Das Klinefelter-Syndrom ist eine Chromosomenbesonderheit, die nur bei Jungen bzw. Männern auftritt.
Die Besonderheit wurde erstmals unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten im Jahr 1942 von Dr. Harry F. Klinefelter beschrieben.
Die chromosomale Ursache wurde 1959 erkannt: Man wies eine Chromosomenbesonderheit nach, bei der aufgrund einer zufälligen Nicht-Auseinanderweichung (Non-disjunktion) der Gonosomen (Geschlechtschromosomen) während der Gametogenese zusätzlich zum üblichen männlichen Chromosomensatz (46,XY) mindestens ein weiteres X-Chromosom in allen (47,XXY) oder einem Teil der Körperzellen vorliegt (46,XY/47,XXY / = Mosaik-Form / bei 6%).
Das Klinefelter-Syndrom tritt mit einer durchschnittlichen Häufigkeit von 1:590 bis 1:900 bei männlichen Neugeborenen auf. In Deutschland leben etwa 80.000 Jungen bzw. Männer mit dem Klinefelter-Syndrom.
Die Diagnose wird durch eine cytogenetische Untersuchung gestellt. Das Durchschnittsalter der Kinder liegt zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bei etwa fünf Jahren. Die Differentialdiagnose zum Pseudo-Klinefelter-Syndrom ist nötig.
Zur Klinefelter-Gruppe gehören auch die Polysomien, bei denen Menschen z.B. einen Karyotyp XXXY oder XXXXY haben.
Die Chromosomenbesonderheit wirkt sich auf die kognitive und körperliche Entwicklung und Leistungsfähigkeit der Jungen und Männer mit dem Klinefelter-Syndrom aus, wobei nicht generell gesagt werden kann, welche Symptome sich in welcher Ausprägung bei einem Jungen bzw. Mann ausbilden.
Häufig beobachtet werden eine überdurchschnittliche Erwachsenengröße und ungewöhnlich lange Arme und Beine. Im Kleinkindalter haben etwa 60% der Jungen eine Muskelschwäche (Muskelhypotonie) und eine Verzögerung der motorischen Entwicklung. Männer besitzen aufgrund einer reduzierten Testosteronproduktion meist vergleichsweise kleine Hoden bei üblicher Penisgröße und es werden keine Spermien produziert (bei Männern mit dem Mosaik-Typus ist zum Teil Spermienbildung möglich).
Oft besteht eine Tendenz zur Ausbildung von kleinen Brüsten (Gynäkomastie / bei 30-60%), ein eher femininer Körperbau und ein reduzierter Haarwuchs während der Pubertät. Der Hormonmangel ist ab dem Alter von etwa elf Jahren durch die Gabe entsprechender Hormonpräparate nach eingehender ärztlicher Untersuchung auszugleichen.
Jungen bzw. Männer mit dem Klinefelter-Syndrom sind gewöhnlich durchschnittlich intelligent, können aber auch überdurchschnittlich intelligent sein oder in manchen Fällen eine kognitive Behinderung haben. In erster Linie sind es ihre lautsprachlichen Fähigkeiten (Verbal-IQ), die im Vergleich zu Gleichaltrigen oftmals unterdurchschnittlich sind und bei etwa 50% der Kinder eine Förderung durch Logopädie notwendig macht. Besondere Schwierigkeiten bestehen in den Bereichen der Artikulation und in der Fähigkeit, Zusammenhänge wiederzugeben (Sprachverarbeitung).
Die mathematischen Fähigkeiten von Jungen bzw. Männern mit dem Klinefelter-Syndrom entsprechen oft dem Durchschnitt.
Siehe auch: Turner-Syndrom, Liste der Syndrome, Genetik
Weblinks
Literatur
- Klinefelter-Syndrom - Fragen und Antworten (2003) ISBN: 3-9805545-2-X
- Klaus Sarimskt: Entwicklungspsychologie genetischer Syndrome (2003) ISBN: 3-8017-1764-X
- Priv.-Doz. Dr. F. Jockenhövel (Hrsg.) Männlicher Hypogonadismus - Aktuelle Aspekte der Androgensubstitution (2003) ISBN 3-89599-691-2