Geschäftspartner 1930 gründeten. Die Firma wurde 1941 zwangsliquidiert. Ariowitschs Vater, Mordechai Ariowitsch führte in Weißrussland einen Rauchwarenhandel, und war regelmäßiger Leipzig-Messebesucher. [12]
  • Chaim Eitingon (1857–1932)(auch "Pelzkönig" vom Brühl und Mäzen), Brühl 37–39, aus Shklov in Weißrussland[13][14], später Moskau, Übersiedlung nach Leipzig 1917, mit einem Jahresumsatz 1926 und 1928 von 25 Millionen Reichsmark.
  • Familie Fränkel, der Nachfahre Jury Fränkel (1899-1997) begründete das noch heute bedeutendste Handbuch des Rauchwarenhandels.
  • Familie Harmelin (1830-1939) aus Brody. Jacob Harmelin (1770-1851 war regelmäßiger Messebesucher in Leipzig, 1818 wurde er als Messmäkler vereidigt und errichtete unter seinem Namen eine Leipziger Rauchwarenfirma.
  • John B. (John (Joel) Berend) Oppenheimer & Comp. (1834) eine der bedeutendsten Rauchwarenfirmen Mitte des 19. Jahrhunderts.
  • F. Weiss (1893–1982)
  • Theodor Wolf (um 1833), 1874 von der Firma N. Haendler & Sohn übernommen.
 
Aus Führer durch den Brühl und die Berliner Pelzbranche

Zunehmend wurden Jüdische Händler am Brühl diskriminiert und vertrieben.
Allein auf die bis 1936 vertriebenen Juden war 1929 ein Umsatz von 93 Millionen Reichsmark entfallen. Sie nahmen ihre Geschäftsverbindungen mit nach England oder in die USA, wo sie neue Unternehmen errichteten. In Leipzig machte die jüdische Bevölkerung nur einen Anteil von etwa 2,04 Prozent aus, jedoch lag das Hauptbetätigungsfeld traditionell im Handel. Somit waren von insgesamt (Stand 1929) 794 Rauchwarenhändlern 460 jüdischer Abstammung, also etwa 58 Prozent. 2000 Menschen waren in jüdischen den Betrieben beschäftigt, und verloren ihre Existenz. Weitere Betriebe, die ihre Kunden verloren hatten, gingen in Konkurs. Mit der Reichskristallnacht, in der auch die Tiktiner Synagoge brannte, wurde es dann gänzlich unmöglich für jüdische Händler ihr Geschäft weiter zu führen. Bis 1936 waren am Brühl bereits 113 Firmen, die 1931 einen Umsatz von 60 Millionen Reichsmark hatten, an „arische“ Unternehmer gefallen.[7]

Die „Arisierung“ hatte den Pelzhandel am Brühl um seinen Weltruhm und fast zur Bedeutungslosigkeit gebracht.

An der „Pelzecke“ vom Brühl wurde anlässlich des 575-jährigen Bestehens der Leipziger Kürschnerinnung am 28. August 1998 eine Gedenktafel angebracht: „Der Brühl war jahrhundertelang Zentrum des internationalen Rauchwarenhandels, geprägt auch durch jüdische Händler.“[15]

Zweiter Weltkrieg und DDR-Zeit

 
die „Blechbüchse“ mit den Wohnblöcken im Hintergrund

Am 4. Dezember 1943 brannte der Brühl nach einem Bombenangriff anglo-amerikanischer Flieger fast restlos nieder, obwohl es kaum Treffer in diesem Gebiet gab. Der Brand wütete bis zum 15. Dezember 1943. Nachdem der Brühl baulich wie wirtschaftlich verwüstet war, schien ein Neuanfang zunächst unmöglich. Die neue politische Lage machte es notwendig, Beziehungen zu neuen Lieferanten und Kunden zu erschließen. Felle waren schwierig zu bekommen, da aufgrund der schlechten Lage mehr Wert auf die Fleischproduktion gelegt wurde. Seit 1946 wurde die Organisation des Rauchwarenhandels von der „Deutschen Handelszentrale Textil-Niederlassung Rauchwaren“ in der Nikolaistraße 36 geleitet. Trotz aller Probleme kam es im Februar 1958 zur Gründung des Außenhandelsunternehmens Deutsche Rauchwaren-Export- und Import GmbH in der Nikolaistraße, später umbenannt zur Interpelz. Das 10 geschossige Haus der Interpelz wurde 1966 eingeweiht, seit 1967 stellte die Rauchwarenindustrie der DDR in einem baulich angeschlossenen Messehaus, dem Kongressgebäude Brühlzentrum am Sachsenplatz, ihre Erzeugnisse aus.[8] 1960 fand die erste Leipziger Rauchwarenauktion nach dem Zweiten Weltkrieg statt (ab 1968 im Brühlzentrum). Der Brühl hatte jedoch seinen Ruf als „Weltstraße der Pelze“ endgültig verloren.

Die meisten Pelzbetriebe gingen nach Westen in die aufblühende Bundesrepublik, wo mit dem beginnenden Wirtschaftswunder der Pelzumsatz jährlich zweistellige Zuwachsraten erzielte und die Bundesrepublik für längere Zeit zum Pelzkonsumland Nr. 1 wurde (heute Russland). Insbesondere in Frankfurt bildete sich rund um die Niddastraße ein neues Pelzzentrum mit beinahe ähnlicher Ausstrahlung, lange Zeit von der Branche und auch heute gelegentlich als der „Brühl“ bezeichnet. Das Charakteristische hier war lange noch der neu entstandene Dialekt des sächsischen „Frankforterisch“.[16]

In der Zeit von 1966 bis 1968 wurden drei zueinander parallele, aber zum Brühl quer stehende zehngeschossige Wohnhochhäuser auf der nördlichen Seite vom Brühl errichtet, die durch eingeschossige Flachbauten untereinander verbundene kleine Innenhöfe bildeten. Die Anbindung zur Plauensche Straße wurde dabei überbaut.[17]

Nach der Wende

Nach dem Ende der DDR gab es neue Ideen den Brühl umzugestalten. 1999 rief man eine „Planungswerkstatt“ ins Leben, bei der mehrere Architektenbüros Ideen und Konzepte entwickeln konnten.[18][19] Ein Vorschlag des Architektur Raum e. V. die Wohnhochhäuser zu erhalten und modernen sozialen Wohnraum zu schaffen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.[20] 2007 erfolgte der Abriss eines Teils der Wohnblöcke und Geschäftsgebäude am nördlichen Brühl.[21]

1993 sorgte in Leipzig die Diskussion um den richtigen Abgabepreis für den Oelßner Hof, Mittelpunkt des Leipziger Pelzzentrums, für Schlagzeilen. Diese Passage mit 3400 m², die bis zur Enteignung der Rauchwarenhändlerfamilie Thorer gehört hatten, wollten die damaligen Besitzer zurück erwerben. Der Stadtkämmerer vereinbarte einen Preis von 20,5 Millionen, Wertschätzungen waren bis zu 50 Millionen gegangen.

Geplant wird nun die Errichtung eines innerstädtisch integrierten Einkaufszentrums mit anteiligen Wohnnutzungen. Ein bedeutender Teil des neuen Gebäudes wird auch die Integration der denkmalgeschützten Substanz des auf der Fläche befindlichen Karstadt-Kaufhauses sein.[22]

Richard-Wagner-Platz

 
das Kaufhaus am Brühl um 1908
 
Plakat neben dem Kaufhaus, wo einst Richert Wagners Geburtshaus stand.

Am 22. Mai 1813 erblickte Richard Wagner im Brühl 3, dem Gasthof Roter und Weißer Löwe, das Licht der Welt. Der 1656 erstmals erwähnte Gasthof wurde nach dem rot über weiß quergestreiften Wappenlöwen des Landgrafen von Thüringen benannt. 1886 wurde das Haus zwar abgerissen, der Folgebau wurde jedoch weiter als „Wagnerhaus“ bezeichnet. 1913 erhielt der ehemalige Platz am Ranstädter Tor, später Theaterplatz den Namen Richard-Wagner-Platz. 1914 wurde dann ein Neubau des Kaufhauses am Brühl auf den Grundmauern von Brühl 1 und 3 errichtet. 1928 wurde das Kaufhaus erweitert. Das Gebäude hatte eine geschwungene Linienführung und eine Natursteinfassade. Erneute Umbauten zum Konsument-Warenhaus fanden 1964–66 statt. Dabei erhielt das Gebäude einen achtgeschossigen Anbau sowie eine Waben-Metallfassade ohne Fenster, die dem Kaufhaus den Spitznamen Blechbüchse eintrug.[23] Es war das größte und modernste Warenhaus der DDR, es steht jetzt unter Denkmalschutz.[24]

siehe auch Gebäude am oder in der Nähe vom Brühl:

Literatur

  • Der Leipziger Brühl, Walter Fellmann, Fachbuchverlag Leipzig 1989
  • Historische Straßen und Plätze heute – Leipzig, Waltraud Volk, Verlag für Bauwesen Berlin 1977
  • Kinder vom Brühl, Roman von Richard Küas, Phönix-Verlag Carl Siwinna, 320 S., 1919
Commons: Brühl – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Wilhelm Harmelin: Die Juden in der Leipziger Rauchwarenwirtschaft, in Tradition, Zeitschrift für Firmengeschichte und Unternehmerbiographie, 11. Jahrg., 6. Heft, Dezember 1966, Verlag F. Bruckmann, München, S. 249-282
  2. a b http://www.leipzig-info.net/Info/chronik.html
  3. Informationstafel am Bauzaun im Brühl 2008
  4. http://www.juden-in-sachsen.de/start/zeittafel/ZeittafelLeipzigbis33.htm
  5. a b c Klaus Metscher, Walter Fellmann: Lipsia und Merkur – Leipzig und seine Messen, VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig, 1990
  6. www.leipziger-internet-zeitung.de, abgerufen am 22. November 2008
  7. a b Rat des Bezirks der Stadt Leipzig, Abt. Kultur (Hsgbr.): Juden in Leipzig - Eine Dokumentation zur Ausstellung anläßlich des 50. Jahrestages der faschistischen Progromnacht im Ausstellungszentrum der Karl-Marx-Universität Leipzig vom 5. November bis 17. Dezember 1988
  8. a b L. Jänsch, Christine Speer: 575 Jahre Kürschner-Innung zu Leipzig 1423-1998, Festschrift im Auftrag der Kürschner-Innung zu Leipzig, 1998
  9. Jutta und Rainer Duclaud: Leipziger Zünfte, Verlag der Nation Berlin GmbH 1990, S.139ff
  10. http://www.mrwiese.de/synagoge/gemeinde/israelitische_gemeinde.php
  11. http://www.archiv.sachsen.de/archive/leipzig/4183_3231303131.htm
  12. http://www.juden-in-sachsen.de/leipzig/AriowitschJulius.html
  13. http://leipzig-lexikon.de/biogramm/Eitingon_Chaim.htm
  14. http://www.mdr.de/kultur/1255194.html
  15. Winckelmann Pelz & Markt: Festakt in Leipzig. Über 300 Gäste im Alten Rathaus, Ausgabe 1435, 4. September 1998, Frankfurt/Main, S. 1
  16. Bernd Klebach: Der Brühl, die Niddastrasse, das Pelzzentrum - Erinnerungen an 35 Jahre Pelzbranche, Selbstverlag, Juni 2006
  17. http://leipzig-lexikon.de/STRASSEN/01009.htm
  18. http://www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/projekte/grossbau/09357.shtml
  19. http://www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/projekte/grossbau/09358.shtml
  20. http://www.bruehl-leipzig.net/
  21. http://frank.soic.de/exkursion/abbruch-wohnbloecke-bruehl_leipzig/index.html
  22. http://www.competitionline.de/3008524/alias/ausloberproj#3008524
  23. http://www.leipzig-blaugelb.de/backstage_blaugelb/unser_leipzig/huellen/karte_002.php
  24. http://www.netzeitung.de/kultur/419106.html

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