Die sogenannte Reichsregierung Dönitz war offiziell die kommissarische Reichsregierung des Dritten Reichs nach dem Selbstmord Adolf Hitlers am 30. April 1945 unter seinem Nachfolger Karl Dönitz. Sie existierte vom 1. Mai bis 23. Mai 1945.
Diese Reichsregierung hatte zunächst ihren Sitz in Plön und Eutin, seit dem 3. Mai in Flensburg und dort seit dem 12. Mai im sog. Sonderbereich Mürwik, als verbliebener Enklave des Deutschen Reichs, bis zu ihrer Verhaftung am 23. Mai.
Vorgeschichte
Bereits Anfang April 1945 ließ Heinrich Himmler den künftigen Standort der Reichsregierung auswählen, und seine Entscheidung fiel auf die Holsteinische Schweiz als relativ ländlichem Raum.
Am 20. April 1945, dem 56. Geburtstag von Adolf Hitler, verfügte jener, dass seine Reichsregierung von Berlin nach Schleswig-Holstein umziehen solle, das damals noch von der Wehrmacht gehalten wurde. Lediglich Joseph Goebbels und Martin Bormann blieben als Regierungsmitglieder bei ihrem „Führer“ in der Hauptstadt.
Am 21. April traf die Reichsregierung in Eutin ein. Der Autor Martin Buhmann bezeichnet dies als Ironie der Geschichte:
- „Wo die Nazis zuerst die staatliche Macht in Deutschland übernommen hatten, ging sie auch zuende.”
In der Tat eroberte die NSDAP 1932 die Macht im Freistaat Oldenburg, und Eutin war die Hauptstadt des alten Fürstentum Lübecks, des oldenburgischen Landesteils in Ostholstein. Großadmiral Karl Dönitz war im April 1945 ausersehen worden, die „Nordfestung“ zu kommandieren. Unter seiner Leitung bezog die Reichsregierung Quartier in dem Barackenlager „Forelle“ am Suhrer See bei Plön.
Mit dabei waren Ernährungsminister Herbert Backe, Gesundheitsminister Leonardo Conti, Verkehrsminister Julius Dorpmüller, Finanzminister Lutz von Krosigk, Reichsminister Otto Meißner, Außenminister Joachim von Ribbentrop, Reichsminister Alfred Rosenberg, Erziehungsminister Bernhard Rust, Arbeitsminister Franz Seldte, Rüstungsminister Albert Speer und Justizminister Otto Georg Thierack; daneben militärische Befehlshaber wie die Generalfeldmarschälle Fedor von Bock, Walther von Brauchitsch und Erich von Manstein.
Die erste Kabinettssitzung im Eutinischen fand am 23. April im dortigen Landratsamt statt. Ab da tagte die Reichsregierung täglich unter dem Vorsitz von Lutz von Krosigk, dem Dienstältesten. Währenddessen verhandelte Heinrich Himmler am gleichen Tag in Lübeck mit dem schwedischen Diplomaten Graf Folke Bernadotte über einen Waffenstillstand mit der Antihitlerkoalition, was jener jedoch ablehnte.
Die Nachricht von Hitlers Selbstmord traf bei der Reichsregierung am 30. April 1945 um 18.35 Uhr ein. Himmler reiste sofort nach Plön, um sich bei Dönitz als dessen künftiger Stellvertreter anzudienen. Auf der Kabinettssitzung am 2. Mai trat Hitlers letzte Regierung in Eutin offiziell zurück. Den Ministern war danach freigestellt unterzutauchen, da ihr Eid an den „Führer“ nur mehr erloschen war.
Letzter Reichspräsident
Da Adolf Hitler noch zu Lebzeiten in seinem Testament Großadmiral Karl Dönitz zu seinem Nachfolger erkoren hat, trat dieser am 1. Mai offiziell sein Amt als letzter Reichspräsident an, nachdem er von seinem Erbe erfahren hatte. Er sollte es bis zu seiner Verhaftung am 23. Mai innehaben.
Die Royal Army überschritt unterdessen am 28. April die Elbe bei Lauenburg und bewegte sich im Wettlauf mit der Sowjetarmee auf Lübeck zu, sodass Dönitz' Reichsregierung direkt nach der Kabinetssitzung am 2. Mai in Eutin weiter nach Flensburg zog. Lübeck wurde am selben Abend weitgehend kampflos von den Briten genommen. Heinrich Himmler und Albert Speer gingen zunächst nach Bad Bramstedt.
Am 3. Mai bezog die „Reichsregierung Dönitz“ ihren Sitz in der Marineschule Mürwik in Flensburg, während der Generalstab der Wehrmacht unter Generalfeldmarschall Ernst Busch seinen Stützpunkt von Hamburg-Bergedorf nach Kollerup in Angeln verlegte, nachdem Dönitz am Tag zuvor angewiesen hat, Hamburg den Briten kampflos zu übergeben. Auch Himmler begab sich in den äußersten Norden und bezog mit seinem 150köpfigem Gefolge Quartier in Hüholz bei Flensburg. Er appelierte an die Kommissarische Reichsregierung, doch besser nach Prag umzuziehen, das noch von seinem letzten SS-Kommandanten Hanns-Martin Schleyer gehalten wurde.
Am 4. Mai verhandelte Admiral Hans Georg von Friedeburg im Auftrage Dönitz', der ihn am 2. Mai nach Lüneburg zum Hauptquartier des britischen Feldmarschalls Bernard Montgomery geschickt hatte, erfolgreich über die Kapitulation Nordwestdeutschlands und Dänemarks, die am folgenden Tag um 8.00 Uhr in Kraft trat.
Am 5. Mai konstituierte sich die neu gebildete Reichsregierung in Flensburg. Albert Speer wurde Wirtschaftsminister, Lutz von Schwerin-Krosigk Finanzminister, Herbert Backe Ernährungs- und Landwirtschaftsminister, Franz Seldte Arbeitsminister und Julius Dorpmüller Verkehrs- und Postminister. Hinzu kamen hunderte Mitarbeiter in den Ministerien. Himmler traf sich am gleichen Tage mit seinen Getreuen aus SS und Polizei im Polizeipräsidium Flensburg, um die Auflösung der Gestapo zu verkünden.
Am 6. Mai enthob Dönitz den NSDAP-Gauleiter Hinrich Lohse seines Amtes als schleswig-holsteinischer Oberpräsident. Um 17.00 Uhr wurden auch Heinrich Himmler und Alfred Rosenberg endgültig aller ihrer Ämter enthoben, nachdem sie sich in Flensburg wiederholt in die Arbeit der „Reichsregierung Dönitz“ einzumischen versuchten. Währenddessen besetzte die US Army den Flensburger Flugplatz Schäferhaus.
Der Reichssender Flensburg verkündete mit einer Ansprache durch Lutz von Schwerin-Krosigk am 7. Mai um 12.45 Uhr zum ersten Mal von deutscher Seite her das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa, nachdem Generaloberst Alfred Jodl in Reims gegenüber dem US-amerikanischen General Dwight D. Eisenhower die Gesamtkapitulation Deutschlands unterzeichnete, wie sie seit der Konferenz von Casablanca gefordert war.
Diese Kapitulation trat am 8. Mai 1945 in Kraft, was im Reichssender Flensburg durch Karl Dönitz' Ansprache bekräftigt wurde. Die Wehrmacht räumte an diesem Tag endgültig Dänemark in Richtung Schleswig-Holstein.
Nachdem am 9. Mai Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel die Kapitulation auf Drängen der Sowjetunion in Berlin-Karlshorst erneut bestätigte, verlas Klaus Kahlenberg um 20.03 den letzten Befehl der Wehrmacht: Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen. In seinen Erinnerungen sagt Kahlenberg, dass er gerne noch ein letztes Wort an die Zuhörerinnen und Zuhörer gerichtet hätte - nur wurde er mit vorgehaltener Waffe seitens des „Nachrichtenführers Reich“ daran gehindert.
Seit dem 12. Mai existierte der Sonderbereich Mürwik als letztes Hoheitsterritorium des Deutschen Reichs, zunächst unter britischer Duldung.