Vertrag über eine Verfassung für Europa

nicht in Kraft getretener Vertragsentwurf (2004)
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Der Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE) sollte der Europäischen Union eine einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit geben und die bis dahin gültigen Grundlagenverträge (vor allem EU-, EG- und Euratom-Vertrag) ablösen; die bisherige formale Unterteilung in EU und EG sollte entfallen. Gegenüber dem bisher gültigen Vertrag von Nizza sollte die EU zusätzliche Kompetenzen erhalten; außerdem sollte ihr institutionelles Gefüge geändert werden, um sie demokratischer und handlungsfähiger zu machen. Da nicht alle Mitgliedstaaten den Vertrag ratifizierten, erlangte der Verfassungsvertrag jedoch keine Rechtskraft.

Europaflagge

Der Entwurf eines EU-Verfassungsvertrags wurde 2003 von einem Europäischen Konvent erarbeitet und am 29. Oktober 2004 feierlich in Rom unterzeichnet. Er sollte ursprünglich am 1. November 2006 in Kraft treten. Zuvor war aber seine Ratifikation in allen – seinerzeit – 25 Mitgliedstaaten notwendig, entweder durch die dafür zuständigen nationalen Parlamente oder in Volksabstimmungen. Dieser Prozess erlitt durch die Ablehnung der EU-Verfassung bei Volksabstimmungen in Frankreich am 29. Mai 2005 und in den Niederlanden am 1. Juni 2005 einen schweren Rückschlag.

Die Staats- und Regierungschefs der EU riefen daraufhin eine Reflexionsphase aus, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Auf dem Europäischen Rat vom 21./22. Juni 2007 beschlossen sie schließlich, die eingangs genannten EU-Verträge lediglich zu verändern, statt sie durch eine Verfassung zu ersetzen. Mit dem Vertrag von Lissabon, der in allen Mitgliedstaaten außer Irland ohne Volksabstimmungen ratifiziert werden kann, soll ein Großteil der Inhalte des Verfassungsvertrages in die grundlegenden Verträge eingearbeitet werden (siehe unten).

Gliederung des Verfassungsentwurfs

Der Vertrag über eine Verfassung für Europa gliedert sich in eine Präambel, vier Teile des Vertrages und Protokolle.

Präambel Die Präambel nimmt, „in der Gewissheit, dass die Völker Europas […] entschlossen sind, […] immer enger vereint ihr Schicksal gemeinsam zu gestalten“, Bezug auf die „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas“. Sie enthält, entgegen vor allem von Polen, Italien und Irland sowie christlich orientierten Parteien vorgelegten Forderungen, keinen expliziten Gottesbezug.

Teil I: Grundsätze Der erste Teil der Verfassung regelt Grundsätze der Europäischen Union. Er beinhaltet die Definition und die Ziele der Union, ihre Zuständigkeiten, die Demokratie, politische Organe und die Grundsätze ihrer Finanzierung. Die nachbarlichen Beziehungen und die Zugehörigkeit der Union. Der Teil I der Verfassung ist jedoch aus sich heraus nicht abschließend und muss jeweils mit den anderen Teilen der Verfassung in eine Gesamtschau gebracht werden. Außerdem legt Teil I der Verfassung die Symbole der Union fest. Dies sind die offizielle Flagge der Union (zwölf goldene Sterne auf blauem Hintergrund), die Europahymne („Ode an die Freude“ von Ludwig van Beethoven), der Europatag (9. Mai), die Währung Euro und das Motto der EU: In Vielfalt geeint.

Teil II: Charta der Grundrechte Im zweiten Teil werden die Grundrechte für die Bürger der Europäischen Union festgeschrieben. Die Grundrechtecharta war bereits 1999 bis 2000 von einem ersten Konvent unter Leitung von Roman Herzog erarbeitet worden, war aber bis dahin noch nicht in das Europäische Vertragswerk integriert worden. Sie orientiert sich an der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere die Grundrechtsschranken leiten sich teilweise aus dieser ab.

Teil III: Die einzelnen Politikbereiche Der dritte Teil des Verfassungsvertrages ist der umfangreichste. Die hier festgelegten Regeln ersetzen die des früheren EG-Vertrags, wobei der Konvent außer der Einarbeitung inhaltlicher Neuerungen auch die bestehenden Paragraphen redaktionell angepasst und neu strukturiert hat, um den Text verständlicher zu machen. Dieser Teil regelt vor allem die Abläufe und Details der in Teil I festgelegten Grundsätze. Insofern ist Teil III für die alltägliche Praxis der EU-Aktivitäten entscheidend.

Teil IV: Übergangs- und Schlussbestimmungen Teil IV des Verfassungsvertrages regelt Übergangs- und Schlussbestimmungen, etwa das Verfahren bei künftigen Verfassungsänderungen.

Anhang: Protokolle Die der Verfassung angehängten Protokolle sind ausdrücklich Teil der Verfassung. Sie enthalten u. a. wichtige Regelungen zur Sicherung der Subsidiarität wie Klage- und Einspruchsrechte der nationalen Parlamente oder Machtfragen wie die Stimmenverteilung in Rat und Parlament. Die Regelungen zur Europäischen Atomgemeinschaft werden ebenfalls in einem Protokoll fortgeführt.

Zitat

Der erste Satz der Präambel des vom Konvent vorgelegten Verfassungsentwurfs lautete:

„Die Verfassung, die wir haben … heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist.“

Thukydides (II, 37)

Der Gebrauch dieses Zitates war jedoch aufgrund des mehrdeutigen Kontextes bei Thukydides umstritten. Es wurde daher in der Regierungskonferenz zur Ausarbeitung des Verfassungsvertrages gestrichen.

Institutionelle Neuerungen des Verfassungsvertrags

Wesentliches Ziel des Verfassungsvertrags war es, die institutionellen Grundlagen der EU zu erneuern. Dabei sollten einerseits die internen Koordinationsmechanismen ausgebaut und die Vetomöglichkeiten einzelner Mitgliedstaaten reduziert werden, um die EU nach der Osterweiterung 2004 handlungsfähig zu halten; andererseits sollten die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt werden, um die demokratische Legitimation der EU zu erhöhen.

Grundsätzlich bezieht die Europäische Union ihre Legitimität aus den europäischen Bürgern und den Mitgliedstaaten (Art. I-1 VVE). Dies spiegelt sich im Nebeneinander der Gesetzgebungsorgane Parlament und Rat wider: Während das Parlament von den Bürgern direkt gewählt wird, setzt sich der Rat aus den Regierungen der Mitgliedstaaten zusammen. Die Exekutive der EU liegt bei der supranationalen Europäischen Kommission, deren Mitglieder vom Europäischen Rat unter Beteiligung des Europaparlaments ernannt werden.

Das Europäische Parlament

Das Europäische Parlament ist eine von denjenigen Institutionen, deren Kompetenzen durch den Verfassungsvertrag am meisten ausgebaut werden sollten. Gemäß Art. I-20 Abs. 1 VVE wird es „gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union als Gesetzgeber tätig und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus“. Dabei wurde das Mitentscheidungsverfahren, das Parlament und Rat gleiche Rechte im Gesetzgebungsprozess zubilligt, zum neuen „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ und sollte nun in 92 statt bisher 35 Politikfeldern gültig sein. Insbesondere die Gemeinsame Agrarpolitik und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen wurden nun in den Zuständigkeitsbereich des Parlaments mit aufgenommen; die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verblieb allerdings als alleinige Kompetenz des Rates.

Auch bezüglich der Budgethoheit erhielt das EU-Parlament neue Kompetenzen: Nachdem es bisher für sämtliche Ausgaben außer denjenigen für die Gemeinsame Agrarpolitik das Budgetrecht besaß, sollte nun auch der Agrarsektor (46 % des Etats) darin einbezogen werden. Das EU-Parlament besäße damit das letzte Wort über alle Ausgaben der EU. Es könnte aber nach wie vor nicht selbstständig den Gesamtetat erhöhen oder EU-Steuern einführen, da die Entscheidung über die Einnahmen der EU beim Rat liegt.

Die genauen Bestimmungen zur Zusammensetzung des EU-Parlaments nach nationaler Herkunft der Abgeordneten überließ die Verfassung einer späteren Entscheidung des Europäischen Rats. Sie bestimmte lediglich eine „degressiv proportionale“ Vertretung der Bürger, nach der einem großen Staat insgesamt mehr, pro Einwohner allerdings weniger Sitze zustehen als einem kleinen. Insgesamt sollte ab der Europawahl 2009 die Anzahl der Europaabgeordneten auf 750 gesenkt werden (von 785 ab der Erweiterung 2007).

Die Abstimmungsmodi des Parlaments wurden in der Verfassung beibehalten: Es entscheidet regelmäßig (z. B. Gesetzgebung, Bestätigung des Kommissionspräsidenten) mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen, in der zweiten Lesung bei Gesetzgebungsprozessen mit absoluter Mehrheit der gewählten Mitglieder, bei einigen Ausnahmeentscheidungen (z. B. Misstrauensantrag gegen die Kommission) mit Zweidrittelmehrheit.

Der Europäische Rat und sein Präsident

Der Europäische Rat (ER), der sich aus den Staats- und Regierungschefs der einzelnen Mitgliedstaaten zusammensetzt und seit den siebziger Jahren regelmäßig tagt, gilt als ein wichtiger Motor der europäischen Integration. Er war bisher allerdings (anders als der Ministerrat) kein offizielles Organ der EU. Durch den Verfassungsvertrag sollte er auch formal in die EU-Struktur einbezogen werden.

Laut Verfassungsvertrag legt der Europäische Rat die „Impulse“ und „politischen Zielvorstellungen und Prioritäten“ der Europäischen Union fest, wobei er allerdings „nicht gesetzgeberisch tätig wird“. Seine Aufgaben sind vielmehr Veränderungen an der Konstruktion der EU selber und grundlegende Entscheidungen wie etwa neue Mitgliedschaften oder die Übertragung weiterer Aufgaben an die EU. Außerdem schlägt der ER den Kommissionspräsidenten vor. Dabei entscheidet der Europäische Rat wie schon bisher grundsätzlich „im Konsens“, also einstimmig.

Eine bedeutende Neuerung des Verfassungsvertrags war allerdings die Einrichtung des Amtes eines Präsidenten des Europäischen Rates. Dieser sollte vom ER mit qualifizierter Mehrheit für zweieinhalb Jahre (bei einmaliger Wiederwahlmöglichkeit) gewählt werden und damit den bisher im halbjährlichen Rhythmus rotierenden Ratsvorsitz ablösen, der jeweils von einem Regierungschef wahrgenommen wird.

Damit sollte die Effizienz der Aktivitäten des Europäischen Rates gesteigert werden: Als nachteilig am bisherigen System der „Semesterpräsidenten“ wurden einerseits die mit dem Vorsitz wechselnden Schwerpunkte in der politischen Agenda und die unterschiedliche Mentalität der Vorsitzenden empfunden, andererseits die Doppelbelastung, da der Ratsvorsitzende immer zugleich und vor allem auch Regierungschef seines eigenen Landes war. Der hauptamtliche Präsident sollte durch die verlängerte Amtszeit eine leistungsfähige und kontinuierliche Abstimmung zwischen den Regierungschefs gewährleisten und deren Treffen im ER vorbereiten. Außerdem sollte er dem Europäischen Rat – als einem der Hauptentscheidungsorgane der EU – ein „Gesicht“ geben. Dadurch sollte etwa bei einem internationalen Konflikt oder bei wichtigen internen Entscheidungen vor Medien und Bürgern demonstriert werden, dass die EU als Ganzes handelt.

Allerdings dürften weder der ER noch der Präsident in die Tagespolitik und in die Gesetzgebung eingreifen. Diese sollte allein Aufgabe von Kommission (Initiativrecht) sowie Rat und Parlament bleiben. An dem Verfassungsentwurf wurde daher kritisiert, dass es zu Konflikten zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates (hinter dem ja immerhin alle Regierungschefs der EU stünden) und dem Kommissionspräsidenten kommen würde.

Der Rat der Europäischen Union

Der Rat der Europäischen Union (Rat) besteht aus den Ministern der einzelnen Mitgliedstaaten, die für das jeweils aktuelle Thema, für das der Rat zusammentritt, zuständig sind (daher auch der inoffizielle Name „Ministerrat“). Hauptaufgabe des Rates ist die Gesetzgebung zusammen mit dem Parlament. Grundsätzlich gilt dabei, dass der Rat meist einstimmig entscheidet, sofern das Parlament keine oder nur wenig Mitspracherechte hat, und mehrstimmig, sofern auch das Parlament am Entscheidungsprozess beteiligt ist.

Durch den Verfassungsvertrag sollte die letztere Variante zum Normalfall werden, sodass der Rat in der Regel mit qualifizierter Mehrheit entscheiden und ein Vetorecht für einzelne Länder nur noch in einigen Ausnahmefällen gelten sollte. Weiterhin einstimmig sollten allerdings unter anderem alle Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und der Steuern entschieden werden.

Für den Rat der EU wurde (anders als für den Europäischen Rat) das Prinzip einer halbjährlich zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden Präsidentschaft beibehalten. Lediglich für den neu geschaffenen Außenministerrat wurde als fester Vorsitzender der auf fünf Jahre gewählte Außenminister der Union bestimmt (siehe unten).

„Qualifizierte Mehrheit“

Eine gravierende Änderung des Verfassungsvertrages betraf die Abstimmungsmodi im Rat. Dort wurden für die sogenannte „qualifizierte Mehrheit“ die Stimmen der einzelnen Länder bisher gewichtet, wobei größeren Ländern allgemein mehr, kleineren weniger Stimmen zukamen; die genaue Stimmgewichtung war jedoch im Vertrag von Nizza weitgehend willkürlich beschlossen worden. Diese Stimmgewichtung sollte im Verfassungsvertrag abgeschafft werden. Stattdessen sah er eine neue Definition der qualifizierten Mehrheit vor: Nach dem Vertrag von Nizza musste es hierfür eine Mehrheit von (a) mindestens der Hälfte der Staaten geben, die (b) gleichzeitig 72 % der gewichteten Stimmen und (c) 62 % der EU-Bevölkerung repräsentierten. Nach dem Verfassungsentwurf wurde sie durch die sog. doppelte Mehrheit ersetzt, nach der (a) 55 % der Mitgliedstaaten zustimmen müssen, die (b) mindestens 65 % der Bevölkerung der Union repräsentieren.

Wurde die Zahl der Hürden im Vertrag von Nizza also auf drei erhöht, so wären es nach dem Verfassungsentwurf nur noch zwei Hürden: die Anzahl der Staaten und die Bevölkerung. Diese zweifache Mehrheit sollte zum einerseits den „Doppelcharakter“ (Joschka Fischer) der EU als Union aus Völkern und Staaten auf verständliche Weise widerspiegeln. Andererseits sollten dadurch Entscheidungen generell erleichtert werden, indem die Sperrminorität heraufgesetzt wurde. Drittens hätte die Regelung eine Machtverschiebung bewirkt, durch die die großen und sehr kleinen Staaten zulasten der mittelgroßen an Einfluss gewonnen hätten. Verlierer dieser Neuregelung wären die Staaten in der Größenordnung von Österreich bis Spanien gewesen; besonders stark waren Spanien und Polen betroffen, die durch die Stimmgewichtung im Vertrag von Nizza einen überproportional großen Einfluss hatten. Durch die Neuregelung im Verfassungsentwurf hätten diese beiden Länder viel schwieriger eine Blockade organisieren können: Während bisher dafür nur 28 % der gewichteten Stimmen nötig waren (Spanien und Polen besitzen addiert fast 17 %), sollten es nach dem Verfassungsvertrag entweder 13 Länder oder Länder mit einer addierten Bevölkerung von 225 Mio. sein (in Spanien und Polen leben zusammen nur 78 Mio.).

Die Neudefinition der Mehrheit im Rat wurde daher während der Regierungskonferenz zu einem der zentralen Streitpunkte. Erst der Regierungswechsel in Spanien 2004, durch den der EU-freundliche José Luis Rodríguez Zapatero den vorherigen Regierungschef José María Aznar ablöste, ermöglichte letztlich eine Einigung.

Außenministerrat und Außenminister der EU

Eine weitere Neuerung des Verfassungsvertrags bestand in dem neu eingerichteten Außenministerrat sowie im Amt des Außenministers der Union. Bisher hatten sich die Außenminister der Mitgliedstaaten im Rat im sogenannten Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (RAA) getroffen, der sowohl für Außenpolitik als auch für allgemeine Fragen zuständig war. Durch Art. I-24 des Verfassungsvertrags sollte er aufgeteilt werden in einen „Rat für allgemeine Angelegenheiten“ und einen speziellen Außenministerrat.

Während es im Rat für allgemeine Angelegenheiten wie bisher einen halbjährlich zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden Vorsitz geben sollte, wurde für den Vorsitz des Außenministerrats ein neues Amt eingerichtet. Dabei handelte es sich um den Außenminister der Union, der künftig mit qualifizierter Mehrheit auf fünf Jahre vom Europäischen Rat gewählt werden sollte.

Dadurch sollte das Problem behoben werden, das bisher in der Koordination der Außenpolitik der EU existiert. Zum einen gab es hier häufig mangelnde Abstimmung zwischen den Regierungen untereinander, weil diese häufig eigenmächtige Entscheidungen trafen, ohne ihre Partner wenigstens zu informieren. Zum anderen wurde die Situation noch unübersichtlicher durch die Tatsache, dass allein innerhalb der EU derzeit drei Ämter mit Kompetenzen und Rederecht in der Außenpolitik parallel existieren: der vom Europäischen Rat ernannte Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (derzeit Javier Solana), die Außenkommissarin (Benita Ferrero-Waldner) und der jeweilige Vorsitzende des RAA.

Der zukünftige Außenminister der Union sollte diese drei Ämter in einem integrieren, um „eine vom Institutionsgerangel befreite EU-Außenpolitik“ zu ermöglichen. Neben dem Vorsitzenden des Außenministerrats sollte er daher auch Außenkommissar und Vizepräsident der Kommission sein. Dieser „Doppelhut“ sollte es ihm ermöglichen, die schwierige Koordination der europäischen Außenpolitik zu leiten.

Außerdem sollte nach Art. III-296 Abs. 3 ein Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) eingerichtet werden, der dem Außenminister unterstellt sein würde und mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten sollte, ohne an ihre Stelle zu treten. Personell und organisatorisch sollte der neue EAD besser ausgestattet sein als die bereits existierenden Außenvertretungen der EU-Kommission; die Regelungen im Einzelnen blieben allerdings einem späteren Beschluss des Ministerrats überlassen.

Die Kommission und ihr Präsident

Die Kommission „übt Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen aus“, wie das auch bisher schon der Fall war. Außer in Ausnahmefällen „kann ein Gesetzgebungsakt der Union nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden“. Diese Ausnahmen vom alleinigen Initiativrecht werden mit der Verfassung reduziert, die Kommission wird also gestärkt.

Kaum Änderungen gab es im Ernennungsverfahren der Kommission. Ihre Amtszeit beträgt weiterhin fünf Jahre. Nach der Europawahl schlägt der ER einen Kommissionspräsidenten vor, der vom Parlament bestätigt oder abgelehnt werden muss. Im Fall einer Ablehnung muss der ER einen neuen Vorschlag machen, das Parlament kann jedoch keine eigenen Kandidaten ernennen. Nach der Bestätigung durch das Parlament ernennt der Kommissionspräsident seine Kommissare nach Vorschlägen aus den Mitgliedstaaten. Abschließend muss die gesamte designierte Kommission erneut vom Parlament bestätigt werden. Während der Amtszeit der Kommission kann der Kommissionspräsident jedes einzelne Kommissionsmitglied absetzen, das Parlament durch einen Misstrauensantrag jedoch nur die komplette Kommission.

Eine wesentliche Neuerung des Verfassungsvertrages war die Verkleinerung der Kommission. Diese bestand bisher aus einem Kommissar pro Mitgliedstaat und war daher durch die Erweiterungen 2004 und 2007 auf 27 Mitglieder angewachsen. Schon in Nizza hatten sich die Regierungschefs darauf geeinigt, dass nicht mehr jedes Land immer einen Kommissar stellen dürfte, sobald die EU mehr als 25 Mitglieder haben würde; allerdings war es zu keiner konkreten Alternativregelung gekommen. Der Verfassungsvertrag sah nun ein Rotationsprinzip vor, wonach es jeweils aus zwei Dritteln der Mitgliedstaaten je einen Kommissar geben sollte.

Insbesondere die kleineren Staaten standen dem Prinzip einer verkleinerten Kommission sehr kritisch gegenüber. Neben den Mehrheitsregelungen im Rat führte dieser Punkt auf der Regierungskonferenz zum zweiten großen Konflikt. Es wurde daher beschlossen, dass diese Regelung erst 2014 in Kraft treten sollte, bis dahin sollte weiterhin jedes Land einen Kommissar stellen. Auch wie das Rotationsprinzip genau funktionieren sollte, wurde auf der Regierungskonferenz noch nicht eindeutig geklärt, sondern einer späteren Entscheidung des Europäischen Rats überlassen. Festgeschrieben wurden nur die Grundsätze der Rotation: Demnach sollten die Mitgliedstaaten bei der Wahl der Kommissare „vollkommen gleich behandelt“ werden, doch „ist jedes der aufeinander folgenden Kollegien so zusammengesetzt, dass das demografische und geografische Spektrum der Gesamtheit der Mitgliedstaaten der Union auf zufrieden stellende Weise zum Ausdruck kommt.” Dieser Satz wurde so ausgelegt, dass immer ein Gleichgewicht von großen und kleinen, nördlichen und südlichen, reichen und armen Herkunftsländern gegeben sein müsse.

Inhaltliche Neuerungen des Verfassungsvertrages

Neben den institutionellen Veränderungen sah der Verfassungsvertrag auch noch eine Anzahl inhaltlicher Neuerungen vor, die etwa die Kompetenzen der Europäischen Union neu ordneten oder bestimmte Formen der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten neu strukturierten. Zu den wichtigsten dieser Neuerungen zählen die nachfolgend genannten.

Kompetenzabgrenzung

Die Europäische Union besitzt grundsätzlich nur die Kompetenzen, die ihr in den Gründungsverträgen ausdrücklich zugestanden werden („Grundsatz der begrenzen Einzelermächtigung“). In den bisherigen Verträgen finden sich diese Kompetenzen jedoch nicht in einem bestimmten Artikel aufgelistet, sondern über das ganze Vertragswerk verteilt. Dies erschwert das Verständnis des Vertrages und führt häufig zu Unklarheiten über den Umfang der Zuständigkeiten der Union im Einzelnen.

In dem Verfassungsvertrag sollte dieses Problem durch einen „Kompetenzkatalog“ (nach Vorbild des Kompetenzkatalogs im deutschen Grundgesetz) gelöst werden, der die Zuständigkeiten der Union systematischer darstellte. Art. I-12 VVE unterscheidet hiernach zwischen ausschließlichen, geteilten und unterstützenden Zuständigkeiten: Im ersten Fall ist nur die EU zuständig; im zweiten Fall ist die EU zuständig, die Mitgliedstaaten können jedoch Gesetze erlassen, soweit die Union dies nicht getan hat. Im Fall der unterstützenden Zuständigkeit kann die EU Maßnahmen der Mitgliedstaaten unterstützen, koordinieren oder ergänzen, aber nicht selbst gesetzgeberisch tätig werden. Zusätzlich genannt sind die intergouvernementalen Bereiche Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik sowie Außen- und Sicherheitspolitik, in denen die EU Leitlinien festlegen kann, jedoch nur durch einstimmigen Beschluss der Mitgliedstaaten im Ministerrat.

Art. I-13 bis I-17 ordnen schließlich die verschiedenen Politikbereiche, in denen die EU Zuständigkeiten hat, der jeweiligen Zuständigkeitsart zu. Zu den ausschließlichen Kompetenzen der Union zählen dabei insbesondere Handelspolitik und Zollunion; geteilte Zuständikeit gilt unter anderem für Binnenmarkt, Landwirtschaft, Energie, Verkehr, Umwelt und Verbraucherschutz; Unterstützungsmaßnahmen kann die EU unter anderem in den Bereichen Gesundheit, Industrie, Bildung und Katastrophenschutz durchführen.

Ziele und Werte der Union

Ebenfalls ausdrücklich definiert wurden im Verfassungsvertrag die „Ziele und Werte der Union“, die für das gesamte Handeln der EU verpflichtend sind. So heißt es in Art. I-2:

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Art. I-3 legt die Ziele der Union fest, darunter unter anderem die Förderung des Friedens, die Schaffung eines Binnenmarkts mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb, Wirtschaftswachstum, Preisstabilität, soziale Marktwirtschaft, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, kulturelle Vielfalt, weltweite Beseitigung der Armut, Förderung des Völkerrechts etc.

Subsidiaritätsprinzip

Schon im Vertrag von Maastricht wurden für die EU die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit festgelegt, die in Art. I-12 VVE bestätigt werden. Subsidiarität heißt, dass die Union nur tätig wird, sofern „die Ziele […] von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend erreicht werden können, sondern […] auf Unionsebene besser erreicht werden können”. Die Union darf also eine Aufgabe nur dann von den Mitgliedstaaten übernehmen, wenn die unteren politischen Ebenen (im Fall von Deutschland Gemeinden, Bundesländer und der Bund) nicht in der Lage sind, diese ausreichend auszuführen, die EU aber schon. Was „ausreichend“ im Einzelfall bedeutet, entscheidet der EuGH.

Neu an der Verfassung war das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, das die entsprechenden Regelungen näher erläuterte. Zur Sicherung der Subsidiarität wurden vor allem die Rechte der nationalen Parlamente gestärkt: Innerhalb von sechs Wochen nach dem die Kommission einen Gesetzesvorschlag auf den Weg bringt, sollten diese nun begründen können, warum dieses Gesetz ihrer Ansicht nach gegen den Subsidiaritätsgedanken verstößt. Bei Kritik von einem Drittel der Parlamente müsste die Kommission ihren Vorschlag überprüfen. Sie könnte den Einwand der Parlamente auch zurückweisen, müsste ihre Entscheidung aber in jedem Fall begründen.

Letztlich zuständig für die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips bliebe damit wie bisher der EuGH. Die Mitgliedstaaten und der Ausschuss der Regionen können hier Klage erheben, die Nationalparlamente müssen ihre eigene Regierung dazu bewegen, in ihrem Namen zu klagen und können in bestimmten Fällen nun selbst vor den EuGH ziehen.

Verstärkte Zusammenarbeit

Eine weitere Neuerung des Vefassungsvertrags war die Insitutionalisierung der „Verstärkten Zusammenarbeit“ in Art. I-44. Darunter sind Integrationsschritte zwischen einer Gruppe von EU-Mitgliedern zu verstehen, wenn das Vorhaben in der gesamten EU nicht zu realisieren ist.

Vorbild für die Verstärkte Zusammenarbeit waren das Schengener Abkommen und die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, durch die bereits in der Vergangenheit einzelne Mitgliedstaaten schneller als andere Integrationsschritte durchführten. Die Verfassung sollte nun erstmals ein bestimmtes Verfahren vorschreiben, nach der eine solche ungleichzeitige Verwirklichung der europäischen Integration durch mehrere Geschwindigkeiten innerhalb des einheitlichen Rechts- und Verfassungsrahmens der EU gegebenenfalls stattfinden soll. Bei einer Beteiligung von mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten könnten die EU-Institutionen demnach europäisches Recht setzen, das allerdings nur in den teilnehmenden Mitgliedstaaten gelten würde. Eine neue Sonderform der Verstärkten Zusammenarbeit sollte die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein (Art. I-41 Abs. 6 VVE).

Eigene Rechtspersönlichkeit

Nach dem bisherigen Vertragswerk besitzt lediglich die Europäische Gemeinschaft, nicht aber die Europäische Union Rechtspersönlichkeit. Dies bewirkt, dass die EG im Rahmen ihrer Kompetenzen allgemein verbindliche Beschlüsse fassen kann, während die EU lediglich als „Dachorganisation“ tätig ist. Insbesondere in der EU-Außenpolitik bedeutet dies, dass die EU nicht als eigenständige Institution auftreten kann, sondern immer nur in Gestalt ihrer einzelnen Mitgliedstaaten.

Durch den Verfassungsentwurf sollte die Union deshalb eine eigene Rechtspersönlichkeit erhalten. Dies hätte ihr die Möglichkeit verschafft, als Völkerrechtssubjekt in eigenem Namen (wenn auch grundsätzlich nur auf einstimmigen Beschluss des Außenministerrats hin) internationale Verträge und Abkommen zu unterzeichnen, über den neu geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst diplomatische Beziehungen mit anderen Staaten aufzunehmen, und die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen – etwa dem Europarat oder den Vereinten Nationen – zu beantragen.

Grundrechtecharta und Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention

Eine bedeutende Neuerung bestand in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, aus der der Teil II des Verfassungsentwurfs bestand. Diese Charta war bereits 2000 vom Europäischen Rat in Nizza verabschiedet und feierlich proklamiert worden, sie war jedoch zunächst ohne Rechtsverbindlichkeit geblieben.

Durch den Verfassungsvertrag sollte die Grundrechtecharta in der ganzen Europäischen Union verbindlich werden. Inhaltlich orientiert sie sich an der Europäischen Menschenrechtskonvention und ging in manchen Teilen weiter, in anderen weniger weit als vergleichbare Grundrechtskataloge, etwa im deutschen Grundgesetz. Artikel II-113 legte dabei jedoch ausdrücklich das „Günstigkeitsprinzip“ fest, wonach die Grundrechtecharta in keinem Fall eine Verschlechterung der Grundrechtslage bedeuten dürfe. Sofern sich also die Grundrechtecharta und andere rechtsgültige Grundrechtskataloge, etwa in den Verfassungen der Einzelstaaten, widersprächen, würde grundsätzlich die für den Einzelnen bessere Regelung gelten.

Art. I-9 Abs. 2 des Verfassungsentwurfs sah außerdem den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor. Dieser Beitritt befand sich bereits seit Jahrzehnten in der Diskussion, nicht zuletzt da sich die EU seit dem Birkelbach-Bericht von 1961 bei der Definition ihrer politischen Werte auf die Grundsätze des Europarats bezieht, die in der EMRK niedergelegt sind. Allerdings benötigte die EU für den Beitritt zur EMRK eine eigene Rechtspersönlichkeit, die sie erst durch die Verfassung erhalten soll.

Außerdem bedarf es für den Beitritt der EU zur EMRK einer Änderung der Konvention, da diese zurzeit nur Mitgliedstaaten des Europarates offen steht (Artikel 59 Absatz 1 EMRK). Die Anpassung soll durch das 14. Protokoll zur EMRK geschehen, welches bislang einzig Russland noch nicht ratifiziert hat und das somit noch nicht in Kraft getreten ist.

Schließlich müsste für den beabsichtigten Beitritt der EU zur EMRK noch ein Beitrittsabkommen ausgehandelt werden, das ein eigener internationaler Vertrag ist und daher vom Rat der EU einstimmig beschlossen und von sämtlichen Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss. Letztlich stünde somit auch nach Inkrafttreten der Verfassung jedem Mitgliedstaat ein Veto gegen den EMRK-Beitritt der EU offen, da jeder Mitgliedstaat die konkreten Bedingungen dieses Beitritts ablehnen könnte.

Bürgerbegehren

Als neues direktdemokratisches Element sollte ferner durch Art. I-47 Abs. 4 VVE die Möglichkeit eines europaweiten Bürgerbegehrens eingeführt werden. Dadurch sollte die Europäische Kommission aufgefordert werden, einen Gesetzentwurf zu einem bestimmten Thema vorzulegen. Voraussetzung wäre eine Million Unterschriften (aus einer noch durch europäisches Gesetz festzulegenden Zahl von Ländern). Auch im Falle eines Bürgerbegehrens dürfte die Kommission jedoch nur im Rahmen ihrer Befugnisse tätig werden; eine Erweiterung der Zuständigkeiten der EU auf diesem Wege wäre also ausgeschlossen.

Freiwilliger Austritt und Beitrittskriterien

Art.  I-60 des Verfassungsentwurfs sollte erstmals den freiwilligen Austritt eines Staates ausdrücklich regeln und damit die seit langem bestehende Ungewissheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines (ungeschriebenen) Austrittsrechts beenden.

Daneben sollte mit dem Vertrag auch der Forderung nach strikteren Beitrittskriterien entsprochen werden. Gemäß Art. I-58 Abs. 1 müssten beitrittswillige Staaten künftig die Werte der EU (also Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit etc.) „achten und sich verpflichten, ihnen gemeinsam Geltung zu verschaffen“. Laut dem EU-Vertrag in der Fassung von Nizza (Art. 49) kann dagegen „jeder europäische Staat, der die [...] Grundsätze [der EU] achtet“, einen Beitrittsantrag stellen; eine ausdrückliche Verpflichtung auf die Förderung der Grundsätze war nicht darin enthalten.

„Unionszwang“

Eine weitere Neuerung betrifft den Fall, dass ein Mitgliedstaat sich dahin entwickelt, dass seine Politik mit den Werten der Union (also Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte usw.) nicht mehr vereinbar ist. Stellen alle übrigen Mitgliedstaaten einstimmig und das Europaparlament mit Zweidrittelmehrheit fest, dass dies der Fall ist, so könnten nach Art. I-59 VVE die Stimmrechte des betreffenden Mitgliedstaates suspendiert werden.

In Anlehnung an den Bundeszwang im deutschen Grundgesetz wird dieses Verfahren umgangssprachlich bisweilen als „Unionszwang“ bezeichnet. Dieser Vergleich ist jedoch irreführend: Während der deutsche Bundeszwang dem Bund gegenüber den Ländern neue Kompetenzen verschafft (insbesondere das Weisungsrecht gegenüber Landesbehörden), würde die EU aus dem „Unionszwang“ keine neuen Rechte erhalten. Es könnten lediglich bestehende Rechte des Einzelstaates, die ihm aus der EU-Mitgliedschaft entstehen, ausgesetzt werden.

Symbolische Neuerungen

Gewisse Neuerungen des Verfassungsvertrages schließlich bestanden vor allem auf der symbolischen Ebene. So wurden die bereits seit langem benutzten Symbole der EU (Europaflagge, Europahymne, Europatag, Europamotto und die Währung Euro) in Art. I-8 erstmals ausdrücklich in einem Gründungsvertrag der Union genannt. Auch die Begrifflichkeiten in der EU-Gesetzgebung sollten sich verändern: Statt technisch klingender Bezeichnungen wie Verordnung und Richtlinie sollten staatstypische Begriffe wie Europäisches Gesetz und Europäisches Rahmengesetz eingeführt werden.

Streitpunkte

Die europäische Verfassung stieß bei verschiedenen politischen Richtungen, und insbesondere in der Bevölkerung einiger Mitgliedsländer zunehmend auf Kritik. Die Kritik ist sehr vielschichtig und geht über den Inhalt über die Legitimation bis hin zum Titel.

Länge und Komplexität

Kritiker der europäischen Verfassung streichen die Länge und Komplexität der Verfassung im Vergleich zu existierenden und bewährten nationalen Verfassungen heraus. Verglichen z. B. mit der 4.600 Wörter langen US-amerikanischen Verfassung sind die 160.000 Wörter der europäischen Verfassung inklusive ihrer Deklarationen und Protokolle sehr lang. Des Weiteren ist der Verfassungstext äußerst komplex, sodass Bücher existieren, die es erst ermöglichen, das Werk inhaltlich zu erschließen. [1][2].

Befürworter der Verfassung weisen darauf hin, dass der neue Text weniger lang ist als die bisherigen Verträge, die er ersetzt.[3]

Kritik am Ratifizierungsprozess

Am Konvent wird kritisiert, dass seine Mitglieder nicht gewählt oder bestätigt werden konnten, wie sonst bei Legislativen demokratischer Staaten üblich. Der Konvent habe nur Scheintransparenz. Trotz öffentlicher Plenumssitzungen wären Entscheidungen nicht öffentlich getroffen und die vorausgegangenen Präsidiumsberatungen nicht protokolliert worden. Der luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker (Präsident des Rats der Europäischen Union während des ersten Halbjahres 2005) sagte dazu: „Der Konvent ist angekündigt worden als die große Demokratie-Show. Ich habe noch keine dunklere Dunkelkammer gesehen als den Konvent.“[4]

Der ungleiche Zeitpunkt der Referenden und Parlamentsratifizierungen ermögliche es, die Ratifizierungen zum jeweils vermuteten günstigsten Zeitpunkt durchzuführen. Dies führe zur Manipulation der Referendumsergebnisse zu Gunsten der Verfassungsbefürworter. Auch solle durch vorangegangene Entscheidungen Druck auf einzelne Parlamente ausgeübt werden. Beispiele seien das frühe Referendum in Spanien nach entsprechend günstigen Umfragen und der Versuch, dem französischen Referendum durch das deutsche Beispiel rechtzeitig den „nötigen Schub“ zu geben.

Die schnelle Ratifizierung ohne Volksbefragung in Deutschland solle die Formierung von Verfassungskritikern und eine ernsthafte – weil nicht folgenlose – Diskussion verhindern.

Weithin wird die ungleiche finanzielle Unterstützung und Medienpräsenz von Verfassungsbefürwortern und Verfassungsgegnern in vielen, jedoch nicht in allen Mitgliedstaaten bemängelt: Befürworter bekamen in Frankreich nachweislich mehr Sendezeit eingeräumt. In Deutschland fand eine öffentliche Diskussion zu den Inhalten der Verfassung in den großen Medien kaum statt.

Kritik am Titel Verfassung

 
Vielsprachige Ablehnung der EU-Verfassung, des Euro, der Freizügigkeit (Schengen), der Verringerung der Macht der Nationalstaaten

Durch den Titel „Verfassung“ (Gesetz mit dem höchsten Rang, „Gesellschaftsvertrag im Sinne der Aufklärung“) wird angedeutet, dass die EU-Verfassung nicht ein einfacher Nachfolger ihrer rechtswirksamen Vorläufer (Vertrag von Nizza usw.) ist, sondern etwas Neues. Bei einem Vertrag ist sein Konstrukt immer Mittel zum Zweck (sog. Zweckgesellschaft), eine Verfassung ist definitionsgemäß so ausgelegt, dass sein Konstrukt zum Selbstzweck wird (sog. Wertegemeinschaft – eine auf Gemeinsinn beruhende Gesellschaft). Es wurde aber niemals der innere Gemeinsinn der EU definiert (europäische Identität), der Zweck hingegen schon (Binnenmarkt/Währungsgebiet).

Gründe, die dagegen sprechen, können in der demokratischen Konstruktion der EU liegen, so sagte Günter Verheugen: „Würde sich die EU bei uns um Beitritt bewerben, müssten wir sagen: demokratisch ungenügend“, Beispiele für konkrete Punkte dafür sind:

  • Ein in seinen Arbeitsbefugnissen relativ eingeschränktes Parlament
    • Es kann keine Gesetzesvorschläge einbringen
    • Es kann die Regierungsmitglieder (Kommission) nicht wählen, sondern nur als Ganzes akzeptieren, ablehnen und das Misstrauen aussprechen
  • Wenig Transparenz im Rat:
    • Die überwiegende Mehrzahl der Sitzungen im Rat der Europäischen Union finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt; lediglich die großen Ratssitzungen, bei denen die legislativen Entscheidungen meist jedoch ohne Diskussion abgestimmt werden, können aus dem Keller des Ratsgebäudes in Brüssel per Monitor verfolgt werden
    • Dokumente des Rats, auch zu legislativen Entscheidungen, werden vom Rat oft unter Verschluss gehalten

Andererseits basiert diese Kritik auf dem subjektiv wahrgenommen sprachlichen Gehalt, also der Denotation und Konnotation, der (jeweiligen nationalsprachlichen, hier also: deutschen) Begriffe „Vertrag“ und „Verfassung“. Auch der Vertrag von Maastricht und die darauf folgenden Verträge sind im rechtlichen Sinn die – nicht so betitelte – Verfassung der EU, weshalb der EuGH und die Rechtswissenschaften auch von den „europäischen Verfassungsverträgen“ sprechen. Vom rechtlichen Standpunkt aus ist eine Verfassung nämlich stets nicht mehr und nicht weniger als das historisch erste Gesetz einer Rechtsordnung – genauer: die erste Normen-Stufe im Prozess der Rechtserzeugung –, unabhängig davon, welchen Titel (z. B. „Verfassung…“, „Constitution…“, „Grundgesetz…“, „Vertrag…“ oder im Vereinigten Königreich: ungeschriebene, und damit sogar namenlose, „rules, customs and conventions“ usw.) sie trägt und für welche Organisation (Staat, Verein, internationale oder supranationale Organisation etc.) sie gilt.

Gründe, die daher dafür sprechen würden, diesem Vertrag einen besonderen Namen wie etwa „Vertrag über eine Verfassung…“ zu geben, wären:

  • Er löst alle älteren („Verfassungs-“) Verträge ab
  • Er verringert die Erfordernisse für das Verabschieden einer EU-Regelung stark, ist also eine „echte“ Primärrechts-Stufe, die auch so bezeichnet werden sollte.
  • Der Titel „Verfassung“ deutet die zukunftsgerichtete Bestrebung an, die nach (teils auch schon vor) dem Zweiten Weltkrieg von Pazifisten, Internationalisten, Linken, Weltbürgern etc. entwickelte Idee eines vereinten Europas (mit dieser Verfassung nicht abschließend, sondern erst beginnend) schrittweise verwirklichen zu wollen, während bisher klar die (Vertrags-) Zwecke der wirtschaftlichen und strategischen Interessen der Nationalstaaten dominierte.
  • Das vielbeschworene „Fehlen“ einer „europäischen Identität“ ist nur dann ein Mangel, wenn man eine solche als notwendigen Teil einer „Verfassung“ definiert. Gerade der pluralistische Ansatz des „In Vielfalt geeint“ deutet jedoch die Tendenz des Verfassungsvertragsentwurfs an, auf die (für die deutsche politische Philosophie sehr typische, gerade aber liberalen, pragmatischen und linken Ansätzen sehr fremde) Vorstellung einer „Identität“ (wörtlich: Eins-Sein) zu verzichten. Dem Identitätskonzept des Eins-Seins, das notwendig eine Gleichordnung der Wertvorstellung erzwingen muss und Abweichungen von dieser materialen Wertordnung als Anders-Seiendes ausgrenzt, könnte ein rein-formaler Verfassungsbegriff entgegengestellt werden, der sich auf die Normierung einer Organisationsordnung sozialer Steuerungstechniken beschränkt.
  • Formal-rechtlich gesehen ändert sich an der Gültigkeit des EU-Rechts für das nationale Recht gar nichts, ob der Rechtstext nun als „Vertrag“ oder als „Verfassung“ betitelt wird

Kritik am Verfassungsinhalt

Am Inhalt des Verfassungsentwurfs wird von verschiedenen Organisationen, Parteien und Politikern teilweise scharfe Kritik geäußert.

Kritik linksgerichteter Gruppen

Die wesentlichen Kritikpunkte lauten, der Vertrag sei unsozial und undemokratisch und treibe die Militarisierung der Union voran.

Unsozial sei der Vertrag, weil die sozialen Rechte in der Charta der Grundrechte lediglich als allgemeine Grundsätze zu betrachten seien – zur Zeit nicht einklagbar bzw. verbindlich – so dass diese Charta und der konkretisierende Kollektiv Bereich im Absatz im hinteren Teil wieder ausgesetzt worden sind. Die wichtigsten Arbeitnehmerrechte die nicht grenzüberschreitend ordentlich umsetzbar und praktikabel sind, werden im: Teil III, Kapitel III, Abschnitt 2, Art. III-210 Abs.1 (Sozialpolitik) beinhaltet:

  • d) Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags,
  • f) Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer und Arbeitgeberinteressen, einschließlich der Mitbestimmung,

Im Art. III-210 Abs. 6 (letzte Zeile) wurde der Art. III-210 iZm. Arbeitsentgelt, Koalitionsrecht, Streikrecht, sowie Aussperrungsrecht wieder aufgehoben. Die Buchstaben (d, f,) der oben genannten Punkte, sind zur Zeit nur durch Verordnungen, Richtlinien und dem EuGH, grenzüberschreitend iZm. Art. III-211 – 212 in der EU geklärt worden bzw. benutzbar.

Weiter sei mit dem Vertrag die Chance der Demokratisierung und der überfälligen Einführung einer echten Gewaltenteilung in der Union versäumt worden, da Europäischer Rat und Kommission gegenüber dem Parlament mit mehr Entscheidungs- und Vorschlagskompetenzen ausgestattet bleiben.

 
Plakat: Eu-Verfassung – Militarisierung

Der Art. III-304 regelt, dass das EU-Parlament zu militärischen Aktionen der EU Fragen stellen darf, aber keine Entscheidungen zu treffen hat (im Gegensatz zum deutschen GG). Dies gilt insbesondere für den Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, auf den sich der dritte Kritikpunkt bezieht; die Militarisierung der Union werde vorangetrieben.

Während der Vertrag von Nizza ausdrücklich die Verwendung von EU-Geldern für militärische Zwecke verbietet, sieht die EU-Verfassung vor, dass militärische Optionen der EU auch haushaltsrechtlich abgesichert sind.

In Art. I-6 ist festgehalten, dass das EU-Recht nationales Recht einzelner Mitgliedstaaten bricht. Das deutsche GG verbietet Angriffskriege und stellt sie unter Strafe. Die EU-Verfassung legt in Art. I-41 dagegen eine militärische Ausrichtung der EU fest und gibt sich entsprechende Strukturen mit der Rüstungsagentur („Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung/ Europäische Verteidigungsagentur“) und mit dem Kerneuropa-Konzept („Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“). Ferner wird die Verpflichtung der EU-Mitglieder zur Aufrüstung (Art. I-41 (3)) und die Ausweitung der militärischen Aufgaben der Union sowie die Lockerung der Voraussetzungen für Militäreinsätze (nicht nur Landes- bzw. EU-Verteidigung, sondern Interessenpolitik um Rohstoffe und Märkte mit Militär) kritisiert.

Der Art. III-376 regelt, dass der Europäische Gerichtshof für die Überprüfung militärischer Aktionen der EU nicht zuständig ist.

Weitere Kritik entzündet sich am im Vertrag vereinbarten Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art.177: „[…] Einführung einer Wirtschaftspolitik, die […] dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist.“), womit sich die Verfassung auf neoliberale Wirtschaftspolitik festlege. Diese Wirtschaftspolitik und das Wirtschaftswachstum (I.3.(3)) erhielten so den Rang von Verfassungszielen. So stelle die EU-Verfassung einen ungezügelten Wettbewerb weit vor soziale Belange, Umweltschutz und Beschäftigungspolitik. Allerdings ist die Europäische Gemeinschaft seit jeher auf das Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten durch Wirtschaftspolitik aufgebaut; so handelt es sich bei Artikel 177 um die wortwörtliche Übernahme aus dem alten Vertragswerk.

Bestimmungen wie die Dienstleistungsrichtlinie und das Herkunftslandprinzip könnten ihre Legitimation aus der Verfassung herleiten und würden so einen beschleunigten Abwärtswettbewerb bei Löhnen, Sozialleistungen, Qualitätsstandards und Arbeitssicherheitsbestimmungen verursachen. Außerdem seien Unternehmen, die diese Standards einhalten, diesem Konkurrenzdruck nicht lange gewachsen, so dass der freie Markt Wettbewerbsverzerrungen verursache. Einheimische Arbeitskräfte bestimmter Länder könnten dabei aufgrund des höheren Preisniveaus bei den Niedriglöhnen nicht mithalten und es käme zu zusätzlicher Arbeitslosigkeit. Dies führe am Ende zur Einpendelung von Löhnen, Qualitäts- und Sozialstandards auf dem jeweils niedrigsten EU-Niveau.

Auch kritisiert wurde das Fehlen einer vergleichbaren Klausel zur Sozialpflichtigkeit von Eigentum, wie sie etwa im Grundgesetz enthalten ist (Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen., Artikel 14 Absatz 2). Verfassungsbefürworter sind der Ansicht, ein vergleichbarer Verfassungsauftrag ergäbe sich, wenn man Artikel II-77 Absatz 1 der EU-Verfassung und die in Artikel I-3 Absatz 3 formulierten sozialen Zielbestimmungen der EU gemeinsam betrachte.

Kritik liberaler Gruppen

Bei liberal orientierten Gruppen wird besonders auf die fehlenden Rechte des EU-Parlaments hingewiesen.

Der zweite Kritikpunkt aus liberaler Sicht ist, dass die bürgerlichen Grundrechte durch die EU-Verfassung teilweise eingeschränkt werden. So werden zwar Kinderrechte erwähnt, aber Kinder tauchen in der EU-Verfassung nur als zu schützende Gruppe (Objekte) auf. Politische Partizipation wird (Kindern und) Jugendlichen dagegen nicht zugestanden.

Einige Liberale kritisieren zudem, dass der Verfassungstext viel zu lang ist. Die sogenannte „Regelungswut“ wird abgelehnt. Eine Verfassung solle nur einen Rahmen liefern, nicht aber alles in kleinsten Einzelheiten regeln.

Die sozialen Forderungen schränken nach Meinung der Liberalen den „offenen Markt mit freiem Wettbewerb“ zu sehr ein.

Kritik konservativer und kirchlicher Gruppen

Von konservativer Seite wurde Kritik über den fehlenden Bezug zu den christlichen Wurzeln in dem Verfassungsentwurf laut. Diese Kritik wurde nicht nur vom Vatikan geäußert, sondern kam auch aus Polen und einigen mehrheitlich katholischen Regionen. Neben der römisch-katholischen Kirche hat auch der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Forderung nach einem Gottesbezug in der EU-Verfassung bekräftigt. Die EKD trete unverändert dafür ein, dass in den Vertrag „ein ausdrücklicher Bezug auf die Verantwortung vor Gott und auf die Bedeutung der jüdisch-christlichen Tradition aufgenommen wird“.[5] Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht allerdings keine Möglichkeit mehr, in die neue EU-Verfassung einen Gottesbezug aufzunehmen.

Zudem hinterfragen weiterhin konservative Euro-Skeptiker die Aufgabe nationalstaatlicher Souveränität und den Beitritt neuer Mitgliedsländer (z. B. Türkei), und befürchten den Verlust regionaler Tradition. Es wurde die von konservativen Kreisen kritisierte Charta der EU übernommen. Diese hat in Art. 15 das Recht auf Arbeit enthalten, was weiten Kreisen der CSU als Relikt an die Verfassung der DDR erschien.

Bekannte Kritiker

Prominente Kritiker der EU-Verfassung sind u. a. der Philosoph Jean Baudrillard, aber auch der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler, der Vorsitzende der Linksfraktion, Oskar Lafontaine, und der Präsident der Tschechischen Republik, Václav Klaus.

Kritik von Parteien und Verbänden

Die Linke sieht in der Verfassung eine Festschreibung des Neoliberalismus und der Aufrüstungsverpflichtung.

Der Verein Mehr Demokratie e.V. bemängelt den Ratifizierungsprozess als in Teilen undemokratisch und manipulierbar und kritisiert die Verfassung als mangelhaft im Bereich Gewaltenteilung, als Grundlage eines demokratiefreien Raumes im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik, und als Zementierung eines Großteils politischer Entscheidungen (Anhänge mit Verfassungsrang).

Hauptablehnungsgründe aus Sicht der nichtstaatlichen Organisation Attac sind Aufrüstungsverpflichtung, Neoliberalismus, die Ermöglichung von Auslandseinsätzen zur Durchsetzung (auch wirtschaftlicher) europäischer Interessen und mangelnde Verankerung demokratischer Grundsätze.

Zustandekommen und In-Kraft-Treten der Europäischen Verfassung

Der Europäische Konvent

Im Dezember 2001 beauftragten die Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten einen großen Konvent unter der Leitung des früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing mit der Ausarbeitung eines neuen Europavertrages. Der zweite Europäische Konvent („Verfassungskonvent“), der zwischen dem 28. Februar 2002 und dem 20. Juli 2003 einen Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa erarbeitete, bestand aus Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten, der zehn Beitrittsländer und -kandidaten (Rumänien, Bulgarien, Türkei) sowie Vertretern des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der nationalen Parlamente.

Die Regierungskonferenz

Vor der Annahme durch den ER durchläuft jeder Europavertrag, also auch die Verfassung, eine so genannte Regierungskonferenz. Anders als der Name suggeriert, ist das keine einzelne Konferenz, sondern eine monatelange Abfolge von Gesprächen, Treffen und Verhandlungen zwischen Beamten, Ministern und Regierungschefs.

Ratifizierung und Inkrafttreten

 
Saal, in dem die EU-Verfassung in Rom unterzeichnet wurde

Der Streit zwischen den Regierungen um das Stimmengewicht und die Machtverteilung im EU-Ministerrat hatte dazu geführt, dass die Verfassung nicht im Herbst 2003, sondern erst am 18. Juni 2004 vom Europäischen Rat in Brüssel verabschiedet wurde. Die Europäische Verfassung wurde daraufhin am 29. Oktober 2004 in Rom von den Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet. Jetzt steht die Ratifizierung durch alle EU-Mitgliedstaaten an, sei es durch einen Parlamentsbeschluss oder durch eine Volksabstimmung. Der Vertrag tritt erst nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten in Kraft.

In der Schlussakte ist festgelegt, dass der „Europäische Rat befasst wird, wenn nach Ablauf von zwei Jahren nach der Unterzeichnung (…) vier Fünftel der Mitgliedstaaten den genannten Vertrag ratifiziert haben und in einem Mitgliedstaat (…) Schwierigkeiten bei der Ratifikation aufgetreten sind“ (Titel VII, 30.).

Ratifizierung in Deutschland und Österreich

Die Ratifikation des Vertrages bedarf in Österreich und Deutschland einer qualifizierten Mehrheit beider Kammern des Parlaments bzw. des Bundestags und des Bundesrats.

Ratifizierung in Deutschland
Hauptartikel: Ratifikation des Vertrages über eine Verfassung für Europa in Deutschland

In Deutschland ist vermutlich eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat (Artikel 23 und 79 des Grundgesetzes) ausreichend. Über die Durchführung einer Volksabstimmung wurde zwar diskutiert (siehe Hauptartikel), sie ist jedoch im Grundgesetz, abgesehen von Art. 146 GG, dessen Anwendbarkeit auf die Ratifikation des Vertrags von den meisten namhaften Autoren abgelehnt wurde, nicht explizit vorgesehen und wurde deshalb nicht durchgeführt.

Vor der Abstimmung des Bundestags klagte der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (CSU) gegen den Vertrag. Am 28. April 2005 verwarf der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts seine Organklage und nahm ferner eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Damit haben sich nach Angaben des Gerichts zugleich auch die Anträge Gauweilers auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt. Das Gericht wies darauf hin, dass erst nach der Entscheidung von Bundestag und Bundesrat eine Klage zulässig sein könne.

Die Zustimmung des Bundestages erfolgte am 12. Mai 2005 mit 95,8 Prozent der abgegebenen Stimmen. 594 Abgeordnete gaben ihre Stimme ab, davon stimmten 569 mit Ja, 23 Mitglieder des Bundestages stimmten mit Nein, zwei enthielten sich.

Der Bundesrat stimmte am 27. Mai mit 66 von 69 Stimmen bei drei Enthaltungen (des von einer SPD/PDS-Koalition regierten Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern) für den Vertrag. Am selben Tag klagte der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler erneut gegen den Verfassungsvertrag (Organklage und Verfassungsbeschwerde). Verfahrensbevollmächtigter der Klage ist der Nürnberger Rechtsprofessor Karl Albrecht Schachtschneider, der bereits bei der Verfassungsklage zum Maastricht-Vertrag sowie bei der Euro-Klage federführend war. Zudem erhob Rechtsanwalt Mario Schmid aus Freiburg Verfassungsbeschwerde. Der Bundespräsident behält sich seine Unterzeichnung der Ratifikationsurkunde solange vor, bis das Bundesverfassungsgericht über die Klage Gauweilers und die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Schmid entschieden hat.

Angestoßen durch eine Beschwerdeschrift eines Studenten haben weitere 34 Bürger gegen den Verfassungsvertrag gemeinsam Verfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz erhoben. Die Verfassungsbeschwerde mit dem AZ 2 BvR 976/05 wird erst nach einer Entscheidung im Gauweiler-Verfahren behandelt (siehe Schreiben BVerfG auf der Homepage des Rechtsanwalts Mario Schmid).

Da der deutsche Bundespräsident Horst Köhler erklärt hat, er werde das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über eine Verfassung für Europa nicht ausfertigen, bis das Bundesverfassungsgericht über die anhängigen Verfassungsbeschwerden entschieden habe, womit zugleich die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde aufgeschoben ist, und das Bundesverfassungsgericht vorerst die Bearbeitung der Beschwerden aufgrund der "anhaltenden Diskussion über die Fortführung des Europäischen Verfassungsprozesses" eingestellt hat, kann keine völkerrechtliche Bindung Deutschlands eintreten.

Ratifizierung in Österreich

In Österreich beschloss der Nationalrat den Vertrag über eine Verfassung für Europa (851 d.B. XXII. GP) am 11. Mai 2005 mit überwältigender Mehrheit; eine Abgeordnete(Barbara Rosenkranz) der rechtsnationalen Freiheitlichen Partei FPÖ stimmte dagegen. Der Bundesrat entschied am 25. Mai 2005 ebenfalls positiv; drei der 62 Mitglieder, Vertreter der rechtsnationalen Parteien FPÖ und Bündnis Zukunft Österreich BZÖ, stimmten dagegen. Zuvor wurde im März 2005 das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa (789 d.B. XXII. GP), das eine rein parlamentarische Ratifizierung ohne Volksabstimmung festlegte, im Nationalrat und Bundesrat jeweils einstimmig beschlossen. Ein Gutachten von Univ.Prof. Theo Öhlinger, das mit gewichtigen Argumenten eine verpflichtende Volksabstimmung begründete und von mehreren renommierten Verfassungsrechtsprofessoren (Heinz Mayer, Heinrich Neisser, Stefan Hammer) geteilt wurde, wurde genauso ignoriert wie eine Bürgerinitiative für eine Volksabstimmung über die Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrags (21/BI XXII. GP)[6]. Hans-Peter Martin hat beim Verfassungsgerichtshof einen Individualantrag eingereicht.

Ratifizierung in den anderen Staaten der Europäischen Union

Das litauische Parlament hat am 11. November 2004 als erstes EU-Land mit 84 Ja-, vier Nein-Stimmen und drei Enthaltungen die EU-Verfassung angenommen. Dem folgten das ungarische Parlament am 20. Dezember 2004 sowie das slowenische Parlament am 1. Februar 2005.

Als erstes Land mit einem Referendum hat Spanien am 20. Februar 2005 mit 76,7 % für die EU-Verfassung gestimmt. Das Referendum war konsultativ (also nicht bindended) und die Wahlbeteiligung lag bei 42,3 %. Die anschließende Abstimmung im Kongress fand am 28. April 2005 statt. Der Senat stimmte am 18. Mai mit 225 zu 6 Stimmen und einer Enthaltung für die Annahme der Verfassung.

Als erstes EU-Gründungsmitglied hat Italien dem neuen Vertrag zur EU-Verfassung zugestimmt. Bereits am 25. Januar 2005 billigte das italienische Unterhaus die Verfassung. Am 6. April 2005 sprachen sich auch die römischen Senatoren mit 217 zu 16 Stimmen für den Vertrag aus.

In Griechenland hat das Parlament mit großer Mehrheit (268 Ja-, 17 Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen) am 19. April 2005 die EU-Verfassung ratifiziert.

Das slowakische Parlament ratifizierte ebenfalls mit großer Mehrheit (116 Ja-, 27 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen) am 11. Mai 2005 die EU-Verfassung.

In Belgien wurde am 11. März über die für ein Referendum nötige (nationale) Verfassungsänderung abgestimmt. Die nötige Zweidrittelmehrheit wurde dabei nicht erreicht. Der belgische Senat hat am 28. April der Europäischen Verfassung zugestimmt. Wegen der föderalen Struktur Belgiens ist aber auch die Zustimmung der regionalen und gemeinschaftlichen Parlamente notwendig. Mit der Entscheidung des flämischen Parlaments vom 8. Februar 2006 liegen die zustimmenden Voten nun vollständig vor.

Im französischen Referendum hat sich die Bevölkerung am 29. Mai 2005 eindeutig mit 54.7 % der abgegebenen Stimmen gegen den Verfassungsvertrag entschieden (Wahlbeteiligung: 69.3 %). Damit war Frankreich das erste EU-Land, das den Verfassungsvertrag ablehnte. Bereits im Jahre 1954 wurde die Europäische Verteidigungsgemeinschaft vom Parlament abgelehnt und die politische Integration Europas für Jahrzehnte auf Eis gelegt.

Die Niederlande haben am 1. Juni 2005 ebenfalls mit einer großen Mehrheit von 61,6 % den Verfassungsvertrag zurückgewiesen. Es handelte sich um die erste Volksbefragung in dem Land seit über hundert Jahren. Die Wahlbeteiligung lag bei 62,8 % und war somit sehr viel höher als vorher angenommen. Obwohl das Parlament rein rechtlich die Möglichkeit hätte, entgegen dem Resultat des Referendums zu entscheiden, deutete es bereits vorher an, sich an das Votum der Bürger zu halten, wenn die Wahlbeteiligung, wie geschehen, über 30 % läge.

Damit haben sich bis dato zwei EU-Länder (die zugleich auch Gründungsmitglieder der EU sind) plebiszitär bei einer hohen Wahlbeteiligung gegen eine EU-Verfassung ausgesprochen. Der Ratifizierungsprozess ist dadurch ins Stocken geraten.

Nach dem französischen und niederländischen Nein haben Lettland (2. Juni 2005), Zypern (30. Juni 2005), Malta (6. Juli 2005), Estland (9. Mai 2006) und Finnland (Juni 2006) sich im parlamentarischen Verfahren für die EU-Verfassung ausgesprochen, ebenso in Luxemburg mit 56,52 % der Stimmen die Bürger im Referendum am 10. Juli 2005. Dänemark, Großbritannien, Irland, Polen, Portugal, Schweden und Tschechien haben den Ratifizierungsprozess bis auf weiteres ausgesetzt.

Von diesen Ländern beabsichtigte Schweden die EU-Verfassung im parlamentarischen Wege zu ratifizieren, während Dänemark, Irland, Portugal und Großbritannien Referenden planten. In Polen und Tschechien war noch nicht entschieden, ob ein Referendum stattfinden sollte, es ist allerdings möglich.

Im Falle von Bulgarien und Rumänien ist der Verfassungsvertrag bereits Teil ihrer Beitrittsverträge und wird zugleich mit dem Beitritt ratifiziert.

Das französische Referendum und die Folgen

 
Non-Plakate (gegen die „Fahrtrichtung“ Europas)

Frankreichs Wähler haben in der Volksabstimmung vom 29. Mai 2005 den EU-Verfassungsvertrag mit einer Mehrheit von 54,7 Prozent abgelehnt. Durch dieses Votum ist der Ratifizierungsprozess effektiv gestoppt worden. In der Folge wurde die Verfassung auch in den Niederlanden abgelehnt, in sieben weiteren Staaten wurde der Ratifizierungsprozess daraufhin suspendiert.

Die bis Anfang Juni 2005 formulierten ersten Reaktionen und Beurteilungen in der Union reichten von Pessimismus über Beschwichtigung und die Suche nach Erklärungen bis zu größerem Optimismus als zuvor. Europäische Politiker befürchteten insbesondere eine institutionelle Blockade der europäischen Entscheidungsprozesse.

Reflexionsphase

Die Verträge sahen vor, dass vier Fünftel der Staaten (also 20) den Entwurf bis Ende 2006 ratifiziert haben. [7] Durch die Ablehnung der EU-Verfassung bei Volksabstimmungen in den EU-Gründungsmitgliedern Frankreich und Niederlande erlitt der Ratifikationsprozess einen schweren Rückschlag.

Mitte Juni 2005 schlug der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker in seiner Funktion als Präsident des Europäischen Rates vor, dass „die ursprünglich für den 1. November 2006 geplante Bestandsaufnahme zur Ratifizierung nicht mehr haltbar“ ist, „da jene Länder, die den Text nicht ratifiziert haben, nicht vor Mitte 2007 eine gute Antwort geben“ könnten. Hintergrund war, dass die Neuwahl des französischen Präsidenten im Mai 2007 abgewartet werden sollte. Aufgrund dessen sollte eine etwa einjährige Phase der Reflexion und Diskussion eingeleitet werden, in der den Mitgliedstaaten die Gelegenheit gegeben werden sollte, den Verfassungsvertrag nach umfassendem öffentlichem Diskurs ohne Zeitdruck zu ratifizieren oder dessen Ratifizierung aufzuschieben. Wie vorgeschlagen, beschloss der Europäische Rat im Juni 2005 eine einjährige „Denkpause“ und verlängerte den Ratifizierungsprozess bis Mitte 2007 (ursprünglicher Termin: 1. November 2006).

Im Januar 2006 schlug die österreichische EU-Präsidentschaft vor, den Ratifizierungsprozess wieder in Gang zu setzen, stieß damit aber auf massiven Widerspruch, insbesondere seitens Frankreichs, der Niederlande und Polens. Als Lösung aus der Krise wurde 2006 auch eine EU-weite Ratifikation des Vertrages per Volksreferendum ins Spiel gebracht, verknüpft mit den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009. Diese hätte die Bedeutung von Vetos durch nationale Referenden reduziert. Gegen diesen österreichischen Vorschlag kam aber u. a. aus Deutschland heftiger Widerstand. Auf dem Brüsseler Gipfel des Europäischen Rates am 15. und 16. Juni 2006 formulierten die Staats- und Regierungschefs als Arbeitsperspektive für die Lösung der Verfassungskrise einen Zeitpunkt Ende 2008 unter französischer Ratspräsidentschaft. Ein informell besprochener Zeitplan sah vor, dass unter der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 weitere Schritte zur Rettung des Vertragswerks unternommen werden sollten.

Zitate

  • Wenn wir den Verfassungsvertrag ablehnen, wird Europa ein KO-Schlag versetzt.“ (der damalige Regierungschef Frankreichs, Jean-Pierre Raffarin am 17. Mai 2005)
  • Das betrifft uns überhaupt nicht! Denn die EU hat ja schon entschieden, mit uns am 3. Oktober die Verhandlungen zu beginnen.“ (der türkische Außenminister Abdullah Gül auf die Frage, ob das französische Votum die Beitrittsverhandlungen der Türkei erschweren würde)
  • Meuterei im Gallierdorf! Asterix sagt nein. Das Volk gehorcht seinen Führern nicht mehr, der Häuptling Majestix auf seinem Schild befindet sich in Schieflage. Römer, Brüsseler und andere sind konsterniert und sagen: „Die spinnen, die Gallier!“ … Obelix denkt sich seinen Teil. Warum soll man denn überhaupt abstimmen, wenn man nur JA sagen darf? Die sind verrückt in Brüssel!“ (Neue Zürcher Zeitung, 30. Mai 2005)
  • “Europe has had a bad cold, but the people of Luxembourg had given it a nice cup of tea with a drop of honey, and the patient is now getting better.” (dt. "Europa hat eine schlimme Erkältung, aber das Luxemburgische Volk hat ihm eine Tasse Tee mit einem Schuss Honig verabreicht, und der Patient ist auf dem Weg der Besserung.) Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg, 11. Juli 2005

Vertrag von Lissabon statt Verfassungsvertrag

Beim EU-Gipfel am 15. Dezember 2006 skizzierte die deutsche Bundeskanzlerin und Ratspräsidentin Angela Merkel ihr europapolitisches Vorgehen für die erste Jahreshälfte 2007. Zunächst wurden in der am 25. März 2007 zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge verabschiedeten sogenannten Berliner Erklärung über grundlegende europäische Werte und politische Ziele der Europäischen Union auch Vorschläge zur Ausgestaltung der Verfassung und zum weiteren Verfahren im Verfassungsprozess aufgenommen.

Anhand der Positionen der Mitgliedsländer wurde daraufhin von der deutschen Ratspräsidentschaft erarbeitet, welche Inhalte des Verfassungsvertrages in ein erneuertes Vertragswerk übernommen werden sollten. Auf dieser Grundlage beschloss der Europäische Rat auf seiner Tagung am 21. und 22. Juni 2007 in Brüssel die Ausarbeitung eines Reformvertrags, mit dem die Substanz des Verfassungstextes in die bestehenden Grundlagenverträge (EUV und EGV) eingearbeitet werden sollte. Dieser Reformvertrag wurde von den Staats- und Regierungschefs der EU am 13. Dezember 2007 unterzeichnet und heißt daher inzwischen „Vertrag von Lissabon“. Er sollte nach seiner Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten am 1. Januar 2009 in Kraft treten und den bis dahin gültigen Vertrag von Nizza ersetzen.

Die Struktur des Reformvertrages bezweckte, Volksreferenden zu vermeiden und eine Ratifizierung durch die Parlamente der einzelnen Staaten zu ermöglichen. Diese erfolgte im österreichischen Nationalrat am 10. April 2008, im deutschen Bundestag am 24. April, im Bundesrat am 23. Mai 2008. In Irland, wo eine Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon verfassungsrechtlich vorgeschrieben war, scheiterte diese allerdings am 12. Juni 2008, sodass nun auch dieser Reformvertrag (vorerst) nicht in Kraft treten kann.

Ratifizierung des Verfassungsvertrags in den Mitgliedstaaten (Übersicht)

Land Ratifizierungsdatum Abstimmungsvariante Ergebnis
    Litauen 11. November 2004 Parlament ja
    Ungarn 20. Dezember 2004 Parlament ja
    Slowenien 1. Februar 2005 Parlament ja
    Italien 25. Januar 2005
6. April 2005
Abgeordnetenkammer
Senat
ja
ja
    Griechenland 19. April 2005 Parlament ja
    Slowakei 11. Mai 2005 Parlament ja
    Spanien 20. Februar 2005
28. April 2005
18. Mai 2005
konsultatives Referendum
Abgeordnetenhaus
Senat
ja
ja
ja
    Österreich 11. Mai 2005
25. Mai 2005
Nationalrat
Bundesrat
ja
ja
    Deutschland 12. Mai 2005
27. Mai 2005
noch kein BVerfG-Urteil
Bundestag
Bundesrat
Bundespräsident
ja
ja
offen
    Frankreich 29. Mai 2005
abgesagt
Referendum
Parlament (2 Kammern)
nein
-
    Niederlande 1. Juni 2005
abgesagt
konsultatives Referendum
Parlament (2 Kammern)
nein
    Lettland 2. Juni 2005 Parlament ja
    Zypern 30. Juni 2005 Parlament ja
    Malta 6. Juli 2005 Parlament ja
    Luxemburg 28. Juni 2005
10. Juli 2005
25. Oktober 2005
Parlament (erste Abstimmung)
konsultatives Referendum
Parlament (zweite Abstimmung)
ja
ja
ja
    Belgien 28. April 2005
19. Mai 2005
17. Juni 2005
20. Juni 2005
29. Juni 2005
19. Juli 2005
8. Februar 2006
Senat
Abgeordnetenkammer
Parlament der Region Brüssel-Hauptstadt
Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft
Parlament der Wallonischen Region
Parlament der Französischen Gemeinschaft
Flämisches Parlament
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
    Estland 9. Mai 2006 Parlament ja
    Finnland 5. Dezember 2006 Parlament ja
    Bulgarien 1. Januar 2007 war Teil der Verhandlungen zum EU-Beitritt ja
    Rumänien 1. Januar 2007 war Teil der Verhandlungen zum EU-Beitritt ja
    Dänemark abgesagt Referendum
    Irland abgesagt Referendum
Parlament
    Polen abgesagt Referendum
    Portugal abgesagt Referendum, nach einer Verfassungsänderung
    Schweden abgesagt Parlament
    Tschechien abgesagt wahrscheinliches Referendum
    Vereinigtes Königreich abgesagt konsultatives Referendum
Parlament (2 Kammern)

Literatur

  • Klaus Beckmann, Jürgen Dieringer, Ulrich Hufeld (Hrsg.): Eine Verfassung für Europa. Mohr Siebeck, 2. Auflage, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148542-4
  • Carsten Berg, Georg Kristian Kampfer (Hrsg.): Verfassung für Europa. Der Taschenkommentar für Bürgerinnen und Bürger. W. Bertelsmann, Bielefeld 2004, ISBN 3-7639-3210-0; 2. Aufl. 2005, ISBN 3-7639-3371-9
  • Daniel Göler: Die neue europäische Verfassungsdebatte. Entwicklungsstand und Optionen für den Konvent, Europa Union Verlag, Bonn 2002, ISBN 3-7713-0613-2
  • Marcus Höreth, Cordula Janowski, Ludger Kühnhardt (Hrsg.): Die europäische Verfassung. Analyse und Bewertung ihrer Strukturentscheidungen (Schriften des Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Bd. 65), Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1077-8
  • Kolja Naumann, Eine religiöse Referenz in einem Europäischen Verfassungsvertrag, Tübingen 2008, ISBN 978-3-16-149704-9
  • Carolin Rüger: Aus der Traum? Der lange Weg zur EU-Verfassung. Tectum Verlag, Marburg 2006, ISBN 3-8288-8966-2
  • Jürgen Schwarze (Hrsg.): Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents: Verfassungsrechtliche Grundstrukturen und wirtschaftsverfassungsrechtliche Konzepte, Nomos, Baden-Baden 2004, ISBN 3-8329-0685-1
  • Werner Weidenfeld (Hrsg.): Die Europäische Verfassung in der Analyse. Bertelsmann, Gütersloh 2005, ISBN 3-89204-727-8
  • Daniel Thym: Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht. Nomos, Baden-Baden 2004, ISBN 3-8329-0511-1 online-Version Enthält eine mfassende Beschreibung der verstärkten Zusammenarbeit.
  • Manfred Zuleeg/Marjolaine Savat/Jean-Philippe Derosier (Hrsg): Eine Verfassung für Europa mit 25 Mitgliedstaaten: Vielfalt und Einheit zugleich, Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1519-2
  • René Thalmair: „Das Menschenbild des homo europaeus. Menschenbildaspekte im Vertrag über eine Verfassung für Europa“, Peter-Lang-Verlag Frankfurt a. M. 2007, ISBN 978-3-631-55731-0
  • Christoph Vedder / Wolff Heintschel von Heinegg (Hrsg.): Europäischer Verfassungsvertrag. Handkommentar. Nomos, Baden-Baden 2007, ISBN 978-3-8329-1090-7

Siehe auch

Offizielle Links
Verfassungsklage und Verfassungsbeschwerde gegen den Verfassungsvertrag
Politische und gesellschaftliche Organisationen
Sonstige Links

Quellen

  1. Verfassung für Europa. Taschenkommentar für Bürgerinnen und Bürger
  2. Die Europäische Verfassung verstehen
  3. [1]
  4. „Gespenstische Wanderung.“ Interview mit Jean-Claude Juncker (Der Spiegel, 16.6.2003)
  5. Deutschland: Kirchen erinnern an Gottesbezug in EU-Verfassung, Radio Vatikan vom 29. Dezember 2006
  6. Presseaussendung der Werkstatt Frieden & Solidarität, 21. Februar 2005
  7. Ratifizierung in den Mitgliedstaaten

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