Westfeldzug
Der Westfeldzug, auch als Fall Gelb bekannt, bezeichnet die militärische Eroberung der Niederlande, Belgiens, Luxemburgs und den ersten Teil der Operation gegen Frankreich durch die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Der von Generalleutnant Erich von Manstein erarbeitete Plan ("Sichelschnitt") war der Schlüssel für einen blitzartigen Sieg Deutschlands an der Westfront. Gefolgt wurde der "Fall Gelb" vom "Fall Rot", der Schlacht um Frankreich.
Die Ausgangslage
Nachdem Deutschland als Reaktion auf die Kriegserklärung gegen Polen selbst von England und Frankreich der Krieg erklärt wurde, war es ziemlich still um die deutsch-französische Grenze geworden. Bis auf einige kleine Aufklärungsvorstöße saßen sich beide Seiten abwartend gegenüber. Man sprach mehr und mehr vom "Sitzkrieg".
Aus französischer Sicht
Aus heutiger Sicht könnte man meinen, Frankreich hätte durch eine Offensive gegen das Deutsche Reich den gesamten Kriegsverlauf auf den Kopf stellen können. Auch wenn ein solches Unternehmen in Betracht gezogen wurde, den Franzosen war ein Angriff trotz zahlenmäßiger Überlegenheit (z. B. 3.375 alliierte gegen 2.445 deutsche Panzer) einfach zu riskant. Grund dafür war nicht zuletzt eine Überschätzung der Wehrmacht, besonders durch den Oberbefehlshaber des französischen Heeres Maurice Gamelin. Außerdem sah man in der Defensive eine große Chance den Krieg zu seinen Gunsten führen zu können. Schließlich wurde in den beiden vorangehenden Jahrzehnten mit der Maginotlinie eine - vermeintlich - unüberwindbare Verteidigungslinie hergestellt, welche durch das natürliche Hindernis der Ardennen vollendet wurde.
Aus deutscher Sicht
Deutschland bildete sicher das krasse Gegenteil zu den Alliierten: nicht nur das es seit der Überschreitung der polnischen Grenze nahezu unentwegt militärisch aktiv war. Auf Polen folgte Dänemark, auf Dänemark Norwegen. Die Denkweise Hitlers erlaubte ebenfalls eine "risikoreichere" Angriffsplanung als es dem Generalstab recht gewesen wäre. Alles in allem war der Fall Gelb eine logische, wenn auch riskante Konsequenz aus den ersten Erfolgen der Wehrmacht. Zudem konnte Deutschland auf die starke Luftwaffe zählen, welche dann tatsächlich den Weg zum Erfolg gegen Frankreich ebnen sollte.
Der Plan
Der Sichelschnitt-Plan von Erich von Manstein sah vor, durch schnelles Vorgehen über die Ardennen zum Ärmelkanal die Maginotlinie von Norden umgehen und die britischen und französischen Truppen spalten zu können. Dabei sollte die Heeresgruppe B unter Generaloberst Fedor von Bock zunächst gegen die neutralen Staaten Niederlande und Belgien vorgehen. Der zu erwartende Vorstoß der Alliierten nach Belgien um den Deutschen dort Paroli zu bieten, sollte nun von der Heeresgruppe A unter Generaloberst Gerd von Rundstedt durch einen schnellen Angriff über Luxemburg und das südliche Belgien zum Kanal abgeschnitten werden. Das entscheidende Moment lag bei der Geschwindigkeit der deutschen Truppen. Niemand glaubte an ein Durchkommen großer Panzerverbände durch die bewaldeten Ardennen, zumindest nicht ohne große Verzögerungen. So wurde ein strenger Zeitplan für die Einheiten verfasst, von dessen Einhaltung tatsächlich das Gelingen der gesamten Operation abhing. Sollte dieser Plan Erfolg haben, könnte man sich mit den geschwächten französischen Truppen von Norden her eine Schlacht zur Eroberung Frankreichs liefern (Fall Rot).
Die Durchführung
Die Invasion Hollands und der Dyle-Plan
Der Angriff begann am 10. Mai 1940. Unterstützt wurde er durch vorbereitende Bombardements durch die Luftwaffe, zu denen man auch die Bombardierung von Rotterdam zählen muss. Ferner wurden Fallschirmjäger in den Zielgebieten abgesetzt. Einen besonderen Verdienst leisteten die Elitetruppen, die das Fort Eben Emael, die wichtigste und schwerste Verteidigungsanlage der Belgier handstreichartig besetzten und es durch Sprengungen binnen kürzester Zeit nutzlos machten. Wie geplant rückten die Heeresgruppen A und B nach Holland und Nordbelgien vor, ohne auf allzu großen Widerstand zu treffen. Trotz einiger tapferer Widerstandsversuche blieb die Wehrmacht auf dem Vormarsch und die Niederlande musste bereits 15. Mai kapitulieren. Wie erwartet stießen die Alliierten mit ihrer linken Flanke in den Norden Belgiens um den stark an den Schlieffenplan vergangener Tage erinnernden Angriff zu begegnen (Dyle-Plan).
Durch die Ardennen
In dem unerschütterlichen Glauben an die Ardennen als natürliches Hindernis wurden diese nahezu völlig außer Acht gelassen (17 alliierte gegen 45 deutsche Divisionen). So begann zeitgleich mit der Invasion Hollands der Vormarsch durch Südbelgien, welches fast völlig durch die Ardennen gezeichnet ist. Um das schnelle Vorgehen zu sichern wurden die großen ausgebauten Verkehrswege ausschließlich den schnellen Truppen zur Verfügung gestellt. Die Infanterie sollte auf Nebenstraßen folgen. Und die Rechnung ging tatsächlich auf: bereits am 12. Mai erreichten deutsche Spitzen bei Sedan im Süden und Dinant im Norden die Maas, einen Tag später wurde diese überquert. Hervorzuheben ist hier der später zur Legende gewordene Generaloberst Heinz Guderian, der entscheidend zum Vorankommen beitrug. So kam es auch, dass am 13. Mai bereits die Ausläufer des Mittelgebirges erreicht werden. Nun stand das französische Hinterland bis hin zum Kanal für weitläufige Operationen offen. Und logischerweise wurde weiter die Initiative ergriffen und man kämpfte sich ab dem 14. entlang der Somme nach Abbeville und weiter zum Pas-de-Calais, welcher auch schon am 24. Mai erreicht wurde.
Die Vollendung von "Fall Gelb"
Das erste große Ziel war nun erreicht: Die alliierten Truppen waren gespalten und dadurch entscheidend geschwächt. Ein von General Maxime Weygand entworfener Plan für eine Offensive bei Arras durch gleichzeitiges Vorrücken von Norden und Süden konnte nicht durchgeführt werden: zum einen waren die Deutschen drauf und dran den eingekesselten Truppen den Gar auszumachen, zum anderen konnte die Wehrmacht entlang der Somme Infanteriedivisionen auffahren, welche die Situation entscheidend zu ihren Gunsten stabilisierten. Im Norden wurde nun kontinuierlich vom 25. bis zum 31. Mai der Kessel enger gezogen, so dass schließlich nur noch ein schmaler Streifen Sand rund um Dünkirchen für die Alliierten blieb. Nach Auflösung des Kessels am 4. Juni - mit Verzögerung wohlgemerkt - war die Operation "Fall Gelb" beendet.
Die Folgen
Das Vereinigte Königreich zog 330.000 ihrer Soldaten über Dünkirchen zurück nach England. Die Verschiffung wurde nur deutsche Fliegerangriffe behindert, da Hitler die Panzerverbände Guderians vor Dünkirchen stoppen ließ. Die britische Militärmacht wäre bei einem Scheitern der Operation Dynamo entscheidend geschwächt worden.
Die deutschen Truppen konnten dann die ungeordneten französischen Truppen in einer großen Schlacht zu besiegen. Im Ergebnis erreichte die Wehrmacht am 9. Juni westlich von Paris die Seine erreicht. Östlich von Paris wurde am 12. Juni bei Châlons der Widerstand gebrochen. Die 65 französischen Divisionen konnten wegen der schlechten Ausrüstung und Nachschublage die Weygand-Linie an Somme und Aisne nicht lange halten, so fiel den Deutschen Paris am 14. Juni in die Hände. Am 22. Juni wurde schließlich in Compiègne der Waffenstillstand geschlossen.
An der Westfront begann nun die Luftschlacht um England.
Für Belgien, den Niederlanden und dem Norden Frankreichs begann mit dem Westfeldzug die deutsche Besatzung, die das Schicksal der dort lebenden Juden besiegelte und zu einer brutalen Unterdrückung jeglichen Widerstands durch die SS führte.
Literatur und Weblinks
- Karl-Heinz Frieser, Blitzkrieg-Legende: der Westfeldzug 1940, 2. Aufl., München, 1996 ISBN 3-486-56201-0
- Die deutsche Besatzung in Frankreich 1940 - 1944 : Widerstandsbekämpfung und Judenverfolgung / Ahlrich Meyer. - Darmstadt : Wiss. Buchges. - 2000. - ISBN 3-534-14966-1