Todesstrafe in den Vereinigten Staaten

Element des Rechtssystems in den Vereinigten Staaten von Amerika
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Geschichte

Die britischen Kolonien in Nordamerika verhängten bereits kurze Zeit nach ihrer Gründung die Todesstrafe. Die erste bekannte Hinrichtung war 1608 die eines Kapitäns, welcher der Spionage für Spanien angeklagt worden war.

1834 begann man, die Hinrichtungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu vollziehen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Wisconsin und Michigan die Todesstrafe abgeschafft.

1888 wurde der elektrische Stuhl als Alternative zu den bisher gängigen Methoden des Erschießens und Erhängens eingeführt.

Um das Jahr 1960 tendierte die öffentliche Einstellung langsam gegen die Todesstrafe. Viele verbündete Nationen hatten die Todesstrafe entweder ganz abgeschafft oder eingeschränkt und auch in den USA verminderte sich die Zahl der Hinrichtungen. In den Jahren um 1940 fanden noch 1.289 Hinrichtungen statt, zehn Jahre später waren es noch 715 und die Zahl fiel weiter auf 191 von 1960 bis 1972. Laut einer Umfrage im Jahre 1966 befürworteten zu dieser Zeit nur noch 42% der amerikanischen Bevölkerung die Todesstrafe. Es wurde diskutiert, ob Menschen willkürlich zum Tode verurteilt wurden.

1972 kam der Fall Furman gegen Georgia vor den Obersten Gerichtshof der USA. Furman argumentierte, die Todesstrafe werde willkürlich und je nach Laune verhängt und verletze das 8. Amendment (Zusatz zur amerikanischen Verfassung), das jeder Person Schutz vor grausamer und ungewöhnlicher Strafe gewährt. Die Obersten Richter urteilten, dass eine Strafe "grausam und ungewöhnlich" sei, wenn sie dem Verbrechen nicht angemessen sei, wenn sie willkürlich verhängt werde, wenn sie den öffentlichen Gerechtigkeitssinn verletze und wenn sie nicht wirksamer sei als eine andere harte Strafe. Die Richter gaben Furman schließlich Recht, dass die Todesstrafe grausam und ungewöhnlich sei und das 8. Amendment verletze. Am 29. Juni 1972 erklärte der Oberste Gerichtshof 40 Todesstrafengesetze für nichtig, setzte die Todesstrafe im ganzen Land aus und wandelte die Todesurteile von 629 Gefangenen in lebenslängliche Haftstrafen um.

Die Bundesstaaten überarbeiteten ihre Todesstrafengesetze, um Willkür bei der Verhängung eines Todesurteils auszuschließen. Es wurden Richtlinien festgelegt, die es einem Richter oder den Geschworenen ermöglichen, erschwerende oder strafmildernde Faktoren zu berücksichtigen. Weiterhin wurden zwei unterschiedliche Phasen der Gerichtsverhandlung eingeführt – eine, in der über Schuld oder Nicht-Schuld des Angeklagten entschieden wird, eine zweite, in der im Falle eines Schuldspruchs die Höhe der Strafe bestimmt wird. Außerdem wurden automatische Rechtsmittel festgelegt, nach denen Urteil und Strafe in der Berufung noch einmal geprüft werden können. 1976 wurde die Todesstrafe wieder in Kraft gesetzt.

Die Hinrichtungen wurden am 17. Januar 1977 wieder aufgenommen. Gary Gilmore wurde in Utah durch ein Peloton exekutiert. Am 2. Dezember 1982 wurde Charles Brooks als erster Verurteilter in Texas durch die Giftspritze getötet. Seither wurden 938 Menschen in den USA hingerichtet, zur Zeit warten über 3.500 Verurteilte auf ihre Hinrichtung.

Zahlen von Amnesty International belegen, dass seit 1900 in den USA mindestens 450 Menschen zum Tode verurteilt worden sind, deren Unschuld später bewiesen wurde. Bei einigen wurde erst posthum die Unschuld festgestellt.

Aktuelle Situation

Seit der erneuten Einführung der Todesstrafe 1976 wurde sie in zwölf von 50 Bundesstaaten und im District of Columbia wieder abgeschafft. In mehreren Staaten, darunter Illinois, wird sie de facto nicht mehr vollstreckt. Die meisten Todeskandidaten sterben seit Langem eines natürlichen Todes. Doch können Bundesgerichte auch in Bundesstaaten, die selbst die Todesstrafe abgeschafft haben, in Fällen, in denen bundesweit geltende Strafbestimmungen anwendbar sind (federal crimes), die Todesstrafe aussprechen, so zuletzt 2003 in Boston, Massachusetts gegen Gary Sampson wegen der Ermordung zweier Autofahrer in Verbindung mit „Fahrzeugentführung“.

Nach einem Bericht der New York Times [1] wurden in den USA von 1976 bis November 2004 insgesamt 943 Todesurteile vollstreckt. Aktuelle Informationen zur Todesstrafe in den USA sind beim Death Penalty Information Center abrufbar. Im Juli 2004 gab es landesweit 3.490 Todeskandidaten.

Laut Amnesty International gehören die USA neben China, der Demokratischen Republik Kongo, dem Iran, Nigeria, Pakistan, Saudiarabien und Jemen zu den wenigen Ländern, in denen seit 1990 zur Tatzeit minderjährige Straftäter hingerichtet wurden. Seit einer Entscheidung des Oberste Gerichtshof im Jahre 1988 ist die Verhängung der Todesstrafe für Straftäter unter 16 Jahren verfassungswidrig. Am 1. März 2005 hat das oberste Gericht der USA die Verfassungswidrigkeit von Todesurteilen für noch nicht 18-jährige Straftäter als "grausame und ungewöhnliche Strafe" nach dem 8. Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung festgestellt (Roper v. Simmons) und damit bestätigt, dass das in vielen Einzelstaaten bereits durch Abschaffung der Todesstrafe für zur Tatzeit minderjährige Straftäter und geistig Behinderte zum Ausdruck gekommene Umdenken sich verallgemeinert. Die so genannte "death eligibility" oder Hinrichtungseignung ist damit für die genannten Personengruppen nicht mehr gegeben.

Bis zum März 2005 war die Todesstrafe gegen minderjährige Täter noch in 19 von den 38 US-Bundesstaaten zulässig, in denen die Todesstrafe verhängt werden kann. (Einzlheiten siehe Themenbericht von AI zur Todesstrafe)

Verurteilungsrate und Hinrichtungsrate sind deutlich rückläufig.

Große Kontroversen ergeben sich aus einem durch viele Studien belegten Missverhältnis im Rassen-, Opfer- und Tätermix, das zu überproportionalen Zahlen für verurteilte/hingerichtete Angehörige von Minderheiten (im Wesentlichen schwarze und hispanische Täter) führt und die sich noch akzentuieren, wenn die Hautfarbe des Opfers ins Kalkül einbezogen wird.

Die von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlichen zulässigen Hinrichtungsmethoden sind (in Klammern Anzahl der Anwendungen ab 1976 bis November 2004) Injektion (775), Elektrokution (152), Vergasen (11), Erhängen (3), Erschießen (2). Mit Ausnahme von Nebraska, in dem die Elektrokution zwingend vorgeschrieben ist, bieten alle Staaten, bei denen die Injektion nicht die grundsätzlich vorgesehene Methode ist, dem Todeskandidaten diese als Alternative an.

Im Bundesstaat Connecticut ist eine Hinrichtung durch Injektion wegen Mordes zulässig, doch fand die letzte Hinrichtung im Jahre 1960 (damals noch auf dem elektrischen Stuhl) statt. Geistig Behinderte und zur Tatzeit Minderjährige (unter 18 Jahren) dürfen nicht hingerichtet werden. Die Todeskandidaten sind im Gefängnis (Osborne Correctional Institution) in Somers inhaftiert. Anders als in anderen Bundesstaaten hat der Gouverneur von Connecticut kein Begnadigungsrecht. Die ursprünglich Für den 26. Januar 2005 angesetzte Exekution des Serienmörders Michael Bruce Ross, eines so genannten „freiwilligen“ Todeskandidaten, der auf weitere Rechtsmittel verzichtet hat, wurde inzwischen auf den 11. Mai verschoben. Insgesamt gibt es in Connecticut derzeit acht Todeskandidaten.

Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe konnte im US-Bundesstaat Illinois bei mehr zum Tod Verurteilten die Unschuld bewiesen werden als Straftäter hingerichtet wurden. Der scheidende Gouverneur George Ryan wandelte daraufhin im Jahre 2003 die Strafe aller 167 Todeskandidaten in Illinois in lebenslange Haft um. Zudem gilt in Illinois seit Januar 2000 ein Vollstreckungsmoratorium.

Indiana gehört zu den Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe mittels Giftspritze vollstreckt wird.

Bei der Hinrichtung von Tommie Smith 1997 konnte das Gefängnispersonal keine geeignete Vene finden, so daß ein Arzt hinzugezogen werden musste. Insgesamt dauerte die Prozedur, die Smith bei vollem Bewusstsein miterleben musste, über 30 Minuten.

Im Juli 2004 machte der Gouverneur von Indiana erstmals von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch und wandelte das Todesurteil gegen den geistig zurückgebliebenen Darnell Williams in eine lebenslange Haftstrafe um.

Seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1978 wurden in Kalifornien elf Menschen hingerichtet, 640 sind zum Tode verurteilt.

Nachdem es drei Jahre lang keine Hinrichtungen gab, wurde am 19. Januar 2005 das Todesurteil gegen Donald Jay Beardslee für einen 1981 begangenen Doppelmord vollstreckt. Ein Gnadengesuch, das auf eine psychische Erkrankung aufgrund eines Gehirnschadens hinwies, wurde von Gouverneur Arnold Schwarzenegger abgelehnt.

New Hampshire ist neben Connecticut der einzige der Neuengland-Staaten, in dem die Todesstrafe zulässig ist. Die letzte Hinrichtung fand 1939 statt, und es gibt derzeit (Dezember 2004) keine Todeskandidaten.

Im Bundesstaat New York ist seit 1963 niemand mehr hingerichtet worden. Im März 1995 unterzeichnete der damalige republikanische Gouverneur, George E. Pataki, in Erfüllung eines Wahlkampfversprechens jedoch ein Gesetz, mit dem die Todesstrafe durch Injektion wieder aufleben sollte. Das Gesetz führte nie zu einer Exekution und wurde schließlich im Juni 2004 vom zuständigen Berufungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Seither sind Bemühungen im Gang, ein Gesetz zu erlassen, das die Todesstrafe unter Beachtung der Gerichtsentscheidung verfassungsmäßig machen könnte.

Die Justizbehörden in Texas zeigen sich mit 336 Hinrichtungen (durch Injektion) seit 1976 vollstreckungsreicher als die nächsten sechs noch vollstreckenden Bundesstaaten zusammen genommen. Ursache ist nicht nur die Zahl der in erster Instanz verhängten Todesurteile, sondern auch der Umstand, dass die beiden für Texas zuständigen Berufungsgerichte diese Urteile nur in drei Prozent der von ihnen behandelten Fälle aufheben, was ebenso wie die Zahl der Hinrichtungen einen USA-weiten Rekord darstellt. Laut einer Untersuchung von 6.000 Todesurteilen zwischen 1976 und 1995 besteht landesweit eine Chance von 68 Prozent, dass ein Todesurteil von einem Staats- oder Bundesgericht aufgehoben wird (zur Situation der Hinrichtungsjustiz in Texas siehe New York Times, 5. Dezember 2004).

Der US Supreme Court hat von texanischen Gerichten verhängte Todesurteile mehrfach als verfassungswidrig aufgehoben, zuletzt im November 2004 im Fall eines offenbar vermindert zurechnungsfähigen Täters (Smith v. Texas, No. 04-5323). Hauptgrund für die Entscheidungen des Supreme Court ist regelmäßig der Umstand, dass die für Texas zuständigen Berufungsgerichte die für die Verfassungsmäßigkeit der Todesstrafe geforderte Berücksichtigung mildernder Umstände vernachlässigen.

Derzeit (Dezember 2004) erwarten 456 Verurteilte in texanischen Gefängnissen ihre Hinrichtung. Diese Zahl wird nur von Kalifornien mit 635 Todeskandidaten übertroffen, doch ist dieser Bundesstaat bei der Vollstreckung zurückhaltender (zehn Exekutionen von 1976 bis 2004).

Literatur

  • Richard C. Dieter: Wenn der Staat tötet: die Todesstrafe in den USA. In: Gunnar Köhne (Hrsg.): Die Zukunft der Menschenrechte. Rowohlt-Verlag, Reinbek 1998. ISBN 3-499-22238-8
  • Jürgen Martschukat: Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika, von der Kolonialzeit bis zur Gegenwart. Beck-Verlag, München 2002. ISBN 3-406-47611-2