Exportweltmeister

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Das SchlagwortExportweltmeister“ wird zumeist verwendet, um den derzeit hohen Gesamtwert der Warenexporte Deutschlands zu beschreiben. Deutsche Unternehmen exportieren (in einer einheitlichen Währung gerechnet) insgesamt mehr Waren als irgendein anderes Land der Welt.

Deutsche Import- und Exportzahlen

Der IWF stellt in seinem letzten Deutschlandbericht vom Januar 2006 fest, dass Deutschland den größten Weltmarktanteil, preisbereinigt gemessen an den Exporten, noch vor den USA, hat.

Internationaler Vergleich

 
Exporte und Exportüberschüsse im Verhältnis zum BIP

In der Abbildung sind für die Triadenländer, also die drei größten Volkswirtschaften der Welt, die Exporte im Verhältnis zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt (BIP) dargestellt, außerdem der Nettoexport im Verhältnis zum BIP. Steigende Exportquoten deuten auf eine zunehmende Handelsverflechtung der Welt hin (Globalisierung).

Demnach ist Deutschland bei den Exporten (Waren und Dienstleistungen insgesamt), jedenfalls gemessen am BIP, tatsächlich führend. Auch erzielt Deutschland einen beachtlichen Exportüberschuss, während die USA mehr importieren als exportieren. Nach Prognose der Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) wird 2008 der Titel als Exportweltmeister noch Deutschland bekommen. Ob 2009 die Volksrepublik China überholen kann, hängt vom Dollar-Kurs ab. [1]

Bewertung

Von Ökonomen und Politikern werden sehr unterschiedliche Bewertungen zu den ansteigenden Warenexporten vorgenommen. Während insbesondere Regierungspolitiker in den Zahlen eine Bestätigung für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik sehen, relativieren Oppositionspolitiker und manche Ökonomen die Daten. Korrekterweise müsse die Handelsbilanz beziehungsweise die Leistungsbilanz im Zusammenhang mit der Kapitalbilanz gesehen werden.

Einerseits suggerieren die starken Exportzuwachsraten der letzten Jahre, dass insbesondere die großen deutschen Unternehmen ihre Produkte erfolgreich auf dem Weltmarkt absetzen können. Die deutsche Bundesregierung führt dies nicht zuletzt auf die von ihr durchgeführten Gesetzesänderungen zurück (z. B. die Ökosteuer oder die Reform der Unternehmensbesteuerung), die zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen geführt habe. Tatsächlich sind die deutschen Exporte seit Mitte der 1950er Jahre kontinuierlich gestiegen.

Kritiker entgegnen dem, die Außenhandelsbilanz dürfe nicht als alleiniger Erfolgsmesser für eine Volkswirtschaft angesehen werden. Das Ungleichgewicht zugunsten der Ausfuhren bedeute nämlich auch, dass Kapital aus Deutschland abfließe und Investoren andere Standorte bevorzugen. Im Rahmen des magischen Vierecks stelle es daher ein Ziel der Wirtschaftspolitik dar, ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht, das heißt eine ungefähr gleiche Höhe von Ein- und Ausfuhren, zu erreichen.

Als wesentliche Einflussfaktoren lassen sich aber auch einige triviale Umstände nennen:

  • Die geografische Lage: Deutschland ist regelrecht von Handelspartnern umringt. Über 95% des Staatsgebietes liegen nicht mehr als 200km von einer Staatsgrenze entfernt. Das macht einen Vergleich mit Inselstaaten (Japan, GB) oder großen Staatsgebieten (USA, Kanada) schwierig.
  • Innerhalb der EU gibt es kaum noch Handelshemmnisse. In vielen Fällen gibt es sogar Handelsförderungen.
  • Ein Mangel an Inlandsnachfrage „erzwingt“ quasi den Export.
 
Investitionsquoten in der Triade
Datei:Kapitalbilanz D.jpg
Kapitalbilanzsaldo Deutschlands

Klar ist, dass ständige Exportüberschüsse mit einem dauerhaften Kapitalabfluss einhergehen. 2006 betrug dieser laut Deutscher Bundesbank 151 Mrd. Euro. Im Jahr 2007 steigerte sich der Fehlbetrag gar auf 236 Mrd. Euro. [2]

Gemäß der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung besteht folgender Zusammenhang: Zahlungsbilanz = 0 = Leistungsbilanz + Kapitalbilanz + Devisenbilanz. Sofern also die Notenbank Differenzen zwischen Leistungsbilanz und Kapitalbilanz nicht durch Devisentransaktionen ausgleicht, sind Leistungsbilanz und Kapitalbilanz gegengleich. Daher bedeutet ein hoher Nettoexport (die Differenz zwischen Export und Import) zugleich einen starken Kapitalabfluss. Solche „Nettoexporterfolge“ deuten daher eher auf einen unattraktiven Investitionsstandort hin, als dass sie Zeugnis einer florierenden Wirtschaft wären. Die Nettoinvestitionen Deutschlands, welche die Grundlage wirtschaftlichen Wachstums bilden, sind dementsprechend bereits 2004 auf ein historisches Tief von 2 bis 3 % gefallen (siehe Tabelle).

Folgendes Beispiel möge die Kausalität darstellen: Nehmen wir vereinfachend an, die Kapitalbilanz (KB) sei gegengleich zur Leistungsbilanz (LB) (stimmt nur bedingt da die Devisenbilanz berücksichtigt werden müsste). Außerdem gilt S (Sparen) = I (Investition) und des weiteren gilt für Nettoinvestitionen (NI) = Bruttoinvestitionen (BI) − Abschreibungen (D) + Kapitalbilanzsaldo (KB). Wird Kapital exportiert, so sinken die Nettoinvestitionen. Wenn aber LB = -KB, dann kann man auch schreiben: NI = BI − D − LB. In Worten formuliert heißt das, ein Leistungsbilanzüberschuss senkt ceteris paribus die Nettoinvestitionen. Die Höhe der Nettoinvestitionen bestimmt aber zum Wesentlichen den eingeschlagenen Wachstumspfad.

Bewertet man nun die Frage der Kausalität zwischen Leistungsbilanz und Kapitalbilanz im Sinne einer „Huhn-Ei“-Problematik, so stellen sich zwei mögliche Sichtweisen dar:

Exporterfolge führen zu einer negativen Kapitalbilanz, niedrigen Nettoinvestitionen und in Folge dessen zu schwachem Wachstum.

Oder entgegengesetzt:

Der Abzug von Kapital führt zu geringer Inlandsnachfrage und zugleich erhöhter Auslandsnachfrage. Der Absatz folgt der Nachfrage was zu Exportüberschüssen führt. Die Nettoinvestitionen sind selbstredend gering, ebenso wie das Wachstum.

Die zugrunde liegende Problematik wurde jedoch schon von Eugen Böhm von Bawerk vor über 100 Jahren korrekt analysiert: Die Kapitalbilanz regiert die Handelsbilanz. Auch Bawerk war als Finanzminister wegen einer negativen Handelsbilanz besorgt - allerdings weniger wegen eines Verlustes an Devisen, sondern wegen einer steigenden Auslandsverschuldung. Diese Sorge darf aber als unangebracht gelten. Mit der Zielsetzung Beschäftigung und Arbeitseinkommen zu steigern ist ein Kapitalimport (und damit ein Leistungsbilanzdefizit) auf jeden Fall wünschenswert.

Sonstige Anmerkungen

Es sei außerdem bemerkt, dass Deutschland bei den Dienstleistungen per Saldo importiert, allerdings ist Deutschland inzwischen auch unter Einbeziehung der Dienstleistungen, also nach Abzug der Nettodienstleistungsimporte laut Internationalem Währungsfonds (IWF) Exportweltmeister.

Der Exporterfolg deutscher Unternehmen könnte sich auch relativieren, wenn man berücksichtigt, dass den deutschen Exporten immer mehr importierte Vorleistungen zugrunde liegen. Einerseits warnen in diesem Zusammenhang manche Ökonomen davor, dass Deutschland zu einer Basarökonomie verkomme. Andererseits wird ein steigender Anteil importierter Vorleistungen an den Exporten auf die zunehmende weltwirtschaftliche Verflechtung zurückgeführt (Globalisierung), etwa von Lester Thurow, der eine ähnliche Beobachtung für die USA macht. Außerdem bleibt natürlich die Tatsache, dass die Exporte insgesamt größer sind als die Importe (im Gegensatz zu den USA), bestehen.

Empirisch lässt sich bestätigen, dass der Anteil der Importe an den deutschen Exporten in den letzten Jahren zugenommen hat; allerdings liegt er nach wie vor unter dem vergleichbarer Länder, so dass derzeit entweder (noch) nicht von einer Basarökonomie gesprochen werden kann, oder dies auf die im Zuge der Globalisierung zunehmende Handelsverflechtung als weltweite Erscheinung hinzunehmen ist.

Siehe auch

Literatur

  • Alexander Loschky, Liane Ritter: Konjunkturmotor Export (PDF). In: Wirtschaft und Statistik 05/2007, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2007.

Einzelnachweise

  1. „Noch einmal Exportweltmeister“
  2. Zahlungsbilanzstatistik der DB